Tag 4, Dienstag
Ich wache um halb acht auf und kann nicht mehr einschlafen. Vor dem Haus lärmen französische Kinder und in der Küche läuft Musik. Ich quäle mich also aus dem Bett, schlüpfe in meine Shorts und schlurfe Richtung Esstisch. Leider waren meine Eltern noch nicht beim Bäcker und das scheint ihnen im gleichen Moment aufzufallen, wie mir. "Guten Morgen Simon! Du bist ja sogar schon angezogen. Kannst du nicht schnell für uns zum Bäcker gehen?" Seufzend sehe ich ihn an. "Wir decken auch schon mal den Tisch. Außerdem muss noch das Geschirr von Gestern fertig gespült werden." Ich hasse es zu spülen!"Na gut, was soll ich denn mitbringen?" Schulterzuckend wendet sich mein Vater an meine Mutter. "Ein Baguette, zwei Croissants ein Pain-au-chocolat für Lukas und was für dich", schlägt sie vor und gibt mir einen Zehner. Als ich die Tür hinter mir zuziehe wird mir klar, in welchen Hinterhalt ich geraten bin. Ich muss Französisch sprechen. Scheiße. Vielleicht sprechen sie ja Englisch.
Den Bäcker zu finden ist nicht schwer, da erstens ein wunderbarer Geruch durch die Straße zieht und mir zweitens jede Menge Leute mit Brötchentüten entgegen kommen. Ich reihe mich in die Warteschlange und versuche mir schon mal die Sätze im Kopf zu überlegen. Un Baguette et deux croissants. Et deux pains-au-chocolat. Wie sagt man nochmal bitte? Ach ja. Silvouspleit oder sowas. Im Schaufenster sind total schöne Torten und Pralinen ausgestellt. Am liebsten würde ich mir so etwas mitnehmen, aber meine Eltern fänden das bestimmt nicht gut. Außerdem weiß ich nicht, wie ich das auf Französisch nennen soll. Hinter mir reihen sich immer mehr Leute ein. Scheinbar bin ich genau vor dem großen Ansturm gekommen. Ich drehe mich um und halte inne.
Hinter mir steht das Mädchen. Ich will sie gerade ansprechen, da rückt die Schlange auf und ich bin dran. Äh was wollte ich nochmal sagen? "Bonjour. Une Baguette et deux croissants et deux pains-au-chocolat silvousplait." Hinter mir flucht es, als die Verkäuferin die letzten Schokobrötchen in eine Papiertüte packt. Ich drehe mich um, sicher, dass es das Mädchen war, was gesprochen hat. Gespielt trotzig sieht sie mich an. "Die wollte ich doch haben!" Okay was mache ich jetzt. Ich muss sie irgendwie abfangen. Außerdem findet sie mich jetzt ganz bestimmt nicht mehr nett, wo ich ihr die letzten Schokobrötchen weggeschnappt habe. "C'est tout?" "Ähh..." Ich drehe mich wieder zur Verkäuferin um. Sie seufzt. "Fertig?" " Deux croissants silvousplait. " Sie wedelt mit der gefüllten Tüte: "Encore?" "Oui quatre ehh quatre croissants." Belustigt schaut sie mich an, legt mir noch zwei Croissants dazu und nennt mir dann einen Zungenbrecher. Das ist wahrscheinlich der Preis. Ich drücke ihr die zehn Euro in die Hand, warte auf das Rückgeld und bin froh, als ich wieder draußen vor dem Laden stehe. Dort warte ich auf das Mädchen. Als sie rauskommt, läuft sie an mir vorbei. "Hey warte!" Ich laufe neben ihr her. "Hab ich was vergessen? Kennen wir uns überhaupt? Was ist denn?" Okay, ein bisschen viele Fragen auf einmal. "Ich ähm also Nein, Ja und ich wollte dich fragen, ob wir uns irgendwo hinsetzen sollen, um uns die Schokobrötchen zu teilen. Die wolltest du doch oder?" Ihre Augen blitzen schelmisch "Nein, Ja?" Ich lache:" Nein, du hast nichts vergessen, ja wir kennen uns." Jetzt mustert sie mich genauer. "Du bist der Junge von der Fähre oder? Mit dem kleinen Bruder?" Ich nicke. "Was ist jetzt, willst du ein Schokobrötchen?" Daraufhin beginnt sie zu grinsen und ihr Grinsen ist noch schöner, als ihr Lächeln. "Wie könnte ich dazu nein sagen?"
