Ablenkung
,,Schon gut, Jeremy. Ich bin dir nicht nachtragend, dass du mich gerade eben geküsst hast. Es ist für mich nicht das erste Mal, dass mir so etwas passiert ist'', beruhigte ich ihn.
Ich war immer noch völlig durcheinander und völlig neben der Spur.
Was war das gerade zwischen uns gewesen?
Warum hatte es überhaupt diesen Moment zwischen uns gegeben und warum hatte ich mir tief im Inneren so sehr gewünscht, dass dieser Kuss niemals geendet hätte?
Das waren alles Fragen, die ich mir selbst gerade leider nicht beantworten konnte.
,,Du lässt dich also öfters einfach von jemanden küssen?''
Die durch meine Worte entstandene Neugierde stand ihm wortwörtlich ins Gesicht geschrieben.
,,Ich bin nicht jemand, der etwas Festes eingeht'', erklärte ich ihm.
,,Gibt es dafür einen bestimmten Grund? Ich meine, du bist hübsch, klug und dazu noch ein super angenehmer Gesprächspartner. Es wird doch bestimmt einige Jungs geben, die gerne mit dir zusammen sein wollen würden.''
Bei dieser Aussage wurde mir augenblicklich heiß.
Er fand mich hübsch klug und, dass ich ein guter Gesprächspartner war?
,,Ich möchte keine feste Beziehung, weil ich weder an die große Liebe noch an die großen Gefühle glaube. Ich war noch nie ernsthaft in jemanden verliebt, daher kann ich gar nicht sagen, wie sich so etwas überhaupt anfühlt. Bis jetzt gab es noch niemanden, bei dem ich mir gewünscht hätte, mit ihm in einer Beziehung zu sein.''
Bis jetzt hatte es noch nie jemand geschafft, mich vom Gegenteil zu überzeugen ...
,,Ich verstehe deinen Gedankengang. Wenn man noch nie so stark für jemanden gefühlt hat, ist es vermutlich sehr schwer, sich vorstellen, dass es so etwas wie die groß Liebe tatsächlich gibt. Vielleicht muss man dafür erst der richtigen Person begegnen, um vom Gegenteil überzeugt zu werden.''
***
,,Ach komm schon, Riley. Lass dir doch nicht immer alles aus der Nase ziehen. Erzähl schon, wie war dein Abend gestern bei Jeremy Brown?'', forderte mich Bianca auf, zu erzählen.
Wir hatten uns alle in unsere Pyjamas geworfen, hatten etwas Musik angemacht und waren gerade dabei, uns gegenseitig die Fingernägel zu lackieren. So etwas gehörte zu einem richtigen Sleepover bei uns einfach dazu. Gerade weil ich mich ziemlich oft in diesem großen Haus alleine war, war ich ziemlich froh, dass Selina, Bianca und Ashley den Nachmittag bei mir verbrachten und die Nacht blieben.
,,Da gibt es nicht viel zu erzählen, Bianca. Ich habe beim Abendessen seine Familie kennengelernt und er hat mir anschließend einfach nur gezeigt, wie man mit seiner Kamera fotografiert und das war's im Großen und Ganze schon. Mehr ist da wirklich nicht passiert.''
,,Ich glaube dir das irgendwie nicht so ganz, Riley. Deine Körpersprache sagt gerade etwas völlig anderes'', entgegnete Ashley, die gerade dabei war, roten Nagellack auf ihre Fußnägel aufzutragen.
Ich fand es unglaublich, wie gut einen Ashley manchmal kannte. Viele Sachen, die man nicht laut aussprach, las sie einfach von der Nasenspitze ab. Es war wirklich schwer vor ihr Dinge geheim zu halten.
,,Also gut, es ist doch gestern Abend zwischen mir und Jeremy passiert, das ich eben nicht erwähnt habe'', gab ich schlussendlich doch zu.
Ich war sowieso schon aufgeflogen. Sechs Augenpaare sahen mich nun sehr interessiert an und warteten geduldig darauf, dass ich endlich weitersprechen würde.
,,Ich habe ihn beim Fotografieren in Szene gesetzt irgendwie haben wir uns dann so stark im Moment verloren, dass wir uns geküsst haben. Ich weiß auch nicht wieso.''
