6. Kapitel | The Lord Of The Dings

Keine Ahnung, wie lange Tuco in der Küche brauchte, aber ich war noch voll und ganz von der Dokumentation über Orcas in den Bann gezogen.

Meeresbiologie wäre meine zweite Wahl gewesen, aber als ich las, dass man in diesem Bereich eher feuchte Händedrücke, als Gehalt verdiente, entschied ich mich für das komplexere Medizinstudium- und bereute nichts.

Wieder wurde die Szene der zwei Orcas eingeblendet, die sich miteinander paarten, und auch Jesse blickte auf den Fernseher. »Heilige Scheiße«, kommentierte er bei der Größe des männlichen Orca-Sexualorgans.

Ich schnaubte belustigt und wollte gerade etwas erwidern, da rief uns Tuco zu, dass wir essen kommen sollten. Ich stellte mich als erstes auf und ging zum Esstisch, an dem vier Stühle standen. Zwei auf der einen Seite und einer jeweils zum Anfang und zum Ende, während auf der anderen kein einziger Stuhl stand.

Jesse und Mr. White nahmen an der Seite mit den zwei Stühlen Platz, während ich mich ans Ende hinsetzte und auf die fünf Teller mit den belegten Tacos blickte.

Ich liebte Tacos und mein knurrender und schmerzender Magen machte sich lauthals bemerkbar.

Als Tuco seinen Onkel an den Tisch holte und wir nicht in seinem Blickwinkel waren, nutzte Mr. White die Chance und verteilte etwas dieser merkwürdigen gemischten Substanz auf Tucos Taco.

Hoffentlich klappte dies, sonst würde ich Mr. White und auch Jesse den Kopf abreißen.

Mr. White richtete den Taco wieder so an, als hätte ihn niemand angefasst und lässt die Tüte in seiner Jackentasche verschwinden. Mein Blick war derweil auf Jesse gerichtet, der nervös neben mir saß und kurz davor war über den Tisch zu kotzen.

»Es wird alles gut«, flüsterte ich ihm aufmunternd rüber, während mein Gehirn schon einen Notfallplan erarbeitete- für den Fall der Fälle, dass das hier in die Hose ging.

Tio wurde an den Tisch geschoben und Tuco zog die Handbremse an. Gleichzeitig lobte uns der Typ mit den Schweinsaugen, dass wir Anstand besaßen und noch nicht einmal das Essen angerührt hatten.

Mein Magen zog sich schmerzhaft zusammen, als Tuco neben mir stehen blieb und mir durch das mit Knoten und Sand versehene Haar strich. »Ich habe dir den größten Taco überlassen. Es gehört sich in meiner Familie die Frauen in allen Dingen zu verwöhnen.«

Seine schwitzigen Wurstfinger fuhren über meine Wange und ich spannte mich an. Vor Wut, vor Frust, vor allen negativen Gedanken in meinem Kopf. Ich konnte es beim besten Willen nicht leiden, wenn mich ein Mann ungefragt anfasste und reagierte normalerweise mit einer Ohrfeige- mindestens.

Immerhin blieb mir Tucos Hackfresse erspart, die ich in der Situation gar nicht gebrauchen konnte.

Mr. White und Jesse wandten sich dem Geschehen zu und ich merkte, vielleicht bildete ich mir das ein, wie Jesse ungeduldig mit dem Hintern auf dem ungemütlichen Stuhl hin und herrutschte.

Meine Hand zitterte und zuckte und ich war kurz davor Tucos Hand wegzuschlagen und ihm die Scheiße aus dem Hirn zu prügeln, aber ich hielt mich erfolgreich zurück. Vorerst.

Als er endlich seine langsam streichelnden Finger von meiner Wange nahm, bemerkte er auf Spanisch, dass sich meine Haut zart und weich anfühlte und fragte sich, ob mein restlicher Körper sich genauso anfühlen würde.

»Er platzt gleich vor Eifersucht!«, tönte Tuco lauthals lachend herum und zeigte mit der Wurst von Zeigefinger auf Jesse. Meine Augen richteten sich auf Jesse und ich sah, wie er die Lippen zusammenpresste und die Kiefermuskeln sich anspannten und zuckten. Er funkelte Tuco wütend an.

Ich atmete innerlich voller Erleichterung aus, und wischte mir kurz über die Wange. Das unangenehme Gefühl, als würden seine Finger noch immer auf meiner Wange liegen, wollte einfach nicht weichen.

Noch immer lauthals lachend, setzte sich Tuco an dem Platz mit dem vergifteten Taco. »Verständlich, du kleine Packung Weißbrot, verständlich. Wäre sie...« Er deutete grinsend auf mich, um sich dann wieder Jesse zuzuwenden. Jesse blickte Tuco an. »...die Frau an meiner Seite, man, ich würde jeden Typen umlegen, der ihr auch nur eine Sekunde nachglotzt.« Wieder blickte er zu mir. »Und ich sage dir, mi hermosa, wir beide würden niemals aus dem Bett kommen. Ich bin leidenschaftlich. Sehr sogar. Und experimentierfreudig.«

Jesse sagte das, was ich mir dachte. »Ich kotze gleich«, brummte er.

»Ich bitte dich, du kleine Packung Weißbrot, wir essen. Reiß dich gefälligst zusammen, oder ich zertrümmere dir deinen Schädel!« Tuco sprach erst ruhig und besonnen zu Jesse, eher er ihn lauthals und wütend anbrüllte.

Ja, sehr leidenschaftlich der Kerl.

Alles schien bis hier hin normal zu verlaufen, wir waren kurz davor uns dem Essen zuzuwenden und der Gierlappen von Tuco griff ungeduldig nach seinem Taco, sein Mund öffnete sich, und gerade als er den ersten Bissen machen wollte... Ding!

