2. Kapitel | Guacamole
Die bestialische Hitze liebkoste unverzüglich meine gekühlte Haut, als ich nur einen Schritt aus dem klimatisierten Flughafen machte.
Am liebsten hätte ich mich wieder umgedreht und wäre in den nächsten Flieger zurück in das deutlich kühlere Chicago gesprungen, aber das war nicht der Sinn der Sache.
Ich hatte meinen Onkel gefühlt eine Ewigkeit nicht mehr besucht und außerdem war ich ich an der Reihe, nachdem Jimmy mich vor acht Monaten in Chicago besucht hatte.
Nach der Highschool ließ Onkel Jimmy mich zur schweren Herzens nach Chicago gehen, war aber im Nachhinein ziemlich stolz auf seine Nichte und Ziehtochter, als ich mich erfolgreich durchs College kämpfte.
Vor einem Jahr habe ich erfolgreich mein Medizinstudium beendet und arbeitete seitdem als Assistenzärztin in der Chicagoer Rush Klinik im Bereich der Pathologie.
Ich stand vor dem Flughafen, mein Blick glitt über die vielen wartenden Menschen, den heranfahrenden, parkenden und wegfahrenden Autos, aber ich sah niemanden, der mir bekannt vor kam.
Keinen Menschen konnte ich als Mitarbeiter meines Onkels zuordnen.
Es sprach mich auch keine Menschenseele an, obwohl ich offensichtlich wie bestellt und nicht abgeholt vor dem Eingang stand und mich sichtbar umschaute. Genervt zog ich mein Handy hervor, schob es auf, gelang somit an die Zahlentastatur, und tippte um kurz vor sieben Uhr, mit dem Blick auf meine nähere Umgebung, die Telefonnummer von Onkel Jimmy ein. Natürlich die Nummer seines Haustelefons- als ob er um diese Uhrzeit noch in seiner Kanzlei war.
Aber bevor ich überhaupt auf den Trichter kam, auf Anrufen zu drücken, hielt vor mir, mit lauter und dröhnender Musik aus dem offenen Fenster schallend, ein rotes, zweitüriges Auto.
Und innerlich hoffte ich, dass es kein Mitarbeiter meines Onkels war.
Nein, einfach nein.
Angespannt, weil mir diese Situation sichtlich unangenehm war, lehnte ich meinen Oberkörper nach vorne, um durch das offene Fenster ins Innere des Wagens zuschauen.
Mein Mundwinkel zuckte, nicht, weil ich mir ein Lächeln unterdrückte, sondern vor Wut, über diese grauenvolle Rapmusik. Um eins klar zu stellen: ich hatte nichts gegen Rapmusik, hörte für gewöhnlich täglich Eminem, oder Snoop Dogg, aber das, diese Zumutung, die aus den Boxen dröhnte, konnte ich mir echt nicht geben.
Obwohl... die Musik könnte mir tatsächlich von Nutzen sein, beispielsweise, wenn ich mich um den einen oder anderen Vollidioten kümmern musste. Als eine Art Folterinstrument.
Irgendein Skinny Pete berappte den geilen Geschlechtsverkehr mit seiner Stiefmutter, einer heißen Milf, mit riesigen Titten und die göttliche Begabung für Deep-Throats.
Mit knallrotem Kopf, wandte ich mich vom Auto ab, mein prüfender Blick huschte über die verstörten und angewiderten Gesichter der anderen Fluggäste.
Eine Mutter schrie sogar herum, dass dieses Gejaule sofort verstummen musste, um eine Schädigung ihrer Tochter zu vermeiden. Was konnte ich bitte schön dafür? Ich blickte mit zusammengepressten Lippen wieder zum Auto, lehnte mich abermals nach vorne und schaute ins Innere hinein.
Ein Typ mit einer Beanie-Mütze (Es war Sommer!? Hitze, Sonne, Sommer!? Spinnt der?), schmiss sich unbeholfen über die Sitzbank und warf mir einen prüfenden Blick zu, wobei sein genervter Gesichtsausdruck, sich irgendwie komplett veränderte. Seine strahlend blauen und glänzenden Augen starrten mich an und sein Mund fiel leicht auf.
Ich zog skeptisch eine Augenbraue hoch und schrie ihn an, dass er die verfickte Musik ausmachen sollte, bevor ich ihm die Mütze vom Kopf reißen und ihm in den Mund stopfen würde.
