20 Showdown


Bevor die fünf Freunde die Stadt tatsächlich verlassen würden, hieß es zunächst einmal Abschied nehmen und das tat jeder von ihnen auf seine Weise.

Das erste Ziel, welches sie ansteuerten war der Friedhof.

Boyd wollte nicht, dass die Anderen ihn begleiteten und er wollte auch nicht sagen, was er hier vorhatte, doch Stiles wusste es dennoch. Ein einziges Mal hatte Vernon in der Vergangenheit von seiner Schwester gesprochen; davon dass er glaubte, für ihren Tod verantwortlich zu sein und davon, wie sehr er sie vermisste. Es war nach dem Sex gewesen; die einzige Zeit, in welcher der große, schweigsame, ernste Kerl in der Lage war, sich ein klein wenig zu öffnen.

Derek, Allison, Scott und Stiles warteten im Wagen und blickten Boyd hinterher, wie er ein paar Wildblumen pflückte, sie dann auf einer der Grabstellen ablegte, sich dort niederkniete, ein wenig verweilte, scheinbar ein paar Worte sprach und dann zum Auto zurückkehrte:

„Ich bin dann hier fertig!" erklärte er bloß und der finstere Gesichtsausdruck, sowie die vor der Brust verschränkten Arme warnten die Anderen davor, irgendetwas zu sagen, oder zu fragen.

Als nächstes steuerte Derek mit dem Wagen Scotts und Stiles altes Zuhause an, wo sie die wenigen Habseligkeiten einsammeln wollten, welche die Zwei in ihr neues Leben mitzunehmen gedachten.

Auf dem Weg dorthin passierten sie jedoch einen Ort, der Stiles zusammenzucken ließ. Es gab wirklich keinen vernünftigen Grund, dort Station zu machen, dennoch bat Stiles Derek zu halten und stieg aus dem Wagen.

Er berührte das schwere, schmiedeeiserne Tor mit den Worten 'Eichen-Haus' darüber und warf einen Blick auf das große, hässliche, einschüchternde, düstere Gebäude dahinter, in welchem er und Scott hatten aufwachsen müssen.

Selbst die goldene Nachmittagssonne konnte diesem Ort nur wenig von ihrem Schrecken nehmen. Hier hatte alles angefangen, schoss es Stiles durch den Kopf: Schmerzen, Angst, Missbrauch und der Versuch, dennoch irgendwie zu überleben- Hier hatte es begonnen!

„Es ist vorbei, Bruder!"

Scott hatte sich Stiles leise genähert und die unerwartete Ansprache ließ ihn ein wenig erschrecken. Ohne sich darum zu sorgen, wer sie möglicherweise dabei beobachtete, legte Scott seinem besten Freund von hinten die Arme um die Taille, legte seinen Kopf auf dessen Schulter und wiederholte:

„Es ist vorbei! Lass' es los! Wir haben es überlebt und nun machen wir einfach weiter und leben unser Leben, in Ordnung?"

Stiles nickte leise und so stiegen sie wieder ins Auto zurück.

In ihrem alten Zimmer packten Scott und Stiles lediglich ein paar Kleidungsstücke und Erinnerungen zusammen, doch das meiste Zeug ließen sie zurück. Sollten sich ihre Nachmieter darüber freuen!

Sie verstauten die Sachen im Wagen und setzten ihren Weg fort.

Die Verfolger die sich in diesem Augenblick an ihre Fersen geheftet hatten, bemerkten sie nicht!

Doch auch die Verfolger bekamen ihrerseits nicht mit, dass es wiederum jemanden gab, der nun ihnen folgte.

Der Sheriff und seine Frau Melissa waren zuhause, als Scott klingelte und das Ehepaar staunte nicht schlecht, als sie das große Aufgebot vor ihrer Tür erblickten:

„Dürfen wir reinkommen?" fragte Stiles schüchtern.

John Stilinski nickte heftig, zog ihn in seine Arme und murmelte:

„Gott, Junge, ich bin so froh, dass es dir gut geht! Ich habe dich seit einer Ewigkeit nicht mehr gesehen und nachdem du bei unserer letzten Begegnung in diesem schlechten Zustand gewesen bist, habe ich bereits das Schlimmste angenommen."

Stiles dachte zurück an jenen Nachmittag, an welchem er verzweifelt weinend in einer Gasse gehockt hatte, bis der Sheriff ihn gefunden und getröstet hatte. Es schien ihm beinahe, als sei seither eine ganze Lebenszeit vergangen, oder als wäre dies einem Anderen und nicht ihm passiert:

„Es geht mir gut, Sir! Wir sind gekommen, um uns zu verabschieden. Wir werden nämlich die Stadt verlassen!" erklärte Stiles.

„Aber nicht, bevor ihr etwas gegessen habt!" bestimmte Melissa, küsste Stiles und Scott links und rechts und machte sich dann auf den Weg in die Küche.

John Stilinski blickte fragend auf die Personen, welche die beiden Jungs mitgebracht hatten und so machte sich Stiles daran, diese reihum vorzustellen:

„Dies hier ist Allison Argent. Sie ist Scotts besondere Freundin und ich wette, es wird nicht mehr lange dauern, dann wird sie seine Frau und die Mutter seiner Kinder sein.

Allison und Scott grinsten zuerst einander und dann den Sheriff schüchtern an und sahen dabei so verdammt süß aus, dass Stiles den Impuls in sich niederringen musste, ihnen wie eine Großmutter in die Wangen zu kneifen.

Der Sheriff reichte Allison zur Begrüßung die Hand und versicherte:

„Ich gratuliere dir! Du hast dir einen der Guten ausgesucht!"

Die junge Frau nickte und erklärte mit einem strahlenden Lächeln:

„Das weiß ich, Sir! Danke!"

