Kapitel 69
Sekunden kamen mir vor, wie Minuten, Minuten wie Stunden, als ich verloren in dem langen Gang stand. Anfangs hatten mir die kühlen Fliesen an meinem Rücken eine Gänsehaut beschert, jetzt spürte ich den Temeperaturunterschied schon gar nicht mehr.
Die ganze Zeit spielte ich mit dem Gedanken, umzudrehen, Jungkook ein anderes mal abzupassen, ihn nicht zu fragen, was los war. Nicht jetzt, nicht hier. Es sollte doch schließlich ein schöner Tag werden.
Und doch konnte ich nicht anders. Die Mischung aus Besorgnis, aber auch Neugier hatten die Übermacht gewonnen. Jetzt zurück zu den anderen zu gehen und so zu tun, als sei nichts gewesen, wäre noch merkwürdiger, als wie eine Besessene auf die hellgraue Tür schräg vor mir zu starren.
Es dauerte nicht mehr lange - auch wenn es sich genau so anfühlte - bis mir meine Entscheidung abgenommen wurde. Jetzt hatte ich keine Wahl mehr. So blöd war Jungkook nicht, als das er mir abkaufen würde, dass ich einfach so hier herum stand und auf ihn gewartet hätte.
"Alles okay?" Irritiert über den Start, der eigentlich hätte von mir kommen sollen, brauchte ich einen Moment, bis ich dem Braunhaarigen welcher mittlerweile vor mir zum Stehen gekommen war, antwortete. "Das wollte ich eigentlich dich fragen."
Wie ich es mir beinahe gedacht hatte, zuckte mein Gegenüber lediglich mit den Schultern. "Klar, alles gut. Was soll schon sein?" Es war herauszuhören, dass seine Frage nicht auf eine Antwort abzielte. Er wollte dieses Gespräch beenden, bevor es überhaupt beginnen konnte, soviel war klar. Jedoch war das nicht die Richtung, in die ich einschlagen wollte.
"Und deshalb kannst du mir noch nicht einmal in die Augen schauen?!" Jungkook hatte sich bereits zum Gehen gewandt, drehte sich jetzt allerdings noch einmal um. Er machte den Mund auf, so, als wolle er sich verteidigen, schloss ihn dann allerdings, ohne, dass auch nur ein Laut den Weg in die Freiheit gefunden hatte.
"Was ist los mit dir?" Nichts. Stille. "Mensch Kookie, bitte red' doch mit mir. Hab ich irgendetwas falsch gemacht? Hab ich-" "Nein." Der geschockte Blick blieb für einen Moment auf Jungkooks Gesicht erhalten, als er einen Schritt auf mich zu machte. "Nein, Yuna. Wirklich nicht. Bitte such' die Schuld nicht bei dir, okay?" Der Braunhaarige versuchte es mit einem leichten Lächeln, scheiterte allerdings kläglich. Weder meine Besorgnis, noch meine Skepsis verringerte das in irgendeiner Weise. "Dann gibst du zu, dass irgendetwas nicht stimmt?!"
Stille. Die Antwort auf die Frage wussten wir beide sowieso, doch ich wollte es aus seinem Mund hören. "Mach dir bitte keine Sorgen um mich." Jungkook nuschelte noch irgendetwas in sich hinein, was ich allerdings bis auf die Worte "nicht" und "verdient" nicht entziffern konnte.
"Doch, Kookie. Genau das tue ich. Und ich werde damit auch nicht aufhören, bis ich weiß, was-" "Ich hab einen Fehler gemacht, okay?!" Innerhalb weniger Millisekunden, hatte sich die Stimmung gedreht. Bislang hatten vor allem Trauer und Sorge das Gespräch geleitet, jetzt konnte ich in den Augen meines Gegenübers ganz klar Wut erkennen.
"Aber wieso-", versuchte ich nocheinmal anzusetzen, wurde allerdings abermals unterbrochen. "Es spielt keine Rolle. Ich habe etwas getan, für das ich mich unglaublich schäme, aber was ich nicht mehr rückgängig machen kann."
Jungkook hatte sich etas von mir entfernt, was ich nun versuchte, mit einem Schritt meinerseits zu ändern. "Was, Jungkook?" "Du würdest mich hassen, wenn ich es dir sagen würde." Ich schüttelte den Kopf. "Nein, das würde ich nicht." "Doch, du-" "Ich könnte dich niemals hassen."
Einen Augenblick sahen wir uns einfach nur stumm in die Augen. Ich wusste nicht, wie ich seinen Blick einordnen sollte. So vieles lies sich aus ihm herauslesen: Trauer, Angst, Hass... Selbsthass...
