Zwanzig
Es war noch früh am Morgen, als ich wach wurde und auf dem Weg in die Küche war, um was zu trinken.
Doch schon im oberen Flur traf ich auf Noah, der gerade seine Zimmertür leise hinter sich schloss.
Er sah genauso fertig aus, wie ich mich fühlte.
Was sicherlich nicht daran lag, dass wir gestern relativ spät Nachhause gekommen waren, sondern...
»Geht's ihr gut?«, flüsterte Noah und runzelte dabei besorgt die Stirn, während ich zu ihm schlenderte.
Er meinte meine Mom. Sie hatte vergangene Nacht im 15 Minuten Takt einen Hustanfall nach dem anderen erlitten. Das ganze Haus war derweil auf gewesen und ich konnte danach, als es zwei Stunden später endlich aufhörte, nicht mehr sonderlich gut schlafen.
Ich räusperte mich und nickte gedankenverloren.
Seit drei Stunden schlief Mom nun durchgehend und Dr. McKinlay - der mich bat, ihn Steve zu nennen - ebenfalls.
Die Werte waren wieder in Ordnung und Steve meinte während einem der Anfälle in der Nacht, dass dieser Tag einer der schlechten werden würde.
Einer, an dem Mom viel Ruhe benötigte. Tonnen an Schlaf und wenige, bis gar keine Unterbrechungen. Also übernahm ich die Schicht heute Nachmittag im Luna und war am Abend dann für sie da, sofern sich Mom besser fühlte. Ich hoffte, es ginge ihr bis dahin besser.
Noah hatte Heaven und mir gestern auf dem Nachhauseweg erzählt, dass diese Marie (mit der er rumgemacht hatte) gerne für ein paar Stunden während der Ferien mithelfen wollte und so konnten die beiden die Abendschicht übernehmen.
»Soweit geht es ihr ganz gut, ja. Aber sie wird den Tag im Bett bleiben...Wollen wir zwei... frühstücken? Ich muss danach aber noch wohin«, murmelte ich mit gesenkter Stimme.
Noahs blaue Augen weiteten sich einen Moment und dann nickte er lächelnd. Ein Essensangebot hatte er von mir noch nie bekommen. Ich war selbst überrascht.
»Selbstverständlich«, erwiderte er sofort und lief nach unten.
Obwohl ich auch nur, wie mein Bruder, Boxershorts trug, folgte ich ihm. Noah kannte meinen Körper ohnehin bereits. Auch wenn es mir noch immer ein bisschen unangenehm war, er kommentierte mein Aussehen nicht mehr und er sah mich auch nicht abschätzig an.
Und Noah war scheinbar so von meinem Frühstücks-Vorschlag geplättet, dass er auch nicht hinterfragte, wohin ich diesen Morgen noch so dringend musste.
In der Küche angekommen, hielt mir der Blondschopf eine leere Müslischale entgegen und ich bedankte mich.
Doch meine Gedanken schweiften erneut zu Mom, die dort oben mit ihrem Sauerstoff-Schlauch lag, kämpfte und meine Stimmung, die gerade dabei war, besser zu werden, sackte in sich zusammen. So rapide, dass ich gar nicht drauf klar kam.
Also stellte ich die Schale sicherheitshalber auf den Küchentisch.
Es war, als hätte mir jemand den Stecker gezogen und ich merkte erst, als Noah mich ansprach, dass ich mich für eine sehr lange Zeit nicht mehr bewegt oder reagiert hatte.
Noah, was stimmt mit mir nicht?
Wie kann meine Laune so schnell umschlagen?
Wieso fühle ich mich so, obwohl Mom da ist?
»Alles okay bei dir?«
Ich sah auf und gab angestrengt Kraft in meine Finger, wollte die bebenden Fäuste in Hosentaschen stecken, die nicht vorhanden waren.
Zurückblieb eine eindeutig verzweifelte Bewegung und ein leises Zischen meinerseits.
Noah registrierte den Umschwung, stellte die Müslipackung, die Milch und seine Schüssel unentschlossen auf den Tisch.
Er hielt knapp inne und dann umrundete er den Tisch und stand mit einem Mal so dicht vor mir, dass ich nicht rechtzeitig reagieren konnte.
Und es war gut, dass ich nicht reagierte.