Stiles setzte seine Vorstellungsrunde fort und erklärte:

„Dies hier ist unser Freund Vernon Boyd!"

„Wir kennen uns! Der schwachsinnige Riese, den du uns jahrelang vorgespielt hast... ich muss schon sagen, das war wirklich eine gelungene Posse! Da hast du uns ganz schön an der Nase herumgeführt, Sohn!" sagte der Sheriff gleichermaßen streng und anerkennend und reichte auch Boyd die Hand:

„Danke, Sir, aber das ist zu viel der Ehre! Die Leute sehen, was sie sehen wollen und das hat es mir leicht gemacht!" erwiderte Boyd trocken: „Ich gebe dem Publikum nur, wonach es verlangt!"

Der Sheriff war zum Glück ein humorvoller Mann. Er schmunzelte leise in sich hinein.

Nun wollte Stiles Derek vorstellen, doch John winkte ab:

„Wir kennen uns auch, richtig Hale? Isaac Lahey! Er war ihr Liebhaber und sie haben ihn ermordet. Das war doch vor etwa sechs Jahren, nicht wahr? Ich habe diese Tat nie wirklich verstanden, machte es doch den Eindruck, als hätten sie den jungen Mann geliebt? Erklären sie mir, wie man so etwas tun kann? Wieso tötet man das, was man liebt? Und wieso wollten sie damals nicht mit der Polizei sprechen? Wieso haben sie sich seinerzeit nicht verteidigt?"

Derek sah aus, als habe man ihm ins Gesicht geschlagen und fixierte mit seinem Blick nun angestrengt seine eigenen Füße.

„So war das aber nicht, Sir!" rief Stiles aus.

Er war sich der erschrockenen Blicke seiner Freunde durchaus bewusst, die von dieser ganzen Sache ja noch gar nichts wussten und so sprach er schnell weiter:

„Derek hat mir alles erzählt, was damals geschehen ist und ich glaube ihm! Es hat besondere Umstände gegeben und es war Notwehr!"

„Ja, so hat das Gericht damals auch entschieden, Dank der Aussage ihres Onkels und nur deswegen sind sie seinerzeit um den Galgen herumgekommen und mussten lediglich ein paar Jahre absitzen, nicht wahr, Hale? Aber woher soll ich wissen, dass sie unseren Stiles nicht auch eines Tages 'in Notwehr' ermorden werden?"

Die Stimme der Sheriffs war schneidend.

Derek sagte noch immer nichts zu seiner Verteidigung, also war es ein weiteres Mal Stiles der sprach und sich dabei unbewusst schützend vor seinen Geliebten stellte:

„Derek würde mir niemals etwas antun! Er hat mein Leben gerettet; vermutlich mehr als einmal! Er passt auf mich auf. Ich vertraue ihm! Ich..." Stiles schluckte: „... ich liebe ihn, Sir! Und er liebt mich!"

Stiles bekam einen hochroten Kopf.

Der Sheriff wusste zwar, was er war und akzeptierte es scheinbar, dennoch hatte er es noch niemals so deutlich ausgesprochen, wie gerade eben.

Warum auch? Es hatte nicht wirklich etwas zu sagen gegeben.

Er hatte schließlich noch nie zuvor geliebt!

„Ich will, dass sie eines wissen, Hale: Sollte ich jemals erfahren, dass sie Stiles auch nur ein einziges Haar krümmen, dann werde ich sie finden, ganz egal, wo sie sich verstecken und ich werde sie erschießen!"

Der Tonfall von John Stilinski ließ nicht den geringsten Zweifel daran, dass er es ernst meinte.

Ein weiteres Mal setze Stiles an, seinen Liebhaber zu verteidigen, doch Derek bedeute ihm mit einer Geste seiner Hand, dass er diesmal für sich selbst sprechen würde:

„Ich verstehe, Sir! Ich bin froh zu sehen, dass es außer Scott und mir noch jemanden gibt, der so für Stiles empfindet. Ich möchte dass sie wissen, wie viel er mir bedeutet. Ich würde Stiles niemals wehtun, werde ihn mit meinem Leben schützen und stets alles geben was ich habe, um ihn glücklich zu machen; das verspreche ich ihnen!"

Es war nicht viel, was Derek gesagt hatte, denn das war ja auch nicht seine Art, aber seine Worte hatten scheinbar dennoch Eindruck gemacht.

Der Sheriff war verstummt und nickte lediglich einmal und Stiles Augen hatten einen verdächtigen Glanz angenommen. Er schmiegte seinen Körper eng an den von Derek und verbarg sein Gesicht an dessen Hals.

Derek legte die Arme um seinen Geliebten und blickte dem Sheriff geradewegs in die Augen.

In diesem Moment kam Melissa mit einem großen Krug Limonade, einem Laib Brot, reichlich Käse und einem Butterfass auf einem Tablett zurück und rief alle zu Tisch.

Der Sheriff sagte zwar nichts mehr, dennoch behielt er Derek während der Mahlzeit ständig im Blick.

Scott versuchte im Plauderton die Stimmung wieder ein wenig zu heben:

„Wir werden ihnen beiden schreiben, wenn wir irgendwo sesshaft geworden sind. Vielleicht werden wir ja sogar irgendwann Telefon haben. Sie beide werden jedenfalls regelmäßig von uns hören. Und vielleicht werden sie uns ja auch irgendwann einmal besuchen kommen?"

„Selbstverständlich werden wir kommen! Und wir erwarten auf jeden Fall eine Einladung zu deiner Hochzeit!" bestimmte Melissa und brachte Scott damit in arge Nöte:

„Ich weiß ja noch gar nicht, ob Allison mich überhaupt nehmen würde?" murmelte er.

Seine Geliebte kicherte ein wenig und erwiderte:

„Du hast mich ja auch noch nicht gefragt, Liebling!"

