Kapitel 14 Band 6
Die darauffolgenden Tage waren intensiv und geprägt von strategischen Planungen sowie organisatorischen Aufgaben. Jeder aus der Familie hatte seine Rolle, und die Aufgaben wurden präzise verteilt:
Jake und die Dämmerklinge
Jake hatte die Gilde der Dämmerklinge über die neuesten Erkenntnisse und die Situation rund um den Schattenschacht informiert. Es war wichtig, die Gilde auf dem Laufenden zu halten, da ihre Ressourcen und Kontakte in den nächsten Schritten eine entscheidende Rolle spielen könnten. Gleichzeitig hatte Jake, zusammen mit Felix, die Aufgabe übernommen, den neuen Nachnamen Rosavelle offiziell registrieren zu lassen. Die bürokratischen Hürden wurden von Jake meisterhaft überwunden, da er sich mit Anträgen und formellen Dokumenten bestens auskannte.
Zusätzlich ging Jake die Mappe von Elarion Vaelthar durch, die wie versprochen Unterlagen und strategische Informationen enthielt. Seine analytische Herangehensweise half dabei, mögliche Schwächen und Ansatzpunkte zu erkennen.
Chaylin und Schade: Analyse der Karte
Die von Annette erworbene Karte des Schattenschachts wurde von Chaylin genauestens analysiert. Mit Schades Unterstützung durchliefen sie Eversum und verglichen die markierten Standorte mit der unterirdischen Struktur des Schattenschachts. Gemeinsam markierten sie Knotenpunkte und Eingänge, die mit der Karte übereinstimmten, und erstellten ein detailliertes Schema, das später für die Erkundung genutzt werden sollte.
Emilia und die Vael-Handelskammer
Emilia besuchte Annettes Unternehmen, die Vael-Handelskammer, die einst von Annettes Eltern gegründet und von Annette übernommen wurde. Annette hatte jedoch die Verwaltung des Hauptsitzes ihrer temperamentvollen Cousine überlassen, während sie selbst den Außenhandel und die Expansion des Unternehmens leitete. Emilia nahm Gray zu diesem Treffen mit, um das Konzept vorzustellen, medizinische Produkte und Vorräte in handlichen Gebäckpaketen zu verkaufen. Die Idee stieß auf Interesse, und Annettes Cousine bot an, beim Ausbau des zukünftigen Rosavelle-Unternehmens zu helfen, sobald entschieden war, welche Schwerpunkte das Geschäft haben und in welchem Viertel es angesiedelt sein würde.
Alex und Ash: Medizinische Fortschritte
Alex und Ash widmeten sich der Weiterentwicklung des Impfstoffs. Alex' Patent für das Medikament wurde von der Medizinergilde abgeschlossen, und die Rechte wurden offiziell gesichert. Gemeinsam stellten sie sicher, dass der Impfstoff nicht nur sicher, sondern auch langfristig wirksam war.
Jake verfasste parallel dazu einen umfassenden Vertrag, der die Zusammenarbeit zwischen der Klinik, dem zukünftigen Rosavelle-Unternehmen und dem Vertrieb des Medikaments regelte. Darin wurde festgelegt, dass 20 % der Einnahmen aus dem Verkauf des Medikaments an die Klinik gehen würden, solange der Hauptvertrieb nicht über das Rosavelle-Unternehmen lief.
Schade und die Erkundung Eversums
Schade hatte sich Chaylin angeschlossen, um die Orte in Eversum zu identifizieren, die mit der unterirdischen Beschaffenheit des Schattenschachts übereinstimmten. Die beiden durchstreiften die Stadt, überprüften Eingänge und Notizen auf der Karte und erstellten ein klares Bild der möglichen Knotenpunkte. Ihre Arbeit sollte die spätere Erkundung des Schattenschachts wesentlich erleichtern.
Abschluss der Planungsphase
Während all dieser Aufgaben blieb die Familie fokussiert, wobei jede ihrer Rollen klar definiert war. Der neue Nachname Rosavelle wurde als Symbol für Einheit und Wandel angenommen, und das zukünftige Geschäft nahm erste greifbare Formen an. Mit jedem Tag wurden die Vorbereitungen präziser, und die Verbindung zwischen den Mitgliedern der Familie wuchs weiter.
Die strategische und geschäftliche Ebene war nun auf einem soliden Fundament, und alle Augen waren auf den nächsten Schritt gerichtet: Die Erkundung des Schattenschachts.
