Unser Geheimnis
Joshs Sicht:
Hätte mir jemand gesagt, dass ich jemals in meinem Leben eine 3- in einer Chemiearbeit haben würde, hätte ich dieser Person einen Vogel gezeigt. Doch da war sie. Sie stand in rot geschrieben auf meiner letzten Klausur und das alles hatte ich Selina Lauren Maynard zu verdanken.
Natürlich lernten wir nicht nur, wenn sie mir Nachhilfe in Chemie gab. Aber wir setzten uns mindestens eine Stunde konzentriert hin und gingen jede einzelne Aufgabe durch. Selbst wenn ich nicht direkt die richtige Antwort wusste, blieb Selina ruhig und gab mir Hilfestellungen.
Und zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich das Gefühl, dass ich etwas geschafft hatte. Dass ich eben nicht zu dumm war, sondern einfach nur jemanden gebraucht hatte, der sich die Zeit nahm und mich motivierte, am Ball zu bleiben.
Niemand war zu blöd für etwas. Wenn man sich hinsetzte und es wirklich durchzog, wurde man belohnt. Den Beweis dafür hatte ich nun.
,,Hier.'' Mit einem grünen Stift umkreiste Selina in der Arbeit die fälschlich aufgeschriebene Strukturformel für den Alkohol Methanol. ,,Du verwechselst Butanol immer mit Methanol, merke dir: Methanol hat ein Kohlenstoffatom, Butanol drei'', korrigierte sie mich.
,,Ich bin einfach nur glücklich, dass ich mich nicht mehr wie der reinste Idiot fühle und das alles habe ich dir zu verdanken.''
Ich meinte es genauso, wie ich es sagte. Durch sie fühlte ich mich wie jemand, der so viel mehr konnte, als er sich selbst zutraute. Und das war eine ganz neue Empfindung für mich. Man musste einfach mehr an sich selbst glauben.
Das mochte merkwürdig für jemanden klingen, der oftmals so selbstbewusst rüberkam. Aber das war ich nun mal nicht in dem Ausmaß, mit dem ich die Leute zu täuschen versuchte. Hinter meiner Fassade gab es auch Selbstzweifel, die gar nicht mal so klein waren.
,,Du bist kein Idiot und warst nie einer, Josh'', versicherte sie mir und irgendwie war es schön zu hören, dass jemand so schlaues wie sie so über mich dachte.
,,Komm her.''
Selina richtete sich von ihrem Stuhl auf und stellte sich vor mich hin.
,,Lass dich drücken.''
Weil ich gerade die Nähe zu Selina mehr alles andere brauchte, schlang ich meine Arme um sie und zog sie kurzerhand auf meinen Schoß. Es fühlte sich mehr als gut an, ihr Gewicht auf mir zu spüren.
,,Was machst du nur mit mir?'', fragte ich sie, während ich ihre Schläfe küsste.
,,Ich schätze dasselbe wie du mit mir'', gab sie als Antwort zurück.
Selina und ich küssten uns und ich wünschte mir so sehr, dass die das Gleiche dabei fühlte wie ich. Ihre Hände fuhren unter mein T-Shirt und sie bereitete mir damit eine starke Gänsehaut. Ich genoss es und griff ebenfalls unter ihr T-Shirt, wo ich sie leicht am Bauch streichelte.
Ich fragte mich, wie weit ich noch gehen könnte und wann sie mich stoppen würde. Am liebsten würde ich sie hochheben, sie auf ihr Bett ablegen und sie bestimmend mit meinem Körper auf die Matratze drücken. Doch ich verbot es mir. Ich musste es langsam angehen, um sie nicht zu verschrecken.
Um sie näher zu mir heranzuziehen, legte ich meine Hände auf ihren Po, während ich neckisch mit ihrer Zunge spielte. Und dann machte Selina etwas, worauf ich nicht vorbereitet war.
Sie hob die Hüften etwas an und drückte sich dabei gegen meinen Unterleib, der bei dieser Berührung zu Kribbeln anfing. Fuck, wenn sie nicht damit aufhörte, würde es gleich ziemlich eng in meiner Jeans werden.
,,Verdammt, du musst damit aufhören, Selina. So halte ich das auf keinen Fall eine weitere Sekunde länger aus'', erklärte ich ihr laut atmend, als ich sie entschieden an ihrer Taille festhielt, um zu verhindern, dass das hier noch weiter aus dem Ruder lief.
,,Was genau meinst du?'', fragte sie mich verwirrt.
Ihr war noch nicht einmal bewusst, was sie mit mir anstellte.
Wie verdammt konnte dieses Mädchen nicht sehen, wie begehrenswert ich sie fand?
,,Ich meine damit, dass du aufhören solltest, deine Hüfte so aufreizend zu bewegen. Du sitzt genau in meinem Schritt'', machte ich sie darauf aufmerksam und schloss kurz lächelnd die Augen.
Als ich sie wieder öffnete, sah ich in Selinas geschocktes Gesicht. Und irgendwie hatte ich genau mit so einer Reaktion gerechnet.
,,Es tut mir leid. Ich hatte nicht vor dich ... ich weiß nicht, warum ich das eben gemacht habe'', entschuldigte sie sich bei mir.
Den Kopf schüttelnd hob ich sie leicht an und setzte sie auf meine Oberschenkel.
,,Du brauchst dich doch nicht dafür entschuldigen, dass du mich scharf machst, Püppchen. Das einzige Problem dabei ist nur, dass ich, wenn ich dich nicht gestoppt hätte, schnell mehr gewollt hätte. Ich weiß, dass ich es mit dir langsam angehen muss, weil du keine Erfahrung in diesem Gebiet hast. Und damit will ich nicht sagen, dass wir nie so etwas in dieser Richtung machen können. Es sei denn du willst, dass wir nun ja miteinander rummachen oder sogar miteinander schlafen'', machte ich ihr klar.
