Einundvierzig
Mrs. Lopez erklärte nochmals bis ins kleinste Detail die Abschlussprüfungen, aber ich lehnte mich zurück und atmete durch.
Ich hatte mich mit diesen Abläufen und den Themen gemeinsam mit Noah so intensiv beschäftigt, dass ich ihren Vortrag mittlerweile auswendig konnte, weswegen ich es mir erlaubte mit den Gedanken die letzten fünf Minuten der Stunde abzudriften und an Kane dachte.
Daran, womit er sich aktuell beschäftigte.
Einer Wohnung. Für uns.
Ich musste Noah und Marie nach der Stunde davon erzählen, bevor Kane mich abholte und wir meinen Eltern davon erzählten. Seit Kanes urplötzlichen Bitte, mit ihm zusammenzuziehen, war eine Woche vergangen. Er hatte mich seither jeden Tag gefragt, ob ich sicher war. Ob ich es noch immer wollte. Und ich sagte jedes Mal »Ja, bin ich«, denn das war die Wahrheit.
Trotzdem kam das alles wirklich plötzlich und auch wenn meinen Eltern bewusst war, dass Kane und ich zusammen waren (Ich meine, Kane übernachtete oft bei mir. Meine Mom frühstückte sogar mit ihm! Und mein Dad hatte Kane angeboten, mit ihm zu fischen?! Die zwei wussten definitiv, dass das zwischen Kane und mir verflucht ernst war)... hatte ich dennoch ein wenig Bauchschmerzen vor diesem speziellen Gespräch.
Ja, ich war 18 und somit konnte ich gänzlich selbst entscheiden.
Ja, durch die Abendschichten im Luna - das wirklich verdammt gute Kundenzahlen hatte - verdiente ich als Highschoolschüler auch ordentlich, aber...ich würde verstehen, wenn Mom und Dad etwas gegen meinen Auszug hatten.
Wenn sie Bedenken hatten und versuchen würden, mir das auszureden.
Das laute Schrillen der Schulglocke ließ mich aufschrecken und Noah neben mir, klopfte auf meine Schulter und sagte: »Ich kann den Tag kaum abwarten, wenn ich diese Glocke das letzte Mal höre«
Grinsend begegnete ich seinem Blick und nickte zustimmend, bevor wir uns erhoben, unseren Kram zusammenpackten und im Korridor auf Marie trafen, die sich lächelnd zu Noah beugte und ihm einen sanften Kuss auf die Lippen drückte.
Die beiden waren wirklich süß und ich hatte Noah noch nie so entspannt und glücklich erlebt.
Allgemein...es war fast so, als käme das Glück langsam in jedes unserer Leben zurück und nistete sich hier ein. Das war schön, insbesondere, wenn man bedachte, was für schwere Zeiten hinter uns lagen.
Noah ergriff Marys Hand und verschränkte deren Finger miteinander, während ich mich auf Noahs freie Seite begab und wir uns auf den Weg nach draußen machten.
»Hey, Sky? Willst du bei uns mitfahren?«, hörte ich Marie fragen und sah zu ihr.
»Kane holt mich ab«, setzte ich an und überlegte zwei Sekunden, ob ich die Bombe platzenlassen sollte, oder ob es zu früh war.
Doch als ich Noahs strahlendes Lächeln sah, welches er mir zuwarf, da kannte ich die Antwort.
»Wir erzählen meinen Eltern heute von meinem Auszug«
Marie blieb stehen, so abrupt, dass Noah es erst realisierte, als er halbwegs stolperte, wegen dem Widerstand, der wegen ihrer verschlungenen Finger entstand.
Ich folgte ihrem Beispiel und schlenderte näher an meine zwei Freunde, die mich fassungslos musterten, als wäre mir ein zweiter Kopf gewachsen. Oder fast so, als hätte ich gerade laut gesagt, dass mit Noahs älteren Bruder zusammenzog.
»Kane hat vor drei Tagen erwähnt, dass er auch ausziehen wird«, setzte Noah an und ich sah wissend in die blauen Augen meines besten Freundes.
»Ich weiß, Noah«
Der Blondschopf blinzelte perplex, sah aus, als würde er eine komplizierte Gleichung lösen wollen, während seine feste Freundin die Antwort längst kannte.