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Der Raum war erleuchtet von der warmen Glut des Kamins, während sich die Familie im Büro von Jake versammelte. Die Atmosphäre war schwer von Ernsthaftigkeit und Vorfreude – der Schattenschacht wartete, und jeder wusste, dass dies kein gewöhnlicher Auftrag war. Jake lehnte lässig an seinem Schreibtisch, seine Arme vor der Brust verschränkt, während Emilia an seiner Seite stand. Chaylin saß mit einer eleganten Haltung auf einem der Stühle, während Schade an der Wand lehnte, seine Augen ruhig, aber wachsam.
Alex, Felix, Gray, Ash und Sei hatten ihre Plätze eingenommen, jeder bereit, sich in die Planung einzubringen. Es war klar: Dies war nicht nur ein weiterer Tag in ihrem Leben. Es war ein Schritt in unbekannte Gefilde, der alles verändern könnte.
Jake begann mit seiner tiefen, durchdringenden Stimme. „Es ist Zeit. Wir haben alle Informationen, die wir brauchen, und ich möchte, dass wir nichts übersehen. Dies ist keine gewöhnliche Erkundung – es ist ein riskantes Unterfangen, das wir nur als Einheit bewältigen können."
Schade nickte und trat vor. „Ich habe die Karte studiert und mit meinen eigenen Informationen abgeglichen. Der beste Einstieg in den Schattenschacht liegt hinter der Chronikenhalle. Dort haben wir bereits ein Raben-Symbol markiert – ein Hinweis, den meine Abteilung hinterlassen hat."
Chaylin ergänzte, ihre Stimme voller Überzeugung: „Hinter der Chronikenhalle also. Das ergibt Sinn. Ich erinnere mich, dass Jake und ich damals, als wir diesen Ort gefunden haben, auf einen Schattenwandler getroffen sind. Er hat uns effektiv daran gehindert, tiefer zu gehen oder den Ort genauer zu untersuchen."
Schade hob eine Augenbraue. „Das war Absicht. Der Schattenwandler gehört zu meiner Abteilung. Ich habe ihm ausdrücklich befohlen, euch zu vertreiben, falls ihr auftaucht. Es war ein Sicherheitsmaßnahme. Unvorbereitet dort hinunterzugehen, wäre ein Todesurteil gewesen."
Jake schnaubte und lehnte sich nach vorne. „Ich hätte diesen Kerl fast verdroschen. Aber ich verstehe, warum du es so gemacht hast. Klug gehandelt, Schade."
Schade nickte knapp. „Der Zugang ist einer der wenigen, die wir sichern konnten. Viele der anderen Eingänge werden von Nox Vigilia kontrolliert. Was sich in diesen Bereichen verbirgt, wissen wir nicht. Aber dank der Karte von Annette haben wir jetzt ein besseres Verständnis und sind vorbereitet."
Jake ließ seinen Blick durch den Raum wandern. „Gut. Wir gehen alle gemeinsam – als Familie. Ich will keine Aufteilung unserer Kräfte, und ich will nicht, dass jemand zurückbleibt, um die anderen zu beschützen. Emilia, du kommst mit uns."
Emilia hob das Kinn trotzig. „Natürlich komme ich mit. Ihr braucht mich da unten. Ich habe Fähigkeiten, die euch helfen können, und ich werde mich nicht verstecken, während ihr in Gefahr seid."
Jake lächelte leicht. „Das wollte ich hören. Wenn es hart auf hart kommt, wissen wir, dass Ash uns herausholen kann. Seine Fähigkeiten haben uns schon oft den Hals gerettet."
Ash hob die Hand, ein schelmisches Grinsen auf seinem Gesicht. „Nur, wenn ihr mir vorher ein ordentliches Essen serviert. Aber ja, ich werde bereit sein."
Jake ignorierte den Kommentar und fuhr fort: „Wir gehen morgen früh. Bereitet euch vor – packt, was ihr braucht, überprüft eure Ausrüstung, und stellt sicher, dass ihr bereit seid. Das hier wird kein Spaziergang."
Emilia trat einen Schritt vor und sah Jake direkt an. „Ich werde alles tun, um euch zu helfen. Wenn wir da runtergehen, dann als Einheit, und ich werde mich nicht zurückhalten. Ihr könnt auf mich zählen."
Jake legte ihr eine Hand auf die Schulter und nickte. „Das weiß ich. Und das gilt für uns alle. Wir schaffen das – zusammen."
Die Gruppe spürte die Schwere des Augenblicks, aber auch die Stärke, die sie verband. Morgen würden sie sich dem Schattenschacht stellen, einem Ort voller Dunkelheit und Geheimnisse. Doch mit vereinten Kräften würden sie alles überwinden, was auf sie wartete.
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Der Morgen brach an, die ersten Sonnenstrahlen krochen durch die Fenster, und das Haus war bereits erfüllt von der geschäftigen Vorbereitung der Gruppe. Alle waren früh aufgestanden, ihre Schritte zielgerichtet und voller Entschlossenheit. Heute war der Tag, an dem sie den Schattenschacht betreten würden – gemeinsam, als Familie.
