Kapitel 3

"Yuna, warte." Außer atmen bahnt sich das Mädchen ihren Weg durch die Menge an Schülern, die sie alle in Richtung Hauptausgang drückten. Doch leider war das nicht die Richtung, in die meine beste Freundin wollte. Anstatt sich dem Strom anzuschließen, kämpfte sie gegen ihn an, bis sie schließlich direkt vor mir stand. "Wo willst du denn hin, verdammt", keuchte sie, sobald sie der Walze an Schülern endlich entkommen war. Mit einer flinken Handbewegung deutete ich hinter mich. "Zu meinem Spind, Sportsachen holen."
Ich bemerkte ihre zunächst verwirrten Blick. Da ich mir jedoch sicher war, dass Suji auch von alleine ihr Antwort finden würde, setzte ich einfach stumm meinen Weg fort.
"Jetzt warte doch." Kaum war der Schall ihrer Stimme bei mir angelangt, hörte ich auch schon das schnelle Klackern ihrer Schuhe, welches immer näher kam. Doch erst, als wir ungefähr auf Augenhöhe waren, setzte mein Freundin ihre Fragerei fort. "Was willst du denn mit deinen Sportsachen? Die Schule ist aus, falls es dir nicht aufgefallen seien sollte." "Wie könnte ich das nicht bemerkt haben?", erwiderte ich lachend. "Ich brauch die Sachen nicht für die Schule", mit Schwung öffnete ich die Eiserne Tür meines Spindes, "sondern fürs Training."
Genauso schnell, wie ich den Schrank geöffnet hatte, rastete das Schloss mit einem lauten Scheppern auch wieder ein. Ich konnte mir schon denken, was jetzt folgen würde, weshalb ich schnellstmöglich auf dem Absatz kehrt machte, um den selben Weg zurück zu laufen, welchen ich soeben gekommen war.

Ich kam nicht weit. Wobei nicht weit noch nett gesagt ist. Nach nicht einmal drei Schritten stoppte die Schwarzhaarige mich ein weiteres mal. „Du verarscht mich?" „Nope" Ohne auf den Ernst in ihrer Stimme zu achten, entriss ich dem Klammeraaffen meinen Arm und setzte meinen Weg fort. Sie hielt mich nicht weiter auf. Jedoch folgte sie mir erneut auf Schritt und Tritt und dass ich dabei ohne eine Diskussion aus diesem Gebäude treten würde, konnte ich vermutlich auch vergessen.
"Du machst dich damit nur kaputt." "Tu ich nicht. Ich liebe Tanzen nun mal und ich will mich verbessern. Da gehört Training halt dazu." Genervt stieß ich die große Türe des Haupteingangs auf und trat ins freie. "Das sag ich ja auch gar nicht, aber du übertreibst es", Suji beeilte sich ein wenig und stellte sich mir in den Weg, „maßlos", keuchte sie dann ihren Kommentar zu Ende. „Ich bin nicht einmal eine Woche wieder hier und-", versuchte ich mich zu verteidigen, wobei sowohl dies, als auch der Versuch mich an meiner Freundin vorbeizudrücken, schief gingen. Ehe ich meinen Satz beendet haben konnte, wurde ich erneut von meinem Gegenüber am Arm festgehalten. "Und wie oft hast du seitdem Trainiert?"
Ich wusste, dass sie Recht hatte. Und sie wusste auch, dass ich das prinzipiell wusste. Aber genau so gut wusste sie auch, dass ich mich nicht umstimmen lassen würde. Nicht mit diesen Argumenten. Und eigentlich auch sonst nicht. Es war nun einmal mein Traum, irgendwann auf den großen Bühnen dieser Welt zu tanzen und das ich dafür so gut wie alles tun würde, stand für mich dabei ebenso fest.
„Hör zu, ich pass auf mich auf", ich sah meiner Freundin einmal Guru tief in die Augen, „Versprochen. Also lass uns bitte den ersten Schultag nicht in einem Streit enden, ja?" Ich hörte ein leises Seufzen meiner Gesprächspartnerin. Vermutlich hatte sie genau so wenig Lust auf diese Diskussion, wie ich oder sie verstand meinen Ansichtspunkt wirklich - wobei letzteres von der Wahrscheinlichkeit an die Grenze der Unmöglichkeit stieß.
„Okay. Du hast Recht." Das kam unerwartet. „Wir sollten uns heute nicht streiten." Der Punkt passte schon eher zu ihr. „Aber das Thema ist noch nicht durch." Und genau das: dieser Satz kombiniert mit dem frechen Grinsen und gleichzeitig ernsten Augen war das, was ich im letzten Jahr so unglaublich vermisst hatte.