Scott kratzte sich am Hinterkopf:

„Das werde ich noch. Ich tue es, sobald ich das Geld für einen Ring beisammen habe!"

Allison fuhr zärtlich mit den Fingern durch Scotts Haar und versicherte:

„Ich brauche gar keinen Ring! Alles, was ich brauche bist du! Weißt du das denn nicht, Dummchen!"

Scott strahlte das schöne Mädchen mit den funkelnden, braunen Augen neben sich voller Wärme an. Dann ging er vor ihr auf die Knie und fragte feierlich und mit einem kleinen Zittern in der Stimme

„Also gut, Allison Argent, wenn das so ist: Wirst du mir also die Ehre erweisen, meine Frau zu werden?"

Die überrumpelte Allison riss die Augen weit auf. Sie nickte heftig und stammelte dann mit belegter Stimme:

„ J...ja! Ja, das will ich!"

Die Anwesenden jubelten lauthals und Melissa verschwand kurz in eine anderes Zimmer. Als sie wiederkehrte, ließ sie etwas in Scotts Hand gleiten.

Der junge Mann drehte ratlos den Ring zwischen seinen Fingern und murmelte schüchtern:

„Das kann ich aber doch nicht annehmen, Ma'am!"

Melissa lachte und versicherte:

„Doch, natürlich kannst du das! Ich brauche ihn nicht mehr, den ich habe ja den hier!"

Sie hielt ihre Rechte mit ihrem Ehering hoch:

„Dieser da ist mein Verlobungsring. Ich hatte ihn bereits meinem Sohn angeboten, doch er wollte ihn nicht, weil er lieber einen eigenen kaufen wollte. Wenn ich ihn euch gebe, erfüllt dieser Ring schließlich doch noch einen wunderbaren Zweck. Bitte nimm ihn an! Es würde mich sehr glücklich machen!"

Scott warf einen einen fragenden Blick auf John Stilinski, um sich zu versichern, dass auch dieser damit einverstanden war, denn immerhin handelte es sich bei diesem Ring ja um ein Geschenk welches er vor vielen Jahren seiner Frau gemacht hatte, doch der Sheriff nickte zufrieden und so nahm Scott Allisons schmale Hand in seine und steckte ihr den Ring an den Finger.

Er passte, als sei er für sie gemacht!

Derek und Stiles tauschten einen kleinen Blick über den Tisch hinweg und ihre Gedanken waren in diesem Augenblick dieselben: Für sie würde es so etwas niemals geben! Würden sie eines Tages Ringe tauschen, dann würde es ihnen vielleicht etwas bedeuten, aber nicht der Welt!

So waren nun einmal die Regeln für Männer wie sie.

Nach einer Weile verabschiedeten sich die Gäste von den Stilinskis. Scott und Stiles wurden von Melissa noch mehrfach fest umarmt und geküsst und als sie ihre Jungs endlich gehen lassen konnte, hatten alle drei Tränen in den Augen.

Der Sheriff brachte die Gäste noch zum Auto und dann machten sich die Fünf auf zu ihrem letzten Ziel, ehe sie Beacon Hills endgültig verlassen würden.

Vor dem Wohnhaus der beiden Jungs hatten die Verfolger den Zugriff nicht wagen wollen, da es direkt an der Hauptstraße lag und es zu viel Aufsehen erregt hätte. Das Haus des Sheriffs wäre auch recht riskant gewesen, dennoch hatten sie darüber nachgedacht anzugreifen, sobald die Gruppe wieder dort herauskäme, doch dann hatte der Sheriff seine Gäste noch zu ihrem Wagen gebracht und so hatten sie lieber bleiben lassen.

Doch jetzt endlich war der Moment gekommen, da sie einen Angriff wagen konnten. Es war sogar geradezu ideal!

Stiles und Scott hatten es gerade noch geschafft, Kira, Lydia und Malia von ihren Plänen zu berichten, als das 'Kira's ' ohne Vorwarnung gestürmt wurde. Acht bewaffnete Männer waren mit einem Mal bei ihnen und begannen Warnschüsse in die Luft abzugeben und herumzubrüllen. Die Anwesenden Gäste im Lokal stürzten auf die Tür zu, um sich in Sicherheit zu bringen. Sie schrien panisch und liefen um ihr Leben. Es war ein heilloses Durcheinander, doch die Angreifer ließen sie ziehen, denn an ihnen hatten sie schließlich kein Interesse.

Kira hatte Lydia und Malia blitzschnell unter den Tresen gezogen als der Angriff losging, um sie vor den herumfliegenden Kugeln in Sicherheit zu bringen.

Stiles brauchte eine Weile, um durch den Qualm des Schießpulvers zu erkennen, wer die Invasoren überhaupt waren.

Als erstes erkannte er Gerard Argent, der eine Armbrust in der einen Hand hielt und ein dunkles Pulver in der anderen, welches er nach Derek warf und welches sich wie durch Zauberhand kreisförmig um ihn legte. Und aus irgendeinem Grund setzte dieser Kreis seinen Geliebten fest, wie ein unsichtbares Gefängnis!

Es musste sich um eine Art Zauber handeln, denn Derek versuchte, zu Stiles zu gelangen, doch er konnte nicht! Es war, als würde er gegen eine Mauer stoßen, nur dass man diese eben nicht sehen konnte.

Derek brüllte, verwandelte sich halb und kämpfte, doch es half ihm alles nichts.

Und nun begann Gerard Argent damit, den gefangenen Werwolf mit seiner Armbrust zu beschießen; nicht so, als wollte er ihn sofort töten; nein er wollte ihn scheinbar lieber erst einmal leiden lassen. Die Pfeile trafen Arme, Beine und Schultern, bis Derek schließlich vor Wut und Schmerz brüllend erschöpft zu Boden ging.

Gerard Argent sah aus, als würde er sich königlich dabei amüsieren und Stiles hasste ihn dafür!

