Du spürst es auch, oder?
,,Das hier ist mein Reich, auch bekannt als mein Fotostudio.'' Interessiert sah ich mich in Jeremys eigenen Vier-Wänden um. Er hatte ein langes Sideboard, auf dem mehrere elektronische Sachen deponiert waren, die er alle wahrscheinlich für seine Kamera benutzte. An der Wand hingen einige Bilder, die sehr eindrucksvolle Landschaftsmotive zeigten. Anscheinend fotografierte er gerne die Natur. Ansonsten entdeckte ich noch ein großes Bett und einen Schreibtisch mit einem sehr professionell aussehenden Computer. ,,Ist zwar nicht so beeindruckend wie dein Atelier, aber ich komme mit meinem Equipment voll klar.''
,,Ich mag es'', gab ich ihm zu verstehen und setzte mich auf die Bettkante.
,,Hast du schon mal fotografiert?''
,,Schon, da war ich aber 13 Jahre alt und es war keine wirklich gute Kamera. Bilder mache ich normalerweise mit meinem Handy'', gestand ich ihm.
,,Willst du es mal versuchen?'' Nickend stand ich auf und folgte ihm zum Sideboard, wo er seiner Kamera aus der ihr zugewiesenen Tasche herausholte und mir in die Hand drückte. ,,Okay, hier kannst du die Kamera ein und ausschalten. Mit diesem Kopf da kannst du zoomen und mit dem anderen dir die Fotos anschauen. Ich selbst fotografiere meist mit Zeitautomatik und gebe damit die Blende zur genauen Kontrolle des Schärfeverlaufs vor.''
Er nahm meine Hände und führte dabei jeweils an die Knöpfe, die er mir gerade erklärte. Ich versuchte mich zu konzentrieren, ihm zuzuhören und nicht von der Nähe zu ihm ablenken zu lassen.
,,Ich glaube, ich habe verstanden, wie genau deine Kamera funktioniert. Was genau soll ich fotografieren?''
,,Mich, fotografiere mich.''
Er sagte das mit so einer Selbstverständlichkeit, dass ich kurz erschauderte.
,,Aber ich weiß doch gar nicht, wie ich das vernünftig machen soll'', widersprach ich ihm.
,,Überlege dir einfach, wie du mich in Szene setzen könntest und was für eine Botschaft du mit deinem Foto übermitteln möchtest. Stell dir einfach vor, du kreierst gerade ein neues Kunstwerk.''
Ich schloss kurz meine Augen und stellte mir vor, wie ich Pinsel und Farbkasten in der Hand hielt und zu zeichnen begann. Und tatsächlich kam mir eine Idee, wie ich ein schönes Foto von Jeremy machen konnte.
,,Stell dich ans Fenster'', gab ich ihm dem Befehl. Jeremy gehorchte mir. ,,Beweg dich nicht.'' Neugierig sah mir Jeremy dabei zu, wie ich zur Kamera griff und sie auf ihn richtete. ,,Dreh dich noch ein Stückchen bitte.'' Er hinterfragte nichts, sondern tat es einfach. Der Raum war hell, ein großer Sonnenstrahl fiel durchs Fenster auf ihn. Perfekt. Er hielt still und ich schoss eine Reihe von Bildern. Mit jeden weiteren Schritt, den ich auf ihn zutrat, wurde die Atmosphäre zwischen uns noch geladener. Ich hielt meine Kamera so fest in meinen Händen, dass es schon schmerzte, doch ich wollte gute Aufnahmen und die gab er mir. ,,Unglaublich'', nuschelte ich und erntete dafür ein kehliges Lachen von ihm. Es halte durch den Raum und erreichte mich. Es ging mir direkt ins Mark. ,,Neig dein Kinn leicht und schau mich an. Ja, so ist es gut. Bleib so." Das Licht von draußen traf nun seine Augen. Sie leuchteten in die Linse und ich zoomte was das das Zeug hielt. Zoomte weiter und weiter. Ich machte noch einen Schritt auf ihn zu. Wir standen uns jetzt so nahe, dass ich sein Aftershave riechen konnte. Er hob das Gesicht und sah zur Seite. Die Konturen seiner Nase kamen so mehr als deutlich zur Geltung. Als ich die Kamera etwas senke, war nun der Fokus auf seinen Lippen. Ich hörte seine Atmung, die plötzlich so schnell wie meine eigene ging. Er senkte den Kopf, was dafür sorgte, dass seine Lider sich senkten. Lange Wimpern umrahmten seine Augen. Ich konnte nicht anders. Ich wollte ein Foto davon machen. Mutig ging ich noch einen Schritt näher auf ihn zu. So nah war ich ihm bis jetzt noch nie gekommen. Ich sah jede Pore in seinem Gesicht, was mich schwer atmen ließ. Angestrengt versuchte ich mich auf mein Objekt zu konzentrieren, doch das gelang mir nicht so wirklich. Als er sich über die Lippen fuhr, bekam ich eine heftige Gänsehaut. Ich schaute mir meine letzten Fotos an. Seine Augen konnte man nicht sehen, aber dafür seine langen Wimpern und seine leicht geöffneten Lippen. Die Haare waren ihm in die Stirn gefallen und verdeckten Teile seines Gesichtes. Seine Augen waren auf mich gerichtet. Sie waren dunkel und ich verlor mich in ihnen. Er war durch und durch einfach nur wunderschön. ,,Ich ... glaube es ist besser, wenn wir jetzt eine kurze Pause machen'', stotterte ich leicht verlegen.
