Dreizehn

Als ich Zuhause ankam, rechnete ich nicht damit, dass Dad am Frühstückstisch saß und auf mich wartete.
Ich rechnete auch nicht damit, dass nur er wach war und der Rest noch immer schlief. Wobei, mittlerweile war zwar die Sonne aufgegangen, aber früh war es noch immer. Also kein Wunder, dass Noah und Lea noch in den Federn lagen.

Allerdings saß Dad in der Küche, als ich einen Blick hinein warf und seinem warmen Blick begegnete. Überrascht hielt ich inne und schlenderte vorsichtig in den Raum.

»Da bist du ja. Setz dich zu mir, mein Sohn«, sagte er und deutete auf den Platz ihm gegenüber. In der Mitte des runden Tisches standen der Toaster und einige Aufstriche, aber in meinem Bauch lag ein Stein, der verhinderte, dass ich sowas wie Hunger verspürte.

Schweigend setzte ich mich zu ihm und zupfte gedankenverloren an einem Faden meines Shirts. Meine Gedanken kreisten um Mom, die Wiedereröffnung und ein paar andere Dinge.

»Ich will nicht mit der Tür ins Haus fallen, aber ich glaube, ich werde es trotzdem tun. Kurz und schmerzlos«, hörte ich Dad sagen, weswegen ich mein Gestarre von der Tischplatte anhob und es auf sein Gesicht verlegte. Seine hellbraunen Augen musterten mich eingehend, als ob er überlegte, ob er es wirklich durchziehen sollte.

»Was meinst du?«, hakte ich nach und runzelte die Stirn, als er sich sichtlich unwohl unter meinem Blick wand. Sein lockiges Haar, welches von der Struktur meinem so glich, fiel ihm in die Stirn.

»Deine Mutter und ich haben telefoniert und ich habe von ihr erfahren, dass sie im Rollstuhl und mit dem Sauerstoffgerät, wie auch einem Arzt, anreist. Da kam mir die Idee, dass es für alle Beteiligten einfacher wäre, wenn deine Mutter während ihrer Therapiepause vielleicht zu uns ins Haus kommt. Das Haus bietet genug Platz für deine Mutter und den Arzt. Noah und ich könnten helfen, wenn ihr spazieren gehen wollt, wegen den Stufen und Lea könnte deiner Mutter beim duschen helfen. Natürlich nur wenn sie das will. Unsere Dusche wäre auch sehr vorteilhaft, wie du ja weißt und-«, redete er drauf los.

»Dad, mach mal eine Pause«, unterbrach ich ihn, weil er so schnell sprach, dass ich glaubte, er könnte ersticken, weil er kein einziges Mal nach Luft geschnappt hatte.

Mein Vater schloss den Mund, presste die Lippen aufeinander und senkte mit einem Mal den Blick, während mein Herzschlag wild gegen meinen Brustkorb donnerte und ich die einzige vernünftige Frage aussprach, die mir in den Sinn kam: »Was sagt Mom dazu?«

Mir wäre es lieber, sie und ich könnten allein Zeit verbringen. In unseren vertrauten vier Wänden. Aber...fuck, ich wollte auch, dass es ihr gut ging in der Zeit und ich war mir nicht sicher, ob ein Arzt und ich ihr all das geben konnten, was sie wollte und brauchte. Zumal ich körperlich in einer... miserablen Verfassung war, verflucht. Und meine Launen nicht wirklich die besten waren.

»Deine Mutter war...total glücklich, als ich ihr das angeboten habe. Aber...«, diesmal schnappte Dad nur noch nach Luft, weswegen ich den Kopf schüttelte.

Faszinierend, wie unsicher ein erwachsener Mann sein konnte, der andauernd vor großen Menschenmengen sprach, alles für die Arbeit tat und dennoch grandios scheiterte, wenn er ein Gespräch mit seinem erstgeborenen Sohn führen sollte.

»Sie hat ihre Entscheidung abhängig von meiner gemacht, richtig? Sie kommt nur hierher in euer Haus, wenn ihr meine Zustimmung habt«, murmelte ich erschöpft und schob den Teller vor mir beiseite, um meine Ellenbogen auf der Tischplatzte abzustützen und mein Gesicht in meine Hände zu legen.