Ohne Rücksicht auf sein eigenes Schicksal wollte er auf den alten Mann losstürzen, doch er hatte die Rechnung ohne Deaton gemacht, der ihn nun am Schlafittchen packte, ehe er zu Derek gelangen konnte und der ihn dann so hart gegen den Tresen stieß, dass er sich dort den Kopf anstieß, dadurch beinahe das Bewusstsein verlor und erst einmal zu Boden sank.

Scott und Boyd wollten ihm beide zu Hilfe eilen, doch man ließ sie nicht. Deaton hatte drei seiner Männer dabei, die sich allesamt auf Boyd stürzten, während Argent, ebenfalls in Begleitung von drei seiner Jäger seine Aufmerksamkeit nun Scott und seiner Enkelin zuwandte, nachdem er Derek für's Erste weitgehend außer Gefecht gesetzt hatte.

Er war seine Armbrust losgeworden und hatte sie gegen eine große Pistole getauscht, die er nun auf Scotts Gesicht richtete. Allison jedoch stellte sich ihrem Großvater mutig in den Weg, baute sich wie ein Schutzschild vor ihrem Verlobten auf und griff nach hinten, um diesen fest bei den Händen zu halten:

„Geh aus dem Weg, Kind!" forderte der alte Mann scharf: „Du gehörst nicht zu diesen Leuten, sondern zu deiner Familie! Du bist zur Anführerin bestimmt, zu einer Jägerin, um Monster wie ihn auszumerzen, damit sie keinen Schaden anrichten und Menschen verletzen können!"

Er deutete auf Derek, welcher noch immer verwandelt war, dessen Augen blau glommen, dem Fell im Gesicht spross und der kraftlos versuchte, mit den klauenbesetzten Händen Pfeile aus seinem Fleisch zu ziehen.

Allison betrachte den Werwolf sorgsam, ehe sie antwortete:

„Man muss nicht wie ein Monster aussehen, um eines zu sein, Großvater und ich weiß eines ganz genau: Derek ist ein guter Mann, was auch immer er ist! Er hat für mich und meine Freunde gesorgt, obwohl er das nicht gemusst hätte und rein gar nichts davon hatte! Dafür bin ich ihm sehr dankbar. Ich will mit euch nichts mehr zu tun haben! Du richtest die Waffe auf meinen Verlobten. Meine Eltern haben mich wie eine Verbrecherin gefangen gehalten, nur weil ihnen nicht gefallen hat, in wen ich mich verliebt habe. Die wahren Monster seid IHR!"

Gerard Argent wollte gerade etwas erwidern, als die Tür des 'Kira's' ein weiteres Mal aufflog. In einem Moment war es noch Peter Hale welcher vor ihnen im Raum erschienen war, im nächsten Augenblick war es ein riesiges, wolfsartiges Ungeheuer, welches brüllend auf seinen Hinterpfoten stand und dem die zerfetzten Reste von Peters Anzug vom Körper herabhingen.

Die Köpfe und Waffen aller Angreifer richteten sich nun auf Peter, doch in seiner gegenwärtigen Form war der Alpha nur schwer zu erwischen. Einige der Kugeln trafen, doch die meisten verfehlten ihr Ziel. Wie ein schwarzes Phantom raste der Werwolf durch das Lokal und schaltete einen Angreifer nach dem anderen aus und dies tat er gründlich: Aufgeschlitzte Bäuche, gebrochene Genicke und grotesk verdrehte Körper waren die Spur, die er hinter sich zurückließ.

Deaton saß auf dem Brustkorb des immer noch benommenen Stiles und ließ sich von dem Tumult um ihn herum nicht allzu sehr beeindrucken. Er stellte lediglich bedauernd fest:

„Schade, Junge! Ich dachte, ich hätte für meine Rache mehr Zeit, um sie richtig auszukosten, aber letztlich zählt ja bloß das Ergebnis, nicht wahr?"

Es hielt eine Pistole unter Stiles Kinn.

Ein lautes Brüllen und ein Stuhl, der in seine Richtung flog lenkten den Gangster lange genug ab, dass der verwandelte Peter es schaffte, Deaton von Stiles herunterzureißen, jedoch erwies dieser sich nicht als leichte Beute, entwand sich dem Monster wieder und begann mit einer Pistole in jeder Hand Kugeln auf die Brust des Alphas abzufeuern.

Stiles bekam all' das nur halb mit und irgendwie war es ihm auch in diesem Augenblick auch gleichgültig, denn wenn er nun doch noch sterben würde, dann wusste er, wo er in diesem Moment sein wollte.Dorthin zu gelangen war das einzige, was gerade zählte. Der Versuch, sich aufzurappeln, brachte ihm Schwindel und Übelkeit ein, daher versuchte er kriechend an sein Ziel zu kommen.

Gerard hatte alle seine Männer fallen sehen. Er beobachtete den Kampf Deatons gegen den Alpha-Wolf mit geringem Interesse. Letztlich war der Gangster für ihn nie ein Verbündeter, sondern nur Mittel zu Zweck gewesen, um seine eigene Position zu stärken, also tat er nun auch nichts, um diesem in seiner misslichen Situation beizuspringen. Wenn es nach ihm ginge, dann konnte Deaton ruhig den Löffel abgeben. Das einzige, was ihn interessierte, war seine Ahnenfolge sauber zu halten. Allison würde einen Jäger heiraten und standesgemäße Nachkommen gebären und dafür musste dieser kleine Strolch von der Bildfläche verschwinden. Er stieß also seine Enkelin, die sich immer noch schützend vor diesen Jungen stellte mit reichlich Wucht zu Boden, um erneut auf Scotts Gesicht zu zielen und abzudrücken.

Allison Kehle entfuhr ein entsetzter Schrei, doch der erwartete Knall blieb aus. Anstatt dessen ertönte ein harmloses, kleines Klicken.