Denn diese Umarmung, in die er mich zog, war notwendig. Ich brauchte sie. Also blieb ich ganz ruhig und schloss die Augen.
»Kane, was ist los?«, fragte Noah an meinem Ohr, ohne sich zu bewegen. Meine Arme hingen schlaff seitlich an meinem Körper herab, die Fäuste waren halb geöffnet, halb geschlossen. Meine Atmung ging stoßweise.
Meine Gedanken waren ein dunkles Chaos und wieder dauerte es Ewigkeiten, bis ich die richtigen Worte fand, die meine Sorgen am besten beschreiben konnten.
»Ich will hoffen und glauben, dass es besser wird...aber ich habe Angst. Angst, dass sie im nächsten Augenblick zusammenbricht«, setzte ich an und gab mir Mühe, laut genug zu sprechen, aber es war mehr ein raues Flüstern. Ich öffnete die Augen seufzend.
Noah, der sich versteifte und dann zögernd zurücklehnte, sah mir nun ins Gesicht. Ich wünschte, er hätte es nicht getan. Denn sein Blick war voller Mitleid, welches er zu unterdrücken versuchte, es ihm aber nicht gänzlich gelang. Ich wollte versuchen mich ihm anvertrauen und ich wollte über meine Ängste sprechen. Aber ich wollte nicht, dass er sich dazu verpflichtet fühlte, mein Kummerkasten zu sein oder mich aufmuntern zu müssen. Er könnte einfach nur da sein und es wäre in Ordnung für mich.
Nur...ich ertrug es nicht, wenn er mich bemitleidete.
Das brachte mich nirgendshin und ich wollte doch irgendwohin.
Einen Weg einschlagen, der mir half.
Mir zeigte, wo ich hingehörte.
Ich gehörte zu Mom, aber zu wem noch? Wer sah mich?
Ohne all das Mitleid, denn das führte mich in eine Dunkelheit, in die ich nicht mehr wollte.
Falls das Chaos in meinem Schädel überhaupt Sinn ergab.
»Ich...«, setzte Noah an, aber er wusste nicht, was er sagen sollte. Stattdessen blickte er mich so gequält an, dass ich es nicht mehr ertrug, meinen Bruder gegenüberzustehen.
Mein Herzschlag setzte aus und ich fühlte mich wie ein kleines Kind, welches gestolpert war, aber nicht selbstständig auf die Beine kam, weil ihm jemand zuvorkam und es hochhob.
Ich war nicht wütend.
Ich erkannte, dass er sich Sorgen machte. Er wollte so verzweifelt aufmunternde Worte finden, dass er einen Blackout bekam.
Dabei musste er nichts sagen. Es war okay.
Ich wollte nur, dass er mich sah.
So wie... Heaven.
Dass er mich anschrie, wenn er wütend war.
Dass er die Augen verdrehte, wenn er von mir genervt war.
Dass er mich ignorierte, wenn ich mich gehörig daneben benahm.
Er sollte nicht alles schweigend hinnehmen, was ich tat.
Doch irgendwie klappte das (außer mit Mom) bei keinem so recht.
Nur...nur bei Heaven.
Ich löste mich vorsichtig aus seiner Umarmung und fuhr mir mit einer fahrigen Bewegung durch mein wirres Haar.
Mein Magen fühlte sich taub an und das Verlangen, was zu essen, war verblasst.
»Ich bin für dich da, Kane. Und verstehe, dass du Angst hast«
Nickend betrachtete ich Noah, aber das alles war viel zu schnell, viel zu unangenehm für mich geworden, weswegen ich mich schweigend umdrehte und zurück in mein Zimmer joggte. Zumindest wollte ich das, aber Noahs Hand legte sich ganz leicht um mein rechtes Handgelenk und hielt mich davon ab.
»Es tut weh, dich so zu sehen, Kane. Und ich kann nichts gegen meine Gefühle tun. Ich bin auch nur ein Mensch und Leid zu empfinden gehört dazu. Du bist mein Bruder«
Ich biss mir auf die Unterlippe und nickte erneut.
Ich verstand ihn.
Jedoch war auch ich nur ein Mensch und hatte Gefühle, die mir den Kopf zerschossen, obwohl sie eigentlich Sache des Herzens waren.
