Dreiundzwanzig

Ich hatte mit vielem gerechnet.
Zum Beispiel damit, dass Kane mir noch eine saftige Nachricht sendete, in der er mir beschrieb, wie daneben er meine Frage fand.

Aber nachdem Kane mit Luna im Haus der Sinclairs verschwand und ich 20 Minuten später in meinem Bett lag, da kam keine Nachricht.

Weitere 10 Minuten später, in denen ich über Lunas schlechten Gesundheitszustand nachdachte, auch nicht.
Dafür klopfte es leise an meiner Fensterscheibe und mein Herz blieb vor Schreck stehen.

Oh Gott, warum macht er das immer?!

Und warum sprang ich augenblicklich auf, anstatt ihn warten zu lassen?
Ach ja, richtig. Weil ich jede beschissene Sekunde bei ihm sein wollte. Und weil die Gedanken an seine Mutter mich wirklich ängstigten. Ich hatte Angst vor einer Zukunft, die ich Kane nicht wünschte.

Dass ich im Moment nur enge Boxershorts an den Hüften trug, störte mich nicht. Doch als ich vor mein Fenster trat, es öffnete und Kanes Umrisse wahrnahm, merkte ich schnell, dass es ihn stören würde.

Ich erkannte, dass er noch immer die Sachen von vorhin trug, als er sich an mir vorbeischob, durch mein Zimmer lief, als wäre es sein eigenes und den Lichtschalter betätigte.

Mir entfuhr ein Zischen, nachdem ich das Fenster geschlossen hatte, weil die plötzliche Helligkeit in meinen Augen brannte.

»Zieh dich an, Heaven«, sagte er, während ich mir mit den Händen übers Gesicht rieb, um den Schmerz zu vertreiben.
So ein verfluchter- warte.

Was?

Ich öffnete die Augen und blinzelte einige Male heftig, bis ich sah, wie Kane an meiner geschlossenen Tür mit dem Rücken lehnte und mich von oben bis unten ungeniert musterte.

Dabei blieben seine dunklen Augen an meinem nackten Bauch und meinen Lippen wesentlich länger hängen. Meine Wangen erhitzten sich schlagartig und trotzdem donnerte ich ihm trocken entgegen: »Wieso sollte ich, Kane? Zieh du dich doch stattdessen aus«

Kanes Augenbrauen wanderten in Zeitlupe nach oben und dann lag ein so verwegenes Grinsen auf seinem schönen Mund, dass ich damit kämpfen musste, nicht hart zu werden.

Fuck, Kane. Hör auf damit.

»Das hättest du wohl gerne. Zieh dich an. Glaub mir, du wirst es nicht bereuen«, versuchte er mich zu überzeugen und verschränkte die Arme vor der Brust.
Ich schluckte, weil seine Geheimnistuerei irgendwie mega scharf war, aber irgendwie war ich auch total aufgeregt. Trotzdem war ich dankbar für diese wirklich interessante Ablenkung.

»Was hast du vor? Mich fesseln und ins Meer werfen?«, fragte ich deswegen amüsiert, doch Kane packte sein Pokerface aus. Er zog seine linke Augenbraue schweigend hoch und die Andeutung eines Schulterzuckens zeigte sich.

»Dich fesseln, in die Höhle am Felsen bringen und dann auf die Flut warten. Wie klingt das?«, meinte er so ruhig und ernst, dass ich für eine Sekunde vergaß, wie man atmete.

»Du Arschloch«, stieß ich aus, was Kane Sinclair doch ein leichtes Schmunzeln entlockte.

Er bückte sich und griff in den Wäschekorb neben der Tür. Der, mit der zusammengelegten, frischen Wäsche und fischte ein Shirt, wie auch eine Hose raus und warf mir beides zu.

Ich fing nur das schwarze Shirt, die dunkelblaue Hose ging leise zu Boden.

»Anziehen. Jetzt. Wir tun was sinnvolles.«

• • •

Wenig später saß ich in seinem Wagen und sah gespannt nach draußen in die angenehme Sommernacht.
Was hatte er vor? Wo wollte er hin? Warum wiederholte er die Worte seiner Mutter? Sollte ich ihn auf sie ansprechen?

Gott, nein.
Nicht jetzt.
Nicht, wenn er so ausgelassen wirkte.
Ich wollte diesen seltenen und sehr kostbaren Augenblick nicht zerstören, indem ich mir mit ihm gemeinsam Sorgen über die nächsten Wochen machte.