Kopfschüttelnd verabschiedete ich mich von Suji, mit dem Ziel endlich meine Ruhe von allem zu haben und in eben genannter Ruhe zum Training zu kommen. Es war gut, wenn man im Leben Ziele hatte. Aber noch viel besser war es, wenn man Ziele erreichen konnte. Fakt war zumindest, dass ich beim letzteren Punkt bezüglich meinem aktuellen Ziel gescheitert war, kaum, dass ich wenige Schritte außerhalb des Schulgeländes verbracht hatte.
Ich hatte schon vor gehabt, mich meinem Kopfhörersalat und danach meiner Musik zu widmen, als sich plötzlich mein Arm an etwas verfing. Oder besser gesagt an jemandem. Und verfing war wohl auch nicht das richtige Wort. Denn dass das nicht unabsichtlich passiert war, war mir klar, sobald ich an der fremden Hand herauf zu ihrem Besitzer sah. Auch mein Versuch, meinen Arm aus Jimins Hand zu befreien, scheiterte kläglich. Alles was ich mit meinem Geschüttele bewirkte war, dass sich ein Grinsen auf dem Gesicht meines Gegenübers bildete uns sich der Griff nur noch verfestigte, bis ich den Kampf schließlich aufgab.
"Ach Kleines, als ob das was bringen würde." Alles, was in meinem Gehirn für Gespräche auf einem hohen intelligenten Niveau ausgelegt war, schaltete sich von alleine ab. Übrig blieb der desinteressierte, gelangweilte Rest an Hirnmasse. "Was willst du, Jimin?" Sein Grinsen wurde noch breiter und wenn ich nicht gewusst hätte, dass es alles noch schlimmer machen würde, hätte ich es ihm am liebsten aus seinem dämlich Gesicht geschlagen. Ohne auf meine Genervtheit zu achten, machte der Silberhaarige einen Schritt auf mich zu. Ich hatte unser Gespräch vom Morgen nicht vergessen und so wich ich direkt reflexartig nach hinten aus, was der Wäscheklammer nicht wirklich zu gefallen schien. Ehe ich es mir versah, wurde ich durch einen heftigen Ruck an meinen Arm nach vorne gezogen. Bevor ich überhaupt realisieren konnte, was passiert war, war alles, was ich noch sehen konnte, der weiße Stoff von Jimins T-Shirt, gegen welches ich gestolpert war. Und wäre das nicht schon schlimm genug, ließ mich kurz darauf sein Atem an meinem Ohr in dieser unglaublich unreinlichen Position einfrieren.

"Dich."

Es war nicht mehr als ein Flüstern, aber es reichte aus, um mich aus meiner Schockstarre zu befreien. Ohne zu realisieren, was ich tat, legte ich meine Hände auf seine Brust und wand so viel Kraft auf, wie ich konnte. Hätte mein Gegenüber damit gerechnet, hätte ich vermutlich so viel drücken können, wie ich wollte. Tja, hatte er aber nicht. Und auch wenn es jetzt nicht mein Traummoment war, als ich meine Finger auf Jimins Brust abstütze und so ungefähr alles unter dem dünnen Shirt spüren konnte, fühlte sich der Abstand am Ende des Prozesses doch ganz angenehm an.
Beflügelt von diesem Erfolgsmoment und der gewonnenen Freiheit, nutzte ich den Moment, um mich einmal um die eigene Achse zu drehen und mich schnellsten aus dem Staub zu machen. Anfangs rannte ich, zuletzt joggte ich nur noch, bis ich nach mehreren Ecken tatsächlich stehen blicken und einen Blick nach hinten wagte.

Kein Jimin. Zum Glück.

Ich gönnte mir einen Moment, in dem ich meine gesamte Atmung wieder in den Ruhezustand herunterfahren konnte. Dann setzten sich meine Beine wieder in Bewegung - diesmal langsamer.
Für einen Moment überlegte ich, mir einen Plan zu schmieden, wie ich ähnliche Situationen in der nächsten Zeit umgehen konnte, schließlich entschied ich mich jedoch das ganze Jimin-bitte-nerv-mich-nich-Thema fürs erste beiseite zu schieben. Jetzt hatte ich mal ein paar Stunden, wo ich definitiv nicht auf die Pfannekuchenfresse treffen würde, da konnte ich diese Zeit auch einfach mal für einen Moment genießen, anstatt auch diese Zeit mit dem gleichen Thema zu füllen.
Mit neu gewonnener Motivation beschleunigte ich ein wenig meine Schritte. Nicht um vor jemandem weg zu kommen. Ehr das Gegenteil war der Fall. Ich wollte zu meinen Mädels, meinem Team, dem Tanzen, dem was ich liebte.

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