11 Wölfe und Hornissen
Als er erwachte, lag Stiles allein im Bett.
Die Erinnerung an die vergangene Nacht war der erste bewusste Gedanke, der ihm durch dein Kopf ging und Hitze überzog sein Gesicht.
Er, der Unberührbare, der Abgebrühte lag da und errötete wie die sprichwörtliche Jungfrau, die sein bester Freund dank ihm nun nicht mehr war und er verstand die Welt nicht mehr.
Es war doch keine große Sache, oder?
So banal, wie ein Händeschütteln, richtig?
Nur eben nicht, denn es ging um Scott!
Scott, der bisher an jedem einzelnen Morgen neben ihm gelegen hatte, wenn er aufwachte und der jetzt nicht bei ihm war.
Scott, der ihn nun wahrscheinlich hasste, weil er dazu 'Ja' gesagt hatte, obwohl er es hätte besser wissen müssen.
Scott, der nun alles bereute, sich vielleicht sogar ekelte.
Die Zimmertür öffnete sich und Scott kam herein, ein Handtuch um die Hüften, mit nassem Haar; sämtliche Spuren der letzten Nacht abgewaschen.
Hatte Stiles es doch gewusst!
Er blickte zu seinem Freund auf, doch dieser mied seinen Blick, murmelte bloß ein kratziges kleines: „Morgen!" in seine Richtung und Stiles fühlte sich, als sei er geohrfeigt worden!
Scott zog sich Kleidung aus dem Schrank, doch er zögerte scheinbar ein wenig, das Handtuch abzulegen.
Stiles stöhnte und drehte sich zur Wand.
Irgendwann spürte er, dass Scott sich am Fußende niedergelassen hatte.
Stiles setzte sich daraufhin auch selbst auf, zog seine Knie unter das Kinn und blickte ihn erwartungsvoll und misstrauisch an.
Scott erwiderte den Blick schüchtern, sagte jedoch nichts, bis Stiles schließlich knurrte:
„Komm schon und bring es hinter dich! Sag' schon, was los ist!"
„Zu früh!" murmelte Scott: „Ich brauche noch eine Weile! Später! Wir sprechen später drüber, ja?"
„Wenn du meinst!" Stiles Stimme war schneidend: „Dann eben 'später'! Oder nie! Wie gefällt's dir, wenn wir NIE darüber sprechen, hmm?"
„Stiles!" sagte Scott flehend: „Komm' schon!"
„Du wolltest es unbedingt!" knurrte Stiles: „Ich habe dich zu nichts gezwungen!"
Scott schenkte ihm einen traurigen und hilflosen Blick:
„Das hat doch auch niemand behauptet! Ich muss einfach ein bisschen über all das nachdenken; das ist alles. Jetzt sei doch nicht so!"
„Wie bin ich denn?" fragte Stiles giftig:
„Dieses Gespräch macht keinen Sinn!" erwiderte Scott unglücklich. Dann schlug er vorsichtig vor: „Vielleicht sollten wir uns heute lieber ein bisschen aus dem Weg gehen und uns aufteilen? Ich kann den Morgen übernehmen! Heute ist Flaschen spülen dran! Das hasst du doch sowieso! Und du siehst dann abends nach dem Rechten; wollen wir es so machen?"
Stiles konnte hören, dass Scott sich bemühte, freundlich zu sein, doch das machte ihn nur noch wütender:
„Machen wir daraus doch eine Dauereinrichtung!" schnappte er: „Teilen wir doch einfach das Geschäft untereinander auf und gehen uns ansonsten aus dem Weg, damit du nicht mehr daran denken musst, dass wir gevögelt haben!"
„Ich habe jetzt genug von dem Unsinn, Stiles!" schimpfte Scott: „Ich gehe jetzt in die Destille. Wir sprechen heute Abend über alles, wenn du dich wieder eingekriegt hast!"
Mit diesen Worten erhob er sich und ließ einen unzufriedenen, trotzigen Stiles zurück.
Eigentlich hatte Stiles genau das bekommen, was er beabsichtigt hatte: Er hatte Scott erfolgreich vertrieben, doch nun, da er fort war, überkam ihn vage Angst.
Was, wenn es ihnen nicht gelänge, die Situation wieder in den Griff zu bekommen?
Was, wenn Scott nicht wiederkäme?
WAS, WENN SIE NUN KEINE FREUNDE MEHR WÄREN?
Stiles zog sich die Decke über den Kopf und versuchte, noch ein wenig zu schlafen, doch er stellte schnell fest, dass das aussichtslos war, denn in seinem Kopf drehte sich ein Gedankenkarussell, also stand er auf und begann aufzuräumen.
