》21.《

Wie immer weckten uns die Aufseher früh am Morgen. Wir versammeln uns noch leicht verschlafen auf dem Platz und stellen und auf. Doch heute dauert es länger als sonst, denn als der Chief Nummer 148 aufruft bleibt es still. Sofort sind alle wach und schauen sich hektisch um, denn eine Nummer fehlt.

Bevor ich groß darüber nachdenken konnte, was passiert sein könnte, durchbricht der Chief donnernd die Stille.

,,Wo ist er!?"

Alles bleibt leise.

,,Einer sagt mir jetzt vor er ist!!"

Der Chief bleibt vor mir stehen und sieht mich mit seinem kalten, durchdringenden Blick an.

,,Ich weiß es nicht, Sir.", antworte ich ehrlich.

,,Lüg mich nicht an! Wo ist 148?"

,,Ich weiß es wirklich nicht, Sir.", das war die ganze Wahrheit und nachdem wie ich behandelt wurde, hätte ich es auch noch nicht gewagt zu lügen.

Aber der Chief glaubt mir nicht. Mit vor Wut verzerrten Gesicht holt er mit seiner Faust aus und landet damit an meiner Schläfe. Mein Gesicht fliegt zu Seite und ich falle auf die Knie und unterdrücke ein Stöhnen.

Mein Kopf pocht und die gerade verschwundenen elenden Kopfschmerzen breiten sich wieder aus. Als ich dachte, dass er nochmal ausholt, lässt der Chief von mir ab und Erleichterung macht sich in mir breit. Ich rappele mich schnell wieder auf. Kurz dreht sich alles und ich muss einen Punkt visieren, um mich zu beruhigen und wieder klar sehen zu können.

Ich habe das Gefühl, dass sich mein Körper immer noch nicht erholt hat. Ich kann es innerlich spüren, wenn mich ein schmerzvolles Zucken durchströmt, wenn wir morgens Sport machen, aber auch wenn wir arbeiten.

Als ich vor ein paar Tagen zurück ins Camp geschleppt wurde und verprügelt wurde, habe ich mir ein paar Rippen gebrochen, die immer noch nicht richtig geheilt sind. Fast jeden Tag kommen neue Verletzungen hinzu. Manche schlimmer als andere.

Mein Körper ist aber schmerzresistenter geworden. Ich kann Schmerzen oft unterdrücken  oder nehme sie nicht mehr so stark wahr. Sie gehören einfach zum Alltag dazu.

,,132. Wo. Ist. Er?", fragt er nun endlich jemand anderen.

,,Sir..."

Doch Connor wird unterbrochen, als Mike und Clark, zwei Aufseher zu uns auf den Platz kommen.

Die Aufmerksamkeit des Chiefs gilt nun Mike und Clark.

Ich weiß nicht wo Aiden ist und habe nicht mitbekommen, ob er flüchten wollte oder Ähnliches, aber die Blicke der Aufseher, als sie dem Chief etwas sagen, was wir nicht hören können, bedeutet nichts Gutes.

,,Fuck!", brüllt der Chief auf ein Mal mit seiner rauen, düsteren Stimme.

,,Fuuck!", er rauft sich die kurzen grauen Haare.

,,Bringt ihn her und lasst ihn verschwinden. Die Jungs sollen ein Loch graben. Ich überlege mir, was wir den Eltern sagen.", dann wendet er sich an uns. ,,Ihr grabt ein Loch, verstanden. 148 hat sich umgebracht. Das ist etwas was Schwächlinge und Versager tun. Er war zu schwach, um es hier auszuhalten, ein Weichei. Jetzt seht ihr, was mit denjenigen passiert, die zu Schwach für die Gesellschaft sind. Sie werden begraben und vergessen. Verstanden!!"

Ich bin wie in trance. Aiden hat sich umgebracht und keiner hat etwas geahnt. Keinem geht es hier gut, aber jeder musste das Gleiche durchmachen. Einer länger als der andere, aber Aiden hat nicht durchgehalten.

Ich bin erschüttert davon, was das Camp ihm angetan hat und werde wütend, denn der Chief und die Wärter haben ihn so minderwertig und schlecht behandelt, dass er nicht mehr weiter leben wollte. Aiden war schwul und das machte ihn hier zum Dorn im Auge der Aufseher und das ist traurig.
Traurig, dass seine Eltern ihn hier her geschickt haben, weil sie dachten, dass er krank war, dass Schwulsein eine Krankheit wäre. Etwas was wieder gerade gebogen werden kann. Wut, Trauer und Zorn steigt in mir auf und ich balle meine Hände zu Fäusten.

So viel geht mir durch den Kopf, soviel dass ich denke er platzt gleich. Ich will einfach nur noch schreien. Alles rauslassen, denn es hat sich zu viel angestaut. Aiden ist tot. Dieses Camp tötet Leute. Wenn nicht körperlich, dann töten es einen seelisch.