»Ich verstehe dich, aber ich muss raus. Schreibst du mir, wenn sie wach ist?«, fragte ich und Noahs Gesichtszüge hellten sich minimal auf. Er nickte und dann wartete ich. Solange, bis er von mir abließ und ich in mein Zimmer floh.
Ich flüchtete vor den Sorgen, dem Schmerz und all der Verwirrung und fand mich schlussendlich vor meinem Zimmerfenster wieder.
Heavens Vorhänge waren noch immer geschlossen, scheinbar schlief er noch. Und seine Fenster waren auch noch zu, also blieb mir nichts anderes übrig, als mich anzuziehen, mich annähernd frisch zu machen und zehn Minuten später wieder unten im Flur zu stehen, als Noah mich vor der Tür abpasste und fragte: »Du gehst zu Skyler, oder?«
Ich schluckte schwer, weil er ins Schwarze traf.
Keine Ahnung, woher er das wusste.
Ich wusste selbst nicht einmal, warum ich zu Heaven wollte.
Es gab nichts, dass ich ihm zu sagen hatte. Nichts, dass ich ihn fragen könnte. Wobei...da gab es eine Frage, die ich ihm stellen könnte.
Und da war dieser Moment von gestern gewesen. Der, der mehr geworden wäre, hätte Noah uns nicht unterbrochen.
Heavens Hand in meiner. Seine Augen, die mich angesehen hatten, als wäre ich derjenige, den er wollte.
Ich war mir sicher, dass mehr passiert wäre und gestern wollte ich das auch.
Aber wie sah es heute aus?
Wenn ich also Noahs Frage bejahte, könnte ich seine Gefühle verletzen. Heaven war sein bester Freund, nachdem ich mich gerade sehnte.
Vielleicht wollte ich mich mit ihm streiten, vielleicht ihn aufziehen oder vielleicht probierte ich heute einfach mal was anderes aus.
Doch würde ich Noahs Frage verneinen, dann log ich meinem Bruder mitten ins Gesicht und das hatte er nicht verdient.
»Ist das okay für dich, wenn ich zu ihm gehe?«
Die Frage war leise, aber für Noah laut genug. Er blinzelte und runzelte dann die Stirn.
»Solange du ihn nicht erwürgst und er weiterhin mein bester Freund bleibt, ist das für mich okay«, sagte Noah, wobei er meinen Blick festhielt, um seinen Worten mehr Ausdruck zu verleihen. Ich holte tief Luft und öffnete die Tür, als Noah noch hinterher rief: »Er hatte recht. Du kannst ihn nicht dein Leben lang hassen«
Perplex runzelte ich die Stirn, doch da knallte mein Bruder die Haustüre zu.
Manchmal war er seltsam, deswegen zerbrach ich mir nicht den Kopf, über wen er da gerade gesprochen hatte oder was er damit genau meinte.
Keine Minute später stand ich vor dem kleinen Haus der Kings und klingelte. Und schon bevor ich die Klingel drückte, spürte ich, wie ich mich Stück für Stück entspannte.
Jede Sekunde, die verstrich, ließ mich ruhiger werden. War das normal? Sollte ich nicht nervös sein, wenn man bedachte, wie nah Heaven und ich gestern voreinander standen? Wenn man bedachte, dass ich seine Hand nochmal halten wollte?
Die Tür der Kings öffnete sich und zum Vorschein kam eine Frau, die mich mit einem netten Lächeln in Empfang nahm.
Sie schien im ersten Moment überfordert zu sein, wusste allerdings noch, wer ich war.
»Kane...das ist eine Überraschung«
Sie strich sich ihr Haar, das dunkler als das von Heaven war, hinter die Ohren.
Heaven war ein bisschen kleiner als ich, aber sie war noch ein ganzes Stück kleiner als Heaven. Ich senkte das Kinn.
»Hey, Mrs. King, ist...Skyler Zuhause?«, fragte ich mit einem gepressten Lächeln, obwohl ich die Antwort schon lange kannte.
»Ja...«, sagte sie. Keine Ahnung, wie ihr Name war. Sie hatte sich mir vorgestellt, am Tag der Grillparty, aber ich hatte ihn nicht mehr im Kopf. Dafür geisterte in meinem Kopf ihr Sohn umher.
