Kapitel 46
"Also ich hab dir ja schon einmal von dieser Academy erzählt. Du weiß schon, die in New York, auf die ich so gerne möchte. Und... naja... ich habe von der Schule dort ein Angebot bekommen, dass ich mein letztes Schuljahr dort verbringen dürfte. Und jetzt wollt ich fragen, ob ich du damit einverstanden bist."
Stille.
Lange starrte ich nur geradeaus. Und alles, was ich dadurch sah, waren zwei hoffnungsvolle, dennoch kalte, braune Augen, ein mehr gezwungenes Lächeln und das Zittern welches ich sogar im Spiegel an meinem Körper erkennen konnte.
"Nein, das ist auch scheiße!", meckerte ich mich selbst an, während mein Lächeln in sich zusammenfiel. Entnervt lies ich mich auf mein Bett fallen. Das konnte doch nicht so schwer sein... naja... jedenfalls hatte ich das gedacht, als ich vor zwei Stunden aus der Schule gekommen war und angefangen hatte, mir zu überlegen, wie ich das Gespräch mit meinem Vater starten könnte.
Ein Rums holte mich aus meinen Gedanken. Das war es. Das Zeichen. Das Zeichen, dass meine Zeit rum war und ich mich dem Gespräch stellen musste.
Ich hatte mir fest vorgenommen, dass ich direkt mit meinem Vater reden würde, sobald er von der Arbeit nach Hause kam, da mir bewusst war, dass ich es ansonsten komplett vergessen könnte. Trotzdem hatte ich Angst. Normalerweise hätte er schon vor mindestens einer halben Stunde hier sein müssen. Was, wenn er bereits zur Flasche gegriffen hatte...?
Seufzend stand ich auf. Ich würde es nie herausfinden, wenn ich jetzt nicht ins Wohnzimmer ging. Mit einem letzten Blick in den Spiegel, bei welchem ich mir vergeblich einredete, ich würde das schaffen, ging ich aus meinem Zimmer.
"Hey, Dad." Vorsichtig bog ich um die Ecke und betrat das Wohnzimmer. Wie erwartet fand ich meinen Vater auf dem Sofa sitzen. Doch ich hatten nur Augen für das, was auf dem Couchtisch stand und innerlich betete ich, dass es die erste Weinflasche war, die er angebrochen hatte.
"Ach hallo Yuna, Schatz." Erleichterung breite sich in mir aus, als er diese Worte aussprach. Zwar konnte man seiner Stimme anhören, dass er definitiv nicht 100 Prozen nüchtern war, aber alleine die Tatsache, dass er relativ ruhig wirkte, reichte mir, um ein bisschen von meinem Selbstvertrauen zurückzugewinnen.
"Ich wollte dich etwas fragen", versuchte ich das Thema einzuleiten. "Aber natürlich." Sein verträumtes Lächeln deutete darauf hin, dass er nicht mit seiner vollen Aufmerksamkeit bei mir war, aber ich konnte jetzt keinen Rückzieher mehr machen.
"Erinnerst du dich an die Tanzacademy in New York, auf die ich immer wollte?" Schwach nickte er. "Ach ja, Träume sind doch etwas schönes." Noch einmal atmete ich tief ein und aus. Er war wohl doch nicht so ganz bei sich, wie ich anfangs gedacht hatte. "Also, so wie es aussieht, habe ich die Möglichkeit, diesen Traum wahr werden zu lassen."
Mein Vater schien nicht so, als hätte er verstanden, worauf ich hinauswolle, weshalb ich all meinen Mut zusammennahm und es deutlicher aussprach. "Sie haben mir ein Angebot gemacht. Wenn ich es annehme, könnte ich die Schule in New York beenden und gleichzeitig an die Tanzschule gehen."
Stille. Genau, wie in meinem Zmmer. Sein Blick senkte sich dem Boden.
Ich war mir nicht sicher, ob mein Vater noch bracuhte, um zu verstehen, was ich gesagt hatte oder er bereits darüber nachdachte, was er davon halten solle. Auch in seinem Blick, den er aufgesetzt hatte, als er wieder aufsah, konnte ich die Antwort darauf nicht finden.
