》10.《
Nachdem wir gegessen haben und der Streit zwischen mir und Kyle für die meisten schon vergessen ist, konnten wir endlich duschen gehen. Ich bin so verschwitzt, dass meine Klamotten wie eine zweite Haut an mir kleben.
Ich suche meine frischen Klamotten aus meinem Nachtschrank, nehme noch ein Handtuch dazu und gehe rüber zu den Duschräumen.
Als ich die Tür öffne kommt mir kein erhoffter, warmer Wasserdampf entgegen, nein, es ist ziemlich kalt hier.
Unter den Duschen stehen schon einige Jungs, sodass nur vorne noch zwei frei sind.
Ich fühle mich unwohl, denn die Duschräume bieten keine Privatsphäre. Jeder kann jeden beobachten.
Unbeholfen sehe ich mich um. Ich lege die sauberen Anziehsachen an den Rand, wo ich schon andere Klamottenhaufen sehe. Dann ziehe ich mich langsam aus. Ich fühle mich beobachtet, obwohl ich beim Umsehen merke, dass mich keiner ansieht.
Ich fühle mich so ausgeliefert und schutzlos, denn auch wenn mich keiner ansieht, ist es eine jahrelange Gewohnheit von mir, meinen Körper nicht gerne zu zeigen. Zu auffällig waren mir die hellen Striche auf meinem Körper, die noch von früher stammen.
Ich sollte mich nicht so kindisch verhalten. Keiner beobachtet hier irgendwen, die wollen doch einfach nur schnell duschen und dafür muss man eben nackt sein.
Ich stelle mich unter den Duschkopf und stelle mich so hin, dass meine Brust zur Wand zeigt, um mir wenigstens ein bisschen Privatsphäre zu schaffen.
Ich drehe das Wasser auf und...das Wasser ist eisig kalt. Ich drehe den Duschkopf sofort wieder ab und kann einen erschrockenen Schrei unterdrücken. Eine Gänsehaut überzieht meinen Körper und mein Mund ist vor Schock leicht geöffnet.
Ich hatte mich so auf das warme, entspannende Wasser auf meiner Haut gefreut, das meine Muskeln wenigstens ein bisschen entspannen könnte. Aber das Wasser bietet keine Erfrischung, sondern tut weh auf der Haut, so kalt ist es. Wie tausend kleine Nadeln die gleichzeitig in meine Haut stechen.
Natürlich...warum sollten diese Arschlöcher auch nur einen Cent mehr als nötig für uns ausgeben.
Ich muss mich zwingen, kurz unter dem eiskalten Wasserstrahl stehen zu bleiben, um mich einzuseifen.
Das waren die schlimmsten 5 Minuten duschen, die ich je erlebt haben. Meine Haut fühlt sich taub an und ich konnte mich nicht an die Kälte gewöhnen. Schnell trockne ich mir mit dem Handtuch die Haare und binde es mir um die Hüfte. Ich gehe zu meinem Klamottenstapel und hebe meine Klamotten auf.
Eigentlich sollte man meinen, dass einem die Abkühlung gut tun musste, aber das war ja schon keine Abkühlung mehr.
Ich bibberte vor kälte und fragte mich, warum das Wasser nicht gefroren war, denn es fühlte sich an wie -10°C.
Mit den frischen Klamotten gehe ich etwas zur Seite um mich umzuziehen. Die anderen stellen sich hierbei hinten zu den Waschbecken.
Gerade kommt Jake zum Duschen rein.
,, Deine Lippen sind voll blau, musst dich wohl erst noch an das Duschwasser gewöhnen.", schmunzelt er.
,, Hättest du mir ruhig eher sagen können. Das ist ja nicht auszuhalten "
,, Ja, sorry, Mann.", sagt Jake und sieht mich schuldig an.
Jakes Blick wandert auf meinen Bauch und verharrt da für einen kurzen Moment, bis er mir wieder in die Augen guckt.
,, Jaden, das sieht gar nicht gut aus.", sagt Jake, zeigt auf meinen Bauch und sieht mich mitleidig an.
Ich sehe an mir herunter und sehe, dass da wo mich die Schläge von dem Aufseher Clark und Kyle getroffen haben, meine Haut blau, grün und gelb angeschwollen ist.
,, Ist halb so wild.", meine ich nur und winke ab, um der unangenehmen Situationen zu entkommen.
Ich will mich zum gehen wenden und mir was anziehen zu können, als mich Jake ab Arm festhält.
,, Was sind das für Narben?", fragt er mich gerade raus und blieb dabei ernst aber interessiert.
Ich wusste es. Früher oder später würde sie jemand sehen und Fragen stellen, die ich nicht beantworten will. Diese hellen Striche, die sich über meinen Oberkörper ziehen, erzählen viele verschiedene Geschichten meiner Vergangenheit, die ich am liebsten vergessen würde.
Ich reiße mich von ihm los.
,, Das geht dich nichts an.", sage ich wütend.