Gray hatte sich, wie immer, um die Versorgung gekümmert. In der Küche standen mehrere Lunchboxen bereit, prall gefüllt mit energiereichen Mahlzeiten, die selbst unter den strapaziösen Bedingungen des Schattenschachts für eine Weile reichen würden. „Vertrauen ist gut, Vorbereitung ist besser", hatte er murmelnd gesagt, während er die Boxen verstaute. Einige wanderten in Alex' Endlostasche, andere in Ashs persönlichen Dimensionsraum, den er selbst als Ewigkeitshain bezeichnete – ein zeitloser Ort, in dem Gegenstände sicher aufbewahrt wurden, ohne dass die Zeit an ihnen nagte. „Man könnte meinen, ich bin euer persönlicher Vorratsmeister", scherzte Ash, doch sein Blick blieb ernst.
Im Wohnzimmer traf sich die Gruppe, um ein letztes Mal ihre Ausrüstung zu überprüfen. Emilia konnte nicht anders, als Chaylin bewundernd anzusehen. Die Verwandlung zur Frau hatte ihrer Eleganz nichts genommen – im Gegenteil.
Chaylin trug ein enges, stilvolles Outfit, das wie für eine professionelle Ermittlerin gemacht war. Eine perfekt geschnittene Hose betonte ihre schlanke Figur, während eine weiße Bluse mit einer dezenten schwarzen Weste ihre Schultern umspielte. Über der Weste lag ein taillierter Mantel, der ihren Bewegungen geschmeidig folgte. Ein kleiner Lederbeutel hing locker an ihrer Hüfte – ideal, um Werkzeuge oder Notizen zu verstauen. Auf ihrem Kopf saß ein eleganter Hut, der ihre langen Haare geschickt verbarg und den Eindruck einer erfahrenen Spurensucherin komplettierte. Es war ein Look, der Professionalität ausstrahlte, aber dennoch klassisch und charmant wirkte.
„Du siehst unglaublich aus", sagte Emilia und musterte sie mit einem Lächeln. „Wie ein echter Detektiv."
Chaylin zwinkerte zurück. „Natürlich. Wenn wir uns in die Dunkelheit wagen, tun wir das mit Stil."
Auch Emilia hatte sich passend gekleidet. Sie trug eine leichte, aber robuste Lederjacke, die sie vor den rauen Bedingungen des Schattenschachts schützen würde, dazu eng anliegende Hosen, die Bewegungsfreiheit gewährten. Ihre Stiefel waren für unebenes Terrain gemacht, und ihre Ausrüstung war sorgfältig an einem Gürtel befestigt. In ihren kastanienbraunen Haaren trug sie den Haarschmuck-Anhänger, den Alex ihr einst geschenkt hatte, der im schwachen Licht schimmerte. „Ich hoffe, das reicht, um mit deiner Eleganz mitzuhalten", scherzte sie.
„Du bist perfekt, wie immer", antwortete Chaylin mit einem breiten Grinsen.
Schade war bereits fertig und wirkte wie aus einer Schattenwelt geschnitten. Sein schwarzes, mittellanges Haar fiel ihm leicht ins Gesicht, während ein dunkler Schal die untere Hälfte seines Gesichts verbarg, sodass nur seine stechenden, gelben Augen sichtbar waren. Seine Kleidung war schlicht, fast militärisch, und perfekt geeignet, um in den Schatten zu verschwinden. „Ich gehe voraus und informiere meine Leute", sagte er knapp. Seine Stimme war ruhig, aber bestimmt. „Wir treffen uns vor Ort."
Die Gruppe nickte, als Schade ohne ein weiteres Wort hinausging, ein Bild der Entschlossenheit.
Als sie schließlich bereit waren, musterte Jake die Gruppe mit einem prüfenden Blick. Jeder hatte sich für die Mission gekleidet: Alex in praktischer, schlichter Kleidung, die ihn wie immer professionell wirken ließ; Ash mit seiner typischen Trägheit, aber dennoch vorbereitet und mit einem Mantel, der sein Arkanes Wissen und seine Position unterstrich; Gray in dunklen Farben, die ihn wie einen unsichtbaren Wächter erscheinen ließen; und Felix, dessen Kleidung seine Werwolf-Natur andeutete, robust und kampfbereit.
„Wir sehen aus wie eine geheime Operation", murmelte Felix, während er sich eine letzte Fellfaser von der Jacke strich. „Geheim und verdammt gefährlich."
„Dann lasst uns los", sagte Jake. Seine Stimme war ruhig, aber jeder spürte die Schwere seiner Worte. Sie waren bereit – bereit, sich den Gefahren des Schattenschachts zu stellen. Als Familie.
