1 Kleine Halunken
„Komm' schon Stiles; zieh die Hand wieder aus meiner Hose!" forderte Scott müde.
Stiles dachte gar nicht daran:
„Das war echt verdammt knapp heute!" kommentierte er: „Um ein Haar hätten Peters Leute uns erwischt und dann wäre es mit uns Aus gewesen! So etwas macht mich nun mal kribbelig!"
„Mit dir stimmt doch echt was nicht, wenn unser möglicher Tod deine Hose zu eng werden lässt, Kumpel!" schimpfte Scott und entfernte Stiles Finger von da, wo sie rein gar nichts zu suchen hatten: „Und außerdem weißt du genau, dass diese ganze 'Brüderliche-Liebe'-Sache mehr dein Ding ist, als meins. Ich hab's jedenfalls lieber, wenn Allison sich in dieser Gegend zu schaffen macht und nicht du!"
„Sonst hattest du doch auch nichts dagegen. Ach komm' schon Scotty! Nur ein bisschen rummachen, damit ich runterkomme und einschlafen kann."
Scott schüttelte den Kopf:
„Ich habe jetzt eine Freundin und ich will es mir mit ihr nicht versauen, also Nein!"
Stiles schmollte und verschränkte die Arme vor der Brust:
„Hast du dann was dagegen, wenn ich mir selbst ein bisschen helfe?" fragte er eingeschnappt:
„JAA!" rief Scott aus: „Wir haben ein winziges Bett, ein winziges Zimmer und ein Gemeinschaftsbad auf dem Flur. Wohin soll ich denn bitte mitten in der Nacht verschwinden, während du hier für Spannungsabbau sorgen kannst, hmm?"
„Weiß nicht? Halt dir doch die Ohren zu!" erwiderte Stiles grollend:
„Ach komm' schon Kumpel. Ich weiß was Besseres, wodurch du runterkommen kannst. Dreh dich um!"
Stiles tat stirnrunzelnd, wie ihm geheißen wurde und Scott schlang von hinten einen Arm um ihn und hielt ihn fest:
„Schlaf jetzt Bruder, O.K.!"
„Hmm!" machte Stiles.
Das hier war nicht ganz das, was er im Sinn hatte, aber es war dennoch irgendwie schön.
Zugegeben hätte er das allerdings im Leben nicht!
Er ließ noch einmal den heutigen Tag Revue passieren. Sie hatten wieder einmal die neue Ware abgeliefert, auch wenn sie sich dabei dauernd neue Wege ausdenken mussten, damit der Sheriff ihnen nicht auf die Schliche kam. Und als Peter seine Ladung erhalten hatte, waren Scott und er losgezogen und hatten den Rest, den sie ihrem Boss vorenthielten an Deaton verkauft.
Das, was Peter ihnen für die Ware gab, reichte kaum zum Sterben und sie waren gezwungen, diese Nebengeschäfte zu betreiben, dennoch hatte Scott recht: Peter würde sie beide töten, wenn er dahinterkäme.
Nur hätte Scott vermutlich das Glück, schnell sterben zu dürfen, während ihm selbst wohl ein anderes Schicksal vorbehalten war.
Ein einziges Mal war er Peter in sein Schlafzimmer gefolgt und das auch nur, weil er, mal wieder mit leerem Magen, zu viel von der eigenen Ware gekostet hatte und völlig betrunken gewesen war.
Er hatte es danach nicht wiederholen wollen, denn das Zeug, auf das Peter so stand, war ihm einfach zu heftig. Nur leider bildete sich der Gangsterboss seit dieser Nacht ein, das Stiles ihm gehören würde.
Und wenn Peter je dahinterkäme, dass er ihn hinterging und bestahl, würde das verdammt übel für ihn enden.
Es war das Jahr 1920 und die Einführung der Prohibition hatte aus vielen Leuten reiche Männer gemacht. Stiles fragte sich gerade, warum Scott und er eigentlich immer noch oft genug hungrig ins Bett gingen. Sie trugen doch immerhin einen großen Teil des Risikos, indem sie den Stoff herstellten?