Als er das tat, stellte er fest, dass in ihrem Zimmerchen dringend mal wieder saubergemacht werden musste und das tat er; er wienerte alles, was ihm in die Finger kam, bis es glänzte.
Kaum war das erledigt drängten sich wieder unbehagliche Gedanken und unkonkrete, aber bedrohliche Befürchtungen in seinem Kopf vor und buhlten um seine Aufmerksamkeit.
Und so suchte er die Schmutzwäsche zusammen, zog auch die eingesaute Bettwäsche ab, holte Waschzuber und Waschbrett hervor, stellte Wasser auf und erledigte das verhasste Wäsche waschen mit grimmigem Eifer.
Und schließlich war jede Hausarbeit erledigt. Stiles schlurfte unglücklich in den Waschraum, denn das Einzige, was sich jetzt noch schmutzig war, das war er selbst.
In dem fast blinden Spiegel im Waschraum, konnte er immer noch deutlich die Würgemale an seinem Hals erkennen. Peter hatte nicht gelogen, als er sagte, dass er ein Weile etwas davon haben würde.
Er begann, jeden Zentimeter seines Körpers mit einer Wurzelbürste zu schrubben, bis seine Haut ganz rot war, so wie sie es ihnen im Eichen-Haus beigebracht hatten, aber es half einfach nicht. Der Schmutz, den Stiles loswerden wollte, steckte offenbar zu tief in seinen Poren.
Und so kehrte er nach einer Weile in ein Handtuch gewickelt in das winzige Zimmerchen zurück, ohne die geringste Ahnung, was er nun tun sollte.
Eine Weile starrte er einfach nur ins Leere. Dann erhob er sich und kramte etwas ganz hinten aus dem Kleiderschrank hervor: Eine elegante graue Stoffhose und einen cremeweißen Wollpullover!
Er zog sich beides an, zog den Kragen des Oberteils so hoch, dass die Abdrücke kaum noch zu sehen waren und verließ das Zimmer, nur um kurz darauf zurückzukehren, denn er hatte das Wichtigste in der Tasche seiner anderen Hose vergessen.
Und nun machte er sich sich endlich auf den Weg.
In der Lobby des Hotels war kein Mensch, außer dem unvermeidlichen Greenburg hinter der Rezeption. Stiles berührte einmal kurz den Schlüssel in seiner Hosentasche. Er konnte diesen immer noch bei ihm abgeben und einfach wieder verschwinden, doch so machte er es nicht.
Greenburg nickte ihm einen Gruß zu und Stiles erwiderte ihn. Dann steuerte er die Treppe an.
Mit jeder Stufe wurde er allerdings ein klein wenig langsamer.
Stiles wusste gar nichts mehr; nicht mehr, wer er war, was er wollte oder wohin er gehörte. Er hatte Derek verloren und er hatte mit ziemlicher Sicherheit nun auch noch Scott verloren und jetzt war er hier.
Er musste den Schlüssel überbringen und einen Schlussstrich unter alles ziehen.
Und dabei wollte er wenigstens noch einmal in große, grüne Augen blicken.
Er stand vor der Tür und klopfte.
Keine Reaktion!
Das Recht, den Schlüssel zu benutzen, hatte er verwirkt, also setzte er sich, mit dem Rücken an die Wand gelehnt auf den Boden und wartete.
Stiles hatte sicherlich eine Stunde so dagesessen, den misstrauischen Blicken anderer Gäste ausgesetzt, die an ihm vorbei den Flur entlang liefen, ehe er endlich Derek auf sich zukommen sah.
Er erhob sich rasch und hatte keine Ahnung, was er nun tun sollte.
Er unterdrückte den Wunsch, auf ihn zu zurennen und ihm um den Hals zu fallen.
Er widerstand auch dem Impuls, die Beine in die Hand zu nehmen und so schnell wie möglich die Flucht in die andere Richtung zu ergreifen.
Stattdessen wählte er den Kompromiss zwischen diesen beiden Möglichkeiten und blieb einfach stehen, wie zur Salzsäule erstarrt, die Hände ängstlich in die Hosenbeine gekrallt und mit gesenktem Blick:
„Du bist hier!" sagte Derek bloß.
Stiles räusperte sich, doch es half nicht viel. Mit zittriger Stimme sagte er:
„Ich bringe deinen Schlüssel zurück!"
Dann reichte er ihn Derek mit lang ausgestrecktem Arm.
