03. Gescheiterte Vernehmung
Nachdem ich eine ausgiebige Runde Gassi gegangen war, machte ich mich auf den Weg zum Revier. Dieser war durchaus nervenzerreißend, denn ich grübelte bereits seitdem er aufgestanden war. Wenn das den ganzen Tag so weitergehen sollte, würde ich definitiv mehr als nur ein paar Aspirin brauchen.
Meine Arbeitskollegen begrüßten ich und zollten dabei entsprechend Respekt. Für mich war es bereits zur Routine geworden, doch auch wenn einer vergessen würde, mich zu grüßen, dann würde es mir nicht einmal auffallen.
"Morgen, Stanley. Konntest du schlafen?", drang eine angenehme Stimme an meine rechte Seite, nachdem ich an meinem Schreibtisch Platz genommen hatte.
Ich musste nicht aufsehen, um zu wissen, wer mit mir sprach.
"Oh, wie ein Murmeltier, Ryan."
"Da schwingt aber ziemlich viel Ironie in deiner Stimme mit."
"Hm", gab ich bloß von mir.
"Naja", sprach Ryan weiter und stellte mir anschließend eine heiße Tasse Kaffee neben die Tastatur. "Sobald das Verhörungsgespräch stattfindet, sage ich dir Bescheid. Bis später."
Er schloss die Tür leise hinter sich und ließ mich nachdenklich zurück. Ich nahm den frischen Kaffee und führte ihn zu meinen Lippen. Bevor ich einen kleinen Schluck trank, pustete ich vorsichtig und schaltete den Computer an.
Ich hatte noch genügend Zeit, um mir genügend Informationen zusammen zu suchen und bereitete mich für die Vernehmung vor, bis es schließlich an meiner Tür klopfte.
"Herein."
Ryan trat ein und ließ den schweigenden Blick über meinen chaotischen Schreibtisch wandern.
"Geht es los?", wollte ich ungeduldig wissen.
"Nein, es wäre mal Zeit für eine Pause. Du sitzt nun schon drei Stunden vor diesem Gerät. Irgendwann werden deine Augen noch viereckig. Und bevor du diese jetzt verdrehst- ich weiß, dass das bloß ein Sprichwort ist."
Er hielt mir symbolisch die Tür auf und machte mir damit deutlich, dass er kein Nein akzeptieren würde.
"Komm. Nachher hast du vielleicht keine Chance mehr."
"Na gut", stöhnte ich ergeben, nachdem ich den PC in den Stand-By Modus versetzt hatte und mich von meinem Platz erhob. Als ich ihm nach draußen folgte, holte mich die Vergangenheit wieder ein.
* * *
"Stanley, Ryan, schwingt eure Ärsche in mein Büro, bevor ich euch beide mit meinen bloßen Händen hierher ziehe!"
R
yan's Lippen verzogen sich zu einem verschmitzten Grinsen, während ich bloß verächtlich schnauben konnte. Wir saßen uns damals noch gegenüber doch nach meiner Beförderung hatte ich ein eigenes Büro erhalten.
"Kommen Sie rein und schließen Sie die Tür", sprach unser Boss, der sich in seinem Bürostuhl aufrichtete. "Einer unserer alten Fälle wurde wieder aufgerollt; Menschenhandel und minderjährige Prostitution."
"Bitte sagen Sie mir nicht, dass es-", fing Ryan nervös an.
"Doch, es handelt sich um Alastair."
"Wer ist dieser Alastair überhaupt?" fragte ich ungeduldig, für den dieser Fall völlig neu war.
"Wir denken, dass dies sein Alias ist, es gibt keinen richtigen Namen. Weißer Mann, Ende vierzig, hat wohl einen polnischen Akzent, leitete früher mehrere Bordells. Es ist bekannt, dass er sowohl Männer als auch Frauen und Kinder verkauft, der jüngste, der gefunden wurde, war nicht älter als zwölf. Er ist ein gottverdammtes Arschloch. Und wir konnten ihn nicht fassen!" Unser Boss schlug mit den Fäusten auf den Tisch, sodass Ryan zusammenzuckte. Der Captain war bekannt für sein unbändiges Temperament.