Stattdessen tat ich das, worin wir beide sehr gut waren.

»Ich find's spannend, dass du ACDC Shirts trägst, aber der volle Swiftie bist«, ärgerte ich Kane, als ein Taylor Swift Song einen anderen ersetzte.

Kane, der auf die leere Straße vor uns sah, verdrehte die Augen und sagte: »Hast du ein Problem mit meinem Musikgeschmack?«

Ich lehnte mich tiefer in den bequemen Autositz und beobachtete ihn weiter.
Ich mochte die leichte Bräune, die seine Haut nun hatte.
Und ich mochte das unscheinbare Grübchen in seiner rechten Wange, dass sich schwach bildete, wenn er lächelte.

»Absolut nicht, die Frau ist talentiert. Und scharf ist sie auch«, kommentierte ich und hoffte, dass er meine versteckte Botschaft verstand und mir meine unausgesprochene Frage beantwortete.

»Du bist schwul, Heaven«

Ich presste die Lippen aufeinander und schaute einen Moment zu der Straße vor uns, anschließend zurück zu Kane, der das Lenkrad entspannt mit der linken Hand oben festhielt und die rechte Hand derweil auf seinen Oberschenkeln ruhte.
Ich wünschte, er hätte sie auf meinen Schenkeln platziert. Meinetwegen auch irgendwo dazwischen.

»Und du bist nicht schwul, Nicolas«, antwortete ich zögernd.

Kane runzelte die Stirn. Verstand nicht, was ich ihm damit entlocken wollte.

»Richtig«

Ich wollte wirklich fragen. Aber nachdem ich vorhin bei Luna in ein so heftiges Fettnäpfchen bei Kane getreten war, traute ich mich nicht, nachzuhaken, ob er Männer im allgemeinen gut fand.
Oder ob es nur ich war, von dem er nicht abgeneigt war.

»Wir sind da«, holte er mich aus meinen Gedanken und ich schlüpfte aus meiner kleinen Blase, in der es nur ihn und mich gab.

Wir befanden uns am anderen Ende von Georgetown. Hier war ich so selten als Kind, dass ich mich kaum daran erinnerte.

Kane parkte seinen Wagen beim letzten Haus in der Straße, die von ein paar Laternen erhellt wurde. Direkt vor einem hellgrauen Einfamilienhaus machte er Halt. Ich verstand nicht gleich, was das zu bedeuten hatte.

»Das ist mein Zuhause. Nicht Noahs, sondern meines«, sagte er, als der Motor erlosch, die Musik stoppte und alles ganz abrupt ganz leise war.

Ich sah vom Haus, zurück zu Kane, der mich neugierig beobachtete.

Dein Zuhause. Du bringst mich ausgerechnet dorthin?

Ich stieg wortlos aus, schloss die Tür hinter mir und sah mir Kane Sinclairs Zuhause nochmals an. Diesmal genauer und mit weichen Knien.

Das Haus hatte keinen ersten Stock, dementsprechend niedrig saß das dunkle Dach darauf.
Die Fenster waren groß, einladend und die graue Fassade sah ein wenig mitgenommen aus an manchen Stellen.
Der Vorgarten war durch die Hitze der letzten Monate vertrocknet und der Weg zur schwarzen Haustür bestand aus einem einfachen Kiesweg.

Dieses Zuhause war genauso durchschnittlich wie mein eigenes und dennoch konnte ich nicht aufhören, es ehrfürchtig anzusehen.

Hier wurde Kane groß. Das hier war seine Welt. Sein altes Leben.

Und als er an mir vorbei ging, aus seiner Hosentasche den klimpernden Schlüsselbund fischte und die Tür seines Heimes aufsperrte...da ließ Kane mich auch in seine Welt eintreten.

Deswegen zögerte ich kein bisschen, setzte einen Fuß vor den anderen und blieb bei Kane stehen, der mich mit einem Augenrollen an der Schulter in den dunklen Flur schob.

Die Tür fiel ins Schloss, dann klickte es irgendwo hinter mir minimal und wenig später war der Flur erhellt und mein Herz blieb stehen.

Zum einen, weil ich Kanes Brust an meinem Rücken spürte, sein Atem meine Halsbeuge kitzelte und ich mich fragte, ob ich vielleicht doch träumte.