Dieser griff danach, doch als ihre Hände sich berührten geschah etwas. Sie spürten es beide und blickten einander an, als habe sie ein Blitz getroffen.
Schließlich schloss Derek Stiles Finger um den Schlüssel und sagte:
„Gott, ich habe dich vermisst!"
Seine Stimme klang tief, heiser und sehnsuchtsvoll.
Stiles suchte im Gesicht des Älteren nach Anzeichen dafür, dass er log, doch er fand keine.
„Ich dachte, du wolltest mich nicht mehr sehen?" fragte er sehr leise.
„Wenn ich ganz bei Verstand wäre, würde ich das auch sicher nicht wollen." erwiderte er und zog Stiles ihn seine Arme: „Aber mir ist gerade alles egal; dass du mich in mein Unglück stürzen und mir mein Herz brechen wirst, oder auch, dass du nach einem halben Dutzend anderer Kerle riechst, mit denen du in den letzten Tagen geschlafen hast, einer davon Scott und ein anderer mein Onkel."
Stiles dachte an seine rigorose Reinigungsprozedur am Morgen und warf Derek einen verwirrten Blick zu, doch er fragte nicht danach.
Stattdessen barg er sein Gesicht an Dereks Hals, schlang ihm die Arme um die Taille und murmelte:
„Ich habe dich auch vermisst!"
Nachdem sie eine ganze Weile so auf dem Hotelflur gestanden hatten, fragte Derek schließlich:
„Wollen wir reingehen?"
Stiles nickte.
Sie nahmen im Salon auf einem bequemen Sofa Platz, als Derek das Mal an Stiles Hals entdeckte.
Er zog den Kragen des Pullovers beiseite und stellte fest:
„Das war mein Onkel, richtig?"
„Woher weißt du das?" fragte Stiles erstaunt:
„Weil ich Peter kenne und er so etwas nicht zum ersten Mal getan hat!" gab Derek zurück und wollte dann wissen: „Ist das etwas, das dir gefällt!"
Stiles schluckte und kämpfte mit den Tränen.
Dann schüttelte er energisch den Kopf:
„Empfindest du etwas für Peter?" fragte Derek weiter:
„Du meinst, außer Angst?" fragte Stiles zurück: „Nein, er jagt mir einfach nur eine Heidenangst ein!"
„Aber Stiles, warum schläfst du dann mit ihm?" fragte Derek bestürzt.
Wenn Stiles nicht wollte, dass zwischen ihm und Derek alles gleich wieder vorbei wäre, dann musste er jetzt so ehrlich wie möglich sein:
„Ich habe dreimal mit Peter geschlafen." erklärte er: „Beim ersten Mal war ich betrunken, beim zweiten Mal hat er damit gedroht, sich an Scott zu vergreifen, wenn ich es nicht tue und beim dritten Mal habe ich einen großen Gefallen von ihm erbeten und das war die Gegenleistung!"
Bei diesen letzten Worten griff sich Stiles unwillkürlich an die Kehle.
Derek gab ein donnerndes Knurren von sich:
„Ich hasse diesen verfluchten Bastard! Ich werde ihn umbringen!"
Stiles legte beschwichtigend die Hände auf Dereks Schultern und fügte hinzu:
„Er hat mich nie gezwungen; also mit körperlicher Gewalt meine ich. Es ist O.K.!"
Derek blickte ihn fassungslos an und erwiderte dann:
„Das ist es nicht! Es ist NICHT O.K., Stiles! Das ist es niemals, wenn du mit einer Person aus einem anderen Grund Sex hast außer dem, dass DU es wirklich willst!"
Stiles blickte den Älteren an, als wollte er sagen 'In welcher Welt lebst du eigentlich?' und da wurde Derek endlich das ganze Ausmaß des Schadens bewusst, welchen Stiles an Körper und Seele bereits genommen hatte:
„Es tut mir wahnsinnig leid, Stiles!" murmelte er.
Der Jüngere antwortete nicht und rollte sich stattdessen in Dereks Schoß zusammen, wie ein Kätzchen.
Derek seinerseits legte eine seiner großen, warmen Hände auf dem Rücken des jungen Mannes ab und die andere auf seiner Hüfte.
Beinahe kam es Stiles so vor, als würden diese Hände seinen ganzen Körper bedecken und vor der Welt verstecken. Er schloss die Augen und schlief einen Augenblick lang ein.
„Huch!" machte er, als er wenig später wieder erwachte, doch Derek lächelte bloß und da wusste Stiles, dass es in Ordnung war.