»Ja, das hat sie. Du kennst deine Mutter. Ich bin mir nicht sicher, ob du davon gerade begeistert bist oder nicht«, gab er von sich. Er hatte genauso wenig von dem Essen angerührt, wie ich. Aber scheiß auf das Essen, er streckte mir gerade die Hand entgegen und ich war zu feige, seine Hilfe anzunehmen.

»Warum tust du das alles? Warum zahlst du meine Rechnungen? Warum bist du so nett zu Mom, nachdem du eine andere Familie wolltest?«

Die Worte waren schneller aus meinem Mund geplatzt, als ich blinzeln konnte. Und sie standen nun zwischen uns.

Es war, als würden wir auf einer dicken Eisplatte stehen, die langsam an den Rändern zu schmelzen begann. Und anstatt uns in der Mitte zu treffen, blieben wir stehen und starrten einander angsterfüllt an.

Ein Vater, der sich in eine andere Frau verliebte und einen neuen Sohn bekam und der ausgestoßene Sohn, der nur noch seine Mutter hatte und trotzdem seinen verdammten Vater vermisste. Mehr, als ihm lieb war.

Dad schluckte. Ich hörte und sah es deutlich und dann hob er seine Hand an, schob sie über den Tisch und umgriff zögerlich einen meiner bebenden Unterarme. Ein Marmeladenglas fiel dabei um, aber er ignorierte es.
Ich registrierte seine Berührung nicht wirklich, ich sah sie, ja, aber ich spürte sie nicht. Nicht in meinem rasenden Herzen.

»Menschen leben sich auseinander, Kane. Aber das bedeutet nicht, dass ich deine Mutter oder dich nicht liebe. Ich habe nie aufgehört, dich zu lieben, mein Sohn. Ich zahle deine Rechnungen, weil ich dich damit unterstützen kann. Das Luna ist dein Traum, seit du ein Kind bist warst du davon begeistert und auch wenn ich nun mit einer anderen Frau zusammen bin, wirst du immer ein Teil meiner Familie bleiben. Du und deine Mutter«

Mir war nicht klar, dass er über meine Träume bescheid wusste. Ich dachte, er kannte nur die Hoffnungen, Sorgen und Wünsche von sich und seiner eigenen, kleinen, perfekten Familie.

Aber dass in seiner Familie Platz für Mom und mich war, riss mich aus der Bahn.
Es zog mir den Boden unter den Füßen weg und für eine Sekunde setzte meine Atmung aus.

Als er mit dem Daumen über meine Haut fuhr, zuckte ich zusammen und sein Arm zog sich sofort zurück, während er mich entschuldigend beäugte.

Ich räusperte mich und erwiderte mit rauer Stimme: »Ich zahle dir das zurück, versprochen. Ich versuche es zumindest. Und ich glaube es wäre das Beste, wenn Mom hierher kommt, während der Pause«

Es folgte eine kurze Stille. Ich sah meinem Vater an, dass er was sagen wollte, aber ich war schneller. Gab eine weitere meiner unendlich vielen Schwächen zu und ich hatte mich noch nie so nackt und erniedrigt gefühlt. Warum tat ich das dann? Ich verstand es nicht. Wahrscheinlich Mom zu liebe.

»Ich kann sie nicht allein tragen und ich will meine Launen nicht an ihr auslassen«

Meine Hände klammerten sich aneinander, während ich akribisch versuchte, kein Zittern durch meinen Körper gehen zulassen. Moms Wohl war mir schon immer das Wichtigste gewesen.

»Du musst mir nichts zurückzahlen, Kane. Und ich bin wirklich stolz auf dich«

Gott, verflucht, warum brannten meine Augen?
Warum musste ich die Zähne zusammenbeißen, um nicht wie ein kleines, verängstigtes Mädchen aufzuschluchzen?
Worauf bitte war er stolz?

Darauf, dass ich als 21-Jähriger ohne festes Einkommen auf seiner Tasche lag und meine Mutter nicht alleine versorgen konnte?
Dass ich keinen Collegeabschluss hatte und-

»Ich bin stolz darauf, dass du ein so starker junger Mann geworden bist. Und es freut mich, dass du meine Hilfe-«, setzte er an.