"Wieso bist du dir da so sicher?" Ruhe war zurück in Kookies Stimme gekehrt. Und auch ansonsten sah er mich auf einmal ganz anders an. Die gesamten Emotionen waren wie aus seinem Blick gewischt. "Weil ich dich kenne", setzte ich vorzeitig an, "Weil ich weiß, dass du niemals etwas machen könntest, was mich so sehr verletzt, dass ich dich hassen könnte, weil-„ Und erneut wurde ich von dem Jungen mir gegenüber unterbrochen. "Dann irrst du dich eben."
Wieder drehte sich der Braunhaarige um. Für einen Moment lies ich es zu. Ich brauchte kurz, um das, was er gesagt hatte, zu verarbeiten. "Ich dachte, wir wären Freunde", platzte es dann mit einem Mal aus mir heraus, "Suji, Tae, du und ich. Egal, was du anscheinend getan hast, ich könnte es dir verzeihen, weil wir Freunde sind." Ein Lächeln breitete sich auf Jungkook Gesicht aus - ein trauriges. "Ich wünschte, ich könnte das auch so sagen, ohne dass ich mich wie der letzte Verräter fühle. Tut mir Leid."
Mit einem Mal baute sich etwas in mir auf. Ich wusste nicht, ob es die Verzweiflung war, dass ich wegen einem Grund, den ich nicht einmal kannte meinen besten Freund verlieren sollte oder die Wut, dass er uns vier so einfach aufgeben wollte, doch langsam reichte es mir. "Das kann nicht dein ernst sein. Das kann einfach nicht dein verdammter ernst sein. Wir kennen uns jetzt schon so lange. Und das alles, diese ganzen gemeinsamen Momente willst du wegschmeißen, weil du einen Fehler begangen hast?!"
Stille. Ich glaube mir floss eine einzelne Träne über die Wange - sicher war ich mir nicht. "Jeder begeht doch mal Fehler. Das passiert eben. Aber deshalb- Ich will dich nicht verlieren. Suji, Tae, ich, wir alle wollen dich nicht verlieren, verdammt. Und das alles wegen einem Fehler. Jungkook, wach auf. Wir verzeihen dir, was auch immer du getan hast! Aber bitte, rede mit mir. Ich will es doch nur verstehen. Ich will doch nur, dass du weiterhin mein bester Freund bist! Ich will, dass du bei mir bleibst. Bei uns."
Lange sahen wir uns einfach nur an. Jetzt gerade, machte ich mich so angreifbar, so verletzlich. Doch es war mir egal. Das war Jungkook. Er würde mir nicht weh tun. Er würde niemandem von uns weh tun. Niemals absichtlich. Das WUSSTE ich einfach.
Ein Seufzen. Ein einfaches Seufzen. Und doch sagte es so viel. So viel, dass man nicht in Worte fassen konnte. "Okay, wir reden." Kaum hatte er das gesagt, viel mir ein riesiger Stein vom Herzen. Es tat so gut, dass zu hören. "Aber nicht heute. Nicht hier. Und auch nicht jetzt." Ich nickte. Sofort. Darüber musste ich gar nicht nachdenken. Alles war besser, als dass er mich hätte komplett von sich gestoßen.
"Versprochen?", hakte ich noch einmal vorsichtig nach, was ich wenige Sekunden später wieder betreute. "Wir werden sehen."
Zum dritten Mal heute wandte er sich dem gehen. Und dieses Mal hielt ich ihn nicht auf. Was sollte ich auch noch groß dazu sagen? Jungkook wusste ja anscheinend selber nicht, was er wollte. Würde er jetzt noch mit mir reden? Oder hatte er es bloß gesagt gehabt, sodass er verschwinden konnte?
Vermutlich war es tatsächlich eine dämliche Idee gewesen, dieses Gespräch am heutigen Tag zu führen. Und da ich den anderen nicht auch noch die Stimmung versauen wollte, huschte ich noch schnell ins Bad, um mir einmal mit etwas kaltem Wasser durch's Gesicht zu fahren und dann aus dem Raum zu treten, als sei nicht passiert. Jedenfalls hoffte ich, dass man mir das abkaufte.
Zügig lief ich den Gang entlang, der mich zurück in die Haupthalle des Gebäudes und somit auch zu den anderen führen würde. Schon von weitem konnte ich erkennen, dass das Spiel in vollem Gange war. Schnell erwiderte ich das Lächeln meiner besten Freundin, bevor ich meinen Blick über die restlichen Schweifen lies. Zunächst fiel mir dabei nichts ungewöhnliches auf, bevor Jimin in mein Sichtfeld fiel.
Zwar hatte dieser lediglich seine von mir aus gesehen linke Augenbraue hochgezogen, alleine sie zeigte mir jedoch, dass er ziemlich genau wusste, weshalb ich gerade eben gegangen war. Wie als Frage, wie es gelaufen sei, wanderte sein Blick einmal zu Jungkook und wieder zu mir zurück. Einen Moment zögerte ich, bevor ich wahrheitsgetreu ein Kopfschütteln andeutete.