Er... wirkte auf einmal so... so traurig. "Du willst mich also auch alleine lassen." Seine Stimme war schwach und ich musste mich wirklich konzentrieren, um ihn zu hören. Doch als ich den Sinn seiner Worte verstand, machte ich automatisch ein paar Schritte auf das Sofa zu. "Nein, Dad. Das will ich nicht. Und auch wenn ich dann nicht mehr so oft bei dir bin, verlass ich dich doch nicht ganz. Ich bleib doch immer noch bei dir. Irgendwie."
Kaum hatte ich die Worte ausgesprochen, schlich sich ein Lächeln auf das Gesicht meines Vaters. Es war kein liebes Lächeln. Im Gegenteil. Es war gruselig und ich bekam den Drang, einfach aus dem Zimmer zu rennen. "Du hast recht", flüsterte er und für einen Moment kam meine Hoffnung zurück.
Als hätte er gerade die Idee seines Lebens bekommen und ging diese noch einmal im Kopf durch, nickte meine Vater vor sich hin. Erst leicht, dann immer heftiger. "Du hast Recht. Du wirst mich nicht verlassen. Du wirst nicht gehen. Das lass ich nicht zu."
Der Ältere hatte das Lächeln nun auf mich gerichtet. Er wirkte... beinahe glücklich. Doch ich konnte nicht fassen, was er gesagt hatte. "Aber... aber Dad... das... das ist... diese Academy... das ist mein größter Traum..."
Das Lächeln verschwand. Seine Miene wurde wieder kalt. Meine Angst wurde größer. Was würde jetzt passieren? Was würde er tun? Würde er doch noch zustimmen? Würde er es verstehn? Würde er MICH verstehen?
Auch als sich mein Vater erhob, konte ich ihn in keiner Weise einschätzen. Bedrohlich langsam kam er auf mich zu, doch meine Füße blieben an Ort und Stelle stehen, sodass es nicht lange dauerte, bis wir uns direkt gegenüber standen. Jetzt konnte ich den Alkohol riechen. Und wie ich das tat. "Du wagst es, dich mir zu wiedersetzten?!" Noch während er das zischte, konnte ich aus dem Augenwinkel eine Bewegung sehen und ehe ich regieren konnte, war es auch schon passiert.
Es war nicht, wie beim letzten Mal. Dieses Mal konnte ich keine Reue in seinen Augen sehen. Alles, was ich sah, war Hass.
Immernoch geschockt hielt ich mir meine Wange. Er hatte es getan... schon wieder...
Es war, wie in einem Stummfilm. Ich sah ihn. Ich sah, wie er sich aufregte, wie er den Mund öffnete, um mich zu beschimpfen, doch ich hörte ihn nicht. Die Schallwellen zogen einfach an meinen Ohren vorbei. So, als existierten sie garnicht.
"Hast du nicht gehört?" Dumpf nahm ich eine Stimme war. War das seine? Es musste ja wohl seine sein... "Hallo, du dummes Stück. Antworte!"
"W...w...was?" Entweder bemerkte mein Vater nicht, dass ich noch immer nicht ganz bei mir war oder es interessierte ihn schlichtweg nicht. "Hab ich mich nicht klar ausgedrückt?! Du solst antworten! Sofort!"
Mit einem Ruck wurde ich zurück in die Realität befördert. Ich nahm meinen Körper wieder war, spührte das Brennen meiner Wange und hörte die Beleidungen meines Vaters gut und deutlich. Panik breitet sich in mir aus. Ich wusste nicht, was er von mir wollte. Ich wusste nicht, was ich sagen wollte. Alles, was ich wusste, war, dass ich hier weg wollte. Jetzt. Sofort.
"Du kleine, dreckige Schlampe denkst natürlich nur an dich selber. Du bist eine Schande für die Familie. Es wäre besser gewesen, wenn du an ihrer Stelle gestorben wärst." Tränen bildeten sich in meinen Augen. Es fühlte sich an, wie tausende Messerstiche. Und alle hatten nur ein Ziel: Mein Herz.