Die Trommel war leer geschossen!

Argent war jedoch bereits dabei, nachzuladen. Scott war klar, dass nun schnell etwas geschehen musste und er versuchte, sich mit seiner Verlobten irgendwo in Sicherheit zu bringen.

Allison hatte jedoch ihre eigenen Pläne.

Sie starrte ihren Großvater hasserfüllt an. Sie hatte es so satt, das kleine, magere Ding zu sein, dass von seiner Familie herumgestoßen wurde!

Und in diesem Moment erwachte etwas in ihr, von dem sie nicht einmal geahnt hatte, dass es in ihr schlummerte.

Sie wollte das Leben und die Freiheit der Entscheidung, die ihr als menschliches Wesen zustanden! Und sie wollte das beschützen, was sie liebte!

Sie setzte an zu einem Sprung, der in einen kräftigen Tritt gegen das Handgelenk ihres Großvater mündete und diesen damit entwaffnete. Doch damit nicht genug: Schreiend wie eine Amazone ging sie auf den zähen, alten Kerl los und deckte ihn mit Fausthieben ein:

„Ich hasse dich, du herzloser Mistkerl!" brüllte sie: „Ich werde niemals irgendwo mit dir hingehen, oder etwas tun was du von mir erwartest, hast du mich verstanden? Niemals!"

Nachdem sich allerdings der erste Schrecken bei Gerard Argent gelegt hatte, hatte dieser keine Skrupel mehr, sich mit aller Härte gegen seine aufmüpfige Enkelin zur Wehr zu setzen und so eilte Scott herbei, um seiner Verlobten zu Hilfe zu kommen.

Stiles hatte sein Ziel erreicht und wie er so an Derek heran robbte, durchbrach er damit zugleich auch den Bannkreis aus Ebereschenasche und befreite den Werwolf damit:

„Süßer! Dein Kopf!" entfuhr es Derek besorgt und er berührte mit sanften Fingern Stiles Stirn, um ihm die Schmerzen zu nehmen, doch Stiles entzog sich: „Denk nicht einmal daran!" erwiderte er scharf um dann sanfter und ein wenig ängstlich fortzufahren:

„Was ist denn mit dir? Da... da ist so viel Blut!"

„Mach' dir keine Sorgen um mich, Stiles! Ich heile!" versicherte Derek und einen Moment lang klammerten er und Stiles sich aneinander, wie Ertrinkende.

Peter hatte sich mittlerweile mindestens zwei dutzend Kugeln eingefangen. Er taumelte schwer angeschlagen herum, war blutüberströmt und dennoch griff er Deaton weiterhin an, bis schließlich das geschah, was geschehen musste: Dem Gangster ging die Munition aus!

Und nun ging alles ganz schnell. Der Alpha stürzte sich auf seinen Gegner, verbiss sich in seiner Kehle, hinterließ dort eine riesige, klaffende Wunde und ließ Deatons leblosen Körper danach einfach achtlos zu Boden sinken.

Gerard war es gerade gelungen, Allison mit einem Tritt in den Bauch von sich fort zu schleudern und irgendwie hatte er es geschafft Scott derart zu packen und in den Würgegriff zu nehmen, dass dieser sich nicht mehr wehren oder rühren konnte, ohne beinahe zu ersticken. Er war dem alten Jäger hilflos ausgeliefert und warf einen verzweifelten Blick auf Allison.

Gerard schien die Situation zu gefallen. Er drehte sich so, dass Allison einen guten Blick auf ihn und sein Opfer hatte und rief triumphierend:

„Nun kannst du dabei zusehen, wie ich deinem Schätzchen das Genick breche, Allison!"

Derek und Stiles beobachteten die Szene starr vor Schrecken und hatten keine Ahnung, was sie tun konnten, um dem Freund zu Hilfe zu kommen, ohne dass der alte Mann ihn auf der Stelle töten würde.

Die Augen von Allison waren schreckgeweitet und sie begann, ihren Großvater um das Leben ihres Geliebten anzuflehen.

Gerard Argent weidete sich an der Situation und hatte ein gemeines Lachen auf den Lippen.

Den Alpha-Werwolf, der sich ihm taumelnd von hinten näherte, sah er nicht kommen, bis dieser sich in seiner Schulter verbiss.

Vor Schreck löste der Jäger seinen Griff so weit, dass es Scott gelang, sich zu befreien. Er lief auf Allison zu, schloss sie in die Arme und beide blickten auf Gerard; abwartend was nun wohl als nächstes geschehen würde.

Derek hatte sich mittlerweile mühsam erhoben, sich die Armbrust gegriffen, mit einem der Pfeile geladen, die er aus seinem eigenen Fleisch gezogen hatte und richtete die Waffe nun auf den Jäger:

„Sie wissen, was das bedeutet, oder Argent? Wenn sie den Biss überleben, dann heißt es 'Willkommen in der Familie!'" rief er spöttisch: „Wie gefällt ihnen das?"

Gerard blickte in die Runde der Anwesenden und dann tat er etwas, mit dem keiner gerechnet hatte.

Er rannte!

Er verließ das 'Kira's' und war verschwunden.

Und Peter, der sich bis jetzt mit mehr Willenskraft als Verstand auf den Beinen gehalten hatte, verlor das Bewusstsein, schlug der Länge nach hin und verwandelte sich wieder. Zurück blieb ein nackter, von Kugeln durchsiebter menschlicher Körper.

Derek, Stiles, Allison und Scott traten auf ihn zu und Stiles wollte wissen:

„Ist er tot?"

Derek schüttelte den Kopf und Stiles fragte weiter:

„Und wird er sterben?"

„Das hängt davon ab, ob wir ihm helfen, oder nicht. Er mag zwar meine einzige Familie sein, doch von mir aus kann er ruhig draufgehen! Du entscheidest, Stiles!"