Ihr Sohn, der mich nicht mit Samthandschuhen berührte und mich so behandelte, als wäre ich kein zerbrochenes Wrack.
Mrs. King sah mich abwartend an und ich verstand, dass ich ihr erst erklären musste, was ich vorhatte, bevor ich eintreten durfte. Verständlich.
Was sollte ich der guten Frau sagen?
Mrs. King, ich will einfach ihren Sohn sehen, denn er ist gar nicht so beschissen, wie ich dachte. Er geht mir auf den Geist und das mag ich an ihm. Ich weiß nicht, was genau ich ihm sagen möchte, das werde ich noch herausfinden. Wenn er mich jedoch rausschickt, werde ich gehen. Wenn er mich aber in sein Bett bittet... kann es sein, dass ich ihn auslache oder ich werde ihm folgen. Wir werden sehen, also...Bitte lassen Sie mich rein.
»Skyler und ich waren verabredet«, meinte ich stattdessen und ihre Augen weiteten sich.
Shit, was, wenn sie das gerade falsch verstand?
Und was war, wenn ich das beabsichtigt hatte?
Aber was, wenn Heaven nicht geoutet war vor seinen Eltern? Fuck, ich musste das gerade biegen, auch wenn ich es womöglich nicht gerade biegen wollte.
»Also eigentlich wollten wir die Schichten im Luna für die nächsten Tage besprechen«, plapperte ich drauf los und hasste es, dass meine Entspannung sich in Panik verwandelt hatte. Ihr so dreist ins Gesicht zu lügen, war schon echt mies. Fuck, Alter.
Was tat ich mir da nur an?
Ich hätte einfach an sein beschissenes Fenster klopfen können. Dann würde ich jetzt nicht von einem Bein aufs andere treten und darauf warten, dass sie mich abschätzig ansah.
Allerdings tat sie das nicht.
Sonderlich überzeugt von meinem Geschwafel sah Heavens Mom trotzdem nicht aus.
»Oh, das klingt spannend...«
Gott, der Satz war pure Ironie.
»Na dann, komm rein, Kane. Du kannst ruhig Nicole zu mir sagen«, meinte sie und trat beiseite.
Erleichterung durchflutete mich und das gepresste Lächeln wurde zu einem echten.
Nicole erwiderte es und als ich drin war und sie die Tür hinter uns schloss, deutete sie den kleinen Flur entlang auf eine Treppe zu, die in den ersten Stock führte. Es war schon eine ganze Weile her, als ich hier zuletzt stand.
»Er wird noch schlafen. Soll ich ihn aufwecken, oder willst du...?«
Nicole sah mich mit ihren dunkelgrünen Augen unschlüssig an, weswegen ich den Kopf schüttelte.
Heaven schlafend sehen? Das würde ein Spaß werden. Wenn er sabberte, würde ich ein Bild von ihm machen. Und ihm zuschauen, wie er schlief.
»Ich mach' schon. Danke, Nicole«
Sie nickte nach einer Weile und meinte: »Die zweite Tür auf der rechten Seite. Bitte seid leise, mein Mann schläft noch...«
Scheiße. Meine Lüge hatte sie mir definitiv nicht abgekauft.
Meine Schuhe zog ich eilig aus und ging dann an Heavens Mutter vorbei, die mir ungeniert nachstarrte.
Ja, Nicole. Ich kann's auch nicht glauben, dass ich das tue.
Schnell ging ich die hölzernen Treppen hoch und sah mich dabei um. An den Wänden verzierten etliche Bilder den Flur und ich wäre sicherlich stehengeblieben und hätte sie mir in Ruhe angesehen...aber Heavens sabbernde, schlafende Visage hatte gerade einfach vorrangig.
Also griff ich nach der silbernen Klinke der geschlossenen Tür, öffnete sie leise und trat lautlos ein.
Der Boden unter meinen Füßen knarzte glücklicherweise nicht und die Tür schien mein Spielchen mitzuspielen.
Heavens Chaoszimmer kannte ich schon, nur von einer anderen Perspektive. Überall lagen Klamotten verteilt, ein helles Surfbrett machte sich quer am Boden breit.
Sein Bett war leer, weswegen ich automatisch zum Fenster sah und ihn dort tatsächlich fand.