Trotz meines Tränenschleiers, konnte ich von Glück sprechen, dass mir auffiel, wie mein Gegenüber ein weiteres Mal ausholte. Doch dieses Mal war ich schneller. Vielleicht lag es daran, dass der Ältere doch betrunkener war, als ich vermutet hatte oder hatte einfach nur nicht damit gerechnet, dass ich zurückweichen würde.
Seine Hand schwang durch die Luft und zischte knapp an meiner Wange vorbei. Durch den Schwung fand sich der Mann vor mir wenige Skeunden später auf dem Boden wieder. Fuchsteufelswild sah er zu mir auf. "Wie kannst du es wagen. Du hast nichts anderes verdient, als geschlagen zu werden."
Meine Beine reagierten von alleine, als sie erst langsam, dann immer schneller aus dem Raum liefen. Schwach nahm ich seine wütenden Rufe nach mir wahr, als ich schließlich über den Flur in mein Zimmer sprintete.
Ich versuchte mich und meinen Verstand, den ich jetzt wirklich dringend brauchte, zu schützen, indem ich versuchte, seine Schreie auszublenden. Panisch blickte ich mich in meinem Zimmer um.
Das durfte doch nicht wahr sein. Immer war es bei mir, aber jetzt, wo ich es wirklich brauchte, konnte ich es nicht finden.
Meine Suche wurde beendet, als mein Blick schlussendlich auf meinen Schreibtisch fiel. Ohne zu zögern griff ich nach meinem Handy und hatte dabei das Glück, auch meinen Schlüssel zu erwischen, der zufälligerweise direkt daneben lag.
Aus dem Wohnzimmer konnte ich Geräusche hören, die darauf deuteten, dass mein Vater es geschafft hatte, aufzustehen. Was, wenn er jetzt zu mir kam. Hier saß ich in der Falle.
Ohne noch groß weiter darüber nachzudenken, flitzte ich aus dem Raum, schloss die Tür hinter mir und huschte lautlos in das gegenüberliegenden Bad. Wenn ich Glück hatte, würde er denken, dass ich mich in meinem Zimmer versteckte.
Ich hörte schwere Schritte. Er kam. Auch wenn es wahrscheinlich nichts brachte, hielt ich die Luft an. Zu groß war meine Angst, er könne meinen Atmen hören.
Ein lauter Knall war zu hören, als eine Tür auffog. Doch es war nicht die gewesen, die ihn zu mir führen würde. "Wo bist du, du kleine Schlampe", brülle er aus meinem Zimmer. Erleichtert atmete ich aus, als ich durch den Türspalt schielte und sah, wie weit er in den gegenüberliegenden Raum gelaufen war.
So leise es ging, schlich ich aus dem Bad, über den Flur, bis ich schließlich an unserer Haustür ankam. Dort schlüpfte ich, immer noch darauf bedacht, kein Geräusch zu machen, in die nächstbesten Schuhe. Noch immer war die wütende Stimme meines Vaters zu hören. Doch ich hielt geschockt in meiner Bewegung inne, als ich bemerkte, dass diese keinesfalls mehr aus meinem Zimmer kam.
Langsam. Ganz langsam drehte ich mich um.
Da. Am anderen Ende des Flures stand er. Schwankend. Und sah zu mir. Das Feuer in seinen Augen war nicht zu übersehen.
Kurz war ich wie erstarrt, doch der Gedanke daran, dass ich hier raus musste und zwar sofort, lies meine Glieder wieder erwachen. Der Ältere konnte in seinem Zustand garnicht reagieren, da hatte ich mir meine Jacke vom Haken gerissen, hatte die Tür geöffnet und war durch den kleinstmöglichen Spalt nach draußen entwischt, bevor ich diesen wieder zuknallen lies.
Ich weiß nicht, wie oft ich auf dem Weg nach unten beinahe die Treppen heruntergefallen wäre, bei dem Tempo, die ich sie heruntergerannt oder besser gesagt, gerutscht war, während ich mir die Jacke übergestriffen hatte. Und auch, als ich die untere Tür hinter mir zugezogen hatte, blieb ich nicht stehen.