»Ihr wollt zusammenziehen«, sprach sie das Offensichtliche aus und ließ damit mein Herz lauter und wilder in meiner Brust klopfen. Die Menschen drängten sich im Flur an uns vorbei, Noah wurde regelmäßig angerempelt, weil er wie erstarrte dastand und seine Kinnlade mittlerweile aufgeklappt war.
»Aber Sky, du bist erst 18. Ihr seid doch...ihr seid nicht Mal ein halbes Jahr zusammen und-«
»Noah?«, unterbrach ich meinen besten Freund sanft, legte meine Hand auf seine Schulter und trat direkt vor ihn.
In dem Blau seiner Augen spiegelte sich Überraschung, Verwirrung und so vieles mehr, was mich an mich selbst erinnerte. Ja, auch ich war noch immer überrascht. Nervös, hatte Sorgen, dass was schiefging und all das, aber...
»Ich habe mich in deinen Bruder verliebt. Schon Anfang des Sommers, bei der Grillparty meiner Eltern, Noah, da habe ich diese Bindung gespürt, die Kane und ich haben. Ja, ich bin erst 18. Ja, ich hab' vom Leben eigentlich keinen blassen Schimmer und muss noch viel lernen. Aber...Gott. Wenn ich mit Kane zusammen bin, dann ist es so, als wäre ich komplett. Ich wusste nicht, dass mir in meinem Leben was gefehlt hat...bis er vor meiner Tür stand und meinte, mich lieber Heaven zu nennen und damit alles auf den Kopf gestellt hatte«, sprudelte es aus mir heraus, während meine Finger sich immer stärker in dem Shirt seiner Schulter vergruben.
Marie stieß einen kurzen, erstaunten Laut aus, der mich an ein Lachen erinnerte.
»Und ich dachte, mich hat's schwer erwischt...Noah, sei ein anständiger bester Freund und gratuliere-«
Mary kam nicht weiter, da hatte Noah mich in eine feste Umarmung gezogen und mich völlig überrumpelt.
»Du hast Kane gesagt, ich sei der Vernünftige von uns beiden. Das stimmt, du Penner. Aber du bist der Mutige von uns. Herzlichen Glückwunsch, Sky«, grummelte er an meiner Schulter und ich lachte laut, zog ihn näher an mich heran und war dankbar, ihn in meinem Leben zu haben.
Als wir uns voneinander lösten, erkannte ich eine einzelne Träne, die Noah sich sofort heimlich wegwischte, welche ich nicht kommentierte, sondern mit breitem Grinsen und voller Freude mit Mary und Noah nach draußen spazierte, die mich auf den Weg dorthin völlig mit Fragen löcherten.
»Wo werdet ihr wohnen?«
»Wie groß soll die Wohnung werden?«
»Wann habt ihr das entschieden?«
»Bist du sicher, dass du mit Kanes Launen auskommst, wenn ihr alleine seid?«
»Was sagen deine Eltern dazu?«
Die letzte Frage kam von Noah, der am Parkplatz stehen geblieben war und sich, wie ich auch, nach Kanes schwarzen Lexus umsah.
»Das erfahre ich jetzt dann«, sagte ich und lächelte hoffnungsvoll, was beide nach kurzem Zögern erwiderten.
»Dann drücken wir dir die Daumen«, sagte Mary und sah zu Noah.
»Wir müssen dann los, Baby. Meine Eltern warten schon«, murmelte sie in seine Richtung und er nickte, verabschiedete sich von mir, wie auch Mary und dann zogen die beiden los.
Ich sah ihnen nach, entdeckte dabei den schwarzen Lexus meines Freundes, der auf mich zufuhr und grinste breit, als neben mir jemand auftauchte, mit dem ich seit Monaten nicht mehr gesprochen hatte.
Gavin. Gavin Davis. Mein Ex-Freund.
Irritiert musterte ich ihn, sah mir sein dunkelblondes Haar an, die moosgrünen Augen, die zwischen Kanes Wagen und mir hin und her wanderten und wie er dann spöttisch die Lippen verzog.