»Kannst du dich mit dem Essen beeilen, damit wir die Plakate machen können? Ich wollte heute nochmal in den Laden und die letzten Vorbereitungen machen«, unterbrach ich ihn mit dünner Stimme und achtete nicht darauf, wie er reagierte oder was er dazusagte, als ich mich erhob und die Stufen hoch in das Gästezimmer stürzte, die Tür hinter mir schloss und wenig später genau dort zu Boden ging.

Fuck.
Ein jämmerlicher Laut entfuhr mir, weswegen ich meine Hand schnell auf meinen Mund presste und als das Brennen meiner Augen immer heftiger wurde, kniff ich sie zusammen.

Fuck, fuck, fuck.

Ein starker junger Mann?
Wo verflucht war genau dieser, wenn ich ihn brauchte?!

Ich war zu schwach, irgendwas allein zu schaffen und während andere mit ihren erfüllten Leben beschäftigt waren, klammerte ich mich an einen Strohhalm in einem dunklen Meer aus Angst, Verzweiflung, Scham und Schwäche.

• • •

Vor einigen Jahren stand ich schon einmal vor dem Gebäude und war damals bereits beeindruckt gewesen, wie viel mein Vater erreicht hatte.

Aber mittlerweile war an das Hauptgebäude ein weiteres Bürogebäude hinzugekommen und ich fühlte mich an den Tag von damals zurückversetzt.

Wie ein kleiner Schuljunge stand ich da und starrte die Häuser fasziniert an, während ich blinzelte.

»Warum genau lebst du nicht in einer verfluchten Villa? Oder wenigstens bei den ganzen Snobs am anderen Ende der Stadt?«, murmelte ich und hörte, wie mein Vater neben mir stehen blieb.

Nein, falsch. Ich spürte es. Denn seine Schulter berührte meine, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt.
Und vielleicht war es das zwischen Sohn und Vater auch, aber es kostete mich dennoch große Mühe, mich nicht von ihm wegzubewegen.
Stattdessen ließen wir die Wucht der Architektur auf uns wirken.

»Weil ich das nie wollte. Ich wollte ein normales Leben und ein kleines, gemütliches Haus in Georgetown«, murmelte er und ich hörte mich trocken lachen.

»Kleines Haus?«, fragte ich spöttisch und sah im Augenwinkel, wie er mich angrinste.

»Dann eben ein schönes Haus«, verbesserte er sich und ging in Richtung des Haupteingangs.

Mein Vater war schon immer bescheiden. Das wusste ich spätestens, als ich seinen Namen im Netz gegoogelt hatte und keine tausend Beiträge über ihn fand.

Als Stromanbieter, der diese Stadt und einige in der Umgebung mit Energie versorgte, durch umweltfreundliche Anlagen wie Solarfelder und Windkraftwerke, hatte ich mit mehr Artikeln über ihn im Netz gerechnet.

»Warum steht im Netz, dass die Firma DiLaurentis leitet und nicht du?«, fragte ich, während wir im Eingangsbereich an einigen Menschen vorbeigingen, die meinen Vater mit höflichem Nicken oder einem breiten Grinsen begrüßten.

Erst als wir die Leute hinter uns ließen und mehrere Aufzüge ansteuerten, antwortete mein Dad mit gesenkter Stimme: »Weil ich auf die Medien und den Bullshit keine Lust hatte und ihn zum Leiter gemacht habe. Ich arbeite lieber im Hintergrund, näher am Personal und bin somit auch näher bei meinen Kindern und meiner Familie. Jetzt komm, ich will dir einen meiner besten und jüngsten Medienbeauftragten vorstellen«

Wir waren während er mir das sagte in den ersten der vier Aufzüge gegangen, der uns nun in Etage 5 beförderte, doch ich hatte nur Augen für meinen Dad.

Scheiße, was passierte hier gerade?

Natürlich bemerkte er meinen Blick und natürlich schenkte er mir seine Aufmerksam, wie ein Vater, dessen Kind ihn interessierte. Ich schluckte den Kloß runter.

»Und den Bullshit?«, zitierte ich kritisch und lachte leicht, als seine Ohren sich rotfärbten und er mit den Schultern zuckte.