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Während die Gruppe auf dem Weg zum Schattenschacht war, ging Emilia an Alex' Seite und warf ihm einen fragenden Blick zu. „Sag mal, Alex, wie sieht es eigentlich mit deiner Klinik aus? Hast du dir freigenommen?"
Alex nickte gelassen. „Ja, ich habe ein paar Tage Urlaub eingereicht. Meine Kündigung konnte ich auch schon beantragen – sie sagten sogar, sie würden mir helfen, meine eigene Praxis aufzubauen, wenn ich soweit bin. Bis dahin kann ich weiterhin dort arbeiten, während ich alles vorbereite."
Emilia strahlte. „Das klingt ja perfekt! Das wird so toll, wenn du deine eigene Praxis hast."
Ash, der hinter ihnen lief, mischte sich ein. „Ich habe übrigens vor zwei Tagen meinen ersten Basiskurs für Anfänger in fortschrittlicher Alchemie gehalten. Wie angefordert."
Emilia blickte ihn überrascht an. „Und, wie war es?"
Ash seufzte schwer, als wäre die Erinnerung eine Last. „Der Saal der Alchemie-Gilde war bis auf den letzten Platz gefüllt. Der Andrang war so groß, dass der Gildenleiter mich direkt bat, einen zweiten Termin festzulegen."
„Und? Hast du?" fragte Emilia neugierig.
„Natürlich nicht", murrte Ash. „Ich habe ihm gesagt, dass ich gerade dabei bin, das Rosavelle-Essence-Unternehmen aufzubauen. Daraufhin meinte er, ich solle mit der Alchemie-Gilde einen Vertrag abschließen, sobald es soweit ist. Sie wollen meine Elixiere kaufen."
Jake, der etwas weiter vorne ging, drehte sich um. „Du hast mir die Anfrage weitergeleitet. Ich sehe mir die Bedingungen an, sobald wir diese Mission hinter uns haben."
Ash stöhnte. „Das Rosavelle-Unternehmen entwickelt sich ja prächtig, aber ehrlich – so viel Arbeit! Wenn das so weitergeht, werde ich vor Erschöpfung irgendwann selbst eines meiner Elixiere brauchen."
Felix schnaubte. „Du jammerst jetzt schon, bevor es überhaupt losgeht? Typisch Ash."
Die Gruppe lachte, während sie weitergingen, die Anspannung vor ihrem gefährlichen Vorhaben kurzzeitig in der Leichtigkeit des Moments auflösend.
.....
Die Gruppe erreichte den Eingang hinter der Chronikenhalle, wo eine steinerne, mit Moos bewachsene Treppe hinabführte. Der Zugang war unscheinbar, als wäre er absichtlich so gestaltet, um keine Aufmerksamkeit zu erregen. Doch es war eindeutig: Dies war der Eingang in den Schattenschacht.
Schade wartete bereits auf sie, seine dunklen Augen scharf wie immer, das schwarze Haar fiel ihm unruhig ins Gesicht. Mit einem kurzen Nicken begrüßte er die Gruppe.
„Ihr seid pünktlich," sagte er knapp und deutete auf den Eingang. „Das ist einer der wenigen sicheren Zugänge. Aber ich sage es gleich: Ohne einen Führer seid ihr dort unten verloren."
Jake verschränkte die Arme, ein skeptischer Ausdruck auf seinem Gesicht. „Und du bist dieser Führer, nehme ich an?"
Schade nickte. „Wer sonst? Als Schattenwandler kenne ich die Gegebenheiten dort unten besser als jeder andere. Außerdem habe ich diesen Zugang von meinen Leuten sichern lassen."
Emilia trat einen Schritt näher. „Schade, warst du schon mal dort unten?"
Er zögerte einen Moment, bevor er antwortete. „Nicht in diesem Leben," gab er schließlich zu. „Aber in einem früheren habe ich einige Erkundungen durchgeführt. Der Schattenschacht ist eine zivilisationslose Zone. Es gibt dort unten keine Ordnung, keine Gesetze – nur Dunkelheit. Damals war die Lage chaotisch, aber wer weiß, was sich jetzt in den Händen von Nox Vigilia verändert hat."
Die Gruppe tauschte einen nachdenklichen Blick aus. Ash, der sich mit verschränkten Armen an eine Wand lehnte, murmelte: „Klingt einladend."
„Das wird es nicht sein," erwiderte Schade trocken. „Folgt mir, und bleibt dicht zusammen. Dort unten lauern Gefahren, die ihr euch nicht vorstellen könnt."
