Kapitel 75
Yunas Sicht
Ich genoss den süßlichen Geschmack der Schokolade auf meiner Zunge, sobald der gerade eben noch so harte Keks unter meinen Zähnen zu einzelnen Krümeln zerfiel. Schokokookies an sich waren immer eine Sache, mit der man mich glücklich stimmen konnte, aber wenn es dann noch die selbstgemachten von Sujis Oma waren, gab es nichts, was meine Mundwinkel davon abhielt, steil nach oben zu fahren - normalerweise jedenfalls.
Denn egal, wie lecker die noch warmen Kekse waren, schaffte weder sie, noch der heiße Tee, welcher ebenfalls auf dem Nachttisch meiner besten Freundin Platz genommen hatte, meine Gedanken wenigstens für einen kurzen Moment aus meinem Kopf zu vertreiben.
„Jetzt sag mir aber nicht, dein Jiminie hat die so den Kopf verdreht, dass du euren Streit noch immer nicht aus dem Kopf bekommst." Stumm schüttelte ich den Kopf. Auch wenn mein nun wohl Ex-Freund immer noch viel zu oft in meinen Gedanken herumspukte, stellte er nicht den Hauptpunkt meiner Stimmung dar. „Gut. Denn ob du es glaubst oder nicht, das Leben geht weiter. Und ob dass jetzt mit ihm oder ohne ist, wird sich schon zeigen. Wer sagt denn, dass ihr euch am Ende nicht doch wieder vertragt? Auf was wetten wir, dass ihr noch diesen Monat wieder glücklich zusammen seid und du wieder bei mir angekrochen kommst, damit ich mit euch allen irgendetwas unternehme?" Zwar bekam ich mit, dass Suji mit mir gesprochen hatte, so wirklich ankommen taten ihre Worte bei mir allerdings nicht. Mein Gehirn hatte sich viel zu sehr auf etwas anderes zu konzentrieren und gerade schwer umzupolen.
„Suji...", begann ich schließlich das Thema, weswegen ich eigentlich hergekommen war, „ich muss mit dir über etwas reden." Im Schneidersitz auf ihrem Bett sitzend blickte ich die Schwarzhaarige ernst an. Nun verstand auch sie, dass ich nicht gekommen war, um meinen Liebeskummer zu vergessen.
Mit einem Nicken gab mir das Mädchen zu verstehen, dass ich beginnen sollte, weshalb ich noch einmal tief einatmend meine Teetasse wegstellte. „Ich hatte dir ja von der DAN und dem Problem mit der Probezeit und meiner Entscheidung erzählt." „Du meinst, dass du dich im Prinzip jetzt schon entscheiden müsstest?" Abermals nickte ich, schaffte es allerdings ansonsten nicht, weiterzusprechen. „Und?", führte stattdessen Suji das Gespräch weiter. Jedoch bekam mein Gegenüber weiterhin keine wirkliche Antwort von mir. „Du hast vor, von hier weg zu gehen, hab ich Recht?" Kurz holte ich tief Luft, um einen Protest zu starten. Ich wollte nicht, dass Suji dachte, ich würde weggehen, sie alleine lassen und meinen eigenen Weg gehen. Doch noch während ich die entsprechenden Worte zusammensammelte, merkte ich, dass ich nichts dagegen zu sagen hatte. Im Endeffekt war es ja genau so. Schließlich nickte ich nur.
Stille kehrte ein. Keine von uns beiden traute sich, für eine Zeit etwas zu sagen.
Irgendwann griff ich wieder nach meinem Tee. Einfach, weil alles besser war, als weiterhin diesem Nichtstun ausgesetzt zu sein.