In dem schwarzen Anzug mit der grünen Krawatte, den ordentlich gemachten Haaren und dem perfekt gestutzten Drei-Tage-Bart, machte ihn diese verlegene Geste viel echter in meinen Augen.

Er war nicht der Geschäftsführer, der andauernd mit der Arbeit beschäftigt war und den nichts anderes interessierte, für den ich ihn hielt.
Er war auch mein Vater und das machte ihn soeben ein ganzes Stück mehr erträglich für mich.

»Du ahnst nicht, wie genervt ich manchmal von dem Chaos bin, das hier abgeht«, stöhnte er und ich warf einen Blick auf die Anzeige des Fahrstuhls, die bei 3 aufblinkte. Wenig später öffneten sich die Türen und ein weiterer Anzugträger mit grüner Krawatte trat ein.

Also kleidete sich Simon Sinclair auch, als wäre er nicht der Chef, sondern ein gewöhnlicher Mitarbeiter?

Fuck. Fuck, konnte er nicht wieder der Arsch sein, der er in meinen Augen war?

Der Typ nickte meinem Dad und mir zu und mit meiner kurzen Jeans und dem schwarzen ACDC Shirt, das mir zwei Nummern zu groß war, fühlte ich mich ziemlich deplatziert.

Die Fahrstuhlmusik war leise und ich war froh, als der Kerl bei der vierten Etage ausstieg und ich endlich die Frage stellen konnte.

»Wenn du so genervt bist, warum verbringst du dann mehr Zeit hier, als Zuhause? Ich meine, der Laden gehört doch dir. Der läuft sicherlich auch ein paar Tage ohne dich«, murmelte ich und war froh, dass das gesamte Gebäude klimatisiert war.

Ich hörte, wie sich die Türen hinter mir öffneten und hatte gar nicht bemerkt, dass ich mich vor meinen Vater positioniert hatte, um ihn besser ansehen zu können.

Er blieb stehen und ignorierte, dass wir hätten aussteigen können und nahm sich die Zeit, auf meine Frage zu antworten.

»Ich habe eine Verantwortung zu tragen und ich will dir, Noah, deiner Mutter und auch Lea dabei helfen, dass ihr euch auf's Leben konzentrieren könnt, während ich mich um das finanzielle kümmere. Zumindest das meiste davon«, stieß er leise aus. Aber der plötzliche Ernst in seiner Stimme, bescherte mir Gänsehaut, als er um mich herum ging, folgte ich ihm ohne nachzudenken.

Was zum Teufel hatte er da gerade von sich gegeben?

»Dad, echt jetzt? Und was ist mit dir? Du bist doch derjenige, der den Kürzeren dabei zieht und sich selbst vergisst, wenn du andauernd hier bist«, rief ich frustriert und kniff die Augen zusammen, als mich weitere Anzugträger, die uns entgegenkamen, schief musterten.

»Was glotzt du denn so?«, murrte ich, als einer von ihnen mit grüner Krawatte an uns vorbeiging und erschrocken blinzelte, als er registrierte, dass ich ihn meinte.

Er beschleunigte seine Schritte schnell und eilte an mir vorbei, aber mir blieb keine Zeit, mich über ihn lustig zu machen, da packte mein Vater mein rechtes Handgelenk und zog mich in einen Raum mit milchiger Glastüre, die er hinter sich schloss und mich mahnend begutachtete.

Doch in seinem Blick lag noch etwas anderes.
Etwas, dass mich starr werden ließ und ich dem Blickduell schweigend standhielt.

»Wir haben mehr miteinander gemeinsam, als unsere ausgeprägte Aufopferungsbereitschaft, Kane. Und jetzt lass mich dir Mike McCain vorstellen. Er wird dir mit den Plakaten helfen«, sagte mein Vater und zum Ende hin wurde er lauter, als würde noch jemand hier drin sein.

Ein Räuspern erfüllte den Raum, weswegen ich meinen Blick von Dad losriss und in dem übertrieben großen Büro einen übertrieben großen Schreibtisch fand, mit übertrieben großem Bildschirm, hinter dem ein Kerl saß.

Grüne Augen, kurzes, schwarzes Haar und erneut dieser nervige Anzug und die grüne Krawatte. War das ein Clan hier oder was?

