4. Kapitel | Mein toller erster Tag
Onkel Jimmys Haus lag, wie soll man das von einem durchschnittlich-guten Anwalt erwarten, in einem fast guten Stadtteil von Albuquerque, in dem ein Haus fast den anderen glich, in einer Einbahnstraße. Große Garage, mit großer Einfahrt, Vorgarten und so weiter.
Ich hielt mit Onkel Jimmys älteren, aber ansehnlichen BMW vor der verschlossenen Garage und stieg aus.
Wieder nahm ich wahr, dass sich hier nichts verändert hat. Nur die Lermans, die ein Haus weiter wohnten, besaßen einen neueren Geländewagen, der provokativ zur Veranschaulichung ihres hohen Einkommens, in der Einfahrt stand.
Sonst standen die typischen Autos, oder der ein oder andere Wohnwagen in den fast gleichen Auffahrten zu den fast gleichen Häusern.
Alle Häuser in dieser Straße und in diesem Viertel sind in diesem Pueblo Revival Stil gehalten: Flachdächrige Häuser mit erdfarbigen Stuckwänden, abgerundeten Kanten und stufenförmig angeordneten Geschossen. Der Pueblo Revival Stil war ein regionaler Baustil im Südwesten der Vereinigten Staaten. Ganz im Glanze der indianischen Lehmhäuser der Pueblos, aber heutzutage benutzte man Ziegel und Beton zum Bau der Häuser.
Eigentlich waren das ziemlich coole Häuser, die ich aber nicht mehr sehen konnte, weshalb es mich damals nach Chicago verschlug. Vom widerlichen Wetter in Albuquerque fing ich gar nicht erst an. Nur so viel: Schnee war hier eher ein Synonym für das Zeug, was sich der ein oder andere gerne durch die Nase zog. In Chicago war es normal weiße Weihnachten zu verbringen.
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Nicht mal eine Stunde nach meiner Ankunft und nachdem ich mein Zimmer bezogen hatte, saß ich in der scheißgeilen Badewanne im Hauptbadezimmer des Hauses und genoß die Ruhe.
Das Haus besaß drei Schlafzimmer, ein Hauptbadezimmer und ein kleines für Gäste. Dann Küche, Wohnzimmer, Speisekammer, Esszimmer. Das Highlight war, nach all den Jahren, der riesige Balkon mit der wahnsinnigen Aussicht auf das Tal und den Sandia Mountains.
Die Sicht hatte man auch vom Wohn-Esszimmer-Küchenbereich, weil man nur von dort auf den großen Balkon gehen konnte, aber, ich weiß nicht, direkt auf dem Balkon war eben anders, als sein Gesicht an der Scheibe platt zudrücken.
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Nach meinem wohlverdienten Bad, natürlich ohne Joint, stieg ich fertig angezogen in den BMW, fuhr wie erwartet zurück zur Kanzlei meines Onkels und dort saß ich den Rest des Tages mal im Büro und mal im Wartebereich.
Onkel Jimmy erwähnte irgendwas mit einem halben Arbeitstag und das er für mich früher Schluss machen würde, aber daraus wurde natürlich nichts.
Letztlich musste Jimmy ein Hausbesuch bei einem Mandanten durchführen. »Ich werde dafür sorgen, dass du sicher nach Hause kommst«, sagte er zuversichtlich, als er vor mir stand und mich entschuldigend anblickte.
Der letzte Termin war gerade erst zu Tür raus, Francesca verriegelte die Tür und nahm wieder hinter dem Empfangstresen platz, während ich wie ein Schluck Wasser in der Kurve, auf den ungemütlichen Sitzplätzen lungerte. »Ich kann mir auch 'nen Taxi bestellen.«
»Nicht nötig.« Er atmet tief durch. »Pinkman ist bereits auf den Weg hierher.«
War jetzt nicht wahr, dass er schon wieder den armen Typen beauftragte, mich durch die Stadt zu kutschieren? Der hatte doch bestimmt besseres zu tun. Hatte er definitiv, als mich durch die Gegend zu fahren!
»Echt jetzt? Hat der arme Kerl nichts besseres zu tun, als mich durch die Stadt zu fahren, weil du das sagst?«
»Seda, der Typ ist mir einiges schuldig und das er mein Heiligtum von Nichte umherfahren darf, ist tatsächlich eine Kleinigkeit davon.«
Ich setzte mich belustigend schnaubend hin, als es mehrmals an der Tür klopfte und nickte zustimmend. »Wie lange braucht dein Treffen, damit ich uns was von Huanson bestellen kann?«
Francesca war genervt zu Tür geeilt, da weder Jimmy noch ich anstanden machten diese öffnen zu wollen. Im Ernst. Für was wird die ignorante Zicke sonst bezahlt? Außer mich dumm anmachen und anblicken und zwischendurch mal ein Anruf entgegennehmen, wenn sie sich nicht einen Hersheys-Riegel nach dem anderen reinstopfte, machte sie so gut wie nichts.