»Dein Neuer?«, fragte Gavin doch tatsächlich, weswegen ich die Augen verdrehte und mit Zufriedenheit feststellte, dass Kane vor uns stehengeblieben war und das Fenster herunterließ und seine dunklen Augen zu Gavin wanderten.
»Gibt's Probleme?«, fragte Kane und seine Stimme klang so dunkel und schneidend, dass ich deutlich spürte, wie ich hart wurde und deswegen nicht länger zögerte, einzusteigen.
»Nein, Gavin meinte nur eine Frage zu stellen, die ihn schon lange nichts mehr angeht«, erwiderte ich und schnallte mich an, während Kane seine rechte Hand auf meinen linken Oberschenkel legte und noch immer Gavin taxierte, der die Augen verengte und schlussendlich abzischte.
»Tja, muss hart sein, wenn der eigene Freund einen abserviert, weil er scheinbar was Besseres gefunden hat«, stieß ich gehässig aus und konnte es nicht seinlassen. Das musste raus und es erfüllte mich mit Schadenfreude, als Gavin sich tatsächlich nochmal umdrehte und mich peinlich berührt musterte.
Ja, Gavin. Ich weiß Bescheid. Du hast mich damals mit Spencer betrogen und dann abgeschossen. Und rate Mal, wer seit mehr als vier Wochen heimlich die Cheerleaderinnen auf den Mädchentoiletten vögelt, während er dich datet?
Richtig, dein toller Spencer Wilson, dachte ich spöttisch und bemerkte nicht, dass Kane mir eine Frage gestellt hatte.
Ich registrierte es erst, als er sie wiederholt hatte und wir schon losgefahren waren.
»Das war Gavin. Mein Ex«
»Soll ich umdrehen und ihm ein kostenloses Boxprobetraining geben?«, fragte Kane, während seine Augen auf die Straße gerichtet waren und sein Daumen beinahe zärtlich über den Stoff meiner dunkelblauen Jeans strich. Aus den Boxen des Wagens drang ein Taylor Swift Song und langsam beruhigte ich mich von dieser unnötigen Aktion wieder.
»Nicht nötig. Er hat bereits eine gerechte Strafe bekommen«, stieß ich aus und grinste Kane an, der mir einen kurzen, interessierten Blick zuwarf, bevor es still zwischen uns wurde und nur Taylors gesungene Worte den Innenraum des Wagens füllten.
Irgendwann, als mir klar wurde, wohin wir fuhren und was uns bevorstand, verkrampfte ich mich kurz und versuchte meine Nervosität zu verstecken, aber Kane...Kane kannte mich.
»Bist du dir noch immer sicher? Wir können warten«, murmelte er und drehte die Musik leiser.
»Ich bin sicher, Kane. Ich bin nur nervös«, nuschelte ich.
»Ich auch, Heaven«
Überrascht musterte ich ihn.
Sah mir sein schwarzes, enganliegendes Hemd an und die schöne Hose, die er trug.
Seit Kane zugenommen hatte, versteckte er sich nicht mehr unter zu großen Klamotten und trug das, was ihm gefiel.
Er war viel selbstbewusster.
Er sah so aus, als hätte er in diesem Moment alles im Griff und als ob das Thema »neues Zuhause« ihn keineswegs verunsicherte.
Wie also konnte er nervös sein und ich nichts davon merken?
Als hätte er meinen Gedankengang aufgeschnappt, erklärte er: »Mein ganzes Leben wurde seit Moms Tod aus seinen Fugen gerissen. Alles brannte und ich hatte keine Ahnung mehr, wer ich war. Wer ich ohne Mom war. Aber mit dir...da weiß ich es. Ich bin nicht nur der Sohn von Luna Miller, der ohne sie nicht leben kann. Ich bin viel mehr als meine Vergangenheit, meine Schatten und ich bin mehr als der Schmerz mir versucht weißzumachen. Ich kann trauern um Mom, aber ich kann zeitgleich auch mir ein neues, lebenswertes Leben wiederaufbauen. Und wenn ich dabei bin das zu tun, dann will ich gleich noch so egoistisch sein, und es mit dir tun. Nicht, weil ich mich von deiner Liebe zu mir abhängig machen möchte, sondern weil ich dich liebe und mein Leben mit dir verbringen möchte«
Diese Worte waren ungewöhnlich ruhig.