Wir schlendern zusammen über den Dorfplatz und setzen uns an einen Brunnen. Sie heißt Hannah und sie hat eine kleine Schwester, aber das weiß ich ja schon von meinen Beobachtungen im Auto. Sie kommt jedes Jahr hierher und verbringt die ganzen Sommerferien auf einem Campingplatz. Während wir uns unterhalten, erwacht langsam das ganze Dorf. Als der Glockenturm um halb neun läutet zucken wir beide zusammen. Wir hätten schon längst mit unseren Familien am Frühstückstisch sitzen sollen. Dabei wäre ich gerne länger mit ihr da sitzen geblieben. Als wir uns verabschieden, entsteht ein kleiner Moment in dem wir beide uns einfach nur anschauen, aber bevor es peinlich wird, lächelt sie wieder ihr schönes Lächeln, winkt mir kurz zu und geht.
Den Weg zur Ferienwohnung erledige ich im Eiltempo. Meinen Eltern erzähle ich, dass gerade der totale Ansturm an der Bäckerei war. Das ist ja auch nur halb gelogen. Meine Eltern kümmern sich auch nicht groß drum, nur Lukas ist ein bisschen beleidigt, weil es keine Schokobrötchen mehr gab. Er tut mir schon leid, aber es war ein Notfall, sonst hätte ich sie ja wieder verloren. Scheiße. Am liebsten würde ich mir mit der Hand vor den Kopf schlagen. Das kann doch nicht wahr sein. Ich hab sie schon wieder verloren. Ich habe weder ihre Handynummer, noch ihre Adresse her. Jetzt kann ich sie wieder den ganzen Tag suchen und nur hoffen, dass sie wieder an den gleichen Strandteil geht wie gestern. Wie konnte ich nur so bescheuert sein?
Als wir mit der Familie zum Strand aufbrechen, kann es mir nicht schnell genug gehen. Das fällt auch meinen Eltern auf: "Simon, wie schön, dass du doch Freude am Urlaub zu finden scheinst". freut sich meine Mutter. Ich lächele sie nur an und lasse meinen Blick über den Strand wandern. Ich muss sie finden, ich muss sie verdammt nochmal finden. Natürlich ist sie nicht da. Bleibt nur die Hoffnung, dass sie noch kommt. Meine gute Laune wird ein bisschen gedämpft, aber ich werde schnell abgelenkt, als mich ein paar Jungs aus Frankfurt fragen, ob ich Lust hätte, mit ihnen Volleyball zu spielen. Ich war nie besonders gut in Volleyball, aber heute bin ich katastrophal schlecht. Das liegt sicher daran, dass ich die ganze Zeit nach Hannah Ausschau halte. Zum Glück ist das Spiel nicht besonders ernst und wir gehen bald dazu über, den Ball einfach hin und her zu kicken. Mittags holen wir uns gemeinsam Pizza und setzen uns in die Dünen. Die Jungs sind echt nett und ich habe wieder einmal das Gefühl, dass aus diesem Urlaub noch was Gutes werden könnte.
Plötzlich sehe ich sie. Ich rufe den Jungs zu, ich würde gleich wieder kommen und kletter von der Düne. Da ich mich nicht traue, sie noch einmal aus den Augen zu lassen, wird aus dem Klettern ein Rutschen und schließlich ein Fallen. Unten angekommen, schlängele ich mich zwischen den Handtüchern durch. Einen kurzen Moment sehe ich sie nicht mehr und bin nahe der Verzweiflung. Umso erleichterter bin ich, als ich den roten Badeanzug wieder entdecke. Sie hält ihre kleine Schwester an der Hand und läuft in Richtung Wasser. So kann ich sie ganz zufällig treffen. Ich gehe ein Stück weiter links ins Wasser und schwimme am Ufer entlang. Heute sind die Wellen nicht besonders hoch, deswegen darf man überall ins Wasser. Als ich auf ihrer Höher bin halte ich inne, aber sie hat mich schon erkannt.