Und der andere Grund, warum ich wie erstarrt war und das einzige, was sich bewegte, meine Augen waren, diese etlichen Bilder an den Wänden, waren. So viele Eindrücke, die ich unbedingt genauer betrachten wollte.

Also holte ich durch den Mund Luft, trat vor und fand mich vor einem kleinen Bild wieder, dass mich zum Staunen und Lächeln brachte. Es machte mich aber auch traurig.

Auf dem eingerahmten Foto war Kane zu sehen.
Er trug weite, rote Shorts und ansonsten nichts am Leib. Sein Körper war durchtrainiert, definierte Muskeln waren überall zu erkennen und er strotze nur so vor Kraft.
Seine Haut war braungebrannt und schweißnass, seine Locken hingen ihm feucht in der Stirn und auf seinen vollen Lippen lag ein strahlendes Lächeln. Eines, dass ich bisher nur sehr selten bei ihm gesehen hatte.
Und neben ihm auf dieser schöne Fotografie stand eindeutig Luna. Mit schulterlangen Haaren, die genauso dunkel und lockig waren, wie die ihres Sohnes. Sie lächelte mindestens genauso stolz in die Kamera, wie Kane.

Meine Zähne schlugen laut aufeinander und der Schmerz zog sich durch mein Kiefer.

»Da habe ich meinen zweiten Wettkampf gewonnen. Mom war so verdammt stolz auf mich, dass sie jeden aus der Nachbarschaft eingeladen hat, mit uns zu feiern«

Ich hatte nicht bemerkt, dass er mir gefolgt war. Ich hatte auch nicht bemerkt, dass Kane wieder dicht hinter mir stand, da ich so fasziniert von diesem friedlichen Anblick war, der mein Herz erwärmte und zeitgleich in Stücke riss.

Mein Blick wanderte zum nächsten Bilderrahmen, der größer war. Kane stand dort mit einem Kerl, den ich nicht kannte. Der Kerl hatte schwarzes Haar, war groß und durchtrainiert und er hatte einen Arm um Kane geschlungen. Ihre Oberkörper waren mit blauen Flecken übersät, die beiden trugen schwarze Boxhandschuhe und obwohl ihre Gesichter ebenfalls demoliert waren und sie sicherlich Schmerzen hatten...die beiden grinsen einander an, als hätten sie den Hauptgewinn gemacht.

»Das ist Eric. Er sieht mittlerweile ganz anders aus, aber ich glaube, er kommt der Definition von einem besten Freund noch immer sehr nah«, erläuterte Kane erneut das Bild, welches ich betrachtete und ich schluckte, denn es folgten etliche Bilder.

Überall war Kane mit drauf und bei den meisten handelte es sich um Fotos mit ihm und Luna.
Und bei jedem Bild sah man, wie glücklich dieser Kane war. Wie gesund er aussah. Wie zufrieden.
Ich war geplättet von den Eindrücken und den Gefühlen, die diese Fotografien in mir hervorriefen und gerade als ich mich zu Kane umdrehte, griff dieser nach meiner Hand und zog mich den Flur nach hinten entlang.

Sämtliche Türen waren geschlossen, bis auf die letzte.

So schnell konnte ich nichts sagen, nur ihm nach stolpern, bis der Raum, in den Kane mich zog, ebenfalls in warmes Licht getaucht wurde. Ich blinzelte.

»Du kannst dir den Rest später ansehen. Willkommen in meinen vier Wänden, Heaven«, meinte Kane und schloss die Zimmertür hinter uns.

Ich hörte, wie er sich gegen das Holz lehnte, während ich mich umsah und nie wieder gehen wollte.
Vor mir, unter einem großen Fenster, stand ein mittelgroßes Boxspringbett. Rechts daneben erstreckte sich, die gesamte Wand entlang, ein Buchregal. Ein gefülltes Buchregal. Mit Büchern. Romanen, Comics, Fachliteratur.

Meine Augen wanderten auf die andere Seite des Raumes.

Links hing ein kleiner, grüner Boxsack von der Decke und am Boden lagen Hanteln, in verschiedenen Gewichtsklassen, verteilt.

Die Wand beim Fenster war plakatiert mit Postern und weiteren Aufnahmen aus seinem alten Leben.
Ich ging dorthin und betrachtete die Poster von unterschiedlichen Bands, Solokünstlern, Boxern und anschließend die Bilder.
Bilder von noch mehr Wettkämpfen von Kane, der jedes Mal breit in die Kamera grinste und mein Herz damit heftiger schlagen ließ.