Ohne ein weiteres Wort drehte er sich um und begann die Treppe hinabzusteigen, seine Gestalt wurde schnell von den Schatten verschluckt. Die anderen zögerten nur einen Moment, bevor sie ihm folgten, ihre Schritte hallten leise in der kühlen, feuchten Luft wider.
Der Schattenschacht wartete auf sie – und das Abenteuer begann.
-Abstieg in die Schatten
Die Gruppe betrat den Schattenschacht und wurde sofort von der bedrückenden Atmosphäre empfangen. Die engen Tunnel waren spärlich beleuchtet, nur von kleinen, zitternden Lichtpunkten, die aus den Ecken des Gesteins schienen.
Schade ging voran, seine Bewegungen ruhig, aber aufmerksam. „Bleibt dicht bei mir. Die Wände dieses Ortes sind voller Runen und Male, um die Gefallenen zu ehren. Sie spenden Licht, aber das ist nicht ihr ursprünglicher Zweck."
Emilia betrachtete die leuchtenden Symbole an den Wänden mit einem Hauch Ehrfurcht. „Gefallene? Wer hat diese Runen angebracht?"
„Diejenigen, die hier einst lebten, haben sie hinterlassen," erklärte Schade. „Vor langer Zeit gab es hier unten Leben. Gemeinschaften, die diesen Ort ihr Zuhause nannten. Doch der Schattenschacht ist eine Zone des Verfalls. Er verschlingt alles, was zu lange bleibt."
Die Tunnel wurden breiter, und kleine, schimmernde Lichtpunkte aus reinem Mana begannen, die Umgebung zu beleuchten. Die Luft fühlte sich zunehmend schwerer an, und die Gruppe konnte die Veränderung in der Atmosphäre spüren.
Jake runzelte die Stirn. „Und was ist mit den Ebenen? Ich habe gehört, es gibt mehrere."
Schade nickte. „Das stimmt. Der Schattenschacht hat mindestens drei bekannte Ebenen, aber ich bin mir über den aktuellen Zustand nicht sicher. Die Gruppierung von Nox Vigilia hat sich hier breitgemacht. Ihre Präsenz könnte den Ort verändert haben."
Chaylin trat neben Schade. „Also sind wir sozusagen blind? Keine Karte, keine Ahnung, wo wir sind, nur diese Male an den Wänden?"
Schade blieb stehen und drehte sich zu ihr um, seine gelben Augen funkelten im Halbdunkel. „Das ist nicht ganz richtig. Wir wissen, wo wir anfangen, und wir wissen, wonach wir suchen. Der Rest ist Instinkt und Vorsicht."
Die Gruppe nickte einvernehmlich und folgte Schade weiter, während die Tunnel sich weiter ausdehnten und die Mana-Lichter heller wurden. Die Reise in die Dunkelheit hatte gerade erst begonnen.
Die Gruppe hielt inne, als der Tunnel sich in mehrere kleinere Gänge aufteilte. Die Dunkelheit war hier noch dichter, und die leuchtenden Runen an den Wänden boten kaum Orientierung. Chaylin schnalzte mit der Zunge und trat vor.
„Ihr könnt froh sein, dass ihr mich dabei habt," sagte sie mit einem schelmischen Lächeln. Sie zog einen kleinen, eleganten Manaprojektor aus ihrem Beutel – ein Gerät, das wie eine Kombination aus einer Laterne und einem Kompass aussah, mit einem leuchtenden Kern aus schimmerndem Kristall.
Jake hob eine Augenbraue. „Das Ding war doch deine Belohnung deines Fähigkeitszweiges, oder?"
Chaylin grinste und nickte. „Ganz genau. Mein Chef hat es mir überreicht, als ich mich offiziell als Meister-Fährtenleserin bewiesen habe. Ich hatte bisher kaum Gelegenheit, das gute Stück zu testen. Angeblich kann es Mana-Spuren zurückverfolgen. Perfekt für diesen Ort."
Sie schaltete den Projektor ein, und ein sanftes Licht aus blauem Mana erfüllte den Tunnel. Der Kristall begann, leuchtende Linien in der Luft zu zeichnen, die wie eine Karte wirkten, die sich von selbst erstellte. Sie zeigte Spuren von Mana, die von den Runen ausgingen und sich entlang der Tunnel verzweigten.
„Faszinierend," murmelte Alex, während er sich über Chaylins Schulter beugte. „Das Gerät analysiert Mana-Rückstände und zeigt uns die Wege, die am stärksten von Magie durchdrungen sind." „Nicht schlecht, Luna," fügte Jake hinzu. „Dann führ uns. Zeig, was dein Spielzeug draufhat."
Chaylin schmunzelte und trat entschlossen vor. „Folgt mir und versucht, mitzuhalten."