„Dann werden wir das letzte Jahr hier zusammen wohl besonders verrückt machen müssen." Sie lächelte. Es war keines ihrer typischen Suji-Verrücktheits-Lächeln. Viel mehr sah man eine Mischung aus Trauer und Optimismus, wobei es letzterer war, der mir die Ruhe schenkte, die ich gerade brauchte. „Es sind ja auch noch neun Monate", versuchte ich den Funken aufrecht zu erhalten, „Es ist ja nicht so, dass ich schon nächste Woche weg bin." Das Lächeln meiner Freundin wurde wärmer, während sie vor sich hin nickte.
„Du hast also nicht vor, das mit Jimin irgendwie wieder gerade zu biegen oder?" Erneut verließ ein Seufzer meine Lippen, bevor ich an meiner Antwort feilte. „Ich will mich nicht wieder verunsichern lassen. Jetzt habe ich endlich eine Entscheidung getroffen, da.... da... also... ich... habe Angst, dass ich mir am Ende selbst im Weg stehe." Suji sagte daraufhin nichts. Und anders als sonst, viel es mir heute auch außerordentlich schwer, irgendetwas aus ihrem starr auf die Bettdecke gerichteten Blick herauszulesen.
„Und was ist mit Tae und Kookie?", brach die Schwarzhaarige schließlich die wieder aufbekommende Stille. Mein entschuldigender Blick schien ihr zu reichen. „Okay, Jimin ist das eine, aber Tae und Kookie kennst du bitte wie lange? Ja, ihr habt euch alle heftig in die Scheiße geritten und das von heute auf morgen wieder purer Sonnenschein angesagt ist, bezweifle ich auch. Aber du kannst nicht einfach gehen, ohne den beiden auch nur ein Sterbenswörtchen davon zu sagen. Abgesehen davon", sie setzte eine kurze Pause ein, in welcher sie ihre bis gerade eben noch aufgebrachte Stimmung wieder herunterfuhr, „wie wir ja beide gesagt haben: Es ist noch eine ganze Zeit hin. Willst du die nicht mit deinen Freunden genießen?" Eindringlich sah mich das Mädchen vor mir an. Eine Zeit hielt ich diesem Blick stand, schließlich wandte ich mich dann aber doch ab.
„Ich wollte ihnen einen Brief schreiben", gab ich schließlich leise zu. Und als meine persöhnliche Seelsorgerin nicht antwortete, erweiterte ich die Aussage auch auf meine restlichen Gedanken. „Ich wollte ihnen darin alles einmal erklären, also aus meiner Sicht. Und dann... also, ich habe nicht vor, danach noch groß etwas zu machen. Also, was meine Freundschaft mit den Jungs angeht. Am Ende... ich... ich will einfach nicht, dass es noch schwerer wird zu gehen." „Weißt du, auf der einen Seite kann ich dich verstehen. Also deinen letzten Punkt zumindest. Aber auf der anderen", Suji atmete einmal tief ein, „Denk mal an all das, was ihr zusammen erlebt habt. Das willst du einfach so wegschmeißen." Wahrheitsgetreu zuckte ich mit den Schultern. Es war der Punkt, dem ich immer aus dem Weg ging, wenn ich über das gesamte Thema nachdachte. Hier hörte ich einfach auf, setzte einen Strich und sagte mir, ich würde später darüber nachdenken.
„Es ist deine Entscheidung. Und ich kann sie nur akzeptieren. Ich würde mich natürlich freuen, wenn du hier bei mir bleiben würdest, aber mindestens genau so sehr freue ich mich, für dich, dass du es so weit geschafft hast. Ich will nur, dass du dir sicher bist, dass das die richtige Entscheidung ist." Als ich nicht antwortete, richtete Suji ihre Augen direkt auf die meinen. „Bist du dir sicher?" Dieses Mal antwortete ich. Dieses Mal nickte ich. Auch, wenn ich mir selbst nicht sicher war, ob das mein inneres Gefühl oder nur der kleine Notausgang war, welcher hoffte, dass ich diese Meinung irgendwann wirklich glauben würde, würde ich sie nur oft genug wiederholen.
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