Er richtete sich auf und fragte:
„Erzählst du mir nun, was das Besondere an dir ist? Warum kannst du riechen, mit wem ich Sex hatte, obwohl ich mich gründlich gewaschen habe? Wieso kannst du einem anderen Menschen die Schmerzen nehmen? Wieso bist du immer so warm?"
Derek schloss die Augen:
„Ich glaube nicht, dass es viel bringt, wenn ich es dir sage. Ich schätze, ich muss es dir zeigen."
Stiles blickte ihn erwartungsvoll an, doch Derek machte keine Anstalten, irgendetwas zu tun:
„Nun?" fragte Stiles schließlich:
„Ich habe Angst!" gab Derek zurück: „Es wird dich mit Sicherheit zu Tode erschrecken!"
„Glaube ich nicht!" behauptete Stiles und küsste ihn sacht auf die Lippen.
Derek rückte ein wenig von Stiles ab und dann tat er es; verwandelte sich vor dessen Augen in ein Wesen mit hellblau funkelnden Augen, Krallen, Reißzähnen und dämonischen Gesichtszügen.
Stiles wirkte erstaunt, vielleicht auch ein wenig erschrocken, doch zu Dereks Überraschung schien er weit davon entfernt zu sein, zu schreien, oder aus dem Zimmer zu laufen.
Stattdessen streckte er vorsichtig eine Hand aus, berührte mit den Fingerspitzen sacht die Wülste an Stirn und Wangen, die Haare die Derek seitlich im Gesicht gewachsen waren, die spitzen Ohren und schließlich sogar die riesigen Reißzähne.
„Was bist du?" fragte Stiles verblüfft.
Derek verwandelte sich zurück in sein menschliches Selbst und erwiderte:
„Ich will dir noch etwas anderes zeigen. Dann wird es klarer."
Derek erhob sich, legte seine Kleider ab und dann begann sein ganzer Körper sich zu verändern. Muskeln, Sehnen und Skelett formten sich um, es spross dunkles Fell an Dereks gesamtem Leib und einen Augenblick später stand ein riesiger, wunderschöner, schwarzer Wolf im Zimmer.
Stiles lachte, kniete sich vor ihn hin und schlang die Arme um den pelzigen Körper:
„Das ist wundervoll!" rief er aus: „Weißt du, dass ich mir als Junge immer einen Hund gewünscht habe, der mich beschützt?"
Der Derek-Wolf gab ein unzufriedenes kleines Bellen von sich.
Stiles kraulte entschuldigend dessen Ohr und murmelte:
„Ja, ich weiß, dass du kein Hund sondern ein Wolf bist, aber du bist nah genug dran!"
Er drückte Derek einen Kuss auf die haarige Stirn.
Einen Augenblick später verwandelte Derek sich zurück, zog sich wieder an und sie nahmen wie zuvor, einander gegenüber, auf dem Sofa Platz.
Derek schaute Stiles von unten her schüchtern an und wartete darauf, dass dieser etwas sagte:
„Ein Werwolf also!" stellte Stiles schließlich fest, ganz so, als habe er alle Tage mit solchen Phänomenen etwas zu tun:
„Hast du denn gar keine Angst?" fragte Derek ein wenig misstrauisch.
Stiles schüttelte entschlossen den Kopf:
„Nein! Du bist doch immer noch du, ein romantischer Kerl, bei dem ich mich sicher fühle!"
Dann fragte er Derek überrascht: „Warum siehst du denn jetzt so traurig aus. Wäre es dir etwa lieber, wenn ich mich vor dir fürchten würde?"
Derek schüttelte den Kopf und schenkte ihm ein kleines Lächeln:
„Nein, natürlich nicht! Normalerweise ist es bloß immer so. Ich bin es gewohnt, dass Menschen vor meiner wahren Natur Angst haben."
„Ich aber nicht!" versicherte Stiles und schmiegte sich an Derek heran: „Ich finde es toll! Erzählst du mir genau, was es bedeutet, so wie du zu sein?"
Das tat Derek und Stiles hörte aufmerksam zu.
Dann schoss ihm ein Gedanke durch den Kopf, der ihn erstarren ließ:
„Ist Peter auch ein Wolf?"
Derek nickte.
Stiles schluckte:
„Dann wusste er von Anfang an über dich und mich Bescheid. Er hat es gerochen."
„Höchstwahrscheinlich!" bestätigte Derek:
„Dann ist er wohl noch viel gefährlicher, als ich immer angenommen habe. Ich werde niemals von ihm wegkommen, richtig? Selbst wenn ich weglaufe, wird er mich vermutlich finden, stimmt's?"