Sie studierte die Linien, die der Projektor projizierte, und begann, einen der Tunnel hinunterzugehen. Die Gruppe folgte ihr, während das Gerät zunehmend komplexere Muster zeichnete. Nach einigen Minuten hielt sie inne und zeigte auf eine größere Ansammlung von Mana in einem Knotenpunkt an der Wand.
„Hier," sagte sie triumphierend. „Das ist eine alte Mana-Barriere. Wahrscheinlich wurde sie genutzt, um Zugang zu einer weiteren Ebene zu sichern. Ich wette, wir sind auf dem richtigen Weg."
„Beeindruckend," sagte Emilia, die Chaylin bewundernd ansah. „Ich wusste, dass du gut bist, aber das ist... außergewöhnlich."
Chaylin zwinkerte ihr zu. „Ich bin nicht nur gut, ich bin großartig."
Schade trat näher und untersuchte die Barriere mit seinen scharfen Augen. „Sie hat recht. Das ist eine Mana-Barriere, und sie sieht intakt aus. Wir müssen herausfinden, wie wir sie umgehen oder deaktivieren können."
Chaylin sah ihn an und hielt ihren Projektor hoch. „Lass mich raten – du hast keine Ahnung, wie man das macht?"
Schade lächelte dünn. „Noch nicht. Aber ich schätze, du hast ein paar Ideen."
„Immer," sagte Chaylin selbstbewusst und begann, mit dem Projektor die Struktur der Barriere zu analysieren. Die Gruppe beobachtete sie gespannt, während sie ihr Können unter Beweis stellte.
Chaylin untersuchte die Barriere weiter, während die Gruppe gespannt zusah. Sie dachte angestrengt nach, ihre Hände auf die leuchtenden Linien der magischen Barriere gelegt. Schließlich sprach sie, als hätte sie einen plötzlichen Einfall:
„Das ist ein Problem," begann sie. „Wahrscheinlich braucht man einen Schlüssel, um hier durchzukommen. Dieser Ort scheint nur für diejenigen zugänglich zu sein, die entweder mit diesem System verbunden sind oder von ihm akzeptiert werden. Es wäre logisch, dass Nox Vigilia Schlüssel besitzt. Vielleicht... oder vielleicht kommen nur solche durch, die gewisse Anforderungen erfüllen."
Jake trat näher. „Woran denkst du, Chaylin?"
Sie wandte sich ihm zu, ihre Augen funkelten. „Ich denke, dass diese Barriere eine Art Selektionsmechanismus hat. Sie lässt keine reinrassigen Dämonen hindurch. Das würde erklären, warum sie für hybride Mitglieder von Nox Vigilia zugänglich ist. Wahrscheinlich erkennt sie deren gemischte Essenzen."
Emilia neigte ihren Kopf nachdenklich. „Und was ist mit dir, Chaylin? Kannst du durchgehen?"
Chaylin schüttelte den Kopf. „Nein, ich bin ein reinrassiger Untoter. Kein Hybrid. Wenn ich es versuchen würde, würden wir entweder blockiert oder – schlimmer noch – einen Alarm auslösen. Das gleiche gilt für euch, wenn ihr ebenfalls reinrassig seid."
Sie sah die Gruppe der Reihe nach an. „Seid ihr alle reinrassig, oder gibt es unter uns jemanden mit hybrider Abstammung?"
Schade sprach zuerst. „Ich bin mir nicht sicher. Es könnte sein, dass ich hybrid bin, aber ich will kein Risiko eingehen."
Jake, Alex und Gray bestätigten, dass sie reinrassig waren, während Sei mit einem stolzen Lächeln hinzufügte: „Ich bin durch und durch Minotaurus."
Felix knurrte leise. „Ich... bin es nicht."
Alle Augen richteten sich auf Felix. Ash hob eine Augenbraue und grinste schelmisch. „Oh, sag bloß, dein Rudel hat dich deswegen verstoßen, bis du alt genug warst, um allein zu überleben?"
Felix funkelte ihn wütend an. „Halt die Schnauze, Drache. Ich bin ein Werwolf. Das reicht, oder?"
Emilia trat näher. „Wer war denn der andere Elternteil, Felix?"
Felix verschränkte die Arme und knurrte erneut. „Sag ich nicht. Und jetzt Schluss damit!"
Ash zuckte mit den Schultern. „Ich bin übrigens ein Hybrid aus zwei verschiedenen Drachenarten. Aber beide waren Drachen."
Chaylin hob den Manaprojektor und schaltete ihn ab, dann sah sie Felix ernst an. „Felix, ich brauche dein Blut. Wenn diese Barriere hybride Essenzen erkennt, können wir sie mit deinem Blut täuschen."