Jake hält abwehrend die Hände hoch, ,,Tut mit leid, ich wollte dir nicht zu nahe treten.", entschuldigt sich Jake etwas überrascht und hielt seine Frage wohl für harmlos.
Aber für mich ist sie es nicht. Solche Fragen erwecken immer wieder schreckliche Erinnerungen in meinem Kopf, die ich wohl niemals loswerden kann.
,, Es tut mir wirklich leid.", beschwichtigt er.
Meine Stimmung ist gekippt und meine Gedanken schweben in düsteren Erinnerungen. Ich nicke nur und wende mich von ihm ab. Ich gehe zu meinen Klamotten, um mich schnell anzuziehen. Dann nehme ich meine dreckigen Klamotten, die ich morgen waschen kann und gehe rüber zu meiner Baracke.
Außer mir ist noch keiner da. Ich ziehe mein Shirt hoch und sehe meinen Oberkörper im Spiegel an. Meine Haut ist schon leicht braun geworden, doch trotzdem kann ich meine Narben gut erkennen. Die dickste Narbe zieht sich quer über meine linke Seite. Drei kleinere Narben von Stichverletzungen schmücken Brust und Bauch und über meiner rechten Brust ziert eine 5cm große Verbrennung meine Haut. Langsam fahre ich darüber. Sie fühlt sich uneben und hart an.
Sonst habe ich noch weniger auffällige feinere Narben von kleinen Schnittwunden vorne auf meinem Oberkörper.
Aber am schlimmsten sieht es auf meinem Rücken aus. Es ziehen sich lange dünne Narben von meinen Schulterblättern bis runter fast auf Höhe meiner Hüfte. Unregelmäßige lange Linien, unterschiedlich lang und dick.
Deswegen habe ich angefangen meinen Oberkörper so gut wie immer bedeckt zu lassen. Mein TShirt blieb immer an.
Früher hatte ich immer Angst eine Freundin zu haben. Erstens wegen meiner Bindungsangst, aber auch, weil ich Angst vor der Reaktion hatte. Ich wusste -und weiß es immer noch nicht- wie jemand darauf reagieren würde.
Müsste ich ihr dann alles erzählen? Könnte ich das überhaupt?
Zu so einer engen Beziehung kam es aber noch nicht. Nur ein paar Knutschereien auf Partys, aber nie so weit, um etwas erklären zu müssen. Aber was soll ich auch erwarten...ich bin 16.
Noch nie habe ich wirklich mit jemandem freiwillig über das, was passiert ist, geredet. Nur vor dem Richter und dem Psychologen, aber dazu wurde ich gezwungen.
Ich gehe durch, zu meinem Feldbett und setze mich erstmal nur hin. Ich genieße diese Ruhe und diesem Moment, einfach mal alleine zu sein und sammele meine Gedanken.
Ich musste mich ablenken von den Erinnerungen von früher, muss an was anderes denken...
Ich lege mich seufzend hin und sehe an die Decke, die Arme habe ich hinter meinem Kopf verschränkt.
Ich bin jetzt schon ein paar Tage hier und ich glaube, dass ich mich irgendwann daran gewöhnen kann, hier zu sein. Die anderen haben es ja auch geschafft. Ich muss einfach an dem Gedanken festhalten, irgendwann nach Hause zu können. Weg von dem Drecksloch. Weg von diesem kranken Ort, den es überhaupt nicht geben sollte. Wer lässt sich so etwas einfallen!? Jugendlichen den Willen brechen, sie zu schlagen, sogar anzuschießen, nur um sie angeblichen zu besseren Menschen zu machen.
Etwas anderes, woran ich einfach nicht aufhören kann zu denken, ist -und darüber bin ich froh, denn es ist nicht meine beschissene Vergangenheit - ob ich meine Pflegeeltern dafür hassen soll, das sie mich hierhin geschickt haben. Sie haben mich immer gut behandelt, besser als jeder andere zuvor und wollten nur das Beste für mich, aber sie hätten mit mir reden müssen. Nicht einfach gegen meinen Willen handeln sollen. Aber andererseits haben die Beiden und auch sonst niemand, eine Ahnung, was hier für eine Scheiße abgezogen wird. Vielleicht dachten sie, das wäre ein stinknormale Erziehungscamp mit Wanderausflügen und Therapeuten...versuchte ich meinen Eltern ihre Entscheidung zu rechtfertigen.
Aber nein..das hier ist kein normales Boot Camp, das ist ein Camp, um uns zu Brechen. Aber das werde ich nicht zulassen.
Die Leute hier werden meinen Willen nicht brechen. Das haben zuvor schon andere geschafft, doch meinen Willen habe ich wieder aufgebaut und bin stärker als vorher und werde es nie wieder zulassen.
Ich bin entschlossen, dass nichts und niemand mich kaputt machen kann.
Mit diesem Versprechen schlafe ich langsam ein und drifte ab in einen tiefen, unruhigen Schlaf.
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》Hier ist endlich wieder ein neues Kapitel. Sorry, dass es so lange gedauert hat.
》Gebt uns gerne Bescheid, wenn ihr Fehler findet und lasst uns einen Vote da!
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