Neunzehn

Mein Puls war viel zu hoch und in mir brannte eine so heftige Wut, dass mein Hirn für einen Moment aussetzte und ich Mike McCain angrinste, als ob ich ihn hier sofort ficken wollte. Dabei war ich Meilen davon entfernt, das mit ihm tun zu wollen.

Ich wollte nur, dass Heaven endlich realisierte, was er mir da antat und dass der Blickkontakt zwischen uns endlich wieder länger als zwei Sekunden andauerte.

Mike, der an seinem Tom Collins nippte und mich perplex ansah, blinzelte und dann schien er zu verstehen, was hier abging.

Sein Blick huschte zu Heaven, der akribisch die benutzten Cocktailgläser spülte und anschließend trocknete, um mich ja nicht ansehen zu müssen.
Ich biss die Zähne aufeinander und schaute zu den Typen in der Ecke, die sich miteinander unterhielten.

Die Flamme der Wut in mir wurde größer, als ich den Kerl mit dem Tequila Sunrise in der Hand, genauer ansah.
Leider war er nicht hässlich.

»Keine Sorge. Die sind, glaube ich, alle vergeben«, murmelte Mike, der mich noch immer beobachtete.
Erst als ich mich wieder richtig auf ihn konzentrierte, stellte ich fest, wie angespannt er war.

»Nicht dass es mich interessiert...aber woher willst du das wissen?«, hakte ich trotzdem nach und ignorierte das Verlangen, erneut zu Heaven zu sehen. Ich versuchte es und scheiterte jämmerlich.

Der Junge, der nach Limetten roch und einen leichten Sonnenbrand auf der Nase hatte, stellte die Gläser zurück an ihre Plätze und fing an, geschnittenes Obst in den kleinen Kühlschrank unter der Arbeitsfläche zu räumen.

Ich holte durch die Nase tief Luft.
Es machte mich fertig, dass er mich so einfach ausblenden konnte.

Endlich war Mom daheim und mein Leben schien nicht allzu beschissen zu laufen und dann...dann kam das hier und brachte alles durcheinander. Keine Ahnung, was das hier genau war. Aber was es auch war, Heaven sollte aufhören damit.

Ich wollte ihn wieder ärgern und er sollte mich mit seinen spitzen Bemerkungen auf 180 bringen. Das war doch das, worin wir beide gut waren, richtig?

Mike riss mich aus meinen Gedanken, als er meine Frage beantwortete: »Weil der Blonde der Ex ist, von dem ich dir erzählt habe und der hübsche Typ daneben, sein fester Freund«

Überrascht zog ich die Augenbrauen hinauf und sah zu den Jungs, die ungefähr in meinem Alter waren.
Meine Augen wanderten allerdings wieder zu dem Typ, der vorhin von Heaven bedient wurde. Er war das flirtende Übel.

»Schön und gut für die zwei, aber der Kerl, der bei dem anderen-«, setzte ich an, wurde von Mike schlagartig unterbrochen.

»Ich glaube, der vögelt mit dem, der vorhin einen Aufstand gemacht hat«

Das Feuer wurde zu einer unscheinbaren Flamme und meine Wut verrauchte wenig später.
Plötzlich schien mir der Abend wieder erträglicher zu sein. Die waren alle vergeben.
Meine Augen wanderten wie von selbst zu Heaven, vor dem nun McCains blonder Ex-Freund stand und einen Margarita bestellte. Zumindest kramte Heaven nach den Zutaten, kam aber ins Stocken, weil er scheinbar vergaß, wie viel Zentiliter von dem Tequila reinmussten.

Gerade als ich einen Schritt in seine Richtung machte, griff er nach dem Tequila und goss die richtige Menge ein.

Ich seufzte, ohne es zu merken.
Mike kommentierte das, ohne dass ich ihn darum gebeten hatte.

»Du hast doch gesagt, du wärst nicht schwul«

Schnaubend lehnte ich mich mit der Hüfte an die Arbeitsfläche, während ich McCains Ex betrachtete und anschließend Heaven.
Die beiden schienen sich gut zu verstehen und diesmal wurde ich nicht wütend. Weil ich wusste, dass der Blondschopf vergeben war und genauso beobachtet wurde von seinem Freund, wie ich Heaven im Visier behielt.

»Das stimmt auch. Ich bin nicht schwul«, sagte ich nach einer Weile an Mike gerichtet. Seine skeptischen grünen Augen trafen auf meine.