Stiles ging mühsam in die Knie und betrachtete den verwundeten Mann eingehend, welcher ihn vor noch gar nicht so langer Zeit so unglaublich gequält und verletzt, ihnen jedoch vermutlich am heutigen Tag allen das Leben gerettet hatte:

„Hilf' ihm!" forderte Stiles von seinem Liebhaber.

Derek nickte.

„Kann uns jetzt verdammt nochmal jemand erklären, was hier passiert ist?" fragte Lydia, die mit Malia und Kira hinter dem Tresen hervorgekommen war.

„Machen wir einen Deal: Ihr beschafft mir ausreichend Verbandsmaterial und ich erzähle euch alles, was ihr wissen wollt!" schlug Derek vor.

Malia machte sich auf den Weg und kam mit Alkohol zur Desinfektion und einem Bettlaken wieder, welches sie in Streifen zu reißen begann.

Stiles schaute sich suchend in die Runde und fragte dann beunruhigt:

„Verdammt, wo ist denn Boyd? Hat ihn jemand gesehen?"

Er blickte sich hektisch um und da erblickte er auch schon das paar Füße mit den großen Schuhen daran, welche neben dem Tresen hervorlugten und rannte los:

„Scheiße, nein!" rief er aus und hielt sich entsetzt die Hand vor den Mund.

Derek und die Anderen folgten ihm und blickten hinab auf Stiles, der neben dem leblosen Körper des dunkelhäutigen Riesen kniete und weinte. Derek hockte sich an seine Seite und legte ihm einen Arm um die Schulter:

„Er ist nicht tot, Stiles! Sein Herz schlägt noch!" versicherte er: „Schau! Er hat scheinbar eine der herumfliegenden Kugeln abbekommen. Das hat wohl einen Schock, oder so etwas ausgelöst. Wir bringen ihn schon wieder in Ordnung. Versprochen!" Derek deute auf eine Wunde an Vernons Oberschenkel.

Wie aufs Stichwort erwachte der Bewusstlose nun und murmelte verstört:

„Is' es vorbei? Haben wir's geschafft?"

Stiles gab etwas von sich, was wie eine Mischung aus Lachen und Schluchzen klang:

„Ja, das haben wir, Kumpel! Wir leben! Wir alle leben!"

Er fiel Boyd ungestüm um den Hals.

Etwas später, als Derek mit Allisons Hilfe die Verletzten einschließlich sich selbst verarztete, berichtete er den Anwesenden alles was er wusste, über die Welt des Übernatürlichen und über Werwölfe.

Insbesondere Allison lauschte den Ausführungen aufmerksam; erfuhr sie doch so Dinge über ihre eigene Identität, welche ihre Familie ihr bislang vorenthalten hatte.

Am Ende enthüllte Derek der jungen Frau gegenüber sogar die Wahrheit über ihre Tante Kate, obwohl er das zunächst gar nicht vorgehabt hatte und die Toten ruhen lassen wollte. Doch wir er so erzählte, spürte er mit einem Mal, dass es da immer noch diese eine riesige, eitrige Wunde in seinem Inneren gab und darüber zu sprechen war wir ein Antiseptikum und ein frischer Verband!

Er berichtete über Isaac und wie Kates Gefangenschaft diesen um den Verstand gebracht hatte, so dass Derek, um sein eigenes Leben zu retten, denjenigen töten musste, den er auf der Welt am meisten geliebt hatte.

Er erzählte von seiner Familie, dem verborgenen Haus, von der Falle, die Kate ihnen gestellt hatte, von dem Feuer, dem Verlust ihrer großen Familie und wie dies dazu geführt hatte, dass aus Peter jenes Monster geworden war, dass sie heute vor sich sahen.

Während er das sagte, bohrte er mit den Fingern nicht eben zimperlich in den tiefen Fleischwunden seines Onkels herum, um die Kugeln zu entfernen, welche den natürlichen Impuls des Werwolfs zur Heilung verhinderten, ehe er ihm Verbände anlegte.

Eine letzte Frage brannte Allison noch unter den Nägeln, nachdem Derek seinen Bericht beendet hatte:

„Mein Großvater... was wird mit ihm geschehen? Was hast du mit dem gemeint, was du zu ihm gesagt hast, Derek?"

Der Angesprochene erklärte:

„Der Biss eines Alphas kann zweierlei bewirken: Die meisten Menschen verwandeln sich daraufhin ebenfalls in einen Werwolf. Manchmal stößt der Mensch den Biss allerdings auch ab und stirbt daran. Und dein Großvater ist ein Jäger. Eigentlich sollten solche wie er sich das Leben nehmen, bevor sie sich zum ersten Mal verwandeln, doch wie sich gezeigt ha, schert Gerard Argent sich nicht um die Regeln. Außerdem halte ich ihn für jene Art Mensch, der um jeden Preis leben möchte. Wenn ich raten müsste, würde ich sagen, er wird sich irgendwo verstecken, um nicht von deinen Eltern, oder anderen Jägern erwischt und zur Strecke gebracht zu werden. Er wird wohin immer es ihn verschlägt, ein lustiges Leben als Werwolf führen und weil er keinen Alpha hat, der sich um ihn kümmert und ihn anleitet, wird er höchstwahrscheinlich töten."

Allison seufzte und nickte. Es war scheinbar genau das Szenario, dass sie sich vorgestellt hatte.

Als die Verletzten llesamt versorgt waren, ließ Derek seinen Blick über die sieben Toten in der Bar schweifen und fragte ratlos:

„Und was machen wir nun mit denen?"