Der Blick von Mike wanderte von meinem Kopf, bis zu meinen ausgetretenen Vans und wieder hoch zu meinen Augen. Ich zog eine Augenbraue skeptisch hoch und erkannte, dass seine Wangen sich pink färbten, was mich überraschenderweise grinsen ließ.

Mike und ich würden wohl viel Spaß haben, wenn meine Augenbraunen ihn bereits rotwerden ließen, freute ich mich, ein paar Worte mit ihm zu sprechen.

»Guten Morgen, Sir«, sagte Mike und erhob sich von dem Drehstuhl und trat mit langen Schritten um den Tisch herum, bis er vor meinem Vater stand, ihm zu nickte und mir anschließend die Hand reichte.

»Guten Morgen, Mike. Das ist mein Sohn Kane. Er braucht Hilfe bei der Gestaltung von ein paar Plakaten für die Wiedereröffnung seiner Bar. Also, meine Herren. Wenn ihr was braucht, gebt Bescheid. Ich bin in meinem Büro«, sagte Dad, klopfte mir liebevoll auf die Schulter und dann war er weg und mit ihm die Hoffnung, ein bisschen mehr Zeit mit ihm zu verbringen.

Stattdessen sah ich auf Mikes Hand, die meine noch immer schüttelte und die er dann abrupt wegzog, als ich ihn kritisch beäugte.

Er verschwand hinter seinem Schreibtisch, wobei ich ihm dabei zu sah und nebenbei das Regal hinter ihm mit den Büchern und den ganzen Akten betrachtete.

Ich ging auf die andere Seite des Raumes, griff mir einen der zwei Stühle, die an einem kleinen Tisch standen und setzte mich wenig später direkt neben McCain, der auf den Bildschirm startete und bereits einige Vorlagen für Plakate und kleine Flyer begutachtete.

»Bist du schwul?«, fragte ich, während ich mich zu ihm beugte und auf einen Block, der neben ihm lag, sämtliche wichtige Infos für die Wiedereröffnung krizelte.

Als ich fertig war, sah ich, wie er mich geschockt anstarrte. Gelangweilt verdrehte ich meine Augen und wartete auf seine Antwort, die aus einem Stottern bestand.

»W-Was?«

»Na, ob du gerne an Schwänzen lutschst und so«, half ich ihm auf die Sprünge und grinste, als er sich hektisch den Unterlagen widmete und die Vorlagen durchklickte, bis ich auf eine deutete, die mir gefiel.

Das Meer und ein Cocktailglas voll mit Alkohol zog hoffentlich bei den Leuten. Ich mochte die Farben. Und das Meer im Hintergrund. Es erschien mir passend.

Als Mike das Datum und den Ort an die linke, untere Ecke hineinschrieb, murmelte er: »Was hat mich verraten?«

Ich grinste und zeigte mit dem Finger, dass er das von ihm Getippte mehr in die Mitte des Plakats ziehen sollte. Er tat es und sah mich dann auffordernd mit seinen grünen Augen an.

»Du hast mich angesehen, als würdest du es mit mir am liebsten sofort auf dem Schreibtisch treiben«

Kurz blinzelte er, dann sah er wieder auf den Bildschirm vor uns und räusperte sich. Schon wieder.

»Nun, tut mir leid«

Ich zuckte belanglos mit den Schultern und lehnte mich tiefer gegen die Stuhllehne. Der Stuhl war erstaunlich bequem, aber ich war mir sicher, dass der Stuhl von McCain bequemer war. Fast war kurz davor, ihm zu sagen, dass wir Plätze tauschen sollten, doch ich überlegte es mir anders und meinte stattdessen: »Kein Ding. Hast du keinen schwulen Kumpel, mit dem du es auf dem Schreibtisch treiben kannst?«

Es folgte eine lange Ruhe, in der nur das Klicken einzelner Tasten und das der Computermaus, zu vernehmen war.

»Nein. Ich hatte mal einen, aber das endete nicht so gut«

Ich verschränkte die Arme vor der Brust und sah Mike dabei zu, wie er das Plakat immer und immer schöner werden ließ. Verdammt, der Kerl war gut. Er spielte mit den Schriftarten und er wählte genau die Richtige.