»Warum siehst du deinen Kollegen dann so an, als würdest du ihn auf dem Tresen flachlegen wollen?«, fragte er schamlos und auf seine Lippen schlich sich ein hinterlistiges Grinsen, das ich mit einem Augenrollen quittierte. Das war mein Spruch.

Allerdings klopfte mein Herz schneller, weil mein Kopf seine Aussage in Fantasien umwandelte. Fantasien, die mir gefielen und von denen ich nicht abgeneigt wäre. Auch wenn sie im Augenblick unrealistisch waren und Heaven mich mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht ranlassen würde.

Ich erinnerte mich an seine Aussage am Tag, als ich ihm zeigte, wie man die besten Cocktails der Stadt machte. Der Tag, als ich mich vor ihm übergab.

›Meine Hüften bewegen sich im Übrigen sehr geschmeidig beim Ficken, Kane‹

Meine Wangen fühlten sich an, als würden sie wortwörtlich brennen und ich räusperte mich verlegen.

»Dafür muss ich doch nicht schwul sein, McCain«, meinte ich möglichst entspannt und verschränkte die Arme vor der Brust. Mikes Blick fiel auf meine Unterarme und begutachteten diese, was mir nicht sonderlich gefiel.
Scheinbar dachte er, er hätte nach dieser Offenbarung Chancen bei mir.

»Also bist du bi«, wollte er es genauer wissen und sah wieder hoch, in meine Augen.
Ich erwiderte seinen Blick neutral, sah mir seine Gestalt an und fühlte dabei absolut nichts.

Okay, er war in Ordnung. Aber mehr war da nicht. Würde er von irgendwem angeflirtet werden, würde ich demjenigen höchstens noch danken.

Bei Heaven sah das ganze anders aus.
Dieser Kerl hatte ihn angegrinst und eine Sekunde später wäre mir beinahe ein Cocktailglas vor versammelter Mannschaft aus der Hand gefallen, hätte ich es nicht rechtzeitig aufgefangen.

Da war was, das ich nicht mehr ignorieren konnte. Etwas, dass laut und deutlich nach Heaven schrie.
Aber was es auch war, es musste leise sein. Zumindest solange, bis dieser Abend vorbei und die Gäste gegangen,waren. Ich hoffte, ich hielt es bis Ladenschluss noch aus.

Ich fuhr mir mit der rechten Hand durch meine, vom Schweiß, feuchten Haare.

»Ist doch vollkommen egal, was ich bin. Spielt zumindest für mich keine Rolle. Also lass mich mit diesen Begrifflichkeit bitte in Ruhe«, bat ich Mike und wartete darauf, dass sich jemand an die Bar begab, der weniger anstrengend war.

Aber außer Mike und dem Blonden bei Heaven, waren alle miteinander beschäftigt. Jeder redete mit jedem und die Stimmung war ausgelassen. Ab und an lachten Menschen laut und das Mädchen von vorhin, warf mir einen langen Blick zu, den ich höflich mit einem Lächeln abtat. Sie wickelte ihr Haar wieder um ihre Finger und ich wollte fast würgen, ließ es aber bleiben, weil sie gut trank und dementsprechend gut Geld diese Nacht im Luna ließ.

Mike nahm einen weiteren Schluck und setzte seine Bedrängungstour fort.

»Damit ich das richtig verstehe: Du würdest also was mit einem Kerl anfangen?«
Er kniff seine Augen fragend zusammen und legte den Kopf leicht beiseite.
Irgendwie war mir das gerade beschissen unangenehm.
Die Frage war es nicht, denn dazu stand ich.
Ja, Kerle waren geil. Frauen irgendwie auch. Aber Mike entsprach nicht meinem...Beuteschema. So gar nicht.
Ihn heiß anzugrinsen, um Heaven zu ärgern, war nicht sonderlich schlau gewesen.

»Scheinbar würde ich aber eher was mit der aufmüpfigen, nervigen Sorte Kerl anfangen, die mich bis ins Blut reizen«, sagte ich und starrte Mike an, während ich an Heaven, und an unser aller erstes Aufeinandertreffen, dachte.

Er hatte gesagt, er konnte es nicht glauben, dass Noah tatsächlich mit so einem Arsch wie mir verwandt war.

Was mich damals zum Grinsen gebracht hatte, ließ mich in genau diesem Moment leise seufzen.

Scheinbar hatte Heaven mittlerweile erkannt, dass ich doch genau der Scheißkerl war, für den er mich anfangs hielt. Es war besser so, wenn er andere Kerle gut fand. Aber es fühlte sich nicht besser an.

