Kapitel 66

Jimins Sicht: 

"Na dann bis morgen." Ein letztes Mal schlug ich mit meinem Kumpel ein, bevor sich unsere Wege an der für mich altbekannten Ecke trennten, an der mir früher jeden morgen der Geruch von frisch bekannten Brötchen aus der Bäckerei gegenüber erwartet hatte, den ich genüsslich in mich aufgesogen hatte. Jetzt kam ich hier nur noch vorbei, wenn ich mich, so wie jetzt mit Yoongi getroffen hatte und mit diesem dann noch ein Stückchen in Richtung seines Zuhauses gegangen war.

Damals hatte ich selbst nur wenige Straßen weiter von meinem Kumpel zusammen mit meinen Eltern gewohnt. Zu der Zeit war genau diese Bäckerei der weit entfernteste Ort, an den ich auch alleine hatte gehen dürfen. Was gut war, da für Yoongi das gleiche galt und wir uns somit auch schon als wir klein waren schnell und einfach treffen konnten. 

Nach der Vergrößerung der Firma meines Vaters hatte sich dann einiges geändert. Charakterlich war er zwar schon immer das gleiche Arschloch gewesen, mir gegenüber hatte er sich allerdings die meiste Zeit einigermaßen anständig verhalten. Zwar hatte er nie verstanden, dass es einen Unterschied gab, ob man erst 8 oder schon 18 war, aber bis auf die Tatsache, dass er es nicht hatte seien lassen können, mich schon immer auf irgendwelche Geschäftsessen mitzuschleppen, war es bis zu dem Punkt aushaltbar gewesen. 

Nein, das erste mal richtig gestritten hatten wir uns tatsächlich erst, als er mir angekündigt hatte, wir würden aufgrund seiner Firma umziehen - was auch daran liege konnte, dass ich mich zuvor einfach nie gegen das, was er sagte, gewehrt hatte. 

Man mag es kindisch nennen, aber das letzte, was ich gewollt hatte war, ans andere Ende der Stadt zu ziehen, meine Freunde hier zu lassen, auf eine neue Schule zu gehen und neu anzufangen. Und das alles, nachdem wir Jungs uns alle erst seit wenigen Monaten wirklich nahe standen und ohne, dass mein Vater eine meiner Meinung nach passende Begründung hatte. Diese bestand nämlich lediglich daraus, dass unser zuvoriges Haus seinem Stand nicht entspräche. 

Das Ganze war jetzt etwas mehr als ein Jahr her. Geendet hatte es dann damit, dass meinem Vater alles zu viel wurde und er gemeint hat, wenn ich umbedingt bleiben will, dann sollte ich halt. Und während er meiner Mutter gesagt hatte, sie solle ihren Kopf für etwas anderes benutzen, hatte diese nicht aufgehört, zu protestieren, bis wir den Kompromiss gefunden hatten, dass ich zwar prinzipiell alleine wohnen, ich allerdings zunächst die Wochenenden zu meinen Eltern kommen sollte. 

Die Wohnung, die mein Vater dann schlussendlich für mich herausgesucht hatte, verhinderte jetzt zwar, dass ich regelmäßig an Yoongis und meinem Treffpunkt vorbeikam, sie war jedoch noch nah genug, dass ich weder meine Freunde, noch meine Schule hatte verlassen müssen. 

Ich seufzte, als ich mich daran erinnerte, wie sehr diese dämliche Vergrößerung meine Familie verändert hatte. Nicht nur, dass sie uns sprichwörtlich auseinandergerissen hatte - besuchen kam ich meine Eltern seit diesem Schuljahr höchstens in den Ferien -, mein Vater war noch mehr abgehoben, als ohnehin schon und durch diesen ersten Streit hatte ich öfters angefangen, ihm meine Meinung zu geigen. Und das dabei unsere Beziehungspunkte jetzt nicht wirklich gestiegen waren, musste man vermutlich nicht erwähnen. 

Trotzdem bereute ich nicht, meinen kindischen Sturkopf damals durchgesetzt zu haben. Ich könnte mir gar nicht vorstellen, wie es seien würde, meine Chaoten nicht beinahe täglich zu sehen und zudem wäre das mit Yuna dann sicherlich auch nichts geworden. 

Augenblicklich zogen sich meine Mundwinkel nach oben, als ich an mein Mädchen dachte. Ob sie wohl schon zuhause war? Schließlich war heute Donnerstag, was bedeutete, dass ihren Vater besuchen wollte.

Ich hoffte, dass es gut gelaufen war. Ich wünschte es mir einfach so sehr für sie. Auch wenn ich es immer noch nicht ganz verstanden hatte, wie sie ihren Vater noch so sehr in Schutz nehmen konnte, hatte ich es eingesehen, dass er für sie vermutlich für immer eine Person bleiben würde, die sie liebte und um die sie kämpfte. Und wenn dem so war, konnte ich nur hoffen, dass sich für die beiden alles zum Guten wenden würde. 

Mit zwei gekonnten Sprüngen hüpfte ich die wenigen Stufen zu der unteren Eingangstür hinauf, welche die Straße vom innenliegenden Treppenhaus abtrennte. Jetzt musste ich dieses nurnoch erklimmen, um herauszufinden, ob ich mich noch gedulden musste, bis ich meine Kleine und in den Arm nehmen konnte oder ich diesen Punkt in wenigen Minuten bereits abhaken konnte. 