Das große Geld machten jedoch stets die Anderen.
Vielleicht war er ja auch einfach nicht clever genug. Möglicherweise sollte er ja Peters ungesunde Fixierung auf sich ausnutzen, damit für Scott und ihn endlich ein größeres Stück des Kuchens abfiele.
Was machte es schon, wenn er dafür für diesen sadistischen Scheißkerl den Arsch hinhalten musste. Er würde es schon irgendwie verkraften und es war sicherlich leichter, als ganz langsam zu verhungern.
Immerhin war der Kerl wenigstens heiß.
Und Stiles wollte gar nicht erst so tun, als hätte er es nicht nötig, wenn er schon nicht davor zurückschreckte, über Scott herzufallen.
Vielleicht würde Peter ja mit der Zeit sanfter werden?
Vielleicht ließe er mit sich reden?
Stiles Magen knurrte und er zog Scotts Arm enger um sich, um den Hunger nicht so deutlich zu spüren.
Am nächsten Tag machten sich Scott und Stiles wie jeden Tag als erstes auf in den Wald, der das kleine Städtchen Beacon Hills umgab.
Dort gab es ein leer stehendes, zur Hälfte abgebranntes Haus und in dessen Keller befand sich ihre Destille.
Außer den beiden jungen Männern verirrte sich nie jemand nach hier draußen, denn im Ort erzählte man sich, hier draußen würden unheimliche Dinge vor sich gehen. Man sprach von Vampiren, von Hexen oder von Werwölfen.
Alles Blödsinn!
Stiles und Scott hatten hier draußen noch nie etwas Ungewöhnliches beobachtet, aber das Gerede konnte ihnen nur recht sein. So hatten sie ihre Ruhe und niemand kam ihnen auf die Schliche bei dem, was sie taten.
Stiles war ein kleines bisschen stolz auf sein kleines Unternehmen. Von Peter hatten sie zwar das Geld für die Anlage als Kredit bekommen und er zahlte für die Rohstoffe, aber der Aufbau, die Rezeptur: Das war alles auf seinem Mist gewachsen!
Von klein auf hatten ihm immer alle gesagt, dass er schlau sei; dass er das Zeug dazu habe, etwas Großes aus sich zu machen, doch wer zum Teufel gab einem Waisenjungen ohne vernünftigen Schulabschluss schon eine Chance? Er hatte wirklich keine große Wahl gehabt, als auf die schiefe Bahn zu geraten und sein Glück als kleiner Halunke zu versuchen.
Als Peter ihnen dann den Deal angeboten hatte, hatten sie dementsprechend nicht lange gezögert und waren darauf eingegangen. Hätten sie damals nur ihre Konditionen besser verhandelt, denn der Stoff, den sie produzierten war um Längen besser, als alles Andere, was es im ganzen Bundesstaat zu kaufen gab! Dieses Zeug war hochprozentig und es brachte niemanden um oder machte ihn blind, so wie der Fusel, der sonst so herumging.
Stiles wartete die Anlage und Scott füllte soeben den ersten Teil der nächsten Lieferung in Flaschen ab.
Nachdem sie ihre Arbeit getan hatten, kehrten sie in den Ort zurück.
Als sie die Hauptstraße entlangliefen wollte Scott wissen:
„Und was nun?"
„Wie wär's, wenn wir ins „Kira's" gehen würden?" fragte Stiles zurück:
„Um diese Zeit? Es ist noch nicht einmal Nachmittag und du willst in eine Bar gehen?" erkundigte sich Scott ungläubig:
„Wieso nicht? Außer Eistee kannst du dort sowieso nichts bestellen. Außerdem gefällt dir doch die Inhaberin, oder nicht?" neckte ihn Stiles:
„Also erstens habe ich doch jetzt Allison und außerdem hat Kira mehr als deutlich gemacht, dass solche wie ich nicht auf ihrer Speisekarte stehen."
Stiles zuckte mit den Schultern:
„Und was dann?" wollte er wissen.
In diesem Augenblick hielt vor ihnen ein Automobil, aus dem ein Kerl ausstieg, den Stiles noch nie zuvor gesehen hatte.
