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Alles begann an diesem Dienstag zurück im Juli. Es hatte den ganzen Tag geregnet. Der Boden war aufgeweicht und überall häuften sich Schlammpfützen.
Es war der Tag, an dem Mum und Dad uns eröffnet hatten, dass sie unser kleines Haus im beschaulichen Therford aufgeben und in ein Reihenhaus in einer 130 Meilen entfernten, riesigen Stadt ein neues Leben anfangen wollten.
Zunächst wehrten meine Geschwister und ich uns. Keiner wollte hier weg. Und keiner wollte in diese Stadt.
Doch Mum hatte sich schon mit Bestechungsvorschlägen eingedeckt.
Carlos bestoch sie mit den größeren Bildungschancen, die ihm dort nach seinem Abschluss offen stehen würden.
Ronja mit der riesigen Stadtbibliothek, die wohl nur 10 Minuten mit der U-Bahn sei.
Und Ellie und mich mit eigenen Zimmern. Das Angebot überzeugte aber nur sie.
Ich war selbst noch einen Monat später am Abreisetag dazu bereit, mich umgehend an die Türklinke zu ketten.
Das alles wollte nur nichts nützen.
Und so stapelte ich am Abreisetag die drei Haustierboxen im Kofferraum auf unsere Koffer, bevor ich mich zu Carlos auf die Rückbank des VW-Busses setzte und die Arme trotzig vor der Brust verschränkte.
Carlos schaute auf mich hinab. "Es wird dir dort schon gefallen." Ich schaute auf. Pah, da würde er lange warten müssen. "Oh ja", sagte ich mit solch einer tropfenden Ironie im Ton, dass selbst ein Eisblock sie hätte heraushören können.
"Coryn", kam es vom Beifahrersitz, "lass dich doch überraschen. Glaub mir, du wirst es lieben." Damit widmete Mum sich wieder dem Navi, das einsam an der Windschutzscheibe klebte.
"HALLO MEINE LIEBEN", schrie Elli auf einmal durch den Bus. Sie machte wohl gerade ein Video für Instagram. Der ganze Bus zuckte zusammen. Vor lauter Schreck warf Ronja plötzlich ihr Buch (Goethes Faust) über den Tisch in Richtung Carlos. Und damit nahm die Kettenreaktion ihren Lauf.
Goethes Faust traf Carlos Kaffeetasse, die im hohen Bogen drohte auf ihm zu landen. Schnell rutschte er zu mir hinüber und zog dabei das Ladekabel von Ellis Handy mit den Fuß aus der Steckdose. Gleichzeitig zuckte ich mit meinem Bein erschrocken gegen die Tischplatte, auf der in der Kaffeepfütze auch noch die Chipsdose zu wackeln begann. Sie fiel unerwartet in den Kaffee und dessen Löffel, der nun auch durch die Luft flog und Elli direkt am Kopf traf.
"Aua", schrie sie noch lauter als zuvor, während Ronja schon versuchte die Kaffeeflut mit Taschentüchern einzudämmen.
Ich rollte mit den Augen. Das ging ja gut los, Coryn. Und wir waren noch nicht einmal losgefahren.
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