Kunst und Fotografie
Ein Klingeln an der Tür ließ mich wissen, dass Jeremy vor der Haustür stand. Ich lief sofort die Treppen runter, um zu öffnen und nachzuschauen, ob es tatsächlich er war.
,,Hey Jeremy, schön, dass du gekommen bist. Komm doch rein'', begrüßte ich ihn.
Jeremy lächelte mich freundlich an und gab mir seine Hand zur Begrüßung.
,,Hey Riley, gerne doch. Ich bin schon wirklich gespannt auf deine Zeichnungen.''
Als er in den Flut trat, schloss ich die Tür hinter ihm und deutete ihm mit der Hand an, einfach geradeaus zu gehen.
,,Also, dann wollen wir mal mit einer kleinen Tour durchs Haus beginnen. Das hier ist unser Wohnzimmer.''
Unser Wohnzimmer hatte eine beachtliche Größe. Es bestand aus einem riesigen Esstisch, Fernseher, einer große graue Ledercouch und einer riesigen silbernen Deckenlampe. Wegen der dunklen Wandfarbe (meine Mutter war ein totaler Fan davon), hielt ich mich dort nicht besonders gerne auf, weil es auf mich so keineswegs irgendwie einladend wirkte.
,,Ich will ja nicht neugierig sein, aber was für Berufe gehen deine Eltern nach, um sich so etwas leisten zu können?''
Jeremys Blick glitt von der einen Wohnzimmerhälfte langsam zur anderen. Er wirkte sichtlich beeindruckt von dem, was er sah.
,,Mein Vater ist Autoverkäufer. Meine Mutter arbeitet als Filialleiterin bei der Bank'', erklärte ich ihm.
,,Nicht schlecht. Hast du irgendwelche Geschwister?''
Ich schüttelte den Kopf.
,,Besser so. Ich habe vier Brüder und das ist sehr oft einfach nur ziemlich nervig.''
,,Also ich hätte wirklich sehr gerne zumindest einen Bruder oder eine Schwester. Meine Eltern haben oft sehr viel zu tun und halten sich kaum hier zuhause auf. Manchmal fühle ich mich...''
Nein, stopp. Das konnte ich ihm nicht erzählen. Es war etwas viel zu persönliches.
,,Wie fühlst du dich manchmal?''
Ach verdammt, jetzt hatte ich auch noch sein Interesse erweckt.
,,Alleine.''
Ich seufzte.
,,Ich fühle mich machmal wirklich sehr alleine in diesem großen Haus. Wenn außer mir niemand in diesem Haus ist und hier absolute Stille herrscht, lasse ich meistens etwas Musik laufen oder schalte den Fernseher an, damit wenigsten ein einziges Geräusch diese große Stille bricht. Weißt du, ich lade ziemlich oft meine besten Freunde hierher ein, damit ich wenigstens ein paar Menschen während der Woche um mich habe.''
All das wollte Jeremy wahrscheinlich gar nicht wissen. Er war schließlich nur gekommen, um gewissensmäßig seiner Arbeit nachzugehen. Mit einem Mal konnte ich ihm nicht mal in die Augen sehen. Doch Jeremy tat etwas, das mich total überraschte. Obwohl wir uns so gut wie gar nicht kannten, legte er mir kurz einen Arm auf die Schulter und tätschelte diese ganz leicht.
,,Ich kann mir zwar nicht vorstellen, wie es sich anfühlen muss, ganz allein in diesem riesigen Haus zu sein. Aber ich will, dass du weißt, dass du dich keineswegs dafür zu schämen brauchst, darüber zu sprechen. Wenn du mit jemanden darüber reden möchtest, können wir das gerne tun. Ich werde keinem davon erzählen oder dich in irgendeiner Weise, dass du dich so fühlst, dafür verurteilen.''
Ich hob den Blick und sah geradewegs in seine grünblauen Augen, in denen so viel Aufrichtigkeit steckte. Es war vollkommen verrückt. Wir kannten uns so gut wie kaum und trotzdem hatte ich bereits jetzt schon das Gefühl ihm vertrauen zu können.
,,Danke fürs Angebot, ich werde es mir überlegen. Möchtest du die Küche sehen?''