Ich starrte zu Tio, sein Zeigefinger schwebte heftig zitternd über der goldenen Klingel, als wollte er jede Sekunde wieder klingeln. Unbeeindruckt fuhr Tuco sich den Taco wieder in Richtung Mund. Tio drückte kraftvoll den Zeigefinger auf die Klingel.

Ding!

Tuco hielt inne und legte genervt seinen Taco auf dem Teller ab. »Verflucht, Tio. Was los, alter Mann? Du weißt doch. Zuerst esse ich und dann du!«

Welch ein egoistisches Schwein Tuco doch war.

Aber Tio ignorierte das und tippte immer weiter auf die Klingel. Ding, ding, ding, ding, ding... starrte dabei auf Tucos Teller mit dem beladenen Taco mit einer Geheimzutat.

Tuco atmete genervt aus. »Du verfressenes Schwein willst also mein Essen haben?«, fragte Tuco spöttisch. Ich hätte damit gerechnet, dass er den alten Tio sein Taco nicht geben würde, aber ich wurde eines besseren belehrt. Er tauschte die Teller unter dem entsetzten Blicken von Jesse und Mr. White aus.

Scheiße. Das verläuft absolut nicht nach Plan. Ganz und gar nicht. Tuco biss von Onkel Tios Taco ab und warf mir einen Blick zu, da ich mich bewegte und kurzerhand Tios und mein Teller austauschen wollte. »Mein Taco ist noch größer«, kommentierte ich, schob meinen Teller zu Tio rüber, aber irgendwie, gelang es dem alten Mann, ausgerechnet den Teller vom Tisch zu pfeffern, der für Tuco bestimmt war.

Scheiße!

Tuco redete sich in Rage, stand auf, schob Jesses nicht angerührten Taco zu mir und setzte sich wieder auf seinen Platz.

Aber ich stand unter dem strengen Blick von Tuco auf, ging mit meinem Teller in die Küche, um den Taco durch zwei zu teilen. Ich hatte wirklich ziemlichen Hunger und mir war klar, dass es Jesse mindestens genauso gehen musste.

Das würde wohl heißen: Zeit für Plan B.

Ich hielt das große Fleischmesser in der Hand, mit dem ich gerade noch den Taco durch zwei geteilt hatte, da bemerkte ich, dass Tuco hinter mir stand und mir über die Schulter blickte. »Was genau gefällt dir an diesem kleinen Weißbrot?«, fragte Tuco mich.

Wir waren weit genug von den anderen weg, sodass sie das Gespräch nicht mitbekamen und der Gedanke, Tuco mit dem echt scharfen Messer die Kehle durchzuschneiden, wurde immer stärker.

»Sein Schwanz hat doch bestimmt die Breite einer Bockwurst, oder?«

Er rückte mir so nah an die Pelle, dass zwischen uns nicht mal ein Blatt Papier Platz hätte. Dann strich er mir die Haare über die Schulter und legte meinen nackten Hals frei- seine Wurstfinger glitten über meine Haut, während sich die andere Hand um meine Hüfte legte.

Tuco griff sich in meiner Seite fest und zog mich mit einem Ruck zu mir, drückte schweratmend seine Hüfte gegen meine rechte Pobacke. »Du riechst trotz der Umstände noch immer gut.«

Mein Magen, der sich bereits umgedreht hatte, drehte sich noch weiter um, dass Messer in meiner Hand, wurde immer schwerer und das Verlangen Tuco auszuschalten, brodelte über wie das Nudelwasser, während Onkel Jimmy seine katastrophalen Kochkünste auslebte.

Bevor der notgeile und geblendete Tuco, dessen Hand, mittlerweile von meiner Hüfte, auf meiner anderen Pobacke gewandert war, mir ins Ohr hauchte: »Ich zeige dir das Schlafzimmer«, umgriff ich den Messergriff immer mehr und setzte meinem Plan B in die Tat um.

Tuco hatte keine Chance, da ich für ihn viel zu schnell war, bevor er reagieren konnte. Er hatte sich zwar vor schmerzend schreiend, die Pistole aus dem hinteren Hosenbund gezogen, diese schlug ich ihn aber aus der Hand.

Ding!

Die Klingel ertönte.

Trotzdem löste sich ein Schuss, die Patrone zischte an mir vorbei und knallte in die hinter mir liegende Wand. Während die Pistole auf das alte Waschbecken flog, zog ich das Messer aus dem Bauch des langsam zu Boden gehenden Tuco heraus.

Ding! Ding! Ding!

Blut spritzte mir entgegen, als ich die lange Klinge herauszog, abermals ausholte und diese mit den spanischen Worten: »Machs gut, du ekelhafter Peversling«, in seiner Brust versenkte - genau da, wo das Herz schlug.

Ding! Ding! Ding! Ding!

Effektiv, das war es, es dauerte aber, bis diese Verletzung seinen Tribut zog. Tuco kämpfte dagegen an, dass zeitliche zu segnen, spuckte Blut, weil ich mit der langen Klinge, die noch immer in seiner Brust steckte, vermutlich auch den linken Lungenflügel getroffen hatte und deshalb das Blut in seine Atemwege gelangte.

Ob er letztlich am starken Blutverlust starb, oder an seinem eigenen Blut erstickte, konnte ich nicht beantworten. Sicher war, er war tot und wir frei und selbst Onkel Tio, der jetzt allein war, tat mir kein bisschen leid.

Ding! Ding! Ding! Ding! Ding! Ding! Ding!

Denn ich wusste, dass hinter Onkel Tio ein grauenvoller und eiskalter Mann steckte, dem ich als kleines Mädchen schon einmal begegnet war.

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