Kapitel 70
Taehyungs Sicht:
"Jimin! Jetzt schwing deinen Arsch hier rüber, ich hab Hunger!" Grinsend warf ich mich auf den Tisch meines Kumpels und beobachtete, wie er den Collegeblock in seine Tasche beförderte. "Geh schon mal vor." Die Ernsthaftigkeit in Jimins Stimme war nicht zu überhören, was dazu führte, dass mein Lächeln für einen Moment verrutschte.
Als mein Gegenüber jedoch nicht auf meine hochgezogene Augenbraue reagierte, versuchte ich es ein weiteres Mal, ihn auf eine spaßige Art zum Reden zu bekommen. "Sehnst du dich etwa schon nach ein paar Schulstunden so nach deiner Prinzessin, dass du es keine Minute länger aushältst?" Normalerweise hätte ich jetzt einen Schlag gegen den Oberarm kassiert und Jimin wäre danach aber schnurstracks mit einem Grinsen im Gesicht zu Yuna gegangen. So aber schien seine Freundin nicht wirklich auf Platz eins seiner momentanen Gedanken gelistet zu haben. Jedenfalls schenkte er meiner Aussage keine Beachtung, sondern huschte einfach aus dem Klassenraum.
Mit zusammengezogenen Augenbraun folgte ich meinem Freund, quetschte mich hinter ihm durch die Schüler und kam - zu meiner ehrlichen Verwunderung - am Ende doch bei seinem gewöhnlichen Ziel an. Bedeutete das, dass etwas mit Yuna nicht in Ordnung war?
Für einen Moment hatte ich etwas Angst um meine beste Freundin, doch als diese ähnlich wie ich vom Silberhaarigen abgewiesen wurde, strich ich die Theorie wieder aus meinen Vorstellungen. Zwar gab Jimin Yuna einen kurzen Kuss, als diese lächelnd auf ihn zu lief, dann flüsterte er ihr allerdings kurz etwas ins Ohr und schob sich auch an der Schwarzhaarigen vorbei.
"Was war das denn?" Auch Hoseok schien so überhaupt nicht zu verstehen, was mit unserem Kumpel los war. In der Hoffnung, bei mir eine Antwort zu finden, fiel Yuna Blick auf mich, doch musste ich sie mit einem Schulterzucken enttäuschen.
"War Jimin heut morgen auch schon so... komisch?", wendete ich mich nun umgekehrt an die Schwarzhaarige, welche sich tief ausatmen einmal durch die Haare ging. "Naja, er war schon irgendwie stiller, als sonst, aber ich habe es eher auf seine Müdigkeit geschoben." "Ich glaube, wir sollten uns nicht einen zu großen Kopf darüber machen. Jimin wird schon sagen, wenn etwas nicht stimmt." Zwar nickte Yuna auf Hobis Aussage, sie wirkte jedoch genauso wenig überzeugt, wie ich.
"Was steht ihr denn hier rum? Wollen wir nicht in die Mensa?" Etwas verwirrt blickte Suji in unseren zerknirschten Gesichter, woraufhin sich nun auch Yuna Gesichtszüge wieder etwas entspannten. "Doch, klar. Lass uns gehen." "Ist Jungkook noch im Klassenzimmer?", hielt ich die kleine Truppe noch einmal auf. "Ne, der ist auch schon weg." Die Schwarzhaarige nickte in die gleiche Richtung, in welche auch Jimin kurz zuvor verschwunden war, bevor sie sich bei Suji einhakte und die beiden gemeinsam mit Hoseok in die entgegengesetzte Richtung verschwanden. "Jetzt komm schon Tae. Jimin wird sicher kommen, wenn er was auch immer erledigt hat", meine beste Freundin hatte sich im Laufen noch einmal umgedreh, doch nun musste auch ich sie enttäuschen. "Geht schon mal vor, ich komm gleich."
Zwar konnten die beiden auch Recht haben und ich interpretierte nur zu viel in alles hinein, doch ich wurde das Gefühl nicht los, dass hier irgendetwas nicht stimmte. Und schließlich war das schlimmste, was passieren könnte, dass ich umsonst eine Runde durch die Schule drehte, bevor ich zu meinen Freunden stieß.
Im Stechschritt kämpfte ich mich durch die glücklicherweise schon etwas gelehrten Gänge, auf der Suche nach einem der beiden verschollenen Jungs. Die mussten doch irgendwie zu finden sein.
Ich klapperte die Hauptgänge der Schule ab, versicherte dabei sogar noch Jin, dass ich gleich zu ihnen kommen würde, von meinen eigentlichen Zielen fehlte jedoch jede Spur. Jetzt konnte es natürlich entweder sein, dass beide - mitteinander oder unabhängig von einander - die Mittagspause über vom Schulgelände gegangen waren oder wir uns einfach bei dem ganzen Hin- und Hergelaufe verpasst hatten und meine Freunde bereits dabei waren sich am vier Sterne Buffet der Cafeteria zu bedienen.