Kira hatte die Antwort auf seine Frage:

„Nun werdet ihr euch für die Nacht in unserem Hinterzimmer verstecken und euch ausruhen. Ihr könnt morgen früh immer noch aufbrechen. Meine Mädchen holen gleich die Polizei und werden denen erzählen, dass rivalisierende Banden hier eingefallen sind und eine Schießerei begonnen haben. Wir sind gerade eben so mit reichlich Glück mit dem Leben davongekommen und wir verlangen, dass man uns vor solchen Übergriffen schützt. Immerhin sind auch wir Bürger dieser Stadt."

Die junge Frau zwinkerte verschmitzt:

„Keine Sorge! Wir kümmern uns um alles weitere!"

Als sie ins Hinterzimmer kamen, saßen dort tatsächlich noch einige Betrunkene, die ungerührt Karten spielte und von dem ganzen Tumult im vorderen Teil der Bar überhaupt nichts mitbekommen hatten. Einer von ihnen war Reverend Finstock, der lallte:

„Na endlich kommt jemand! Wir..." er rülpste lautstark: „Wir sitzen hier schon sei Ewigkeiten auf dem Trockenen." Er rollte drollig mit seinen Froschaugen und fügte in weinseliger Nachdenklichkeit hinzu: „So trocken wie damals, als Moses das rote Meer geteilt hat, um sein Volk aus Ägypten zu führen!"

„Sorry, Padre! Für heute ist Zapfenstreich!" verkündete Malia: „Das ist aber kein Grund, dass sie wieder in die Sakristei einbrechen und die Messweinvorräte plündern, wie beim letzten Mal, als es nichts gab und sie am Ende zum Ausnüchtern auf einer Pritsche im Sheriffsdepartment aufgewacht sind. Sie können froh sein, dass Sheriff Stilinski sie nicht unter Anklage gestellt hat."

„Richte nicht, auf das du nicht gerichtet wirst!" murmelte der Reverend bedeutungsschwer, als würde er auf der Kanzel stehen, während Malia ihn in Richtung Ausgang zog.

Sie rollte mit den Augen, denn von dem ganzen Bibelgequatsche hatte sie in ihrer Kindheit bei den ach-so-frommen Schwestern wirklich schon genug gehört.

Oder zumindest genug, um zu wissen, dass es alles nur heiße Luft war!

Finstock wollte gerade noch etwas sagen, doch da erblickte er das Massaker das vorn in der Bar stattgefunden hatte und verstummte.

Auch die anderen Betrunkenen sagten nichts, sondern sahen einfach bloß zu, dass sie von hier verschwanden.

Nun war das Hinterzimmer frei, so dass die fünf Reisenden für eine Nacht dort einziehen konnten. Den verletzten Peter nahmen sie mit sich.

Sie wurden mit Decken und Kissen versorgt und richteten sich ein, so gut es ging.

Bevor Stiles sich an Dereks Seite niederließ versicherte er sich zunächst, dass es Boyd gut ging. Derek hatte zwar festgestellt, dass dessen Verletzung glücklicherweise bloß eine reine Fleischwunde war und dass diese sicherlich gut verheilen würde, doch Stiles fühlte sich schuldig:

„Hey, Mann! Tut mir leid, dass du wegen mir verletzt wurdest!" erklärte er unbehaglich: „Verdammt, ich bringe allen, die mir wichtig sind nur Unglück! Wahrscheinlich wärt ihr alle besser dran, wenn ihr meine Nähe meiden würdet!"

Boyd grinste schief, rückte auf seiner improvisierten Schlafstätte ein wenig beiseite, um Stiles Platz zu machen und verzog dabei schmerzhaft das Gesicht:

„Du redest totalen Blödsinn, Kleiner!" versicherte er dennoch.

Stiles hockte sich neben ihn und legte die Arme um den großen, breiten Kerl und flüsterte:

„Du bist mir wichtig, weißt du? Und ich bin froh, dass du mit uns kommst!"

Boyd gab ein interpretationsfähiges Brummen von sich und Stiles schmunzelte, denn zumindest für ihn hatte es sich eindeutig angehört wie ein:

'Ja, ich liebe dich auch!'

Nach einer Weile kehrte Stiles zu Derek zurück, schmiegte sich sehr vorsichtig an den Körper des Verletzten, streichelte sanft die unverletzten Bereiche seines Körpers und fragte flüsternd:

„Ich kann dir zwar nicht die Schmerzen nehmen, wie ein Werwolf, aber gibt es nicht vielleicht trotzdem etwas, das ich für dich tun kann, mein Liebster?"

Derek lächelte und versicherte:

„Lass' mich einfach bloß in deine schönen Augen schauen, dann tut mir nichts mehr weh!"

„Das ist zwar sehr romantisch, aber es ist kompletter Unsinn!" erwiderte Stiles verlegen: „Ernsthaft! Gibt es wirklich gar nichts, was ich machen kann, um dir zu helfen?"

„Es mag Unsinn sein, aber es ist dennoch wahr!" beharrte Derek: „Wir sind zusammen! Das ist alles, was zählt! Es ist alles, was ich brauche! Ich heile, Stiles! Morgen früh bin ich schon wieder in Ordnung! Ich verspreche es dir!"

Tatsächlich beruhigten die Worte Stiles ein wenig. Sie küssten sich noch einmal und legten sich zum Schlafen hin.

Am folgenden Morgen wurden die Reisenden von Lydia, Kira und Malia mit Frühstück geweckt und nachdem sie alle noch einmal miteinander gegessen hatten und im Begriff waren, sich ein zweites Mal von einander zu verabschieden, deutete Malia auf Peter, der gerade im Begriff war aufzuwachen und wollte wissen:

„Und was machen wir mit dem da?"

„Er wird noch ein, oder zwei Tage brauchen, bis er wieder der Alte ist." erklärte Derek: „Wenn ihr ihn jetzt zu seinem Rudel zurückschickt, wird irgendeiner seine Schwäche ausnutzen, um seinen Platz einzunehmen."