Mein Lächeln wurde breiter, als ich den Schlüssel lediglich einmal anstatt zwei mal im Schloss drehen musste. Entweder hatte Yuna vergessen abzuschließen - was ich eher bezweifelte - oder sie war - was ich inständig hoffte - tatsächlich bereits da. 

Als ich dann noch Yunas Sneaker neben im Flur entdeckte, strich ich quasi alle Zweifel beiseite, die mir sagten, sie könne möglicherweise doch noch nicht da sein. Und Tatsächlich fand ich das Mädchen mit den langen schwarzen Haaren auf dem Sofa. Die meiste Zeit trug sie diese im Zopf, vermutlich, dass ihr die Dinger nicht im Gesicht hängen konnten. Dabei mochte ich es beinahe am meisten, wenn sie sie, so wie jetzt, einfach über ihre Schultern fallen lies. 

Yuna hatte mir den Rücken zugedreht, was in mir eine Idee aufflammen lies. 'Wie du mir, so ich dir' lachte ich mieser Weise in mich hinein, bevor ich mich ans Anschleichen machte. 

Uns trennten nur noch wenige Meter. Wenige Meter, bis ich meine Rache ausführen konnte. Und gerade, als ich schon dabei war, den letzten Schritt auf mein Ziel zuzumachen, hielt ich in der Bewegung inne. 

Es war nicht laut gewesen. Nur ein leises, zartes Geräusch hatte mich und meinen Plan komplett aus dem Konzept gebracht. 

Doch kaum hatte ich realisiert, dass ich mir das leise Schniefen tatsächlich nicht eingebildet hatte, bemerkte ich auch mal, dass hier irgendetwas nicht stimmte. Zuvor hatte ich mir nichts dabei gedacht, dass meine Freundin in eine Decke eingekuschelt und mit einem Becher und er Hand auf dem Sofa saß. Aber verbunden mit dem Geräusch kam es mir umso merkwürdiger vor, wie sie einfach nur da saß und Löcher in die Luft zu starren schien. 

Es dauerte nicht lange , bis ich mich wieder aus meiner Starre gelößt hatte und endlich zu dem Mädchen hinüberging. Die Idee, Yuna zu erschrecken, hatte sich in Luft aufgelöst , stattdessen bahnte ich mir meinen Weg um das Möbelstück herum, sodass mich meine Freundin bereits sehen müsste. 

Und ich sie. 

Und kaum hatte ich ein Blick auf das Gesicht der Schwarzhaarigen geworfen, auf welchem ich in letzter Zeit zu meiner Freude so oft das schönste Lächeln der Welt gesehen hatte, machte sich mein Körper selbstständig, indem er auch die letzten meter zwischen uns überbrückte, sich neben sie fallen lies und ihr die Tränen von den Wangen wischte. "Was ist los, Baby?" 

Zunächst bekam ich als antwort nur zwei weitere unterdrückte Schniefer, bevor das Mädchen doch schnließlich den Mund aufmachte. "ICh war bei meinem Vater." Einen Moment wartete ich, ob noch meh kommen würde, doch anscheinend war dieser Satz zunächst alles, was ich zum Arbeiten bekommen würde. 

Ich hatte schon vorgehabt, Yuna einfach erst einmal in den Arm zu nehmen, bis diese sich beruhigt hatte, doch bevor ich auch nur anfangen konnte, meinen Plan in die Tat umzusetzten, hatte sich meine Freundin bereits selbstständig gemacht. Ehe ich mich versah, hatte sie den Becher, in welchem ich Tee vermutete, weggestellt und die Decke durch mich ersetzt, indem sie sich  an mich kuschelte. 

Für einen Moment war alles, was zu hören war, Yunas vereinzelte Schluchzer an meiner Schulter, während ich ihr durch meine Arme um sie zu verstehen gab, dass sie nicht alleine war. Das hatte ihr die letzten Male scließlich auch immer geholfen. 

Zwar wusste ich noch nicht, was genau passiert war, doch ihrer Aussage zufolge, war bei dem Treffen nicht alles Rund gelaufen. Und diese Unwissenheit, was GENAU es war, machte mich schier verrückt. 

Es dauerte nicht lange - vielleicht gerade mal fünf Minuten - bis sich das Mädchen auf meinem Schoss so weit beruhgt hatte, dass sie sich etwas von mir lößte. "Geht's wieder?" Zu Fragen, ob alles in Ordnung sei, kam mir angesichts der Situation mehr als dämlich vor, doch gar nichts zu sagen, war irgendwie auch unpassend gewesen, weshalb ich mich für diesen Mittelweg entschieden hatte. 

Yuna nickte abgehackt, es war jedoch gut zu erkennen, dass es nicht ganz der Wahrheit entsprach. Jedoch nahm ich es als Zeichen, dass sie bereit für eine weitere, tiefer gehende Frage war. Jedenfalls hoffte ich das. 

"Willst du mir erzählen, was passiert ist?" Wieder nickte die Schwarzhaarige. Sie brauchte zwar einen Moment länger zum Überlegen, schließlich tat sie es alledrings, was dem Stein auf meinem Herzen den nötigen Tritt verschaffte, um ihn herunterzurollen. 

Es brauchte noch einen kurzen Moment, bis Yuna tatsächlich ihre Gedanken sortiert hatte. Und während ich die Zeit einfach damit überbrückte, meine Finger an ihren Seiten hoch und runter zu fahren, wischte sich die Kleinere nochmals mit den Händen über die Wangen und holte tief Luft, bevor sie schließlich anfing, zu erzählen. 

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