"Weil wir ihn nicht finden konnten", ergänzte Ryan, "es gibt - oder gab - keine bekannte Adresse, kein Haus, in dem die Aktivitäten stattfanden, nichts. Irgendwann kamen wir ihm zu nahe und er verschwand komplett von der Bildfläche."
"Und jetzt scheint er wieder aufgetaucht zu sein?"
Ryan rieb sich die Schläfen und ließ den Kopf schwer nach vorne hängen. An dessen Verhalten konnte ich bereits erkennen, dass wir diesen Fall nicht genießen würden.
"Also, wo fangen wir an?"
* * *
Die Mittagspause war ruhig. Im Pausenraum hatten sich kleine Gruppen gesammelt, die über verschiedenste aktuelle Fälle redeten.
Doch ich mir war nicht nach Reden zumute. Das wussten die anderen auch, also ließen sie mich meist alleine, wenn es kein dringendes Anliegen gab. Zum Glück ließ mich Alec auch in Ruhe.
Bis zur Vernehmung vergingen noch zwei Stunden, als mich Ryan endlich aus dem Büro holte. Samt meiner Unterlagen und meiner Dienstwaffe betrat ich den Raum, in dem der Mann von gestern an einem Tisch saß. An diesem waren dessen Hände wieder per Handschellen befestigt.
Langsam nahm ich gegenüber von ihm Platz.
"Alle Angaben werden protokolliert. Sie haben das Recht, einen Anwalt hinzuzuziehen. Und Sie haben das Recht zu schweigen. Unkooperatives Verhalten würde die Vernehmung aber nur in die Länge ziehen", begann ich mit den Formalitäten, "es liegen bereits einige Straftaten vor und Sie sind auf Bewährung. Sie würden sich bloß selbst Steine in den Weg legen, dessen sind Sie sich doch bewusst, oder?"
Der Mann von mittlerer Statur mit düsteren Augen und einem grauen Bart, lehnte sich leicht zurück und fixierte mich mit einem stechenden Blick.
"Sie sind Teil einer wichtigen Ermittlung. Dementsprechend sind Sie Zeuge, vermutlich sogar Mittäter. Also sind Sie dazu verpflichtet, auszusagen", redete ich unbeeindruckt weiter.
Es schien, als würde ich stundenlang gegen eine Mauer reden. Auch wenn es in Wirklichkeit bloß zwanzig Minuten waren, bis der Mann endlich seinen Mund öffnete. Doch die Antwort, die aus diesem herauskam, gefiel mir so gar nicht.
"Von mir erfahren Sie rein gar nichts!"
Ich hatte damit gerechnet. Dennoch war mir die Wut deutlich in das Gesicht geschrieben.
"Viel Spaß im Gefängnis", knurrte ich, nachdem ich die Arme gehoben und meine Fäuste mit voller Wucht auf die eiserne Tischplatte geschlagen hatte. Viel lieber hätte ich den Kopf dieses Mannes auf den Tisch geknallt.
Dann verließ ich den Raum und ließ den Protokollanten und einen anderen Police Officer erschrocken zurück.
Sie hatten heute nichts erreicht. Ich hatte nichts erreicht.
Kopfschüttelnd stampfte ich den Flur entlang, in Richtung meines Büros, in dem ich meine Tasche schnappte. Ich hatte ohnehin schon längst Feierabend.
Auf dem Weg zu meinem Wagen wurde mir eine Sache klar: ich würde das Ganze selbst in die Hand nehmen.
Auch wenn dies bedeutete, dass ich dafür undercover gehen musste. Und wo würde ich sonst sofort an Informationen herankommen, wenn nicht im Rotlichtviertel?
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