Ich merke es doch an mir selbst. Ich werde gefühlskalt und lasse auch keine Gefühle mehr zu. Ich baue eine Schutzmauer um mich herum und verschließe mich, damit ich nicht verletzt werden kann.

Ich sehe es jeden Tag in meinen Augen. Sie strahlen nichts mehr als Kälte aus. Schon vorher habe ich mich mit Gefühlen schwergetan, aber es gab immer noch die kleine helle Seite in mir. Doch die ist jetzt weg- entgültig. Das hat der Tod von Aiden versiegelt.

Er ist tot und daran kann ich nichts ändern.

Er ist tot und muss das alles hier nicht mehr ertragen.

Er ist tot und hat seinen Frieden gefunden.

Ich bin seelisch tot, meine helle Seite ist durch Aidens Tod mit ihm gestorben.

Sein Tod hat mir gezeigt, dass man hier an dem Ort keine Gefühle zulassen sollte.

Dieser Ort hat mich geprägt.

Ich habe mich in der Zeit hier verändert. Innerlich und äußerlich. Innerlich plagen mich oft die schmerzlichen Erinnerungen an alles, was ich durchlebt habe und mich auch zudem gemacht haben, der ich bin. Die Albträume an den Unfall meiner Eltern die Schläge, Prügel und Misshandlungen in meinen Pflegefamilien und das Leben in dem Boot Camp.

Äußerlich erzählen Narben meine Geschichte. Eine Geschichte die eigentlich niemand kennen soll. Die Wunden auf meinen Körper zeigen mir, was ich alles durchgestanden habe. Aber meine Augen zeigen nichts mehr. Nicht den Schmerz, der hinter ihnen steckt, nicht die Wut, nicht die Trauer, nicht die Angst und schon gar nicht Liebe.

Frühstück gab es bis jetzt noch nicht. Stattdessen graben wir alle zusammen ein Loch für Aiden.
Keiner sagt ein Wort und ich glaube, dass alle Gedanken gerade bei Aiden sind und wir ihm alle den Moment widmen.

Als wir fertig sind, stehen wir bis zur Hüfte in dem Loch für Aiden, und das Schweigen legt sich, indem Connor die Stille durchbricht, ,,Ich fasse es nicht."

,,Ich habe nicht mitbekommen wie scheiße es ihm ging.", werfe ich ein.

,,Wollen die ihn hier einfach begraben lassen und seine Eltern anlügen, oder wie?", Alex sieht fragend in die Runde.

,,Was wollen sie denn den Eltern sagen? Sowas kann man doch nicht einfach vertuschen?", Jake wirkt wütend. ,,Das geht einfach zu weit. Die können Aiden doch nicht einfach hier vergammeln lassen. Sein Tot beweist doch, was das Camp mit uns macht."

,,Ich weiß nicht was der Chief unternehmen wird, aber wir können doch nichts machen. Hier drinnen haben wir keine Chance und draußen genauso wenig. Uns wird man nicht glauben. Wir sind alle straffällig geworden, dann ist es doch logisch das wir uns hiergegen wehren. Das Gericht ist dankbar für das Camp, dass es Leute wie uns aufnimmt und sich der Staat nicht kümmern muss. Die stecken alle unter einer Decke.", Sam holt tief Luft und macht eine Redepause. ,,Der einzige Weg hier raus ist, entlassen zu werden und draußen so tun als wäre nichts gewesen, bevor man hier wieder reingerät. Den Behörden reicht es doch, dass sie dann nie wieder etwas von uns hören. Keine weiteren Straftaten, um nicht wieder zurück zu müssen."

Dann ist es erstmal still. Die Bedeutung seiner Worte werden mir erst jetzt bewusst. Man kann hier nicht raus und man kommt nicht gegen das System an. Wir sind irgendwelche unwichtigen Jugendlichen, die eine Straftat begangen haben und wieder zu ordentlichen Mitbürgern erzogen werden müssen.

,,Fuuck!!", schreie ich. Dann schlage ich in die trockene Erde und boxen solange, bis ich mich beruhigt habe. Schlag für Schlag ebbt meine Wut ein wenig ab. Der Schmerz der dadurch an meinen Fingerknöcheln entsteht bringt mich auf den Boden der Tatsachen zurück und lässt mich klar sehen.

Die Taten des Chiefs werden nicht ans Licht kommen. Nicht ohne fremde Hilfe. Aber wir wissen nichtmal wo wir sind, hier ist niemand.

Niemand der uns helfen kann.

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》Wir hoffen euch geht es gut und ihr seid gesund. Wegen des Corona Virus haben wir verlängerte Osterferien und haben also genug Zeit, weitere Kapitel zu schreiben.

》Was haltet ihr von einer Lesenacht? Je nachdem wie viele Lust darauf hätten, würden wir gucken, wann wir eine machen.

》Über Feedback über das Kapitel und das Teilen unserer Story würden wir uns mega freuen :)

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