»Tragisch«, murmelte ich gedankenverloren und hörte ihn seufzen, weswegen ich neugierig wurde.
»Gebrochenes Herz, McCain?«

»Vielleicht«, stieß Mike leise aus.

Ich holte gespielt empört Luft.

»Tragisch«, sagte ich und als er mich ansah und zum so gut wie fertigen Plakat nickte, war ich überrascht, wie schnell und perfekt das alles ablief und aussah. Ich segnete es zehn Minuten später mit einem Nicken ab und Mike drückte die Handflyer fünfhundert Mal, die Plakate 10 Mal, wie ich zuvor auf den Block gekritzelt hatte.

Während der Drucker, der unter dem Schreibtisch stand, sein Bestes gab, die Teile herauszuschießen, drehte Mike sich in seinem Stuhl zu mir und schüttelte den Kopf.

»Für mich lief das ganze wirklich nicht so prickelnd«
Mike fuhr sich durch sein kurzes schwarzes Haar und ich hörte ihn leise erneut leise Luft ausstoßen.

»Wirklich tragisch für dich, Mike«

Seine Hand fiel in seinen Schoss, als er mich halb fassungslos, halb genervt ansah.

»Kannst du damit aufhören?«

Ich schwieg und hörte dem Drucker bei seiner Arbeit zu, während ich mich in dem Büro umsah und Mike neben mir leise vor sich hin atmete.

Irgendwann durchbrach er die Stille, aber ich machte mir nicht die Mühe, ihn anzusehen. Das Bild des Windrades auf der Leinwand das an der gegenüberliegenden Wand hing, war um einiges interessanter, als Mike McCains tragisches Liebesaus und dessen schlimmen Herzschmerz.

»Und du? Bist du schwul?«
Ich lachte knapp auf.

»Nein«, war alles, was ich sagte.

»Hm, okay. Aber du erkennst, wenn ein anderer Kerl was von dir will«, gab Mike sein Nachgefrage nicht auf. Mein Blick wanderte zu den großen Fenstern, die von grünen Vorhängen verdeckt wurden. Warum brannte das Licht, obwohl es draußen hellgenug war, um den Raum zu erleuchten?

»Meistens erkenne ich es, wenn mich ein Kerl ficken will, ja«

Mike räusperte sich erneut. Hatte der Probleme mit seinem Hals, oder was?

»Und wieso erkennst du das?«

Der Drucker fing an, ein komisches Geräusch zu machen. Mike füllte neues Papier nach, aber ich antwortete nicht auf seine Frage. Es ging ihn schlichtweg nichts an.

Und so hing diese für ihn womöglich unangenehme Ruhe in der Luft, bis alles fertig war und ich mit den Plakaten und den Flyern in einem riesigen Karton zur Tür schlenderte und es mir nochmals anders überlegte.

Ich griff in den Karton, zog einen der hübschen Flyer heraus und legte ihn Mike auf den Tisch.

Sein Blick fiel auf das Blatt und dann zu mir.

In seinem Gesicht spielte sich so viel ab, aber als ein Schmunzeln sich auf meinen Lippen breit machte, entspannte McCain sich sichtlich.

»Also dann, Mike, war echt schön mit dir zu quatschen, aber ich muss jetzt in die Bar und noch was vorbereiten. Lass dich auf dem Schreibtisch ficken, ich glaube, das hast du nötig. Vielleicht sieht man sich bei der Wiedereröffnung.«

Dann drehte ich mich um und ging auf direktem Weg nach draußen und war wirklich froh, dass ich meinen Vater überredet hatte, mit meinem Wagen zu fahren.

Lea konnte Dad sicherlich abholen, aber dafür musste ich Nachhause fahren, um ihr das zu sagen, denn ihre Nummer hatte ich nicht...

Aber ich würde sie fragen, ob ich ihre Nummer haben konnte und möglicherweise wollte ich mich auch für mein Verhalten die letzten Wochen entschuldigen. Vielleicht. Mal sehen.

Ach, fuck.
Ich sollte definitiv nicht so viel Zeit mit Simon Sinclair verbringen, das stellte echt gruselige Dinge in meinem Kopf an.

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