Jeremy Brown
Nach der Mathestunde war ich gerade dabei, die Sachen in meinen Spind zu räumen, als ich an der Schulter von einer Person angetippt wurde. Ich drehte mich um und sah, dass vor mir ein Junge stand. Dieser trug verwaschene, dunkelblaue Jeans und einem weißen Sweater. Dazu besaß er hellblondes Haar, welches ihm in Strähnen in die Stirn fiel und grünblaue Augen. Auffallende Sommersprossen zierten sein Gesicht, die sofort meine Aufmerksamkeit auf sich zogen.
Ich war ihm bestimmt schon mal auf den Flur begegnet, das glaubte ich jedenfalls, aber mehr als drei Wörter hatte ich ganz bestimmt nicht mit ihm ausgetauscht. Seinem Blick nach zu urteilen schien er mich genauso wenig zu kennen wie ich ihn, weil er mich mindestens genauso stark neugierig musterte.
,,Hey, du bist Riley Spencer, nicht wahr?''
Seine Stimme war weich, wie weiches Karamell. Es war einer von der Sorte, der man Stundenlang zuhören hätte können.
,,Ähm ja, wieso?'', fragte ich vorsichtig nach und irgendwie hatte ich eine Vorahnung, wer hier vor mir stand.
,,Du hast mir gestern Abend geschrieben. Ich bin Jeremy. Jeremy Brown, um genauer zu sein.''
Das war also. Jeremy Brown.
,,Ich hätte gestern noch auf deine Nachricht geantwortet, aber dann habe ich entscheiden, dass es wahrscheinlich doch besser wäre, dich in der Schule persönlich anzusprechen. Du brauchst also einen Fotografen?''
Nickend sah ich ihn abwartend an.
,,Genau. Du musst wissen, dass ich in der Kunst AG bin. Diese möchte eine Kunstausstellung veranstalten, die wir organisieren sollen'', erklärte ich ihm knapp meine Situation.
,,Im Prinzip hätte ich Zeit. Du musst mir bloß sagen, bis wann du die Bilder brauchst und was genau sie ausdrücken sollen.''
Was sie ausdrücken sollen?
Er wollte die Intention von meinen Bildern wissen?
,,Die Werke für die Kunstausstellung sind alle bei mir zuhause in meinem Kunstatelier. Es wäre also vermutlich am einfachsten, wenn du an einem Nachmittag nach der Schule bei mir vorbeikommen könntest, um die Fotos zu machen.''
Je schneller wir dieser Sache abgehakt hatten, desto besser war es. Wahrscheinlich würde ein einziger Nachmittag reichen und damit wäre die Sache erledigt.
,,Es kommt natürlich darauf an, wie viele Kunstwerke du hast und wie viele Fotos du haben möchtest. Ich denke trotzdem nicht, dass allein ein Nachmittag ausreichen wird für die Fotos.''
Nicht?
Aber Fotos machen ging doch total schnell oder etwa nicht?
Man musste doch nur auf einen Knopf drücken ...
,,Echt, wirklich nicht? Ist Fotografieren so aufwendig?'', meinte ich verwundert und war dabei mehr als verblüfft.
,,Kommt drauf an, was für Bilder du haben willst. Wenn es wirklich Gute sein sollen, ist das schon etwas zeitaufwendiger.''
Das kam mehr als überraschend.
,,Wie sieht es mit deinem Honorar aus? Wie viel Geld würdest du für deine Arbeit verlangen?'', erkundigte ich mich bei ihm.
Das war mehr als wichtig.
Ob er viel Geld für seine Fotos verlangen würde?
Was Preise für Fotos anging, kannte ich mich so gut wie gar nicht aus. Aber ich war nicht arm und deshalb würde ich sicherlich ihn bezahlen können, so wie er es als richtig betrachtete. Es ging hier schließlich um eine gute Arbeit. Da war mir ein gut bezahltes Honorar für ihn das wert.
,,Mach dir mal darüber keine Sorgen. Das können wir zu einem späteren Zeitpunkt festlegen, wenn wir dann wirklich beginnen'', beruhigte er mich.
,,Okay. Wie wäre es, wenn wir diesen Freitag starten? Du könntest probieren, schon mal die ersten Bilder zu erstellen. Wie es dann weitergeht schauen wir dann'', schlug ich vor.
Das war doch eine mehr als gute Idee, oder etwas nicht?
Ich fand fand es jedenfalls einen guten Vorschlag.
,,Abgemacht, ich werde mir das Ganze mal anschauen. Aber ich werde noch keine Bilder machen'' ließ er mich direkt wissen und sorgte für ein noch größeres Fragezeichen bei mir.
Keine Bilder?
,,Warum nicht?'', fragte ich nach, weil ich es nicht verstand.
,,Ich will dir erst beim Malen zusehen und mir ein Bild von dir als Person machen, bevor ich damit beginnen kann, die Geschichte deiner Kunstwerke zu erzählen.''
Er wollte, mir beim Malen zusehen und sich ein Bild von mir und meinen Kunstwerken machen?
Ich wusste nicht so recht, was ich davon halten sollte.
War das wirklich unbedingt nötig?
Aber wenn er darauf bestand, dann musste das eben sein. Außerdem kannte ich niemanden sonst, der die Bilder für mich machen konnte. Ich hatte in gewisser Weise also keine andere Wahl, wenn ich bei der Kunstausstellung mitmachen wollte. Wenn das Jeremys Arbeitsweise war, dann musste ich mich da wohl anpassen.
,,Wenn du meinst, dass das ein muss. Um wie viel Uhr hättest du den Zeit?''
,,Ich könnte um 15 Uhr nach der Schule. Wäre das in Ordnung für dich'', schlug er vor.
,,Ja, das würde gehen'', bestätigte ich.
,,Gibt es irgendetwas, das ich speziell vorbereiten müsste?'', erkundigte ich mich bei ihm.
,,Stell nur sicher, dass du die Gemälde hast, die ich fotografieren soll. Vielleicht möchtest du dir ja vorher Gedanken machen, was du mir zu ihnen sagen möchtest. ich bin wirklich mehr als neugierig. ich hatte bis jetzt noch nie etwas mit einer Künstlerin zu tun gehabt, weißt du.''
Oh, das Ganze war also auch für ihn neu. Dann würde es umso interessanter werden. Wir könnten bestimmt einiges voneinander lernen und diese Chance sollten wir nutzen. Wir hatten wenigsten schon mal gemeinsam, dass wir beide sehr kreative Menschen waren. Das konnte doch etwas werden.
,,Gut, dann machen wir es so. Wir sehen uns dann oder schreiben uns über WhatsApp. Ich freue mich auf eine gute Zusammenarbeit'', verabschiedete ich mich von ihm und ging.
Jeremy Brown war wirklich ein sehr besonderer Mensch, das musste ich zugeben. Er schien sehr viel Mühe in seine Arbeiten zu investieren, wenn er alles über meine Bilder erfahren wollte. Und irgendwie machte mir das auch etwas Angst.
Ich war es nicht gewohnt, mich vor anderen öffnen zu müssen und daher würde das hier eine ganz besondere Herausforderung für mich werden. Bis jetzt hatte kaum jemand gewollt, dass ich meine Kunstwerke erklärte und irgendwie freute ich mich darauf. Wenn das Jeremy bei seiner Arbeit half, dann musste ich halt über meinen Schatten springen. Und wenn ich dafür am Ende mit tollen Bildern belohnt wurde, umso besser.
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