Dann beschloß ich, das Weite zu suchen, um Onkel Jimmy in aller Ruhe mitzuteilen, dass ich noch immer am Flughafen wartete.
Die sonderbare Rapmusik die vorher noch aus dem roten Auto dröhnte, verstummte endlich, während ich vergeblich versuchte meinem Onkel ans Telefon zubekommen. Aus dem Augenwinkel sah ich, dass der Typ mit dem Beanie aus dem Auto gestiegen war und zu mir kam.
Was will der Tomatentoni von mir?
Genervt schob ich das Handy zu und wandte mich für eine weitere Auseinandersetzung zu dem Beanie-Typen, der mich anblickte, als sei ich nicht mehr ganz klar im Kopf.
Ich war ganz klar im Kopf, nur konnte ich Leute nicht ausstehen, die laut Musik hörten. Obwohl man dieses, beim besten Willen, nicht als Musik bezeichnen durfte.
Am liebsten würde ich dem jungen Typen, den offen stehenden Mund zudrücken und weiter meine Meinung geigen, aber als ich genauer hinschaute, sah ich seine geröteten und glasigen Augen.
Der Typ war drauf, musste irgendwas genommen haben und ich hoffte inständig für ihn, dass er mir meinen Wutanfall nicht übel nahm, mich angreifen würde, denn das wäre sein sichtbarer Todesurteil. Darauf schwöre ich. Ich steckte mein Handy in die hinterste Hosentasche. »Kann ich dir helfen?«, fragte ich provokant.
»Goodman schickt mich. Er hat mich gebeten dich abzuholen«, redete der Typ drauf los und kratzte sich nervös den Nacken.
»Mein Onkel? Hat dich beauftragt? Mich abzuholen?«
Er starrte mich noch immer an. »Yo, wenn das eine Frage war, dann ja... wenn du aber drei Fragen gestellt haben solltest, dann drei mal ja«, stammelte er drauf los. Er atmete komisch aus und stopfte seine Hände in die Hosentasche, seiner viel zu großen Baggy-Jeans. Allgemein trug der dünne und definitiv unter ein Meter achtzig große Typ viel zu große Klamotten. Woher ich wusste, dass er ungefähr so groß war?
Ich war gut im Schätzen: man nahm meine Körpergröße, die Absatzhöhe meiner Highheels, rechnete diese zusammen und verglich diese dann mit dem Beanie-Typen mit schlechtem Musikgeschmack.
Wir beide waren auf Augenhöhe, als er neben mir auf dem Fußgängerweg trat. Ich war nicht mal 1,65m groß, trug Highheels mit zehn Zentimeter Absätzen, was mich ungefähr auf 1,75m brachte und somit waren wir auf Augenhöhe.
»Aha«, murrte ich skeptisch und wartete auf den eindeutigen Beweis, dass Onkel Jimmy auch wirklich diesem Typen dazu beauftragt hatte mich abzuholen. Wir hatten ein Codewort ausgemacht: Guacamole.
Guacamole, weil Onkel Jimmy und ich Guacamole absolut nicht mochten.
»Goodman hat eine ziemlich harte Nacht hinter sich und pennt bestimmt noch, yo, hörmal, ich habe einem ziemlich vollen Terminkalender und eine Menge zu tun. Steigst du bitte ein?«
Er zog die Hände aus den Hosentaschen, gleichzeitig trat er einen Schritt auf mich zu und griff nach dem Koffergriff, den ich festhielt. Ich wich mit meinem Oberkörper zurück, als mir der penetrante Geruch von Gras und Schweiß in die Nase kroch. Nicht der Schweißgeruch war das Problem, sondern das Gras... vor allen Dingen, weil ich nicht wusste, ob es von ihm, oder nicht doch von mir kam. Seine Hand lag noch immer auf meine, als er mich entsetzt und perplex anblickte, als hätte ich ihn aufs übelste beleidigt.
»Yo, Selma, ist alles okay. Ich komme wirklich im Auftrag vom Saul Goodman«, erklärte er mir ruhig und lässt seine Hand noch immer auf meiner liegen. Eindringlich blickte er mir in die Augen, seine vorher verkleinerten Pupillen weiteten sich. »Guacamole«, flüsterte er dann.
Na so was aber auch.
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