Er sagte nichts. Stattdessen kam er auf mich zu und nahm mir die Kamera ab. Als wir uns immer noch so nah gegenüberstanden, entschied er sich doch dazu, den Mund zu öffnen und etwas zu sagen.
,,Weißt du, ich bin normalerweise total professionell, wenn es ums Fotografieren geht. Aber du machst es mir gerade absolut nicht leicht, meinen Prinzipen zu folgen, Riley Spencer.''
Jeremys Atem war rau und kitzelte mich und ich dachte daran, wie es wäre, seine Lippen auf meinem zu spüren. Verdammt, ich kannte diesen Jungen kaum und dennoch hatte aus irgendeinem Grund gerade das starke Bedürfnis danach, ihn zu küssen. Ich wollte mit den Fingern über seine Oberarme fahren und seine Wangenknochen berühren. Ich wollte mich an ihn pressen und seine Brust auf meiner eigenen spüren.
Ob es ihm genauso ging?
Seinem Blick und seinen Worten nach zu urteilen schon.
Oder täuschte ich mich da gewaltig?
,,Du spürst es auch oder? Dieses Gefühl, welches zwischen uns ist, nicht wahr?''
Jeremys Stimme war nicht mehr als ein Flüstern. Ich sah ihm tief in die Augen und war komplett in ihrem einzigartigen blaugrünen Farbe gefangen. Nein, ich hatte mich nicht getäuscht. Jeremy fühlte in diesem Augenblick dasselbe.
Und genau das machte mir Angst. Wir waren nicht dazu bestimmt, Freunde oder etwas anderes zu werden. Wir hatten uns lediglich darauf geeinigt, für mein Kunstprojekt zusammenzuarbeiten. Hastig schüttelte ich den Kopf.
,,Da ist nichts zwischen uns, Jeremy. Das bildest du dir bloß ... '', bevor ich meinen Satz vernünftig beenden konnte, lagen seine Lippen schon fordernd auf meinen.
Er drückte mich leicht gegen die Wand und drängte seinen Körper gegen meinen. Und weil es genau das war, was ich in diesem Augenblick wollte, erwiderte ich, ohne zu zögern, mit genau der selben Leidenschaft diesen atemberaubend Kuss und kam ihm mit meiner eigenen Zunge entgegen.
Es fühlte sich wie der verdammte Himmel an, Jeremy Brown zu küssen. Sehnsüchtig nach mehr vergrub meine Hand in sein Haar und gab mich ihm vollkommen hin. Ich ließ zu, dass er nach meiner Hüfte griff und mich so noch näher an ihn heranzog. Und dann hatte er doch tatsächlich die Dreistigkeit, sich von meinem Lippen zu lösen und vor mir zurückzuweichen.
,,Tut mir leid ... ich wollte nicht einfach so über dich herfallen und ... dich überrumpeln. Bitte, entschuldige. Vergessen wir einfach, dass das überhaupt passiert ist'', entschuldigte sich Jeremy bei mir atemlos.
Sein verdammter Ernst!
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