Sie waren intensiv, brannten sich in mein Hirn, in mein Herz, in jede Faser meines Daseins und vertrieben die letzten Spuren meiner Nervosität.
Und erst fünf Minuten später, als Kane seinen Wagen vor dem Haus meiner Eltern abstellte und sich irritiert in meine Richtung drehte, erlaubte ich mir, auch egoistisch zu sein und zu sagen: »Egal was da drin gleich passiert. Egal, was meine Eltern sagen, oder was dein Dad später sagt...Ich bin mir sicher. Und ich bin überzeugt davon, dass wir beide das hinbekommen. Zwar nicht ohne Streitereien, Provokationen und heftigen Diskussionen...aber wir bekommen das hin.«
Kane zog eine Augenbraue hinauf und dann grinste er und sagte nichts mehr dazu. Er stieg einfach aus und wartete vor der Tür auf mich und dort...drückte ich die Haustürklinke hinab und trat ein.
• • •
Kane saß so dicht neben mir auf dem Sofa im Wohnzimmer, dass ich mich fühlte, als hätte ich eine Rüstung an. Eine, die mich vor Unheil schützte.
Dabei war es nicht Kane selbst, der dieses Gefühl von Sicherheit in mir auslöste, sondern seine Nähe.
Seine Wärme und die Ruhe, die er ausstrahlte.
Ich wusste, dass Menschen sich stetig veränderten.
Aber es war interessant, das zu beobachten.
Zu sehen, wie Kane langsam zu dem Menschen wurde, der er sein wollte. Dass er zu dem Mann wurde, von dem er glaubte, er wäre Vergangenheit.
»Also, damit ich das richtig verstanden habe: du wirst in eine kleine Wohnung hier in der Nähe ziehen, Kane. Das ist toll. Ich verstehe nur nicht, warum ihr beide so...nervös ausseht?«, fragte Mom und legte den Kopf dabei leicht zur Seite, während Dad uns neugierig musterte.
Ich glaubte zu meinen, dass Dad genau wusste, was hier passierte.
Und er sagte nichts.
Was bedeutete das?
Kane neben mir lehnte sich vor. Der Geruch von Orangen und Sandelholz stieg mir in die Nase und beruhigte meine angespannten Muskeln.
Gerade als Kane ansetzen wollte, die Bombe platzen zulassen, murmelte mein Vater: »Schwanger sind sie schon mal nicht. Einen Verlobungsring sehe ich auch nicht und in der Zeitung steht nichts von einem Raubüberfall...Also bleiben nur noch wenige sinnvolle Optionen übrig. Vielleicht haben sie eine Geschlechtskrankheit, Nicole«
Oh, Dad.
Ich schmunzelte, weil ich wusste, dass er mich durchschaut hatte - uns durchschaut hatte.
Sah es an seinem Blick und der Art, wie er den Kopf zur Seite neigte und mich anlächelte.
Dad hatte das nur gesagt, um meine Mom unnötig panisch werden zulassen und es gelang ihm, denn sie sprang auf und rief: »Oh mein Gott!«
Dad grinste breit, ich seufzte tief. Kane wusste nicht mehr, wohin er sehen sollte.
Tja, das war meine Familie.
»Mom«
Kane legte seine Hand wie vorhin im Auto, wieder auf meinen Oberschenkel, als gehörte sie genau dorthin. Ich betrachtete den silbernen Ring an seinem Daumen und den Ring an seinem Mittelfinger. Ich mochte, dass Kane wieder regelmäßig Schmuck trug. Es betonte seine langen, schönen Finger.
»Nicole, Dean...ehrlich gesagt habe ich Skyler vor einer Woche ziemlich überrumpelt«, gestand Kane unerwartet und konzentrierte sich dabei mit den Augen eher auf meine Mom.
Scheinbar hatte auch Kane verstanden, dass er meinem Vater mit der kommenden Information nichts Neues vermittelte.
»Womit?«, hakte Mom nun eine Spur skeptischer nach und setzte sich zögernd wieder hin, weil Dad an ihrer Hand zerrte.
»Ich habe ihn gebeten, mit mir zusammenzuziehen«, sagte Kane und zurückblieb eine Ruhe, die wir in diesem Haus noch nie hatten.
