Mein neuer Traum

,,Wie stellst du dir deine Zukunft vor, Ashley?''

,,Was möchtest du später mal werden?''

,,Welcher Studiengang interessiert dich?''

,,Wo willst du wohnen? Wirst du in Kalifornien bleiben?''

,,Hast du denn überhaupt keinen Plan?''

Wahrscheinlich war es für viele mehr als einfach, diese Fragen zu beantworten. Aber für mich nicht, weil ich absolut keine Ahnung hatte, wie es nach der Schule weitergehen sollte. Die Auswahl war groß und ich hatte trotzdem keine Idee, wie mein Weg aussehen könnte. Der einzige Traum, den ich früher gehabt hatte, war weg.

Und vielleicht war es auch besser so. Es war verdammt schwer, eine Autorin zu sein. Man konnte schon von Glück reden, wenn einem Verlag dein Manuskript gefiel und Leute dein Buch kauften. Die Konkurrenz war groß und somit war es umso schwieriger, sich einen Namen im Büchermarkt machen zu können. Nur den wenigsten Autoren gelang das.

Meine Mutter meinte oft, dass ich einfach Lehrerin werden sollte, doch in diesem Beruf sah ich mich einfach nicht. Studieren wollte ich eigentlich sowieso nicht. Ich wollte nicht schon wieder unter Druck stehen und Leistung bringen müssen. In fast jedem Studiengang war Mathe dabei und genau davor hatte ich Angst. Wenn man eine Prüfung nicht bestand, dann hatte man nur zwei Versuche. Wenn man diese auch vermasselte, war es das mit dem Studium.

Doch allein die Frage, welches Studium es den sein sollte, überforderte mich. Mein Vater meinte, dass es am Ende nur um das Diplom ging, das sah ich jedoch anders. Das Studium sollte einem Spaß machen und man sollte sich sicher sein, dass es das war, was man wollte. Ich wollte mit vollem Herzblut dabei sein und darin aufgehen, was ich tat.

Ich verstand nicht, warum man von Menschen, die noch so jung waren, verlangte, dass sie sich sofort für etwas entschieden. Aber vielleicht war einfach nur ich das Problem. Selina hatte schon sehr früh gewusst, dass sie Tierärztin werden wollte. Auch, dass sie die Welt bereisen wollte, hatte sie sehr bald bekanntgegeben.

Riley hatte, seitdem sie klein war, gewusst, dass in ihr eine großartige Künstlerin steckte und sie mit ihrer Kunst irgendwann Geld verdienen wollte. Bianca hatte beim Aufpassen der Nachbarskinder bemerkt, dass sie gerne diese süßen Geschöpfe auf ihrem Weg begleiten wollte. Ich sah sie in einem Kindergarten, wie sie den Kleinen die Schuhe band und ein großes Lächeln ihre Mundwinkel umspielte.

Aubry hatte immer, als man sie danach gefragt hatte gesagt, dass sie gerne Schauspielerin im Theater wäre. Ich war jedes Mal total beeindruckt gewesen, als ich sie in der Schule auf der Bühne gesehen hatte. All meine Freundinnen schienen einen Plan von ihrer Zukunft zu haben. Nur ich nicht.

***

,,Hast du schon eine Idee, was du nach der Schule machen möchtest, Ashley?'', wurde ich von Nicks Mutter gefragt, als ich mit den Coles beim Abendessen saß.

,,Das weiß ich leider noch nicht'', gab ich bedauernd zu und kaute auf meinem Stück Brot, das ich mir auf den Teller gelegt hatte.

Es brachte doch nichts, wenn ich sie anlog und behauptete, dass ich einen Plan von meiner Zukunft hätte.

,,Ihr habt ja noch etwas Zeit, aber nicht mehr so lang. Die Schulzeit geht schneller vorbei, als man glaubt. Aber ich bin mir sicher, dass du noch herausfinden wirst, was dein Weg sein soll.''

Nicks Mutter meinte es lieb und ihre Worte waren als Zuspruch an mich gedacht. Doch dieser kam leider nicht bei mir an. Es war ja schön, dass Personen sich sicher waren, dass man seinen Weg finden würde.

Aber was war, wenn man es einfach nicht tat?

Wenn man absolut keinen Weg sah, den man gehen konnte?

Oder war ich so verloren, dass ich ihn gar nicht erst sah?

Vermutlich ...

,,Nick möchte etwas mit Technik studieren. Er will zu unseren Verwandten nach Kanada ziehen und dort für eine Weile bleiben. Ich finde das eine ganz tolle Idee.''

Der Stolz über seinen Sohn stand Nicks Vater wortwörtlich ins Gesicht geschrieben. Ich sah rüber zu meinem Freund und dieser hatte auch ein großes Lächeln im Gesicht. Er fing an, zu erzählen, warum genau er nach Kanada gehen wollte und welche Vorteile er in einem Studium dort sah. Für mich gab es nichts Schöneres, als wenn jemand mir seinen Traum beschrieb.

Ich liebte es, es in den Augen zu sehen, wie viel einem das, was man gerade beschrieb, bedeutete. Man konnte die Euphorie aus der Stimme heraushören und sie war absolut ansteckend. Ich hatte nicht gewusst, dass das Nicks Traum war und daher überraschte es mich umso mehr. Aber ich freute mich ebenso wirklich sehr für ihn und ich hoffte, dass er sich diesen erfüllen könnte.

***

Als ich am Abend in meinem Bett saß, war etwas anders. In mir waren Gedanken, die auf ein Papier mussten. Ich wollte es aufschreiben, woran ich gerade dachte. Also suchte ich die Kiste mit meinen Notizbüchern. Ich suchte nach dem neuesten Büchlein und holte mir vom Schreibtisch einen Stift. Vielleicht hatte ich mittlerweile doch einen neuen Traum. Doch dieser war nicht materiell oder hatte etwas mit einem Beruf oder Studium zu tun. Es ging viel eher um einen Menschen, den ich niemals verlieren wollte.

Ich liebte meinen Freund und ich würde bei ihm bleiben, wo auch immer er hinwollte. Solange wir beide uns hatten, war Ashley Cooper verdammt glücklich. Und dieses Gefühl hatte sie so lange schon nicht mehr gespürt. Und vielleicht war es genau das, worauf es im Leben ankam. Sich von einem anderen Menschen geliebt zu fühlen, war alles. Allein darin fand ich so viel Glück, dass mein Herz fast zu platzen drohte. Mehr brauchte ich eigentlich nicht. Ich nahm den Stift in die Hand und begann das erste Mal seit Wochen, etwas zu schreiben.

Was ist, wenn mein Traum du bist?

Du sagst mir jedes Mal, ich soll meinen Traum leben.

Aber ich frage mich, was ist, wenn mein Traum du bist.

Mir ist es egal, wo wir hingehen, ob wir auf dem Land leben oder in der Stadt sind.

Mir ist es egal, ob du nach Kanada ziehen möchtest, eine Werkstatt aufbauen oder lieber in die Wüste ziehen möchtest. Egal ob bei -30 oder 40 Grad. Ich komme damit klar, solange du da bist.

Meine Träume waren immer schon weniger materiell und meine Heimat habe ich nicht in einem Haufen Steine gefunden. Sondern in dir. Und wo auch immer es uns hinverschlägt. Ich bin glücklich, solange du da bist.

Ist es falsch, so zu denken?

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