Er schluckte und stieß Scott seinen Ellenbogen in die Rippen:
„Verdammt! Wer ist das?"
Scott zuckte mit den Schultern:
„Woher soll ich das wissen? Wofür ist das wichtig?"
„Verflucht! Der Kerl ist unglaublich heiß! Ich muss ihn haben!" behauptete Stiles.
Scott blickte ihn zweifelnd an:
„Typen wie der erkennen nicht mal die Existenz von Leuten wie uns an. Siehst du seinen Anzug? Das Ding hat mehr gekostet, als wir beide in unserem ganzen Leben verdienen werden. Und er hat ein Auto! Wie viele Leute kennst du, die ein eigenes Auto besitzen? Für den Kerl sind wir beide bloß Insekten. Und jetzt hör auf, ihn anzustarren. Scheiße, deine Wollust bringt dich eines Tages noch in den Knast!"
Scott hatte sich regelrecht in Rage geredet, doch Stiles zuckte nur gleichgültig mit den Schultern:
„Im Knast würde ich jedenfalls bekommen was ich brauche und meine verdammte Durststrecke wäre endlich vorüber; plus drei Mahlzeiten am Tag, was mehr wäre, als wir jetzt haben!" gab er gelassen zurück, ohne seinen Blick von dem Fremden zu nehmen:
„Im Knast überlebt ein magerer, großmäuliger Kerl wie du keine Woche!" gab Scott zurück: „Hey? Was machst du denn jetzt?"
Wie ferngesteuert hatte Stiles sich in Bewegung gesetzt und folgte dem Kerl in dem sauteuren Anzug:
„Bleib' stehen Mann!" forderte Scott genervt, doch Stiles dachte gar nicht daran:
„Ich muss wissen, wohin er geht und was er tut!" murmelte er abwesend.
Dann fügte er hinzu: „Ich denke, wir gehen wohl doch noch ins 'Kira's'!"
Denn das war genau das Ziel des Fremden!
Der teure Anzug suchte sich einen Platz an der Bar und begrüßte Malia, die heute hinter dem Tresen stand mit Wangenküssen.
Die Zwei schienen sich zu kennen!
Stiles musste ihr unbedingt später ein Loch in den Bauch fragen, doch jetzt wollte er sich den Burschen erst einmal genauer anschauen: schwarze Haare, grüne Augen, groß und einige Jahre älter, als Stiles selbst. Und unter dem teuren Zwirn verbarg sich ohne Frage ein Wahnsinnskörper.
Wenn Stiles eine halbwegs gesunde Selbsteinschätzung gehabt hätte, wäre ihm vielleicht klar geworden, dass dieser Fremde mehr als nur eine Nummer zu groß für ihn war, doch dadurch hatte er sich noch nie von irgendetwas abhalten lassen.
Er warf sich am anderen Ende des Tresens in Pose, starrte den anderen Mann herausfordernd an, bis dieser es irgendwann gewahr wurde und genervt die Augenbrauen hochzog.
Stiles zwinkerte ihm zu.
Der Kerl wandte sich demonstrativ ab und Malia zu.
Er begann ein Gespräch mit ihr, welches Stiles jedoch nicht hören konnte, wegen der anderen Stimmen im Raum und der kleinen Kapelle, die auf der Bühne unermüdlich spielte:
„Der Kerl hat kein Interesse Stiles. Außerdem ist er gebaut wie ein Haus! Hör' auf damit, ihn anzumachen, bevor er dich in Stücke reißt. Es ist doch offensichtlich, dass er sich für Malia interessiert." raunte Scott ihm genervt zu:
„Scheinbar kennt er Malia. Dann wird er doch wohl auch wissen, dass ihre Vorlieben anders gelagert sind. Außerdem: Mein Instinkt verrät mir, dass meine Chancen bei ihm höher wären, als ihre."
„Dein Instinkt ist ein Idiot!" schimpfte Scott.
Plötzlich blickte der Fremde zu ihnen beiden hinüber, als habe er ihr Gespräch mit angehört. Natürlich war das vollkommen unmöglich, bei dem Krach, aber dennoch...