Anscheinend begreifend, dass ich zumindest gerade nicht weiter darüber reden wollte, nickte er und folgte mir.
,,Möchtest du vielleicht etwas trinken?'', fragte ich ihn, als wir in der Küche angekommen waren.
,,Eine Cola fände ich nicht schlecht.''
Ich öffnete den Kühlschrank und holte zwei Coladosen heraus.
,,Da wir sowieso, um in mein Atelier zu kommen, durch den Garten müssen, kann ich ihn dir währenddessen direkt zeigen.''
Zusammen gingen wir wieder zurück ins Wohnzimmer, wo ich die Terrassentür für uns öffnete, Jeremys Blick glitt sofort zu unserem Pool, der unter dem strahlenden Sonnenlicht einladend zu glitzerte.
,,Ich glaube, ich würde jeden Tag im Sommer hier draußen rumhängen.''
Ich lachte bei diesem Satz.
,,Oh glaub mir, ich nutze jede freie Gelegenheit, um hier draußen zu sein, wenn mal nicht im Atelier bin und zeichne.''
Ein paar Schritte weitergehend kamen wir vor einem kleinen Häuschen zu stehen.
,,Und Voilà, dann mal hereinspaziert in die gute Stube.''
Ich liebte mein Atelier. Es war wunderschön hell und mit allem ausgestattet, was sich das Herz einer Künstlerin bloß wünschen konnte. Hunderte an Pinsel, Leinwände, Bleistifte, Wasserfarben, Kreidestifte und Blöcke an Zeichenpapier hatten hier ihren Platz gefunden und wurden alle von mir verwendet. Jeremy nahm mein Reich, in dem ich allein herrschte, bewundernd in Augenschein.
,,Wie lange zeichnest du schon?'', fragte er mich, wobei er interessiert mit den Augen meine Gemälde studierte.
,,Ich denke, ich habe mit vier Jahren angefangen'', beantwortete ich seine Frage.
,,Ich habe einen Stift und ein Papier in die Hand gedrückt bekommen und es war wie Liebe auf den ersten Blick.''
,,Was genau beeindruckt dich an der Kunst so sehr? Warum bist du Künstlerin?'', stellte er mir eine zweite Frage.
Ich überlegte etwas länger, weil ich ihm eine möglichst ausführliche Antwort auf diese Frage geben.
,,Beim Malen vergesse ich Raum und Zeit und widme mich ganz mir selbst. Die Kunst bietet mir einen sicheren Zufluchtsort, an dem ich ganz ich selbst sein kann. Wenn ich mal nicht weiterweiß und an meinen eigenen Problemen zu ertrinken drohe, ist sie das Boot, welches mich davor bewahrt, von den grollenden Wassermassen verschluckt zu werden. Mit einer einzigen Zeichnung kann ich eine Geschichte erzählen, die andere vielleicht positiv inspirieren kann und sogar die Welt zu einem besseren Ort machen könnte. An sich möchte doch jeder Mensch irgendetwas dalassen, das aussagt, dass man hier auf der Erde war und gelebt hat, oder? Man möchte nicht vergessen werden. Das tolle an der Kunst ist, dass man sich niemanden zu beweisen hat und sich nicht mit anderen Künstlern vergleichen muss, weil jeder Künstler einzigartig ist und seine eigene ganz spezielle Art hat.''
,,Warum bist du Fotograf geworden?'', stellte ich ihm eine Gegenfrage.
,,Aus relativ ähnlichen Gründen. Das Fotografieren lässt mich für ein paar Sekunden die Welt um mich herum vergessen. In Bildern kann ich Emotionen ausdrücken, die niemals einfach so in bloßen Worten zusammenfassen könnte. Beim Fotografieren habe ich das Gefühl, wenigsten einmal die Kontrolle über etwas in meinem Leben zu besitzen und meinen eigenen Willen ausleben zu können, indem ich das darstelle, was auch immer ich möchte. Die Kamera spricht nicht, verurteilt niemanden. Sie nimmt die Dinge durch ihre objektive Linse genau so auf, wie sie sind, ohne sie dabei in ein falsches schöneres Licht zu stellen.''
Diese Aussage verblüffte mich.
Wer hätte gedacht, dass sich eine Künstlerin und ein Fotograf so ähnliche Gedankengänge haben konnten?
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