Seufzend blieb ich schließlich beim Eingang stehen. SO wurde das jedenfalls nicht hier. Wobei sich bei mir auch immer mehr der Gedanke verfestigte, dass ich tatsächlich in meiner Ermittlungsarbeit übertrieben hatte. Meine Motivation, den gleichen Weg durch die gesamte Schule jetzt noch einmal zurückzulaufen, betrug jedoch auch gleich null, weshalb ich mich dazu entschied, durch die breiten Einganstüren zu treten, um den Weg um das Schulgebäude herum zu nehmen. Ein riesiger Umweg bedeutete das für mich zum einen sowieso nicht und zum anderen wurde mir, als ich die frische Luft in meine Lungen sog, bewusst, dass ich den Ortswechsel definitiv gebraucht hatte.
Auf mein Handy schauend und dabei durch Insatgram scrolend, schlenderte ich durch den Mischmasch aus Pflaster, Ästen und beriets heruntergefallenen bunten Blättern. Und gerade letztere stellten sich kurze Zeit später wirklich als eine tödliche Falle heraus, als ich vor Schreck stolpernd über den den nassen Naturbelag schlitterte.
Kaum, dass ich das Gleichgewicht wiedergefunden hatte, horchte ich noch einmal ganz genau hin, ob ich mich nicht doch langsam Halluzinationen entwickelte, doch wie sich herausstellte, funktionierte mein Gehör einwandfrei. Mein Handy stecke ich schnell in meine Hosentasche, bevor ich, nun im Ninja-Modus, meinen Weg fortsetzte.
Vorsichtig lugte ich um die Ecke der alten Sporthalle. Hier war normalerweise nichts los. Selbst die Raucher waren hinter die neuere Sporthalle umgesiedelt, was ihnen bei der Schönheit dieses Ortes auch nicht zu verübeln war. Alleine durch das leichte Abstützen meinerseits an der Mauer war von dieser wieder ein großes Stück des alten Putzes abgebröckelt und neben mir zu Boden gerieselt.
Allerdings ging es mir gerade wirklich nicht um die Einsturzgefährdung des Gebäudes neben mir. Viel interessanter war das, was sich in seinem Schatten abspielte. Denn tatsächlich hatten mich meine Oheren nicht im Stich gelassen und nicht weit entfernt konnte ich nun zwei mir äußerst bekannte Personen ausmachen.
Nie im Leben hätte ich gedacht, dass ich mal zwei meiner besten Freunde ausspionieren würde - und wirklich gut anfühlen tat es sich auch nicht - aber die Tatsache, dass Jimin und Jungkook sich am ungefähr verlassensten Ort der Schule befanden und nicht so aussahen, als würden sie einfach nur nicht beim Lehrerlästern erwischt werden wollen, weckte meine vollste Neugier.
Schwer zu verstehen, was die beiden sagten, war glücklicherweise nichts, womit ich die Situation beschreiben musste. Selbst, wenn ich meinen Kopf zurückzog, war der Streit der beiden gut verständlich.
"Meine Güte, Jimin, wie oft noch, ich habe keinen Bock, mit dir darüber zu reden!" "Das ist mir herzlich egal. So geht es doch nicht weiter." Noch verstand ich nicht ganz, worum es genau ging, doch anhand von eigenen Erfahrungen ging ich mal schwer davon aus, dass es mir Jungkooks merkwürdig abweisenden Verhalten der letzten Wochen zu tun hatte.
"Yuna macht sich Sorgen um dich und nicht nur sie, wir-" "Das hat sie mir bereits gesagt. Kann ich dann gehen?" Kurz setzte ich mich in Sprintposition, um im Zweifel schnellstmöglich zu verschwinden, entspannte meine Muskeln dann aber doch rasch wieder. "Nein! Kannst du nicht! Yuna hat gemeint, du hättest gesagt, du hättest einen Fehler gemacht, den du dir nicht verzeihen könntest." Einen Moment war es still. Nicht nur ich wartete anscheinend darauf, dass Jimin seinen Gedanken fortsetzten würde.
Irgendwann dauerte es dem anderen Wartenden dann offensichtlich etwas zu lange. "Und jetzt?" Wieder eine kurze Pause. Als ich vorsichtig um die Ecke linzte, konnte ich gerade noch erkennen, wie Jimin, sich durch seine Haare gehend, einen Schritt nach hinten machte, bevor er endlich weitersprach. "Ist es das, was ich denke?" Stutzig zog ich den Kopf abermals zurück. Nicht nur, dass seine zuvor laute Stimme auf einmal ganz ruhig geworden war, das was er sagte, machte die Sache für mich noch viel veriwrrender.
Wovon sprach Jimin? Was wusste er? Worum ging es bei den beiden eigentlich genau?