Derek schluckte schwer. Dann nickte er und sagte:
„Er...ich weiß nicht...auf seine verdrehte Art hat er etwas für dich übrig, denke ich!"
„Ich weiß!" erwiderte Stiles unbehaglich.
Nach einer Weile wollte Derek wissen:
„Verrätst du mir eigentlich, was für Geschäfte du mit Peter machst!"
Stiles zögerte kurz, doch dann berichtete er.
Derek grinste:
„Das ist alles? Du bist ein Schnapsbrenner? Ich habe mir weitaus Schlimmeres vorgestellt!"
„Zum Beispiel?" erkundigte sich Stiles mit einem Stirnrunzeln.
Derek küsste ihn und erwiderte mit jungenhaftem Schmunzeln:
„Nun, da es nicht so ist, muss ich es dir ja auch nicht sagen, oder? Ich bin einfach nur erleichtert, dass es etwas so vergleichsweise Harmloses ist!"
„Versuchst du dich gerade mit Charme aus der Sache herauszuwieseln, um mir nicht sagen zu müssen, welcher Untaten du mich für fähig gehalten hast?" fragte Stiles gespielt streng:
„Funktioniert es?" erkundigte sich Derek.
Stiles lachte:
„Ja, irgendwie schon. Aber nur dieses eine Mal! Und auch nur, weil du das Schönste bist, was ich je gesehen habe. Und zwar in all' deinen drei Erscheinungsformen!"
„Ich sage jetzt etwas zu dir, dass dich mehr erschrecken wird, als die Werwolfsache!" kündigte Derek an, woraufhin Stiles ihm einen erwartungsvollen, aber auch skeptischen Blick schenkte.
Derek fuhr fort:
„Ich denke ich bin verliebt in dich, Kleiner!"
Stiles tat den Mund auf und hatte die Absicht, etwas zu sagen, zum Beispiel, dass es ihm genau so ging, oder so.
Er hatte es WIRKLICH vor und doch kam einfach nichts weiter dabei heraus, außer einem kleinen, unzufriedenen Brummen, gefolgt von einem tiefen Seufzer.
Derek lächelte leise und sagte:
„Ich weiß, Stiles. Es ist in Ordnung!" ganz so als habe er seine Gedanken gelesen.
Stiles küsste ihn einfach noch einmal und war dankbar, dass Derek es ihm so leicht machte.
Nach einer Weile sagte Stiles:
„Ich denke, ich sollte dir das mit Scott erklären. Ich habe nicht gelogen, als ich dir gesagt habe, dass wir zwei nur Freunde sind. Das, was letzte Nacht passiert ist, war ein Gefallen, den ich ihm getan habe!"
Das bedurfte natürlich einer Erklärung, also holte Stiles ein wenig aus. Als er geschlossen hatte, zog er unglücklich die Knie ans Kinn und starrte ins Leere:
„Was?" fragte Derek: „Warum guckst du so unzufrieden?"
„Scott wollte heute Morgen nicht mit mir darüber sprechen, was passiert ist. Er hatte sogar Hemmungen, sich vor mir umzuziehen. Ich denke, er und ich sind keine Freunde mehr!"
Stiles blinzelte ein paar Tränchen weg, doch Derek lachte bloß:
„Das ist doch Unsinn! Ihr zwei liebt euch doch über alles. Scott war nur ein bisschen verunsichert. Sex ist nicht für jeden so eine Selbstverständlichkeit, wie für dich Stiles. Es war sein erstes Mal! Und eigentlich mag er doch auch Frauen, richtig? Hinzu kommt noch, dass er dich IN seinen Körper hineingelassen hat. Etwas Intimeres kann ich mir beinahe nicht vorstellen. Du hast es vielleicht vergessen, wie diese erste Erfahrung für dich gewesen ist und möglicherweise war es dir ja auch damals gar nicht erlaubt, zu entscheiden, ob du das überhaupt zulassen möchtest oder nicht, aber glaub' mir einfach, dass es für die meisten Menschen eine große Sache ist. Dein Freund ist bloß ein wenig durcheinander und muss über alles nachdenken. Das ist auch schon alles!"
In Stiles Gesicht arbeitete es und schließlich sagte er:
„Ich bin so ein Idiot! Ich war heute Morgen so gemein zu Scott und so ungeduldig. Oh, Mann ich hasse mich!"
Derek legte beide Arme um Stiles und zog ihn sanft zu sich heran:
„Red' doch keinen Unsinn, Süßer! Du warst doch bloß verunsichert!"