Plötzlich verabschiedete der teure Anzug sich von Malia und machte sich auf den Weg in Richtung Ausgang. Stiles ließ er dabei jedoch keine Sekunde aus dem Auge und sein Blick ging dem Jüngeren durch und durch. Trotzdem bemühte sich Stiles, gelassen zu wirken, während das Herz ihm bis zum Hals schlug. Er lehnte am Tresen und erwiderte den Blick kühl.
Kaum war der Fremde zur Tür hinaus, eilte Stiles umgehend zu Malia hinüber, wobei er beinahe ungeschickt über die eigenen Füße gestolpert wäre:
„Wer ist der Kerl? Woher kennst du ihn? Wie kann ich ihn kennenlernen?" ratterte Stiles aufgebracht seine Fragen herunter:
„Der Kerl heißt Derek!" erwiderte Malia belustigt: „Ich kenne ihn seit einer Ewigkeit; das ist eine lange, langweilige Geschichte. Und du solltest ihn besser gar nicht kennenlernen. Sein Nachname ist Hale!"
Stiles riss die Augen weit auf:
„Hale? Wie Peter Hale? Sind die zwei etwa verwandt? Brüder vielleicht?"
„Onkel und Neffe!" gab Malia zurück: „Lass die Finger von ihm! Peter killt euch beide!"
Stiles nickte:
„Danke für deine Sorge!"
Scott und Stiles verabschiedeten sich und als sie draußen waren, stellte Scott entnervt fest:
„Du hast nicht die geringste Absicht, es auf sich beruhen zu lassen, richtig? Scheiße, Mann! Dich zu kennen wird mich eines Tages noch umbringen. Und wahrscheinlich eher früher als später!"
Stiles legte einen Arm um seinen besten Freund:
„Habe ich dich nicht immer beschützt? War ich nicht immer für dich da? Würde ich jemals etwas tun, dass dich in Gefahr bringt?" fragte er mit verführerischem Augenaufschlag.
Es stimmte; seit sie beide sich als fünfjährige Waisen in der Kinderverwahranstalt 'Eichen-Haus' zum ersten Mal begegnet waren, sind sie unzertrennlich gewesen.
In dieser Umgebung aufzuwachsen war ein echter Alptraum gewesen, doch mit Cleverness und Charme hatte Stiles es immer wieder geschafft, sie beide aus den schlimmsten Schwierigkeiten herauszuhalten. Er hatte Scott von Anfang an beschützt und wenn sie beide heute nicht die Schnapsbrennerei betreiben würden; auch Stiles Initiative, wären sie wahrscheinlich längst verhungert.
Sie waren Brüder; daran bestand kein Zweifel.
„Wieviel Geld haben wir eigentlich noch?" wollte Stiles wissen.
Scott schüttelte traurig den Kopf:
„Die Miete war fällig!"
Sie hatten beide heute noch nichts gegessen und so fragte Stiles:
„Du weißt, was das bedeutet, oder Kumpel?"
Scott wusste es.
Sie mussten mal wieder sehen, was der Wald so hergab!
Diesmal waren es zwei Hände voll Blaubeeren, drei Forellen aus dem Fluss und ein paar Steinpilze.
Sie hatten schon schlechter gegessen, doch Stiles bedauerte, dass die Kaninchenfallen heute leer geblieben waren, denn er hätte mal wieder ein wenig Fleisch vertragen können.
Sie verbrachten den Rest des Tages faul am Fluss in der Sonne und schauten am Abend nochmal in der Destille nach dem Rechten.
Als sie an diesem Abend nebeneinander im Bett lagen, bekam Stiles mal wieder kein Auge zu, nur lag es diesmal nicht daran, dass er Hunger hatte.
Derek Hale!
Der Name hallte in seinem Kopf wieder. Diese durchdringenden grünen Augen und dieser unglaubliche Körper:
„Ich MUSS ihn haben, Bruder!" murmelte Stiles
Scotts wusste, wovon er sprach.
Seine Antwort war ein sorgenvolles Stöhnen!
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top