Mike räusperte sich.
Shit, ihm Hoffnungen zu machen war das Letzte, das ich wollte.

»Vergiss es, du bist zwar auch nervig, aber nicht mein Typ, McCain«, meinte ich ernst und in seinen Augen keimte für einen Atemzug sowas wie Enttäuschung auf. Ich zuckte entschuldigend mit den Schultern, ohne mich wirklich schuldig zu fühlen. Es war die Wahrheit, wenn auch nicht sonderlich nett ausgedrückt.

Mike seufzte, trank den Inhalt seines Glases aus und zuckte dann ebenfalls mit den Schultern. Ein verständnisvoll wirkendes Lächeln legte sich auf seine Lippen.

»Schade, aber dann ist es so. Geschmäcker sind verschieden«, sprach er und ich erwiderte das Lächeln zögernd, als sein Blick sich von mir lösten und den aufmüpfigen, nervigen Kerl in Augenschein nahm, der mich bis ins Blut reizte.

»Aber er ist von genau der Sorte, richtig? Ich meine, hübsch ist er definitiv. Entspricht auch meinem Geschmack. Und er scheint die Männer magisch anzuziehen. Wenn du ihn also nicht aufreißen willst, kann ich-«

Knurrend griff ich nach einem feuchten, gelben Lappen und schlug McCain damit in die Fresse. Nicht zu fest, aber fest genug, dass der Lappen ein paar Menschen um ihn herum nass spritzte und Mike wie ein Mädchen aufschrie.

Ein paar Gespräche um uns herum brachen ab und die Augen einiger Anwesender richteten sich auf Mike und mich.
Ich ließ den Lappen sinken und ignorierte die Blicke der anderen so lange, bis sie aufhörten zu starren und alle wieder miteinander redeten.

Mike dagegen brach in Gelächter aus und stützte sich dabei mit den Ellenbogen auf der Platte ab.

Augen verdrehend griff ich nach dem leeren Glas, legte es in das lauwarme Abspülwasser und zischte angepisst: »Hör auf mich zu nerven und bestell' gefälligst was«

Mikes dunkle Augenbrauen schossen in die Höhe, während er sich das Wasser mit dem Unterarm vom Gesicht trocknete.
»Wow, was für ein freundlicher Service, Kane«

Ich brummte bloß und sah erneut zu Heaven, der von meiner kleinen Aktion scheinbar gar nichts mitbekommen hatte.
Er war so in das Gespräch mit McCains Ex vertieft, dass er mein Starren nicht registrierte.

Dabei tat ich das so...verzweifelt offensichtlich, dass es schon fast lächerlich war.
Ich wollte, dass er es mitbekam, wie sehr mich unsere Stille beschäftigte.
Aber Heaven ignorierte mich weiter und meine Hände ballten sich automatisch zu Fäusten.

Verschwinde, Blondschopf.

»Beruhig dich, Kane. Keiner mag Stalker«, kommentierte Mike, der noch immer nichts bestellt hatte.

Wie falsch du damit doch liegst, McCain.

Ich fing an, ein Cocktail zu mixen, denn Heaven weiterhin anzustarren, brachte mich nirgendwo hin.
Doch spätestens als ich die Limette aufschnitt und den Inhalt des Glases vor mir entgeistert beäugte, biss ich mir fest auf die Zunge.

»Ich hab' gar keinen Mojito bestellt«, meinte mein Gegenüber und ich sah von dem Drink, zu Mike, dann zu Heaven, der dem Blonden zunickte und schließlich zurück zum Drink. Ein Mojito. Ein fucking Mojito.

Ich wusste, was ich mir da selbst mitteilen wollte.

Heaven war definitiv nicht nur der Junge von Nebenan oder einfach nur Noahs bester Freund.

Er war ab dem Zeitpunkt mehr, als ich registrierte, dass er nach Limetten roch und ich ihm einen Spitznamen gab, weil ich ihn anders als die anderen nennen wollte.

»Pech, McCain. Jetzt bekommst du einen Mojito«

Mike verzog den Mund zu einer Grimasse.
»Ich weiß nicht, ob ich den gut finde«

Irgendwie nahm ich's persönlich, also lehnte ich mich zu ihm und schob das Glas nah vor dessen Gesicht.

»Ich dachte auch, dass ich kein Fan davon bin, aber die Limetten machen sich wirklich gut«, sagte ich und konnte nicht aufhören, in dem Grün seiner Augen nach braunen Sprenkeln zu suchen. Sprenkeln, die im Sonnenlicht wie Bernsteine funkelten.
Ich fand sie nicht und wendete mich schließlich ab.