Wie auch ich zuvor lies der Silberhaarige seine Augen einmal kurz wachsam über unser Grüppchen wandern, die alle viel zu sehr in Jins nun anstehenden Wurf vertieft waren, um irgendetwas mitzubekommen, bevor er mir andeutete, zu ihm zu kommen.
Flink ging ich der Aufforderung auch nach und lies mich neben meinem Freund auf die Bank fallen. Kaum saß ich, holte ich auch meine Beine nach oben und winkelte die Knie an, sodass ich meinen Kopf auf diesen ablegen konnte.
"Nicht gut gelaufen?", brachte es Jimin direkt auf den Punkt, was ich mit einem weiteren Kopfschütteln bestätigte. "Wenn ich Glück habe, redet er wann anders noch einmal mit mir, aber naja... sicher kann ich mir da auch nicht sein." "Und hat er irgendetwas gesagt?" Dieses Mal zuckte ich mit den Schultern. Ja, er hatte etwas gesagt, was ich damit anfangen solle, war eine andere Frage. "Er meinte nur, er hätte irgendeinen Fehler gemacht, weswegen er sich jetzt nicht mehr gut genug dafür fühlt, mit Suji, mir und Tae befreundet zu sein. Was das allerdings ist, weiß ich nicht. Er glaubt nicht daran, dass wir ihm was auch immer verzeihen könnten, auch wenn ich mir sicher bin, dass Kookie uns niemals absichtlich verletzten könnte. Ich meine, wir reden hier von Jungkook..."
Für einen Moment schien der Junge neben mir in Gedanken zu sein. Vermutlich versuchte auch er seine Erinnerungen nach etwas Brauchbarem abzusuchen. "Ein Fehler, mit dem er euch verletzt hat...", murmelte er zwischenzeitig vor sich hin.
Da Jimin mehr so gewirkt hatte, als hätte er mit sich selber gesprochen, lenkte ich meine Aufmerksamkeit für einen Moment nach vorne. Als allerdings gar nichts weiter von meinem Gesprächspartner kam, richtete ich meinen Blick wieder zur Seite.
Es war nur ganz kurz. Ein, zwei Sekunden - maximal. Doch für diesen Zeitraum flackerte auf einmal etwas in den braunen Augen meines Gegenübers auf, was mich stutzig werden lies. "Jimin?" Augenblicklich war wieder nur das nachdenkliche Gesicht zu sehen, welches er nun ebenfalls leicht seitlich drehte. "Hm, ja? Was?" "Weißt du, was er damit meinen könnte?" Jimin schüttelte den Kopf, "Tut mir Leid", und doch war da etwas in mir, was ihm nicht ganz glauben wollte. Diese Erkenntnis in seinem Blick ging mir nicht mehr aus dem Kopf.
"Nicht da rum sitzen, Yuna! Wir brauchen deine Fähigkeiten. Wenn dein Freund da neben dir auch noch einen Wurf macht, können wir uns gleich für den letzten Platz einschreiben." Vor mir war Tae mit einer Kugel aufgetaucht, die ich lächelnd annahm. "Erst Yoongi und jetzt ich, du suchst heute wirklich Streit oder?", überspielte auch Jimin unser gerade eben noch ernstes Gespräch. Nun verwandelte sich nicht nur mein Lächeln in ein Kichern, auch der Neuankömmling zog mich einfach lachend mit sich.
"War er so schlecht?", flüsterte ich dem Blonden dabei zu, was dieser mit einem Blick beantwortete, der mir sagte, dass ich besser nicht weiter nachfragen sollte.
Immer noch leicht lachend fixierten meine Augen nun sie Bahn. Oder besser gesagt das, was die Kugel am Ende der Bahn erwarten würde, bevor ich Anlauf nahm und das Geschoss auf seine Weg schickte.
Noch einmal... willkommen zurück, hehe...
Ich hoffe, ich kann den ein oder anderen Leser, der auch schon vor meiner Pause dabei war, erneut bei meiner Geschichte „begrüßen". Und an alles, die in meiner Pause dazugekommen sind und somit sozusagen „neu" dabei: Hellou! Es freut mich, dass ihr den Weg (zurück) zu meiner Geschichte gefunden habt und hoffe, dass ich euch auch in der nächsten Zeit die Wochenenden ein wenig verschönern kann. 💗☺️
Auch hier noch einmal die Frage... Lesenacht, Ja/ Nein? (genaueres im Kapitel davor)
Viele Grüße und noch einmal ein riesiges ENTSCHULDIGUNG für meine Inaktivität,
Eure Nelxy❤️🤗
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