Nein. Ich rannte. Mit der Kapuze ins Gesicht gezogen, flitzte ich die Straßen entlang. Nicht einmal wagte ich es, mich umzudrehen. Zu groß war die Angst, er könne dort stehen.
Eigentlich hatte ich kein Ziel gehabt - Hauptsache weg - doch als ich an einm sehr vertrauten Gebäude ankam, wurde ich schließlich langsamer. Aus Reflex, lief ich noch weiter, bis ich die Mauer, die den Schulhof von der Straße abtrennte, erreicht hatte und mich hinter dieser auf den Boden sinken ließ.
Ich konnte von Glück sprechen, dass der Hof wie ausgestorben war. Was hätten die Leute auch gedacht, wenn auf einmal ein panischer Teenager um die Ecke gerannt und dann an der Mauer zusammengebrochen wäre.
Es brauchte einen Moment, bis ich wieder einen klaren Gedanken fassen konnte und zitternd mein Handy herausholte. Beinahe automatisch fanden meine Finger den Weg zu der Nummer, die mich mit der vermutlich einzigen Person verband, mit der ich jetzt reden konnte. Doch just in dem Moment, in dem der Anruf abgebrochen wurde, fiel mir ein, dass Suji mich ja blockiert hatte. Ich konnte sie nicht anrufen. Verzweifelt versuchte ich aufzustehen, um zu meiner Freundin zu laufen. Doch angesichts dessen, dass ich es nicht einmal von alleine schaffte, hochzukommen, bezweifelte ich, dass mir der Weg zu ihr gelingen konnte.
Stattdessen wählte ich die nächste Nummer, auf dessen Hilfe ich vertauen konnte. "Hey, Yuni." Hoffnung breitet sich in mir aus. Die Musik, dich im Hintergrund hörte blendete ich dabei völlig aus. "Tae!!!" Vor Freude begann ich wieder zu weinen. Es tat gut, eine vertraute Stimme zu hören. "Tae, du musst mir helfen. Bitte." Meine Stimme zitterte und brach immer wieder, doch ich hoffte, dass mein bester Freund mich trotzdem verstand. "Yuna, es tut mirLeid, ich kann dich nicht verstehen. Die Musik hier drinnen ist zu laut. Ich ruf dich zurück, wenn ich wieder zuhause bin."
Tut. Tut. Tut.
Das hoffnungsvolle Lächeln, welches sich auf meinen Lippen gebildet hatte, brach in sich zusammen. Hoffnungslos ließ ich das Handy sinken. Einen Versuch hatte ich noch und ich wusste wirklich nicht, was ich machen sollte, würde Jungkook nicht drangehen. Mit zittrigen Händen, wählte ich seine Nummer und drückte auf Anrufen.
Ich wartete. Lange. Und schließlich... hörte ich seine Stimme. Doch es war nicht das, was ich gehofft hatte, zu hören. "Hey, du. Ich habe es wohl gerade geschafft, mich mal von meinem Hadny loszureißen. Ruf doch später nochmal an oder hinterlasse eine Nachricht nach dem Piep."
Wieso? Wieso hasste mich das Leben so.
Verzweifelt suchte ich mein Handy nach jemandem, mit dem ich darüber reden könnte, als meine Augen an einem Kontakt hängen blieben. Und auch, wenn sich alles in mir sträubte, hatten meine Finger von ganz alleine reagiert, als sie auf das grüne Telefon gedrückt hatten.
Ich schob es auf meinen Schock, das ich es nicht schaffte, schnell wieder auf auflegen zu drücken. Ob das alles war oder hinzu kam, dass ich wirklich nicht wusste, wen ich sonst anrufen sollte, war mir gerade egal.
Ich konnte hören, wie der Anruf abgenommen wurde. "Hey-" "Ich brauch deine Hilfe", weinte ich, zum einen aus Verzweiflung, aber auch vor Freude, dass ich nicht mehr alleine mit meiner Stimme war, "Bitte. Ich weiß nicht was ich machen soll. Ich-" Ich wurde durch meinen eigenen Schluchzanfall unterbrochen.
"Wo bist du?"
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