Er küsste den Kopf des Jüngeren und fuhr fort:
„Ihr werdet das klären und alles wird wieder gut. Da bin ich mir sicher!"
Stiles atmete auf.
Er fühlte sich auf einmal sehr jung in Dereks Armen, beinahe wie ein Kind.
Aber das war O.K., weil gerade niemand da war, der ihn deswegen ausnutzen würde.
Er durfte ein Kind sein.
Er hatte das Versprechen, dass alles gut werden würde.
Und er hatte einen riesigen schwarzen Wolf, der ihn beschützte.
„Willst du mich jetzt gern in dein Schlafzimmer mitnehmen?" wollte Stiles von Derek wissen.
„Willst DU das denn?" fragte dieser zurück.
Stiles wirkte überrascht:
„Musst du das wirklich fragen?"
„Ja, Stiles!" gab Derek zurück: „Das muss ich! Und das werde ich auch solange tun, bis ich weiß, dass du nicht einfach nur aus Gewohnheit 'Ja' sagst!"
„Ich will dich immer, Derek!" versicherte Stiles: „Mit dir ist es nicht so, wie...wie zum Beispiel mit Peter."
„Trotzdem!" beharrte Derek.
Dann schlug er vor:
„Wieso suchst du jetzt nicht erst mal nach deinem Freund Scott und versöhnst dich mit ihm. Und wenn du später Lust hast, kannst du wiederkommen und die Nacht hier verbringen!"
„Ich werde da sein!" versprach Stiles, küsste Derek noch einmal und wendete sich zum Gehen. Er war schon fast aus der Tür, als er noch einmal umkehrte, zu Derek rannte, ihm etwas ins Ohr flüsterte, furchtbar errötete und dann so schnell wie möglich verschwand.
Derek blickte ihm schmunzelnd und kopfschüttelnd hinterher.
Drei süße kleine Worte!
Aber Stiles wäre es vermutlich weniger peinlich gewesen, wenn sie beide nackt und Hand in Hand durch die Innenstadt spaziert wären.
Deaton wischte sich mit einem großen, weißen Stofftaschentuch das Blut von den Fingern. Normalerweise hatte er seine Leute für so etwas, doch bei diesem Wicht war es ihm ein Anliegen gewesen, ihm höchstpersönlich die Scheiße aus dem Leib zu prügeln.
Der hässliche Großkotz hatte zwischen zwei von Deatons Huren gesessen, die ihn mit gerümpftem Nasen verwöhnt hatten und dann die unglaubliche Frechheit besessen, Deaton zu fragen, wie es möglich sei, dass einem Geschäftsmann wie ihm immer wieder der Alkohol ausging? Er hatte weiterhin erklärt, dass er wohl künftig in das Bordell von Peter Hale gehen würde, wo zwar die Mädchen hässlicher seien, aber wenigstens würde man nicht auf dem Trockenen sitzen.
Naja, allzu bald würde dieser Kerl sein Maul nun nicht wieder aufreißen, wenn er denn überhaupt jemals wieder sprechen würde.
Oder Aufwachen!
Den Kiefer hatte er ihm auf jeden Fall gebrochen und als Deaton schließlich mit diesem Stück Scheiße fertig gewesen war, hatte der sich auch nicht mehr gerührt.
Um ehrlich zu sein, war es Deaton gleichgültig, ob der Kerl noch einmal aufstehen würde. Seine Männer hatten ihn jedenfalls erst mal weggeschafft.
Abfallentsorgung!
Nun saß die Nummer zwei der Verbrecherwelt von Beacon Hills hinter seinem riesigen Eichenschreibtisch und drehte die letzte Flasche aus der vorigen Alkohollieferung in seinen Händen.
Noch drei Tage, bis der vereinbarte Nachschub kommen würde. Deaton knirschte mit den Zähnen.
Niemand lachte ungestraft über ihn!
Niemand hielt ihn zum Narren!
Und schon gar nicht diese Kinder, die glaubten, sie könnten IHM die Bedingungen für seine Geschäfte vorgeben.
Sein erster Impuls war es, zu diesen kleinen Arschlöchern hinüberzugehen und dem Sensiblen eine Kanone an den Schädel zu halten, damit der Großmäulige ihm verriet, wo ihre Destille sei.
Doch dann fiel ihm eine elegantere und amüsantere Lösung ein.
Zeit, die Karten in dieser Stadt neu zu mischen!
Er würde Peter vor aller Augen demütigen und dann würde man schon sehen, wer die Nummer eins und wer die Nummer zwei in dieser Stadt war.
Was machte es schon, wenn sie danach erst mal alle auf dem Trockenen saßen.