Felix knurrte erneut, diesmal bedrohlicher. „Mein Blut ist ein teures Gut. Das verschenke ich nicht."
Chaylin seufzte gereizt. „Felix, das ist hier keine Verhandlung. Wir brauchen dein Blut, um durch diese Barriere zu kommen."
Felix schüttelte den Kopf. „Nehmt Orvan. Er ist auch ein Mischling, und ich bin sicher, sein Blut reicht aus."
Jake hob eine Augenbraue und schaute Felix an. „Spricht da der Gefährtenkurator aus dir?"
Felix fletschte die Zähne leicht. „Ja, das tut er. Orvan ist doch in deinem Schatten. Also nutze ihn."
Chaylin seufzte genervt. „Nein, Orvan kann durch die Barriere, ja, aber sein Blut verwenden wir für Saphira. Ich weiß nicht, ob sein Blut uns als Dämonen tarnt oder uns enttarnt. Das Risiko ist zu groß."
Felix knurrte unwillig. „Ich will trotzdem nicht."
Alex trat vor, ohne ein Wort zu sagen, und griff Felix blitzschnell am Arm. Bevor der Werwolf reagieren konnte, biss Alex ihm in den Unterarm und sammelte einige Tropfen Blut in ein kleines Behältnis. Felix jaulte überrascht auf und zog seinen Arm weg.
„Na, war doch nicht so schwer, Wölfchen," sagte Alex ruhig, während er die Phiole verschloss.
Felix funkelte ihn wütend an und rieb seinen Arm. „Das kriegst du zurück, Vampir."
Chaylin nahm die Phiole mit einem zufriedenen Nicken und trat zur Barriere. „Jetzt können wir die Barriere umgehen."
Chaylin ignorierte das Gezanke, nahm die Phiole und untersuchte das Blut. „Perfekt. Wenn wir es richtig auftragen, könnten wir die Barriere täuschen. Ich schlage vor, dass wir es tröpfeln und damit eine Art Signatur für uns alle schaffen."
Sie goss das Blut auf ihre Handfläche und malte mit präzisen Bewegungen Symbole auf die Stirn eines jeden in der Gruppe, einschließlich Felix. Die Symbole schimmerten kurz auf, als sie den letzten Strich setzte.
„Das sollte reichen," sagte sie und trat vor die Barriere. Vorsichtig streckte sie ihre Hand aus und drückte sie gegen die leuchtenden Linien. Ein leichter Widerstand war zu spüren, doch dann gab die Barriere nach und öffnete sich langsam wie eine Schiebetür.
„Ich habe es euch gesagt," sagte Chaylin mit einem triumphierenden Lächeln. „Ich bin großartig."
Die Gruppe schritt hindurch, jeder einzelne mit einem Symbol aus Felix' Blut versehen. Hinter ihnen schloss sich die Barriere lautlos, und der Weg vor ihnen wurde in ein gespenstisches Licht getaucht.
Jake nickte anerkennend. „Gute Arbeit, Luna. Ich wusste, dass du das hinkriegst."
Chaylin zwinkerte ihm zu, bevor sie weiterging. „Natürlich. Habt ihr jemals an mir gezweifelt?"
Felix murrte leise, während er sich seinen Arm hielt: „Ich werde schamlos ausgenutzt. Mein Blut ist anscheinend ein Gemeinschaftseigentum."
Emilia ging zu ihm und nahm sanft seine Hand. „Herzbiss, hör auf zu murren. Keiner hier interessiert sich für dein Gejammer." Sie drückte seine Hand leicht und lachte, während Felix sie grimmig ansah.
„Unmöglich, sowas," knurrte Felix, schüttelte aber den Kopf und ließ es schließlich gut sein.
Ash, der an der Spitze der Gruppe ging, hob seine Hand und entzündete eine kleine Flamme, die den immer dunkler werdenden Weg vor ihnen erhellte. „Das wird ja immer düsterer hier unten," bemerkte er mit einem Hauch von Ironie.
Jake warf ihm einen warnenden Blick zu. „Pass mit den Flammen auf. Hier gibt es keinen Durchzug. Wenn das Feuer außer Kontrolle gerät..."
Ash schnitt ihm mit einem lässigen Tonfall das Wort ab: „Bleib locker, ich habe alles im Griff. Ich bin ein Alchemist, kein Pyromane."
Gray schnaubte. „Nun, wenn Mio hier wäre, hätten wir das Problem nicht. Der schafft es, Licht zu spenden, ohne Feuer zu nutzen – ganz ruhig, ganz effizient."
Emilia spitzte die Ohren. „Mio, die Bekehrung? Er ist ein Irrlicht, richtig? Das klingt faszinierend."