Fuck. Dieser Kerl da war glücklich. So verflucht glücklich.

Und der Kerl hinter mir, der mir wieder geräuschlos gefolgt war...keine Ahnung, wie es in ihm aussah. Chaotisch, wahrscheinlich.
Aber dieses Glück auf den Fotos...das würde nicht mehr zurückkommen.

Ich hatte Luna gesehen. Und ein winziger Teil in mir wünschte, ich hätte es nicht. Denn nun wusste ich eines ganz sicher...
Kane würde sie verlieren. Früher oder später musste jeder sterben und bei seiner Mutter sah es eher nach früher aus. Ob er sich dessen bewusst war oder es verdrängte - keine Ahnung.

»Woran denkst du?«, fragte er in die Stille hinein, die eigentlich knistern sollte, weil wir beide alleine waren und ich seinen warmen Atem in meinem Nacken spürte.
Ich empfand was für ihn und Kane konnte auch nicht leugnen, dass da was zwischen uns war.

Doch diese Stille, die Kane mit seiner Frage durchschnitt, war eiskalt.

Ich befand mich in den Überresten eines Lebens, das Kane Sinclair glücklich machte und scheinbar glaubte nur ich, dass dieses Leben nie mehr zurückkam.
Denn Kane war total ruhig und ausgeglichen in diesem Moment.

Er glaubte daran, dass es seiner Mutter bald wieder besser gehen würde. Ich hatte es vorhin gespürt, ich hatte es ihm angesehen, wenn er Luna beobachtet hatte.

»Ich habe nicht damit gerechnet, dass du weißt, wie Lesen funktioniert«, flüsterte ich, während ich zum Fenster sah, dass Kane und mich spiegelte.

Er sah mir durch die Spiegelung direkt in die Augen. Doch es war nur ich, der ganz genau wusste, warum ich log und ihn lieber neckte, statt Kane zu sagen, dass seine Mutter eine tolle Frau war, die wirkte, als ob sie wüsste, dass der Tod auf sie wartete.

Kanes Hand schob sich plötzlich auf meine rechte Hüfte und ich schloss die Augen. Holte tief Luft und verdrängte den Anblick von Luna, um mich stattdessen auf das Hier und Jetzt zu fokussieren.

Es gelang mir nicht sofort, doch Kane half mir dabei, als er fragte: »Erinnerst du dich daran, als ich sagte, es gäbe nichts, was ich von dir wollen würde?«

Natürlich erinnerte ich mich. Es war der Tag, an dem ich mit Noah in der Höhle des Felsens war und Kane uns gesucht hatte. Und ich Idiot hatte am selben Abend gesagt, dass Kanes Mutter in dessen Erziehung gewaltig versagt hatte.
Kane war ohne zu zögern auf mich losgegangen und ich verstand nun, wieso. Diese Frau bedeutete ihm alles und ich hatte sie beleidigt. Gott, war ich ein Narr gewesen.

Ein Treffen mit seiner Mutter und ich hatte sie in mein Herz geschlossen. Luna war toll.

Hör auf, daran zu denken.
Hör auf, hör auf, hör auf.

»Ich erinnere mich«, wisperte ich, als ich Kanes stoppeliges Kinn an meinem Ohr spürte und den Kopf in genau diese Richtung neigte. Sein warmer Atem kitzelte an meiner Ohrmuschel und eine Gänsehaut breitete sich auf meinen Armen aus.

Bitte mich nicht darum, dir zu sagen, woran ich denke. Tu' es nicht.
Ich will dir nicht das Herz brechen, indem ich dir sage, was ich gesehen habe.

Eine leidende Mutter und ein Schicksal, dass dich zerbrechen wird.

»Ich will, dass du mich küsst, Heaven«

Mein Herz machte einen kräftigen Schlag, dann setzte es zu lange, als gut für mich war, aus.

Über meine Wange lief eine einzelne Träne, während ich mich umdrehte und die Augen öffnete.

Keine Ahnung was sein prüfender Blick für Gefühle in mir wahrnahm, aber Kane hatte definitiv etwas registriert.
Er runzelte kritisch die Stirn, unterdessen folgte er mit den Augen meinem Tropfen der Angst und sah ihm dabei zu, wie er von meinem Kinn tropfte.

Er wollte, dass ich ihn küsste. Er nahm mich mit hier her und vertraute sich mir an und was tat ich?
Ich heulte.