Im Kira's hielt Peter gerade ein Pläuschchen mit Malia am Tresen. Irgendwie mochte er dieses Mädchen. Sie erinnerte ihn an eine frühere Liebhaberin, nur dass er bei IHR bedauerlicherweise auf Granit biss, weil sie behauptete Mädchen zu bevorzugen.
Innerlich schüttelte Peter den Kopf über diese Menschen, die so begrenzt waren in ihren Vorstellungen, ihren Wünschen und ihrer Moral!
Seine Männer saßen an zwei Tischen, tranken artig ihren Eistee und benahmen sich tadellos. Dieser eigenartige Boyd war bei ihnen, hielt sich wie immer ein wenig Abseits und sprach mit niemandem.
Unglaublicher Weise kam in diesem Moment dieser aufgeblasene, lächerliche Deaton herein, obwohl das Kira's Peters Revier war!
Er hatte vier seiner Männer im Schlepptau; bewaffnet bis an die Zähne.
Gut erzogen, wie Peters Jungs waren, erhoben sie sich wie ein Mann und bauten sich hinter ihrem Boss auf. Nur Boyd blieb sitzen und beobachtete das Schauspiel mit gerunzelter Stirn aus der Ferne, doch das war auch in Ordnung, denn Peter bezahlte ihn schließlich nicht als Leibwache, sondern eher als Mädchen für alles und Feuerwehr.
Malia holte unter dem Tresen eine abgesägte Schrotflinte hervor, richtete sie auf niemand bestimmten, sondern stützte sie lediglich auf ihre Hüfte.
Ein zarter Hinweis, das SIE hier das Hausrecht besaß!
Es war still in der Bar, die Kapelle hatte zu spielen aufgehört und die anderen Gäste hatten alle Gespräche eingestellt.
Sämtliche Augenpaare richteten sich auf die Kontrahenten Deaton und Peter.
Deaton öffnete seine Jacke, sehr langsam und vorsichtig, setzte ein falsches Lächeln auf und schnurrte:
„Ganz ruhig! Ich komme in Frieden. Ich will nur mit meinem alten Freund Peter Hale anstoßen!"
Er zog eine Flasche aus der Innentasche seines Jacketts, die Peter nur allzu bekannt vorkam:
„Keine Sorge, das ist wirklich ein gutes Tröpfchen. Ich denke, du kennst die beiden Jungs, die das Zeug herstellen. Ich fand, du solltest wissen, dass auch ich gute Geschäfte mit ihnen mache!"
'So ein Mistkerl!' dachte Boyd bei sich und stahl sich ungesehen aus der Bar.
Er wusste was als nächstes kommen würde und er musste unbedingt Scott und Stiles finden, ehe Peters Leute es taten.
Stiles war bester Laune, als er von der Destille heimkehrte. Gleich würde er sich mit Scott aussprechen und dann würde er zu Derek hinübergehen. Er strahlte, als er Boyd auf sich zukommen sah, doch als er näher kam, sah er, wie ernst dieser aussah:
„Hey Kumpel! Alles klar?" fragte er munter.
Boyd schüttelte den Kopf:
„Ganz und gar nicht, mein Freund!" sagte er unglücklich: „Finde Scott und verlass' mit ihm die Stadt, sonst seit ihr beide morgen tot! Die Hornisse hat zugestochen!"
Stiles Magen sackte schlagartig eine Etage tiefer, denn er wusste, was Boyd ihm sagen wollte.
Peter, der ein Werwolf war, wusste nun, dass Scott und er ihn hintergangen hatten!
Stiles Überlegungen galten allein der Frage, wie er Scott da heraushalten konnte.
Sheriff Stilinski?
Nein, der wusste gar nicht, womit er es zu tun hatte und eher würde er selbst bei dem Versuch sterben, sich gegen Peter zu stellen, als dass er Scott helfen konnte.
Derek?
Nein, auf keinen Fall! Er war nur einer gegen Peter und all seine Männer und er durfte auf keinen Fall zu Schaden kommen.
Stiles fiel nur eine einzige Sache ein, die er tun konnte:
„Scott wird nachher zu dir kommen. Bitte erklär' ihm alles und beschütze ihn!" bat er Boyd.
Dieser schluckte:
„Nein, Stiles! Tu das nicht!"
Stiles küsste Boyd, schenkte ihm ein trauriges Lächeln und rannte los.
Scott hockte auf dem Bett und wartete bereits ungeduldig in ihrem Zimmer.
Als Stiles ihn erblickte lächelte er ihn voller Zärtlichkeit an und ging vor ihm auf die Knie.