Dabei registrierte ich erst, als ich mit ihm zusammenstieß, dass Heaven neben mir stand und nach einer Limettenscheibe griff. 

Meine Brust war gegen seinen rechten Oberarm gedrückt, während er in der Bewegung innehielt, zu mir aufsah und ich mich nicht traute, zu blinzeln.
Denn da waren die braunen Sprenkeln, die ich verflucht hübsch fand. Nur er hatte sie.

Dieser Moment hielt viel zu kurz an, denn da hatte Heaven nach der Scheibe gegriffen, sie sich in den Mund geschoben und war umgedreht.
Mein Herzschlag stolperte, als ich seine feuchten Lippen angesehen hatte, die sich um die Limette legten.

Ich sah zu Heavens Rücken und dann zum Blonden, der mich beobachtete und irgendwas zu Heaven sagte, der daraufhin rote Wangen bekam.

Ich war nicht dumm. Der Typ sprach über mich. Eindeutig.

»Das ist wirklich spannend zwischen euch beiden. Ihr solltet erst miteinander schlafen und dann reden. Vielleicht brecht ihr somit das ganze Eis zwischen euch«, kicherte Mike, dem ich meinen Mittelfinger zeigte.

Ich wünschte, Eric wäre länger geblieben. Er war einer der ersten gewesen, die vorbeigeschaut hatten. Aber er blieb nicht lange, weil er einen Abendkurs hatte und morgen Frühschicht.
Eric wäre sicherlich ein angenehmerer Zeitvertreib gewesen, als McCains dämliche Kommentare ertragen zu müssen.
Kommentare, die mir nur noch mehr Fantasien in den Kopf setzten.

Heaven war schwul und obwohl ich ein Typ war, den er eine gewisse Zeit stalkte, sah er mich mittlerweile nicht mehr länger als zwei Sekunden an. Ich musste das gerade biegen. Das war ich ihm schuldig, nachdem er mir gegenüber so beschissen erträglich war.

»Was denkst du, sagt dein Ex zu ihm?«, fragte ich angespannt. Mike seufzte.

»So wie ich Lexus kenne, hat er versucht, deinem Freund zu helfen. Und Lexus ist sehr feinfühlig. Ich denke, er gibt ihm brauchbare Tipps. Er kennt sich mit der schwierigen Sorte Kerlen aus«

McCain deutete auf den Kerl mit den braunen Augen und den trainierten Körper. Der Kerl hatte diesen Lexus andauernd im Blick, was mich beruhigte.

Aber an der Art und Weise, wie glücklich er aussah, wusste ich, dass Lexus' Freund und ich uns vielleicht ähnlich waren, aber ihm ging es besser als mir. Er sah zufrieden aus.
Oder der Schein trügte und hinter ihm lag eine genauso düstere Vergangenheit, wie bei mir.

»Dann hoffe ich, dass dieser Lexus gute Tipps hat.«

• • •

Fünf Stunden später war die Strandbar meiner Mutter leer und von Noah fehlte noch immer jede Spur.

Im Normalfall hätte ich mir Sorgen gemacht. Aber mein Bruder war mit einem Mädchen verschwunden und ich war ehrlicherweise sehr froh, dass gerade eben nur Heaven und ich hier waren.

Es war dringend notwendig, endlich Klartext zu sprechen und mich für mein Verhalten zu entschuldigen. Schon wieder.
Das wurde langsam zu einem Ritual.

Was sich in meinen Gedanken alles ganz logisch und einfach anhörte, war in der Praxis viel schwieriger.

Der Tresen war geputzt, die meisten Gläser getrocknet und am Regal sauber hingestellt.
Heaven wischte derzeit die Tische, während ich damit beschäftigt war, die Strohhalme zuvor von den Tischplatten zu nehmen und in den Sack, in meiner Hand, zu werfen. Ich stand am selben Tisch wie er.
Aber je länger ich Heaven dabei zusah, desto nervöser wurde ich.

Ich wollte irgendwas sagen.
Und dann rutschte mir was raus, das definitiv kein ›Es tut mir leid, Heaven‹, war.

»Hat er dir gefallen?«

Heaven, der die Hälfte des Tisches bereits geputzt hatte, hielt inne und sah zu mir auf. Auf seiner Stirn glänzte der Schweiß und seine Augen waren mittlerweile gerötet. Er sah besonders müde aus, als er die Stirn runzelte.