Und als hätte er meinen Gedanken gehört, umgriff Kane mein Gesicht mit seinen kalten Händen übergangslos und hob mein Kinn an, damit ich ihn besser anschauen konnte.

»Ich hab' mit vielem gerechnet, wirklich. Mit irgendeiner bescheuerten Aussage, einem Kick in den Magen oder damit, dass du mich aufziehst, Heaven. Aber ich habe nicht damit gerechnet, dass diese Vorstellung dich zum heulen bringt. Echt nicht«, brummte Kane und eine steile Falte bildete sich zwischen seinen Augenbrauen.

Ein schwaches Lachen entfloh meiner Kehle und Kanes Gesichtszüge hellten sich ein wenig auf. Mein Herz klopfte schlagartig wieder aufgeregt und mein Körper wurde sich langsam seinen Worten bewusst.

Kane wollte, dass ich ihn küsste. Er meinte es ernst.
Ich hatte seine Welt betreten und er erlaubte mir darin weiter zu verweilen. Er schickte mich nicht fort.
Es war genau das, was ich mir wünschte. Ich hatte genau das erreicht, was ich mir heimlich wünschte. Und jetzt, als ich es hatte...da sah ich erst, was das bedeutete.

Sich zu verlieben bedeutete nicht nur schöne Gefühle zu erleben.
Es bedeutete auch, sich Ängsten zu stellen, die manchmal nicht die eigenen waren.

»Tut mir leid. Das Treffen mit deiner Mom und nun das...«, murmelte ich verzweifelt.
Ich wollte die letzten Stunden vergessen und einfach mit ihm sein.
Ich wollte ihm aber auch erklären, wie es in mir aussah.
Doch für diese Achterbahn der Gefühle und meiner Gedanken, die sich überschlugen, gab es keine Worte die erklären konnten, was ich gerade durchlebte. Nicht einmal mein Körper verstand gänzlich, was hier mit mir passierte.

»Ist es zu viel? Sollen wir langsamer machen?«, erkundigte sich Kane und fuhr sanft mit dem linken Daumen über meine erhitzte Wange. Mit den rechten Daumen entfernte er meine langsam trocknende Tränenspur und schmunzelte dabei zärtlich. Ja, zärtlich.

»Scheiße, warum bist du gerade so seltsam nett zu mir?«, presste ich ungläubig hervor.

Kanes volle Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, welches identisch mit denen von den Fotografien waren.
Meine Finger, die bei meiner Hüfte nutzlos verweilten, fingen an unkontrolliert zu zittern.

»Ich weiß ja nicht was du an ›Ich will, dass du mich küsst‹ nicht verstehst, Heaven«, grinste Kane verwirrt, sein Blick fiel auf meinen Mund und dann blitzte pures Verlangen in seinen schönen Augen auf.

Es war, als hätte er mich wachgerüttelt.

»Fuck«, flüsterte ich, bevor ich mir mich mutig nach vorne lehnte, leicht auf die Zehenspitzen ging und meine pochenden Lippen kraftvoll auf seine presste.

Und als ich spürte, wie Kane sich augenblicklich entspannte und meinen Kuss ohne zu zögern erwiderte, da hörte ich auf, mich zu fürchten.
Ich hörte auf an seine todkranke Mutter zu denken und schöpfte stattdessen Hoffnung.

Hoffnung durch einen Kuss, der mir in diesem Moment alles bedeutete.
Ein Kuss, der mir die Angst nahm.
Ich wünschte, ihm ging es in diesem Augenblick genauso.

Verflucht, auch wenn das dumm und lächerlich klang...mit ihm an meiner Seite fühlte ich mich stärker.
Konnte gut sein, dass dem nicht so war, aber es fühlte sich richtig an.
Dieser Kuss fühlte sich richtig an.
Kane besser kennenzulernen fühlte sich richtig an – auch wenn es mich nervös machte.

Seine Finger wanderten in mein viel zu langes Haar am Hinterkopf und durchwühlten es dort, während er einen Schritt näher kam. Seine Brust stieß gegen meine und dann spalteten sich Kanes Lippen und seine heiße Zunge glitt verführerisch über meine Unterlippe, die kräftiger zu pulsieren begannen. Meine Finger, die noch immer wie Espenlaub bebten, krallten sich in den Stoff seines Shirts am Rücken.