Mit dem nackten Rücken zu mir, während er nach draußen sah. Zu meinem Fenster. Ein selbstgefälliges Grinsen huschte über meine Lippen, als ich die Tür ohne Geräusche schloss und zu ihm schlich.
Seine engen blauen Boxershorts schmiegten sich an seine gebräunten Hüften und allein von hinten, sah Heaven verflucht gut aus. Er war wirklich schön. Und es frustrierte mich, dass ich mir das erst jetzt eingestehen konnte, obwohl ich es schon viel früher registriert hatte.
Natürlich waren die Typen gestern Abend einer nach dem anderen vor ihm gestanden und hatten ihn länger angesehen, als nötig.
Aber...wie konnte man so ins Stalken vertieft sein, dass man nicht mitbekam, wie sein eigenes Stalkingopfer plötzlich im eigenen Zimmer auftauchte?
Zwei kleine Schritte noch und dann stand ich dicht hinter Heaven. Mein Herz klopfte laut und schnell, doch er hörte es nicht, so vertieft war er darin, kleine Kreise auf das Glas des Fensters zu malen.
Keine Ahnung woran er dachte, aber ich wüsste es gerne.
Still neigte ich den Kopf nach vorne, dorthin, wo sein Hals entblößt dalag und mein Atem, den ich angehalten hatte, traf ungebremst auf seine entblößte Haut.
»Deine Sucht nach mir artet langsam aus, findest du nicht?«, raunte ich höhnisch an sein Ohr. Der Geruch von Limetten stieg mir wenig später in die Nase.
Heaven schrie auf und zuckte so heftig zusammen, dass auch ich mich für den Bruchteil einer Sekunde erschrak. Doch dann drehte er sich um und meine Nasenspitze, wie auch meine Lippen kamen in den Genuss einer flüchtigen Berührung mit seiner Wange.
Grüne Augen, mit braunen Sprenkeln darin, sahen mich schockiert an und ein echtes Lachen entschlüpfte meiner trockenen Kehle.
»Verflucht. Was tust du hier?«, keuchte er, aber schon einen Atemzug später bemerkte ich seine Hand, die sich in dem Stoff meines Shirts festkrallte und ich kam nicht mehr zurecht. Die Wärme seiner Finger sickerte durch meine Kleidung und traf auf meine Haut, die sofort in Flammen stand und nach mehr verlangte. Fuck. So viel zu: aber wie sah es heute aus?
»Kane?«, hakte Heaven noch immer skeptisch nach und seine Hand löste sich von mir, weswegen ich nach ihr griff und unsere Finger ineinander verschränkte. So selbstverständlich, dass es fast schon gruselig war.
Ich will nur wissen, ob es sich genauso gut wie gestern anfühlt.
Kein Wort verließ meine Lippen, ich blieb einfach nur eine Weile stehen, spürte ihn und sah Heaven an.
Und es fühlte sich so an, wie gestern. Genauso gut, genauso faszinierend, genauso aufregend. Ich wollte mehr.
»Ist was passiert? Hat meine Mom dich reingelassen?«
Ein neugieriges Grinsen lag auf Heavens Lippen, die weich aussahen. Ich war mir sicher, sie fühlten sich genauso geschmeidig an, wie seine Finger, die sich enger um meine legten. Oder sein Daumen, der meinen neckend anstupste.
Er machte es mir so leicht, ehrlich zu sein, dass ich sagte: »Nein, es ist nichts passiert und ja, deine Mom hat mich reingelassen«
Heaven nickte und wartete. Wartete auf die Frage, die in meinen Augen brannte und schließlich meinen Mund verließen.
»Meine Mutter möchte dich kennenlernen«
Daraufhin weiteten sich seine Pupillen und ich biss die Zähne aufeinander.
Stille brach über uns herein und ich fühlte mich unwohl.
Entblößt, wie in der Nacht auf dem Dach.
Doch diesmal war ich stärker. Ich lief nicht weg, stattdessen fügte ich hinzu: »Also...nur wenn du willst...Willst du sie kennenlernen?«
Heaven lehnte sich mit dem Rücken gegen die Scheibe. Unsere Hände hielten einander heftiger fest.
Dann grinste er so triumphierend, dass ich die Augen verdrehen musste. So ein Idiot.