»Der Abend?«, fragte er unsicher und seine Stimme klang trocken. Ich überlegte, wann er in den letzten Stunden was getrunken hatte.
Zwei Gläser Wasser und eine Dose Cola. Aber das war mittlerweile zwei Stunden her.

Ich legte den Müllsack auf den Boden, ging zum Tresen und griff nach einem gesäuberten Glas und ließ Leitungswasser hineinfließen, bis es voll war und ich den Hahn abdrehte.

Bei Heaven angekommen, hielt ich ihm das Wasser entgegen, welches er zögernd annahm und einige Schlucke daraus trank.
Ich betrachtete seinen Mund, der sich hübsch um das Glas schmiegte und dabei heftige Schweißausbrüche in mir hervorrief.

»Nein. Ich meinte den braunhaarigen Kerl. Der mit dem Tequila Sunrise«, meinte ich, als sich unsere Blicke erneut trafen. Diesmal länger als für zwei Sekunden.

Doch nach meiner Aussage veränderte sich Heavens Blick und wurde finster. Ich biss die Zähne zusammen. Verdammt.

Er nahm das Glas abrupt von seinen Lippen.

»Scheiße, willst du dich jetzt im Ernst über meine Sexualität lustig machen?«, stieß er aus und zog fassungslos die Augenbrauen zusammen.

Was? Nein!
Wie kam er darauf? Ich würde ihn nie dafür auslachen. Im Gegenteil, ich bewunderte ihn dafür, wie offen und entspannt er damit umging!
Er hatte mir von seiner Sexualität vollkommen nebenbei erzählt und er war dabei so mutig gewesen, dass ich ihn beneidete.

»Nein, das wollte ich nicht! Ich mache mich nicht lustig«, sagte ich also lauter als beabsichtigt, aber es schien den richtigen Effekt zu haben.

Heaven stellte sein Glas ab und fuhr sich in einer verzweifelten Geste durch die Haare. Er sah mich an, als ob er mir glaubte. Aber er verstand nicht, was ich von ihm wollte.

»Was verflucht willst du dann mit dieser Frage bezwecken, Nicholas?!«, knurrte er mit einem Mal und ich wusste, er hatte meinetwegen gelitten.

Ich wusste, wie sich das anfühlte. Und ich wusste, dass man statt weiter zu leiden, manchmal lieber zu einem um sich schlagenden Biest werden wollte.

Aber Heaven war keines. Das würde er nie sein. Dafür war er zu stark. Ich nicht. Ich war manchmal lieber das Biest, das alle in mir sahen.

Blinzelnd betrachtete ich die feine Gänsehaut auf meinen Unterarmen und sah dann wieder in das grün-braun seiner Augen.

»Ich glaube, ich mag es, wenn du mich so nennst«, flüsterte ich und hoffte, dass er mir glaubte.
Er tat es nicht und ich konnte Heaven nicht einmal dafür verurteilen.

»Hör auf. Hör auf mich zu verarschen und sag mir, warum du wissen willst, ob er mir gefallen hat«, fragte er und seine Stimme war erfüllt von Schmerz.

Schmerz, für den ich verantwortlich war.

»Weil ich kein Problem damit habe, dass du schwul bist«

Und weil ich wissen will, ob dunkle Augen und dunkle Haare deinem Typ entsprechen.
Denn vielleicht findest du mich wirklich attraktiv und starrst deswegen rüber.
Vielleicht hast du in manchen Momenten wirklich mit mir geflirtet. Und vielleicht mochtest du mich wirklich, obwohl ich dich so mies behandelt habe.
Aber leider hast du aufgehört damit.
Dabei will ich, dass du mich ansiehst.

Ich will, dass du mich siehst.

So, wie auf dem Dach. Ich will, dass du meine Welt betrittst. Und ich will deine betreten.
Aber ich habe Angst.
Du musst mir helfen.

»War's das dann, Kane? Kann ich weitermachen?«

Bitte hilf mir. Lass mich nicht alleinstehen, so wie ich dich auf dem Dach alleingelassen habe. Sei besser als ich. Sei stärker.

Mit zitternder Hand ergriff ich seinen Lappen, den er weiter über den Tisch jagte und Heaven hielt still. Er starrte meine Hand an, während ich ihn ansah.

Meine Finger wanderten zu seiner gebräunten Hand, die ich wenig später ergriff. Sie fühlte sich warm und weich an. Ein wenig nass und steif.