"Hey Simon!" Sie winkt mich zu sich. Sie stellt mir ihre Schwester Lisa vor, die tatsächlich das Alter meines Bruders hat. Dann entsteht eine kurze Pause, in der die kleine kurzerhand die Führung übernimmt. "Simon kann ja mitspielen. Er kann ja der Vater sein." Fragend sehe ich zu Hannah. Sie lacht: "Ich glaube kaum, dass Simon Lust hat, Vater, Mutter, Kind zu spielen." Sie ist echt süß. Da fühle ich mich geradezu miserabel als großer Bruder. Aber wenn Hannah mitspielt, dann tue ich nichts lieberes, als den Vater zu spielen. "Ach Quatsch, kein Problem, ich bin gerne der Vater. Wer seid ihr denn?" "Ist doch klar, ich bin das Kind und Hannah die Mama." Hui, die Kleine ist ganz schön frech. "Du musst wirklich nicht...", wendet Hannah sich an mich, doch ich winke ab. Sie schüttelt amüsiert den Kopf. Dann nimmt sie Lisa auf den Arm. "Also mein Kind, was möchtest du machen?" Lisa zappelt und strampelt sich frei. "Du wolltest mir doch mit Papa schwimmen beibringen", sagt sie und nimmt uns beide an die Hand. "In Spiel könnte ich nämlich noch nicht schwimmen, aber eigentlich kann ich ganz gut schwimmen!" Hannah sieht hilfesuchend zu mir rüber. "Gut Lisa, wie heißt du denn in Spiel?" "Olivetta" "Okaaaay Olivetta, dann zeig mir mal, was du schon kannst." Lisa strampelt wild mit Armen und Beinen um sich und aus dem Schwimmunterricht wird schnell eine Wasserschlacht. Zum Glück wird es Lisa schnell langweilig, sodass sie zurück zu ihren Eltern geht und ich mit Hannah alleine im Wasser bleibe.
Hannah, scheint sich nicht darum zu kümmern, dass wir nur noch zu zweit sind, sie ist voll in ihrem Element und versucht, mich unter Wasser zu drücken. Pech für sie, dass ich größer bin als sie. Sie kann machen, was sie will, ich bleibe stehen. Plötzlich taucht sie unter und fängt an, mich unter den Füßen zu kitzeln. Da hat sie einen wunden Punkt erwischt, ich lasse mich komplett ins Wasser fallen und drehe und wende mich, um mich zu befreien, "Na warte", knurre ich, als sie auftaucht, um Luft zu holen. Sie versucht weg zu schwimmen, aber ich halte sie an den Beinen fest. Wir toben gemeinsam durchs Wasser und ich habe unheimlich Spaß. Dieses Mädchen gefällt mir immer besser.
Als wir beide ganz aus der Puste sind, vereinbaren wir einen Waffenstillstand und gehen wieder an Land und diesmal vergesse ich nicht, sie nach ihrer Handynummer zu fragen. Kurz darauf bricht sie mit ihrer Familie zum Abendessen auf und ich mache mich auf die Suche nach meiner. Meine Eltern schimpfen ein bisschen, weil ich mich seit Mittags nicht mehr gemeldet habe, aber das stört mich nicht. Ich bin bester Laune und in Gedanken sowieso nur bei Hannah. Simon, Simon, du bist doch nicht etwa dabei, dich in ein Mädchen zu verlieben, das du nach diesem Sommer nie wieder siehst? Halt die Klappe Vernunft!
Hallo meine Lieben Leser, jetzt sind wir schon beim vierten Kapitel. Die Hälfte meiner Wörter für JustWriteIt habe ich auch schon, aber diese Geschichte wird sicher länger, als 10 000 Wörter. Immerhin wollen wir ja wissen, wie es mit Simon und Hannah weiter geht. Ich würde mich sehr freuen, wenn ihr mir Feedback jeglicher Arte da lasst und mir mal schreibt, was ihr bisher von der Geschichte haltet.
Bis bald Stellaluna ;-)
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