Alles hing davon ab, dass er sich nichts anmerken ließ:
„Hallo Bruder!" sagte er: „Es tut mir so leid, dass ich heute morgen so ein Arsch gewesen bin. Ich schätze, ich hatte einfach eine Scheißangst davor, dass du mir sagen könntest, dass das, was wir letzte Nacht getan haben dich anwidert, oder dass du mich nun mit anderen Augen siehst, oder dass wir keine Freunde mehr sind, oder was auch immer. Ich bin ein Esel!"
„Ja, bist du!" gab Scott zurück: „Und kaum, dass ich aus der Tür war, hatte ich all' das, was du gerade gesagt hast auch schon verstanden."
Er küsste Stiles Stirn und strich ihm das Haar zurück.
Nach einer Weile sagte er schließlich:
„Die letzte Nacht war überhaupt nicht eklig. Sie war echt schön! Ich danke dir dafür! Und ich bin froh, dass du es warst; mein erstes Mal, meine ich! Du bist der allerwichtigste Mensch für mich, weißt du das eigentlich Stiles?"
„Und du für mich! Ich liebe dich, Bruder!" erwiderte Stiles aufrichtig: „Und darum ist es auch wichtig, dass du mir bei dem, was ich jetzt sage vertraust. Tust du das? Vertraust du mir?"
Scott wirkte beunruhigt, doch er nickte und Stiles fuhr fort:
„Ich muss weg. Ich werde eine Weile fort sein. Geh' zu Boyd; der wird dir alles erklären. Nimm Seitenstraßen und sieh' zu, dass niemand dich auf dem Weg dorthin sieht!"
„Was ist los, Stiles? Sag' es mir!" forderte Scott alarmiert.
Stiles schüttelte den Kopf:
„Ich kann nicht! Dafür habe ich leider keine Zeit! Boyd wird mit dir sprechen. Versprochen! Und wenn du Hilfe brauchst, wende dich an den Sheriff! Oder an Derek!"
„Derek?" fragte Scott überrascht.
Stiles Lächeln in diesem Augenblick war ganz und gar aufrichtig:
„Wir sind wieder zusammen. Wir haben den halben Tag miteinander verbracht. Es war so unglaublich schön! Ich habe ihm gesagt, dass ich ihn liebe!"
Scott glaubte, er habe sich verhört.
Dann lachte er und küsste Stiles auf den Mund:
„Ich bin sehr stolz auf dich!" lobte er ihn.
Stiles nickte.
Dann erhob er sich und sagte:
„Wir haben keine Zeit mehr! Wir müssen jetzt los! Egal was geschieht, denk' immer dran: Ich liebe dich!"
Dann schob er noch eine Lüge hinterher:
„Wir sehen uns später!"
Nun brachen die Freunde auf und verschwanden in unterschiedliche Richtungen.
Eine Sekunde lang dachte Stiles darüber nach, noch einen kurzen Zwischenstopp bei Derek einzulegen, denn er wollte ihn so wahnsinnig gern noch einmal sehen, doch zum einen hatte er dafür keine Zeit mehr und zum anderen wusste er, dass er zu dem, was er tun musste nicht mehr fähig wäre, wenn er erst einmal vor ihm stünde.
Denn bei Derek war das Leben!
Stattdessen steuerte er geradewegs auf sein Ziel zu. Sein Plan, Scott zu beschützen würde nur aufgehen, wenn Stiles ungesehen an seinen Häschern vorbeikäme.
Wenn er ihnen zuvorkäme.
Zwanzig Minuten später klingelte Stiles an die Tür von Peter Hale. Der Hausherr öffnete ihm selbst, packte ihn an den Haaren, zog ihn ins Haus und zwang Stiles dann in die Knie:
„Meine Männer durchkämmen die ganze Stadt nach dir und deinem kleinen Freund, du miese, kleine Ratte!" brüllte Peter:
„Ich weiß!" erwidert Stiles mit schmerzverzerrter Miene:
„Darum bin ich hier. Ich bin bereit, meine Strafe anzunehmen!"
Kurz hielt Peter verblüfft inne. Dann zog er eine Pistole hinten aus seiner Hose, entsicherte sie und drückte sie Stiles unter das Kinn:
„Du weißt aber schon, dass ich dich jetzt töten werde, oder Stiles?" fragte er:
„Ja, Peter, das weiß ich!" gab Stiles leise zurück. Mit festerer Stimme fuhr er fort: „Aber haben zum Tode Verurteilte nicht einen letzten Wunsch frei?"
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