Heaven ließ es dennoch geschehen und da wusste mein Herz, dass es nun der richtige Zeitpunkt war, die Mauern erneut fallenzulassen. Für ihn.

»Es tut mir leid. Das was ich auf dem Dach gesagt habe, war dämlich von mir. Ja, meine Mutter ist krank und ja, das jagt mir eine beschissen große Angst ein. Es gibt nur meine Mom, die so viel von mir weiß. Bei der ich ich selbst sein kann. Das dachte ich. Aber bei dir, Heaven, da kann ich auch ich selbst sein. Und das hat mir in dieser Nacht ebenfalls beschissen große Angst eingejagt, dass ich dich verletzt habe. Mehr als ohnehin schon. Bitte halte mich nicht für einen Scheißkerl. Ich weiß, ich bin einer, aber-«, setzte ich an und der Druck um seine Hand wurde kräftiger, bis Heaven von unseren Händen aufblickte und mich ansah.

Mit so viel Güte, dass ich innehielt und nicht weitersprach.

»Kane. Wenn du die Augen aufmachen würdest, dann würdest du sehen, dass keiner dich für einen Scheißkerl hält«, murmelte er und dabei strich er mit dem Daumen über meinen Handrücken.

Eine kleine Geste, die ganz großes Herzklopfen in mir hervorrief. Er berührte mich. Er sah mich an.

»Das Ding ist, Heaven...es ist mir egal, wer mich für einen hält. Nur du sollst mich nicht so sehen«, erwiderte ich und trat näher an ihn heran, um meine Worte zu unterstreichen. Und um Heaven zu spüren. Ich wollte, dass ich seinen Atem auf mir spüren und ich wollte Limetten riechen.

Doch da entzog er mir seine Hand so plötzlich, dass ich erstarrte.
Heaven wich einen Schritt zurück, bevor er sagte...

»Juckt mich nicht«

Es juckt ihn nicht?

Ich schluckte hart und meine Schultern sackten ein ganzes Stück ab.
Das Herzklopfen verschwand und zurückblieb eine Leere, die mir das Blut in den Adern gefrieren ließ.
Angst machte sich in mir breit und ich bekam für eine Weile keine Luft mehr, doch da tauchte ein sanftes Lächeln auf seinen Lippen auf und ich verstand sehr langsam.

Das hatte ich gesagt.
Dabei war es eine riesige Lüge. Aber ich hatte es gesagt.
Und es hatte ihn verletzt.

»Tut weh, oder?«, murmelte Heaven und seine Augen hüpften unentschlossen zwischen meinen hin und her.

Schweigend nickte ich.
Ja, es hatte wehgetan. 

Allerdings hatte er Tage lang gelitten, seit dieser Nacht am Dach.

Heavens Adamsapfel verschwand für einen Moment und dann stand er vor mir, hob das Kinn an und seine Finger verschränkten sich mit denen an meiner rechten Hand.

Er löste Gefühle in mir aus, die mich vollständig lähmten. Gute Gefühle, wenn er mir nah war und es nur uns beide gab.
Aber auch schlechte Gefühle, wenn er mich ignorierte und mir vor Augen führte, wie falsch ich mich benommen hatte.

Doch mir blieb keine Chance, was zu sagen, geschweige denn zu handeln, da öffnete sich die Ladentür quietschend hinter mir.

Ich drehte mich verwirrt um und kein anderer als Noah platzte mit zerzaustem Haar und falsch angezogenen Shirt herein.

Heaven zog seine Hand zurück und ich presste die Lippen aufeinander, während meine zuckenden Finger sich zu einer Faust schlossen.

»Alter, ich habe gerade heftigst mit Marie Brooks rumgemacht«, keuchte Noah und griff sich mit beiden Händen ungläubig an die geröteten Wangen.

Er sah aus, als würde er hyperventilieren.

Auf der einen Seite war ich enttäuscht, weil Heaven und ich nicht weitersprechen konnten. Da gab es noch so viel, worüber wir reden mussten. Und da gab es dieses Knistern zwischen uns, dass mit jedem Tag intensiver wurde.

Unsere Finger, die Dinge taten, als wüssten sie ganz genau, was zu tun war.

Aber auf der anderen Seite war das vor uns mein Bruder, der Heaven und mich unterbrochen hatte. Und mein Bruder war glücklich, aufgeregt und seine Euphorie brachte mich zum Schmunzeln.

Ein Schmunzeln, welches Heaven genauestens beobachtete.

Endlich sah er mich wieder an.

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