»Das wird dauern. Schwieriger Fall. Ich fahre nachher bei Huanson vorbei. Ich bringe was mit. Hähnchen Süßsauer mit Reis und extra viel Sauce?"
Ich grinste. »Glückskekse nicht vergessen.«
Mein blickt schweift zu Pinkman, der aufmerksam hineintrat und uns grüßte. »Glückwunsch. Du spielst schon wieder mein persönlicher Chauffeur«, rief ich und griff nach meiner Handtasche. Dann sprang ich auf. Pinkman wirkte viel klarer, sagte aber nichts. Nur ein kleines Nicken kam von ihm, während er sich nervös umblickte. Schweißperlen lagen auf seiner Stirn, was ich dem Wetter in die Schuhe schob.
»Ich bin soweit klar im Kopf und kann fahren«, erklärte er, als wir seinen Wagen ansteuerten. Diese Hitze war echt abartig.
»Das ist gut«, sagte ich und ließ mich auf dem Beifahrersitz fallen. »Ich sag' dir wo ich hin muss.«
Schweigend saßen wir nebeneinander und ich dachte die ganze Fahrt bis nach Hause darüber nach, wie ich Jesse zu einem Joint überreden könnte. Er war müde, dass sah ich ihn an, als ich ihn musterte, also ließ ich es bleiben und schwieg ebenfalls.
Dann eben wann anders.
»Danke. Ich hoffe, dass ist das letzte mal, dass du mich fahren musst.« Jesse hielt direkt vor der leeren Auffahrt und blickte mich verwirrt an. »Hä?«, kam nur von ihm.
»Ich kann mir vorstellen, dass du was Besseres zu tun hast, als Chauffeur zu spielen.« Ich musterte sein Milchbubigesicht wieder. Gut sah er ja aus. Aber er war wirklich hundemüde.
Seine blauen Augen klebten an meinem fest. »Es geht«, meinte er. »Kam nur gerade von der Arbeit und bin ziemlich kaputt.«
Verständlich. »Das sehe ich. Jimmy meinte ihr seid Geschäftspartner.«
Er fühlte sich plötzlich ertappt und riss erschrocken die Augen auf. »Sagte er das?«
»Stimmt das nicht?«, stellte ich irritiert die Gegenfrage.
»D-doch. Stimmt. Irgendwie. Er hilft mir und meinem Partner.« Jesse verzog das Gesicht, als hätte er mir gegenüber wieder viel zu viel erzählt.
Ich roch den Braten. Im Ernst. Ich roch wirklich etwas. Etwas, das nach Chemikalien roch- aus der Richtung von Jesse und auch ich führte ein Zweitleben, konnte Eins-und-Eins zusammenzählen.
»Falls dich mal ein Bulle befragen sollte, bleib locker und erzähl nicht zu viel. Außerdem solltest du nach der Arbeit duschen. Du riechst, als wohnst du in einem Methlabor. Auffälliger geht's ja wohl nicht, hm.«
»W-was?«
»Hast du einen Schlaganfall, oder so?«, wollte ich wissen, als ich ins starre Gesicht vom Jesse blickte. Ich bekam keine Antwort. »Ich weiß, was mein Onkel nebenberuflich fabriziert.«
Nämlich, dass er Geschäftspartner einiger dubioser Firmen war, um extra Kohle zu verdienen, dass er den einen oder anderen Gangster für extra Casheinnahmen warmhielt und unterstütze. Das illegale natürlich Steuerfrei. »Ich habe selber Kontakte und so bin ich dahinter gekommen. Nur weiß Onkel Jimmy nichts davon- das ich alles weiß. Also... Meth, hm?«
»Keine Ahnung, wovon du redest, yo«, sagte Jesse schnell, aber leise. Sein Gesicht sprach Bände. Ich hatte voll ins Schwarze getroffen. Selbst als ihn einige Schweißperlen über die Stirn kullerten.
»Wenn du meinst.« Ich schnallte mich ab und griff nach meiner Handtasche aus dem Fußraum. »Wir sehen uns bestimmt noch mal. Danke fürs fahren.«
Meine Hand schnellte hervor und ich schob dem noch immer nervösen Jesse den offen stehenden Mund zu, ehe ich seine Wange tätschelte. Seine Haut war warm und schwitzig. Dann stieg ich aus, wischte mir die Hand an der Hose ab und verschwand im Haus.