Jake drehte sich zu ihr um und hob eine Augenbraue. „Ruhe. Fokussiert euch. Wir sind hier nicht, um Geschichten zu erzählen."
Die Gruppe wurde stiller, während sie sich vorsichtig weiter in die Dunkelheit vorwagte, die durch Ashs flackernde Flamme nur unzureichend erhellt wurde. Das leichte Knistern des Feuers und das entfernte Echo ihrer Schritte waren die einzigen Geräusche, die die Stille brachen.
Schade blieb abrupt stehen und hob die Hand, um die Gruppe zum Anhalten zu bringen. „Dort vorne scheint es... Leben zu geben," sagte er mit gedämpfter Stimme und zeigte in die Dunkelheit, wo flackerndes Licht durch eine Öffnung drang.
Ash ließ die kleine Flamme in seiner Hand erlöschen, um keine Aufmerksamkeit zu erregen, und sie traten vorsichtig näher. Vor ihnen öffnete sich ein breiter, hallender Raum, der wie ein versteckter Markt wirkte – ein Schwarzmarkt tief im Schattenschacht. Der Raum war gesäumt von notdürftig errichteten Zelten, die in verschiedenen Farben und Stoffen hingen, viele davon zerfetzt und abgenutzt.
Es gab Gefährten und Dämonen in verschiedenen Formen, die sich durch die schummrigen Stände drängten, ihre Stimmen gedämpft und voller Misstrauen. Einige handelten mit zwielichtigen Waren – von Waffen, die vor Energie pulsieren, bis hin zu verbotenen Substanzen, die in kleinen Glasbehältern glitzerten. Andere saßen in Gruppen zusammen und rauchten dicke Rollen mit einer bläulich schimmernden Pflanze, deren Rauch schwer und süßlich in der Luft lag.
Das war die Schattenseiten des Markts-
Auf einer erhöhten Plattform saßen Sklaven – Frauen und Männer mit Halsfesseln, einige mit leeren Augen, andere kämpften mit letzter Kraft gegen ihre Ketten. Viele der Frauen hatten glanzlose Blicke, ihre Hände vor ihre Körper gefaltet, während sie von Händlern lautstark angepriesen wurden. Einige der Fesseln leuchteten schwach in einem bedrohlichen Rot – offensichtlich magisch verstärkte Ketten, die jeglichen Fluchtversuch unmöglich machten.
Einige Zelte waren dunkel, andere flackerten von schwachen Lampen beleuchtet, und es gab sogar eine kleine Bühne, auf der eine Tänzerin mit gequältem Ausdruck gegen ihren Willen zur Unterhaltung der Zuschauer diente.
Die Gruppe blieb vorsichtig.
Schade blickte über seine Schulter zurück, sein Gesicht düster und seine gelben Augen scharf. „Das ist der Schwarzmarkt," flüsterte er. „Ein Ort der Gesetzlosigkeit und Verzweiflung. Jeder, der hier ist, hat entweder etwas zu verbergen oder nichts mehr zu verlieren."
Jake zog Emilia an sich, hielt sie fest und schirmte sie mit seinem Körper ab. „Bleib bei uns," sagte er mit leiser, aber eindringlicher Stimme. Seine Augen wanderten aufmerksam durch die Menge, jeden möglichen Feind abschätzend.
Chaylin, deren Blick auf eine der Sklavinnen gefallen war, kniff die Augen zusammen. „Das ist widerlich," murmelte sie. „Aber wir dürfen nicht auffallen. Wenn sie uns erkennen, war's das." Sie zog ihren Hut tiefer ins Gesicht und drehte den Kopf, um unauffällig die Umgebung zu scannen.
Ash verzog das Gesicht, sein üblicher Gleichmut wich einer angespannten Ernsthaftigkeit. „Hier riecht es nach Tod und Verzweiflung. Wir sollten vorsichtig sein."
Gray, der still geblieben war, trat etwas näher an Emilia heran, um sie zusätzlich zu schützen. „Was ist unser nächster Schritt?" fragte er leise und hielt seinen Blick auf die Menge gerichtet.
Schade antwortete, ohne den Blick abzuwenden: „Wir beobachten. Bevor wir uns bewegen, müssen wir verstehen, wer hier das Sagen hat und was vor sich geht." Sein Ton war unmissverständlich. „Das hier ist eine gefährliche Zone. Ein falscher Schritt, und wir sitzen in der Falle."
Die Gruppe hielt ihre Position, während sie versuchten, die düstere Atmosphäre des Marktes einzuschätzen. Jeder von ihnen war sich bewusst, dass dieser Ort mehr war als nur ein Umschlagplatz für zwielichtige Waren – er war ein Knotenpunkt für dunkle Machenschaften, und jede falsche Bewegung konnte sie verraten.
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