Mom sah Kane verständnislos an und als ihre dunkelgrünen Augen zu mir schossen, blitzte Überraschung darin auf.
»Oh. Also...das...«, stammelte sie und ich wusste nicht wieso, aber ich hatte das Gefühl, ich musste etwas klarstellen.
»Ich habe zugestimmt«, kam es über meine Lippen und ihr Atem kam endgültig zum Stillstand. Ihre Wangen wurden schlagartig blass und wahrscheinlich hörte sich bei Mom gerade die Welt auf zu drehen.
Ich kannte dieses Gefühl.
Hatte es in den letzten Monaten oftmals selbst erlebt.
»Sky, Schatz. Ich weiß, du kannst Wäsche waschen. Und du bist selbstständig und wirklich reif für dein Alter. Aber...ein Umzug ist eine große Sache«, stieß sie nach einigen Sekunden Totenstille hervor.
Ich setzte mich gerader hin, bog meinen Rücken durch und holte tief Luft.
»Mom?«, fragte ich mit klarer Stimme und gefasster Mimik an sie gerichtet.
Ihre Stirn legte sich in Falten.
»Ja?«, brachte sie widerwillig entgegen und blinzelte die aufkommenden Tränen zurück.
Kanes Griff an meinem Oberschenkel wurde fester und ich wusste genau, was er sich dachte.
Ich nehme ihr ihren Sohn. Oder?
Das stimmte nicht. Deswegen legte ich meine Hand auf Kanes und drückte sie fest.
Tust du nicht, Kane. Du siehst mir beim wachsen zu. Beim leben.
»Das ist tatsächlich nicht verhandelbar, Mom... Mein Entschluss steht fest«
Sie sah hilflos aus und ich verstand, weswegen.
Die meiste Zeit hatten wir beide in diesem Haus miteinander verbracht, aber Dinge änderten sich.
Und sie registrierte, dass ich diese Einstellung vertrat, denn sie wendete sich anschließend mit verzweifelten Gesichtsausdruck an Kane.
Sie kämpfte und es tat weh, solchen Schmerz in ihr hervorzurufen.
Ich liebte Mom und ich liebte Dad.
Aber ich liebte auch Kane Sinclair und ich liebte jede Sekunde, die ich mit ihm verbringen konnte.
»Er ist erst 18, Kane. Ihr seid noch nicht lange zusammen. Findest du nicht, dass das alles...zu früh ist? Zu schnell geht?«
Mittlerweile liefen Tränen über ihre Wangen und Dad strich schweigend mit einer Hand über ihren Rücken, während er uns drei abwechselnd ansah und sich im stillen Gedanken dazu machte.
Kane neben mir rutschte auf der Stelle hin und her, bevor er leise seufzte.
»Meine Mom ist auch früh gestorben, Nicole. Zeit ist relativ. Ich...okay, also...weißt du, ich liebe Heav-, ich meine, ich liebe Skyler. Ich liebe ihn so, wie ich niemanden sonst bisher geliebt habe. Und ich weiß, was es heißt, sein Leben an sich vorbeiziehen zu lassen. Der Tod kann jederzeit jeden von uns treffen und dieses Wissen hat mich wachgerüttelt. Ich habe und werde Skyler die Wahl überlassen. Ich will ihn weder dazu drängen, noch ihn überzeugen. Er entscheidet. Aber wenn es nach mir geht, dann bin ich mir sicher. Ich will nicht weiter warten, sondern leben. Und wenn Skyler das auch möchte, dann...«
Kane machte eine Pause und sah mich an. Er sah wirklich nur mich an und es war beinahe magisch, denn in dem Moment, als unsere Blicke sich trafen, verblasste alles andere um uns herum und da gab es nur Kane Sinclair und...mich.
Mich und meine Welt, die mit seiner kollidiert war und eine neue erschaffen hatte.
Unsere Welt – seine und meine.
»Ich liebe dich«, flüsterte ich, weil mich die Wucht an Gefühlen beinahe erschlug und ich meiner Stimme nicht traute. Aber Kane verstand mich und er lächelte. Er lächelte so schön, dass keine Zweifel mehr da waren. Er radierte sie alle weg.