🧪🧪🧪
Als ich nicht mal eine Minute später meine Schuhe in der Garderobe ausziehen wollte und aus dem kleinen Fenster blickte, sah ich, dass der rote Monte Carlo, noch immer vor der Auffahrt stand.
Vielleicht kann er einen Joint und meine weibliche Nähe, nach dem harten Tag den er hatte, wirklich gebrauchen.
Ich schlüpfte zurück in den halb ausgezogenen Schuh und ging, mit dem Haustürschlüssel in der Hand nach draußen.
Der blubbernde Motor lief noch immer und Jesse saß wie erwartet hinterm Steuer. »Wenn du nichts vor hast, kannst du mir noch Gesellschaft leisten. Schon mal das gute Zeug aus Chicago probiert?«
Ich stand neben dem Auto, dem Oberkörper nach vorne gelehnt, um zu ihm zu blicken.
Das Fenster war zwar ganz auf, aber ich verzichtete mich lockerflockig ins Auto hineinzulehnen.
Doch ich bekam keine Antwort vom Jesse. Das einzige was er tat, war mir einen panischen Gesichtsausdruck zu zuwerfen. Er zitterte, als hätte er ziemliche Angst. Die Schweißperlen haben sich vervielfacht.
Ja, ich musste kein Profi sein, um zu merken, dass hier etwas nicht mit rechten Dingen vor sich ging. Da brauchte es auch nicht den auf mich gezielten Lauf einer Waffe und den komischen Typen mit den irren Augen auf der Rückbank, der mir mit gefletschten Zähnen drohte, einzusteigen.
Und das am helllichten Tag in einer familienfreundlichen Wohngegend.
Na super.
Das würde der Kerl noch bereuen. Nur nicht hier und nicht jetzt. Ich ließ meine Schlüssel leise auf den Boden fallen, und öffnete die Beifahrertür. Vorsichtig stieg ich ein und zog die Tür wieder zu.
Sofort spürte ich den kalten, metallischen Lauf der Waffe in meinem Nacken. »Du weißt wohin, puto«, tönte der Mann bedrohlich zu Jesse. »Ein Fehler und deine Kleine ist tot!« Er entsicherte die Knarre und drückte mir diese noch weiter in den Nacken.
Der panische Jesse starrte mich an, während ich Mühe hatte ängstlich zu wirken. Es brachte auch nichts den Typen beizubringen, dass Jesse und ich uns erst seit heute kennen und ich nicht seine »Kleine« war. Also, ließ ich es bleiben.
Jesse fuhr los und nach einer gefühlt ewig langen Fahrt, kamen wir in einer anderen Wohngegend an- am anderen Ende der Stadt.
Dort wurde tatsächlich noch jemand einkassiert. Ein eigentlich unscheinbarer Familienvater, namens Mr. White. Jesse und er kannten sich irgendwoher. Aber wie ich vermutete, mussten die beiden wohl Geschäftspartner sein, die mit dem Irren Typen, der uns bedrohte, aneinander geraten sein.
Ich musste mich tatsächlich neben diesem sonderbaren und aufgedrehten Latino auf die Rückbank setzen, damit dieser White neben Jesse sitzen konnte. Immer wieder richtete der Typ namens Tuco die Waffe entweder auf Jesses Hinterkopf, auf Mr. Whites, oder mich.
Er wusste nicht wen er bedrohen sollte, weshalb er in fünf Sekundentakt seine Meinung änderte. Damit blieb mir ein Zeitfenster von fünf Sekunden, um die Überhand zu gewinnen und uns aus der misslichen Lage zu befreien.
Letztlich klebte mir der Lauf der Waffe an der Wange und Tuco legte den anderen Arm um meine Schulter. Der Typ roch nach Schweiß und Old Spice- und das machte ihn noch unsympathischer.
Die Tatsache, dass er mir eine Knarre an die Wange drückte, könnte ich ja gerade noch so verzeihen, aber Old Spice, das war sein Todesurteil. Definitiv.
Dieser unscheinbare und von Falten geprägte Glatzkopf vom Mr. White, redete die ganze Fahrt auf diesen Tuco ein. »Das Mädchen hat doch mit der Sache überhaupt nichts zu tun!«
Hatte ich wirklich nicht. Aber Tuco meinte, er hätte das Gespräch zwischen Jesse und mir mitbekommen, als ich herausfand, das er irgendwas mit Meth zu tun haben musste.
»Aber doch nicht damit!«, ruft Mr. White. »Davon weiß sie nichts. Sie und Jesse kennen sich schon eine Ewigkeit, beide nehmen das Zeug. Gemeinsam.«
Welch eine unglaubwürdige Lüge.