Stiles warf einen Blick über die Schulter auf den Verletzten und bat Malia und die anderen Frauen:

„Könnt ihr ihn vielleicht solange beherbergen, bis er wieder auf den Beinen ist?"

„Sicher, dass du den Mistkerl nicht verrecken lassen willst, nach allem, was er dir angetan hat?" fragte Malia skeptisch.

Stiles nickte, begab sich mit vorsichtigen Schritten zu Peter hinüber und blickte auf diesen hinab. Der Alpha sah beinahe aus wie eine Mumie, mit den vielen Verbänden am Körper. Er wirkte elendig blass durch den schweren Blutverlust und sowohl sein Körper, als auch sein Gesicht schienen irgendwie eingefallen. Von dem gefährlichen, sadistischen Kerl, der Stiles über Wochen gequält und misshandelt hatte, war in diesem Moment nichts mehr zu sehen.

Nun öffnete Peter die Augen, blickte Stiles einen Moment lang an und erkundigte sich dann mit brüchiger Stimme:

„Bin ich tot? Bist du hier, um über mich zu richten?"

Stiles kniete sich neben seinen ehemaligen Folterknecht, schnipste mit dem Zeigefinger gegen einen der blutigen Verbände, was den Verwundeten etwas zusammenzucken ließ und fragte ein klein wenig gehässig:

„Würde das hier wehtun, wenn du tot wärst?"

Peter musterte Stiles genauestens und wollte dann wissen:

„Warum zum Teufel habt ihr mich leben lassen?"

„Weil ich noch nicht fertig mit dir bin!" erwiderte Stiles achselzuckend: „Es gibt etwas, dass ich dir sagen will."

„Und was könnte das wohl sein, Stiles? Willst du mir sagen, was ich für ein Monster bin? Dass ich es verdiene, in der Hölle zu schmoren? Wie furchtbar das war, was ich dir angetan habe?" fragte Peter spöttisch.

Stiles schüttelte den Kopf:

„Nein, denn diese Dinge weißt du selbst, Peter! Ich muss sie dir nicht sagen. Nein, ich will dir einfach bloß sagen, ich vergebe dir!"

Peter sah... schockiert aus. Scheinbar war dies das Letzte womit er gerechnet hatte.

Stiles fügte noch hinzu:

„Bitte lass' es mich nicht bereuen. Tu niemals einem anderen das an, was du mir zugefügt hast."

Peter nickte bloß.

Er wirkte seltsam bleich und zart, so wie Stiles ihn noch niemals gesehen hatte.

Eine ganze Weile schauten die beiden einander lediglich schweigend an, bis Stiles erklärte:

„Nun bleibt mir eigentlich nur noch, dir Lebewohl zu sagen."

„Wieso?" fragte der Werwolf: „Wohin gehst du denn?"

Stiles lächelte:

„In eine glückliche Zukunft und ein langes Leben an der Seite deines Neffen!"

Peter verzog das Gesicht:

„Klingt langweilig!" erwiderte er und klang dabei ein bisschen wie ein eingeschnapptes Kind.

Stiles Grinsen wurde breiter:

„Das macht überhaupt nichts! Langweilig klingt für mich gerade wie der Himmel!"

Nun lächelte auch der Alpha und sagte beinahe flüsternd:

„Werd' glücklich, Stiles!"

Stiles nickte, drückte kurz Peters Hand und dann erhob er sich und wollte schon gehen, doch dann wendete er sich noch einmal um und sagte:

„Du kannst unsere Schnapsbrennerei übernehmen, wenn du willst. Du findest sie in der ausgebrannten Ruine im Wald."

Da musste Peter lachen:

„In meinem eigenen Haus? Du hast die Anlage die ganze Zeit in MEINEM Haus versteckt?"

Stiles zuckte grinsend mit den Schulten und entfernte sich.

Die fünf Reisenden verabschiedeten sich von Lydia, Malia und Kira und dann machten sie sich auf den Weg zum Auto.

Sie waren noch nicht aus der Stadt heraus, da schickte das Schicksal ihnen Christopher Argent über den Weg. Er war allein unterwegs und Allison forderte Derek auf, den Wagen anzuhalten.

Scott wollte seine Verlobte zwar aufhalten, doch die junge Frau war fest entschlossen. Sie wollte keine Begleitung bei dem, was sie vorhatte, sondern ging allein auf ihren Vater zu.

Vom Auto aus konnten die Männer nicht hören, was gesprochen wurde, doch man konnte es in den Gesichtern von Vater und Tochter lesen:

Erst Überraschung und dann unendliche Freude im Gesicht des Jägers und Tränen in den Augen Allisons. Das Mädchen zeigte die Hand mit dem Verlobungsring, es folgte eine lange Umarmung und dann schließlich der Abschied.

Allison stieg wieder in den Wagen und sie setzten ihren Weg fort, ohne sich noch einmal umzublicken.

Sie Fuhren durch Wälder, Weinbaugebiete, Orangenhaine und dann ein ganzes Stück an der Küste entlang.

Sie hielten nur selten und keinem von ihnen war während der langen Autofahrt wirklich zum reden zumute, also schwiegen sie die meiste Zeit und jeder hing seinen eigenen Gedanken nach. Erwartungsvolle Spannung und auch Unsicherheit, was die Zukunft ihnen bringen mochte hing in der Luft.

Am späten Nachmittag endlich erreichten sie San Francisco. Sie hielten den Wagen vor einem Hotel mitten im Zentrum, wo sie beabsichtigen die Nacht zu verbringen.

Stiles hielt kurz inne, blickte sich um und ließ alles auf sich wirken; das rege Treiben der Großstadt, die Menschen, die vielen Automobile auf den Straßen, das Klingeln der Straßenbahn und den Geruch nach Salzwasser, welchen der Wind von der San Francisco Bay in die Stadt hinein wehte und da wusste er plötzlich, er war angekommen.

Er war Zuhause!


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