»Wir hatten noch nicht einmal ein offizielles Date und du möchtest mich schon deiner Mom vorstellen?«, neckte er mich und zog dabei leicht an meiner Hand.
Perplex starrte ich ihn an und sein Gesichtsausdruck war so ernst, dass ich echt nicht wusste, was ich sagen sollte.
Nein, meine Mutter möchte dich kennenlernen. Doch du hast recht. Ich will dich ihr ebenfalls vorstellen.
Mir fiel was ein und ich schmunzelte überheblich.
»Wir hatten schon mal ein inoffizielles Date? Ich dachte, das wäre ›nur was essen gehen‹«
Heaven biss sich ertappt auf die Unterlippe, auf die mein Blick erneut fiel und einen Wirbel aus Hitze, Kribbeln und Verlangen auslöste.
Und dann fingen seine Lippen an, sich zu bewegen.
»Egal, was es war. Ob Essen gehen oder inoffizielles Date... meine Antwort auf deine Frage lautet: Ja. Ich will sie kennenlernen. Sehr gerne sogar«
Mein Atem pausierte.
Warum tust du das?
Warum bist du nicht völlig verstört von meinem widersprüchlichen Verhalten?
Warum grinst du, obwohl ich das reinste Chaos bin?
Dennoch durchflutete mich Erleichterung, also holte ich Luft und genoss den fruchtigen Geruch, den er ausstrahlte. Sein braunes Haar war durcheinander und die Augenringe, die er hatte waren hübsch anzusehen.
Heaven schien von meinem Chaos nicht abgeneigt zu sein. Das hatte er mir schon ein paar mal bewiesen und auch jetzt bewies er es mir.
Er sah mich an und grinste einfach nur. Aber dann...
»Bist du vor deinen Eltern eigentlich geoutet?«, fragte ich völlig unangebracht dazwischen.
Heavens Grinsen verblasste und seine Stirn legte sich in Falten.
»Ist das jetzt eine Fangfrage?«
Ehe ich antworten konnte, vibrierte mein Handy in der Nähe meines Schrittes, weswegen ich meine Hand von seiner löste und innerhalb von vier Sekunden war dieser Moment zwischen uns schon wieder vorbei.
Sie ist wach, kommst du rüber?
Bin gleich da.
Mom war wach, ich musste zu ihr rüber.
Allerdings wollte ich nicht, dass dieser Moment schon endete, weswegen ich in gewissermaßen erst einmal an mich dachte.
Mein Smartphone wanderte zurück in die Hosentasche, als ich aufsah und den Kopf schüttelte.
»Keine Fangfrage, Heaven. Deine Mutter könnte möglicherweise denken, dass wir beide hier oben ziemlich zur Sache gehen«
Dass Heavens Gelassenheit mit einem Schlag in sich zusammenbrach, ließ mich lautlos Lachen. Nur kurz, denn dann presste ich die Lippen aufeinander.
»Bist du nicht vor ihnen geoutet?«
Fuck. Ich hätte besser lügen müssen.
»Doch, aber...«, meinte Heaven unschlüssig und unterbrach meine Überlegung.
Aber?
Es fühlte sich an, als hätte er mich ausgelacht. Und das war so verflucht scheiße, dass ich einen Schritt zurücktrat.
»Findest du's denn so verwerflich, dass sie sowas denken könnte?«
Eine leise, ehrliche Frage, deren Antwort über alles entscheiden könnte. Meine Kiefermuskeln begannen ohne Vorwarnung zu zucken.
Heaven legte den Kopf leicht schief und ich versuchte mich nicht von seinem gebräunten Oberkörper ablenken zu lassen.
»Warum lässt du meine Mutter in dem Glauben, es könnte was zwischen uns laufen?«
Auf meine Lippen legte sich ein erleichtertes Lächeln. Fast schon hätte ich aufgeseufzt.
Heaven, du bist ein aufmüpfiges, nerviges Köpfchen, dass mich manchmal sämtliche Nerven kostet.
Aber du bist nicht auf den Kopf gefallen, also...
»Denk nach, so schwer ist das nicht.«
Dann ließ ich ihn vollkommen sprachlos zurück und ging Nachhause. Und ich dachte dabei nur an eines: Ja, ich wollte mehr.
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