"Was wenn ja?" Auch wenn sich der eine der beiden anscheinend beruhigt hatte, war Jungkooks schnippischer Unterton nur schwer zu überhören, als er sprach. "Dann wäre dein Verhalten etwas unnötig, denkst du nicht?!" "Unnötig?!" Ein Zucken durchfuhr meinen Körper bei Jungkooks plötzlicher Lautstärke. "Unnötig?!", wiederholte er sich - nun noch lauter. "Ja, unnötig!" Offensichtlich war die Ruhe des Silberhaarigen auch nur eine kurze Phase gewesen.
"Weißt du eigentlich, was ich mir, für Vorwürfe wegen dem Scheiß mache, huh?" "Aber die Sache ist doch mittlerweise vom Tisch", versuchte Jimin offenbar seinen Kumpel zu besänftigen, was eher semi Erfolg zeigte. "Du hast leicht reden. DU hast nicht daneben gestanden, als einer deiner besten Freundinnen von jemandem geschlagen wurde. DU hast nicht einfach nur zugeschaut. Und DU bist auch nicht der jenige, der Schuld daran ist, dass es überhaupt so weit kommen konnte, wobei... wenn man mal so ein bisschen darüber nachdenkt warst du derjenige, der überhaupt auf diese beschissene Idee gekommen ist."
Ich hatte gar nicht bemerkt, dass mich bewegt hatte, doch nun entfernte ich langsam meine Hand von meinem immer noch geöffnetem Mund. Worüber redeten die?! Wer hatten wen geschlagen?! Und wer hatten wem bei was geholfen?!
"Wow, wow, wow", damit schien Kookie einen empfindlichen Punkt bei seinem Gegenüber getroffen zu haben, " ich weiß gut, was ich getan habe, aber zum einen hab' ich das mit Yuna geklärt und zum anderen habe ich dich nie zu irgendetwas gezwungen!" Was hatte Yuna jetzt noch mit dem genzen zu tun?! War sie diejenige, die geschlagen wurde? Aber wieso? Und von wem?
"Meine Güte, ich dachte, ich helf dir und Yuna ein bisschen auf die Sprünge, weil ich wirklich daran geglaubt habe, dass ihr zusammenpasst, aber ich hab doch nicht gewusst, was du mit Suji machen würdest, nur um an das zu kommen, was du willst!" Suji?! Ich verstand gar nichts mehr! "Ob du es glaubst oder nicht, auch das haben wir auch MIT Suji bereits geklärt und-" "Geklärt oder nicht ist mir scheiß egal. Es geht hier ums Prinzip. DU hast dafür gesorgt, dass meine zwei besten Freundinnen verletzt werden und ich war das ungefähr größte Arschloch und habe nichts getan. Verstehst du?! NICHTS! Weißt du, wie ich mich fühle? Was für Vorwürfe ich mir mache?!"
Es fühlte sich an, als würde mein Kopf gleich explodieren, bei all' den Szenarien, die sich gerade in diesem abspielten. Ich wollte endlich die Wahrheit! Die ganze!
"Dann rede mit den beiden! Yuna und ich sind jetzt zusammen. Also richtig, nicht so, wie am Anfang. Es hat sich alles eingeränkt. Wenn es dich so stark belastet, dann rede mit Suji und Yuna. Erklär' ihnen alles. Also wirklich alles. Und dann wird sich das legen."
Die danach aufkommende Stille wirkte beinahe gepenstisch. Da machte auch Jungkooks plötzliches Lachen die Situation nicht besser. Ich konnte nicht glauben, dass ich da gerade meinen Freunden zuhörte, den Personen, von denen ich dachte, ich würde sie bis ins kleinste Detail kennen...
Dann verstummte der Jüngere wieder - besser wurde die Atmosphäe allerdings auch nicht. "Ich kann's nicht glauben!" "Was?" Nun schien ich wenigstens nicht mehr der einzige, der nicht ganz blickte, worum es hier ging. Auch Jimin klang ehrlich verwirrt. "Ich kann's nicht glauben!", Kookie hatte wieder zu schreien angefangen, "Wie kannst du nur?! Wie kannst du dir das alles so einfach machen, huh? Wie kannst du das alles so einfach abhaken, so tun, als sei nichts passiert?" "Jungkook, ich-" "Nein, nichts Jungkook. Sag es! Ich will es aus deinem Mund hören! Bist du Schuld daran, dass Suji von Yoongi geschlagen wurde?" "Ich-" "War es deine Idee?!"
"Ja."
Beinahe von alleine hielt ich die Luft an. Ich konnte nicht glauben, was ich da hörte.
"Hast du Yuna weh getan?" "Es ist kompli-" „Spar' dir deine Ausreden. Es war schwer zu übersehen, dass sie nicht von anfang an begeistert gewesen war, mit dir zusammen zu sein. Also. Was. Hast. Du. Gemacht?!"
Stille. Nichts. Ich traute mich nicht, einen Blick um die Ecke zu werfen.
"Hast du sie auch egschlagen?" "Nein!" "Hast du noch mehr gegen ihren Willen getan?" Stille. "Hast du sie zu Sachen gezwungen, die sie nicht wollte?" Stille. "Du hast sie zum Sex gezwungen oder?" Stille. "Hab ich Recht?!"
"Ja"
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