»Ist das wahr? Ihr habt zusammen Drogen genommen und du kennst den Grund für diese jetzige äußert bescheuerte Situation gar nicht, mi amor?«
Ich kotzte fast. »Nein.«
Sind die dumm? Durch das ganze Posaunen kenne ich doch die ganze Wahrheit. Ich hab's ihr echt mit einwandfreien Profis zu tun.
Er fluchte auf, ehe er eine Wuttirade über Lügen auf Spanisch los ließ. Ich verstand jedes einzelne Wort. Tuco glaubte uns nicht. Er sei sich sicher, dass er uns über Meth und Methlabore hat reden hören.
Und mir wurde klar, dass Tuco bereits im Auto war, als Jesse mich nach Hause fuhr. Wie konnte ich den nicht bemerken? Ich bemerkte Gefahren sonst eigentlich immer recht schnell.
Ich würde nicht behaupten, dass ich einen siebten Sinn besaß, aber mein Verstand und mein Bauchgefühl, haben mich schon einige Male aus brenzligen Situationen gerettet.
Dieser Wutanfall kochte sich noch weiter hoch und zwar soweit, dass Tuco komplett ausrastete, Jesse aufforderte irgendwo zu halten, wo es abgelegen war.
Ich war drauf und dran Tuco den Kopf abzuschlagen, weil ich dachte, er würde uns alle in seiner Wut töten wollen, aber letztlich verfrachtete Tuco uns drei in den Kofferraum von Jesses Wagen. Vorher kassierte er noch unsere Handys ein und zerstörte diese.
Noch ein Minuspunkt. Das Handy war neu.
Es war dunkel und eng, aber ich wusste, dass ich genau zwischen den zwei Männern lag. Mr. Whites Hintern drückte gegen meinem Hinterkopf, während meine Beine, irgendwie, über und unter Jesses Körper lagen, der in Embryohaltung neben mir kauerte.
Ich lag absolut unbequem, suchte nach einer besseren Position, um zusätzlich nicht mehr Mr. Whites Hintern am Hinterkopf zu spüren und trat dabei, versehentlich, Mr. White. »Meine Brille!«, fluchte er.
Hm. Anscheinend hatte ihn ihm die Brille von der Nase getreten, aber ich lag besser als vorher, da Jesse mich ein bisschen auf sich zog und sich an meinem T-Shirt festklammerte, damit ich nicht wieder runterrutschen konnte.
Jesse hatte Angst, so sehr zitterte er am ganzen Körper. Ich bettete meinen Kopf in seiner Halsbeuge und fluchte herum. »Können Sie damit aufhören Ihren Arsch an meinem Hinterkopf zu reiben, Sie alter Sack!«
»Ich habe Schuhe in meinem Gesicht. Einer von euch hat ranzige Käsefüße und das ist traurig genug, weil es durch das feste Schuhwerk geht!«, brüllt Mr. White herum. Meine waren es nicht.
»Ich kann meine Schuhe auch gleich ausziehen, yo!«, knurrt Jesse ebenfalls.
»Wag es nicht! Ich muss nur einmal furzen!«
»Wagen Sie es, Bitch, oder ich trete Ihnen ins Gesicht, Mr. White!«
»Ich töte euch beide, wenn ihr nicht die Klappe haltet!«, werfe ich lauthals ein. Immerhin herrschte Ruhe. Für einen kurzen Moment.
Aber als wir über unebenen Weg fuhren, und wir komplett durchgeschüttelt wurden,
ging der Bitchfight Pinkman vs. Mr. White in die zweite Runde. Wohlgemerkt nur kurz.
Ich boxte Mr. White zwar nicht dolle, aber mit Ansage mit den Ellenbogen in den Rücken und Jesse drehte ich gleichzeitig, treffsicher wohlgemerkt, die Brustwarze zwischen meinen Daumen und Zeigefinger um - auf den Einsatz von meinen Fingernägeln verzichtete ich netterweise.
Damit herrschte wieder Ruhe. Jesse entschuldigte sich sogar bei mir, ehe er sein Kinn auf meinem Kopf stützend ablegte. Seine Arme noch immer, um meinem Körper geschlungen, während ich weiter halb auf ihm lag, ein Bein um seine Hüfte gelegt, das andere noch immer unter ihm. Eine ziemlich merkwürdige Position, aber was blieb uns in dieser Situation anderes übrig?
***
Guten Morgen 🌞
Ich bedanke mich mal für die 500 Reads auf »Beautiful Chemistry« und die tolle Resonanz. 🫶 Ihr seid großartig!
Dia
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