Ich gewährte ihm Einlass und scheiße...Kane wusste, wie er mit seiner Zunge umzugehen hatte.
Und ich ließ ihn ungewollt merken, dass ich es mehr als nur genoss.
Ich wurde hart und als würde das nicht genügen, stöhnte ich in den Kuss hinein, der immer leidenschaftlicher wurde.

Kane presste sich dichter gegen mich, sein Becken krachte ungebremst gegen meines und ich stolperte einen Schritt zurück, bevor ich mich fing.
Ich keuchte auf, weil wir den Kuss unterbrochen hatten und er mich nun perplex anstarrte, als könnte Kane nicht glauben, dass wir das wirklich getan hatten.

Ein schneller Atemzug meinerseits und ein langsames Ausatmen seinerseits folgten, bevor Kane blinzelte.

»Mach das nochmal«, sagte er und rang dabei nach Luft, wobei er die kleine Distanz, die sich zwischen uns gebildet hatte, wieder verringerte und meine Hüften sicher packte.

»Was genau?«

Kanes Blick hüpfte zwischen meinen Augen wie ein Flummi ruhelos hin und her.

»Lass mich all die Scheiße vergessen und küss mich nochmal, Heaven«

Ich hätte getan, worum er verlangte.
Aber Kane war schneller als ich, indem er mich zu sich zog und mich sorgfältig ansah. So intensiv, dass ich glaubte, er könnte in mich hineinsehen.
Jeden Winkel meiner Seele sehen und jede noch so kleine Ecke mögen.

Kane lehnte sich noch näher zu mir. So weit, dass ich seine Lippen auf meinen spürte. Warm, weich und absolut fantastisch.

»Heaven?«, hauchte er und ich sah ihm dabei zu, wie er die Augen schloss.

»Ja?«, murmelte ich und wusste nicht, was nun kam.
Was könnte er sagen, nachdem wir uns geküsst hatten und er wollte, dass es nochmals passierte?

»Danke.«

Danke.

Der Kuss, der nun folgte, war anders als der davor.
So anders, dass mir ganz heiß wurde.

Mein Herz schlug wegen Kane schneller als nach einem Sprint und er küsste die Sorgen, die wir beide womöglich hegten, einfach fort.
Hier in diesem Raum gab es gerade nur uns beide und ich lebte dafür - mit jeder Faser meines Daseins.

Kane bedankte sich bei mir und auch wenn ich keinen blassen Schimmer hatte, wofür oder weswegen...es machte mich glücklich.
Ich hoffte nur, dass es ihm genauso erging.

Also hatte ich keine Angst, meine Lippen von seinen zu nehmen und stattdessen seine Wange entlang zu küssen, die unter meinen Lippen leicht kratzte. Kane verschaffte mir Platz, indem er den Kopf leicht drehte.
Meine Zunge leckte neugierig an seiner aufgeheizten Haut, während Kanes Finger forschend unter mein Shirt wanderten und mich dazu anspornten, meine Erkundungstour fortzuführen.
Solange, bis Kane meinen Namen flüsterte. So leise, dass ich ihn aufgrund unseres abgehakten Atems beinahe nicht wahrgenommen hätte.

»Hör nicht auf, Heaven«, murmelte er, weil ich tatsächlich innehielt.

Mein Puls rauschte in meinen Ohren.

Gott, Kane. Ich werde nicht aufhören, das verspreche ich dir. Ich bin süchtig nach dir.

Ich griff mit der linken Hand nach seinem Kinn, grub meine Finger fester als gewollt in seine Haut und zwang ihn dazu, mich anzusehen.

Als Kind fand ich Diamanten immer total schön.
Sie erinnerten mich an Sterne und sie funkelten traumhaft schön.
Doch heute sah ich in Kane Sinclairs Augen und war mir sicher, dass ich meine Meinung geändert hatte.

Obsidian war der schönere Edelstein.

Die Dunkelheit faszinierte mich, auch wenn sie angsteinflößend sein konnte, sie ließ mich mutig werden.

Deswegen fuhr ich mit dem Daumen in aller Ruhe über Kanes Unterlippe, die leicht feucht war und sah ihm dabei in die dunklen Augen, die mich wachsam beobachteten.

Erst als mein Finger seine Reise beendete, verringerte ich den Abstand.

Ich küsste Kane erneut und er küsste mich fiebrig zurück, als ob er genau das brauchte.

Und so schnell hörten wir beide damit nicht mehr auf.

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