Und dann sprach mein Vater seine Gedanken aus und überraschte nicht nur mich damit.
»Schatz, lass sie. Ich weiß, dass es schwer ist, unseren einzigen Sohn ziehen zulassen, aber...was hast du damals gesagt? Unser Skyler entdeckt die Liebe für sich. Lass ihn forschen. Lass ihn in die Welt hinaus und lass ihn leben. Lass sie glücklich sein. Die beiden haben in ihrem Alter so viel mitgemacht und wenn sie der Meinung sind, ein gemeinsames Zuhause, das nur ihnen gehört, könnte ihnen helfen, dann...dann lass sie. Skyler bleibt trotzdem unser Junge«
Mom schniefte. Dad streichelte tapfer ihren Rücken und sah sie aufmunternd an.
Mein Herz klopfte mir bis zum Hals und schweigend warteten Kane und ich auf Moms Antwort.
Sekunden wurden zu Minuten, Tränen wurden zu Pfützen auf ihrem Shirt und aus einem sanften Händedruck meinerseits, wurde ein roter Abdruck auf Kanes Handrücken.
Irgendwann strich Dad Mom die Tränen mit den Fingern beiseite und küsste liebevoll ihre Wange.
»Steh nicht seinem Glück im Weg, so schwer es auch ist, mein Schatz. Am Ende hasst du dich nur selbst für diese Entscheidung«, hauchte Dad und ich war ihm so unendlich dankbar.
»Es ist nicht nur Skylers Glück. Es ist auch Kanes Glück«, sagte Mom wehmütig und sah Kane an, der verblüfft die Stirn runzelte und nichts von dem, was meine Mutter sagte, verstand.
»Dann geht in die Welt hinaus und lebt euer Leben. Aber kommt mich täglich Besuchen, ja? Ich habe mich so dran gewöhnt, Skyler vor dem Küchenfenster rumlungern zu sehen und-«
Ich sprang auf und schlang wenig später meine Arme um Mom und Dad.
Ein kleiner erstickter, glücklicher Laut drang aus meiner Kehle, als die zwei ihre Arme um mich legten und Dad an Kane gewandt fragte: »Habt ihr denn schon Wohnungen in Aussicht?«
Ich lehnte mich zurück, küsste Moms Schläfe und wollte mich wieder zu Kane setzen, als meine Mom aufstand und ihn umarmte.
Kane war so sprachlos, dass er im ersten Moment mich hilflos anstarrte.
Mom schniefte an Kanes Schulter und...sie umarmte ihn, wie eine Mutter einen Sohn umarmte.
In diesem Haus war Kane kein Fremder mehr.
Er war genauso ein Familienmitglied, wie er es bei den Sinclairs war.
Und als hätte er meine Gedanken genauestens gehört, lehnte er sich in Moms Umarmung und antwortete derweil auf Dads Frage mit: »Tatsächlich habe ich zwei im Auge und möchte sie morgen mit Skyler besichtigen«
Äh, was?
»Oh, ehrlich? Das ging ja schnell«, staunte ich und bemerkte zu spät, dass Kane das falsch verstand.
Mom löste sich und ging zu Dad zurück, der sie zu sich zog, während ich mich auf Kane konzentrierte und mich wieder neben ihm niederließ.
»Willst du lieber warten, mit der Besichtigung? Ich kann den Termin verschieben«, sagte Kane zögernd.
»Nein! Nein, so meinte ich das nicht. Ich bin nur überrascht, dass du so schnell was in der Nähe gefunden hast«, erklärte ich und lächelte.
Kane analysierte meine Reaktion und als er sich sicher war, dass ich es ernst meinte, meinte er schulterzuckend: »Mike McCain hat mir geholfen. Sein Dad ist Immobilienmakler«
Mom und Dad beobachteten uns, das spürte ich, aber ich hatte nur Augen für Kane, der seinen Blick von mir nicht lösen konnte.
Wow...
Ein neues Zuhause.
Ein Neuanfang.
• • •
7
Wir nähern uns mit
großen Schritten dem Ende.
Gibt es Wünsche?
Fragen?
Irgendwas, das ihr
loswerden möchtet? :)
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