,,Soso'', gab Ashley breit grinsend von sich.
,,Und dann, was ist danach passiert?'', wollte nun Selina wissen, die mich nun mit ihren großen braunen Augen ungläubig ansah.
,,Er hat den Kuss nach ein paar Sekunden abgerochen und sich bei mir entschuldigt, weil er mich angeblich nicht überrumpeln wollte. Daraufhin habe ich zu ihm gemeint, dass das eben völlig in Ordnung war, weil ich so etwas nicht zum ersten Mal passiert ist. Ihr wisst doch, dass ich nicht für etwas Festes zu haben bin. Das habe ich ihm ganz deutlich erklärt. Anschließend haben wir uns ganz normal verabschiedet und nicht mehr über diesen Kuss geredet.''
Warum mussten die eigenen Freunde immer so neugierig sein?
,,Also habt ihr vor die Ganze Sache einfach zu vergessen und so zu tun, als wäre nie etwas passiert?'', hakte Bianca nach.
,,So ungefähr. Ich schätze, ich könnte definitiv eine Ablenkung gebrauchen, damit ich die Ganze Sache so schnell wie möglich vergessen kann.''
,,Wie wäre es, wenn wir am Samstag in die Disco gehen?'', schlug Bianca vor.
Das war gar nicht mal eine so schlechte Idee.
,,Bin au jeden Fall dabei'', ließ ich sie wissen.
,,Ach man, ich habe leider schon etwas vor. Meine Eltern wollen mit mir übers Wochenende zu meiner Tante fahren'', gab Ashley mit einem bedauernden Blick von sich.
,,Das ist nichts für mich. Geht ihr nur ruhig und amüsiert euch in der Disco.''
Das hatte ich mir fast schon gedacht. Selina war nicht der Typ von Mensch, der gerne Feiern ging.
,,Ich könnte Aubry fragen, ob sie Lust hat, mit uns mitzugehen'', sagte ich und sah Bianca an, die direkt nickte.
,,Einverstanden.''
***
Die Musik strömte überall durch meinen Körper. Ich schloss die Augen und gab mich dem Beat hin. Dabei bewegte ich die Hüften zum dem vorgegebenen Takt. Aubry und Bianca hatten sich etwas rechts von mir zusammengetan und waren dabei, gemeinsam zu tanzen. An Wochenenden, konnte ich mir nichts besseres vorstellen als mit meinen Freunden in eine Disco zu gehen.
Für mich bedeute das Tanzen pure Freiheit. In Augenblicken wie diesen, konnte ich einfach abschalten und meine ganzen Sorgen und den Alltagsstress für eine gewisse Zeit vergessen. Sowie war das hier der perfekte Ort für mich, um jemanden zu finden, der mich von Jeremy Brown ablenken würde.
Ich hatte sowas von genug davon, dass sich unserer Kuss immer und immer wieder in meinem Gedächtnis abspielte. Ich hatte genug davon, seine weichen Lippen immer noch irgendwie auf meinen spüren zu können. Ich hatte genug davon, mir vorzustellen, wie Jeremys warmer Körper sich ohne irgendwelchen Stoff auf meinem anfühlen würde.
Wir beide mussten einfach wieder einen professionellen Umgang miteinander pflegen und dieses Projekt am besten so schnell wie möglich zu Ende bringen. Es war besser für uns beide. Als ich Hände auf meiner Taille spürte, schreckte ich aus meinen Gedanken auf.
Ein fremder Junge hatte mich so eben angetanzt und sich dabei meinen Hüftbewegung angepasst. Er sah mit seinem haselnussbraunen Haarschopf, seinen grünbraunen Augen und seinem eher schlaksigen Figur bei Weitem nicht so gut aus wie Jeremy, doch er würde mir genau die Ablenkung bieten, die ich in letzter Zeit dringend brauchte.
Auch ich passte mich seinen Bewegungen an und ließ mich auf seinen offensichtlichen Flirtversuch mit mir ein. Verdammt, nein. Ich würde heute Abend auf gar keinen Fall auch nur irgendeinen Gedanken an Jeremy Brown verschwenden.
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