Auch meine Selbstbeherrschung hatte ihre Grenzen. Und ich befürchtete, dass ich schneller mehr wollen würde als sie. Deshalb musste sie mir kommunizieren, was in Ordnung war und was nicht.
,,Wovon träumst du so, um an so etwas überhaupt zu denken, Macho?''
Wenn sie wüsste ...
Ich griff nach ihrem Gesicht und zog es zu meinem. Wir küssten uns wieder, bis wir voneinander abließen, weil wir auch mal atmen mussten.
,,Ich glaube, das kannst du dir ganz genau denken, Püppchen.''
Sie musste doch ganz bestimmt wissen, was in meinem Kopf so vorging. Klar, ich hatte stets nur Andeutungen gemacht. Aber Selina war ja ein sehr schlauer Mensch und sollte eigentlich so langsam gecheckt haben, dass ich sie begehrte.
,,Jetzt mal im Ernst. Würdest du es denn überhaupt wollen? Ich meine, würdest du mit mir schlafen wollen?''
Auf diese Frage war ich nicht vorbereitet.
Nicht von ihrer Seite aus.
Fragte sie mich das, weil sie tatsächlich in Erwägung zog, mit mir Sex zu haben?
,,Was?"
,,Ich habe dich gefragt, ob du mit mir schlafen wollen würdest'', fragte sie mich noch einmal, wobei sie ihre Hände auf ihren Schoß legte.
,,Ich weiß, akustisch habe ich dich schon verstanden. Was soll diese Frage?"
War ihr denn nicht durch meine Worte von vorhin klar, dass ich mit ihr schlafen wollte und es eher darum ging, ob es genauso bei ihr war?
,,Ich will einfach nur wissen, ob du es dir vorstellen könntest. Also was ist?''
,,Ist das eine Fangfrage?''
Bei Selina Maynard konnte man ja nie wissen, warum genau sie nachfragte ...
,,Nein, das ist keine Fangfrage, Josh. Das ist eine einfache Frage, die entweder mit einem klaren Ja oder Nein zu beantworten ist.''
,,Willst du es denn?'', kam ich mit einer an sie gerichteten Gegenfrage. Es war sehr wichtig, dass zu wissen. In Selina schien es zu arbeiten, denn sie antwortete mir nicht direkt. Vielleicht brauchte sie einfach etwas Zeit, um etwas genauer darüber nachzudenken, ob sie es sich vorstellen konnte. ,,Du musst mir diese Frage nicht sofort beantworten'', ließ ich sie wissen.
,,Ich denke schon.''
Bei diesen Worten klopfte mein Herz augenblicklich schneller. Das hieß also, dass sie gegenüber dieser Idee nicht völlig abgeneigt war.
,,Was genau heißt bei dir, ich denke schon?''
Das war schließlich kein eindeutiges ,,Nein'' aber auch kein eindeutiges ,,Ja''. Und deshalb wollte mir absolut sicher sein, wie genau sie das meinte.
,,Das soll heißen, dass ich denke, dass es für mich einfacher ist, mein erstes Mal mit jemanden zu haben, dem ich vertraue. Du weißt, dass ich es noch nie zuvor gemacht habe. Ich, ich habe irgendwie einfach Angst'', gab sie etwas ziemlich leise von sich.
Ich war etwas überrascht, doch freute mich gleichzeitig, dass sie mir scheinbar so sehr vertraute, dass sie es sich vorstellen konnte, dass ich die erste Person sein würde, mit der sie schlief.
Und dass sie gleichzeitig etwas Angst hatte, war definitiv verständlich. Dinge, die uns neu waren, machten einem nun mal Angst.
Oftmals wusste man eben bei diesen Dingen nicht, was einen erwarten würde. Das Einzige, was man gegen diese Angst machen konnte, war herauszufinden, woher sie kam und sich ihr zu stellen. Einen anderen Weg gab es nicht.
,,Angst wovor?'', hakte ich nach.
,,Ich war noch nie jemanden so nah wie dir. Ich habe Angst davor, wenn es mit jemand anderem wäre, es nicht so wird, wie geplant, ich mich blamiere und Mist baue, weil ich nicht weiß, wie es geht. Es würde mir schon ausreichen, wenn es nur ein einziges Mal wäre, es sei denn du kriegst es nicht gleich hin, dass es, keine Ahnung, gut wird oder möchtest nicht'', beichtete sie mir.
Sie befürchtete also, dass sie sich blamieren würde, warum auch immer. Ich wusste ja, dass sie so gut wie keine Erfahrung in dieser Richtung hatte und das störte mich nicht.
Darauf würde ich Rücksicht nehmen und alles dafür tun, dass es ein schönes Erlebnis für sie werden würde, wenn sie mit mir schlafen wollte.
Ich konnte warten und es wäre auch völlig in Ordnung gewesen, wenn sie es schlussendlich überhaupt nicht wollte.
,,Mach dir darüber mal keine Sorgen. Das wird das geringste Problem sein. Glaub mir. Ich für meinen Teil bin bereit, alles mit dir zu tun, was auch immer du willst und werde es hinkriegen, dass es gut wird, wenn du es wirklich möchtest. Ich verspreche es dir, Selina'', versuchte ich sie zu ermutigen.
,,Ich will dir deine Illusion nicht nehmen, aber ich kann mir vorstellen, dass in deiner Phantasie alles besser ist als in der Wirklichkeit. Ich bin nicht so perfekt wie diese wunderschönen Models, die du sonst an deiner Seite hattest. Du hast mich bis jetzt noch nie nackt gesehen und ich möchte wirklich nicht, dass du dir zu viel von meinem Körper erwartest.''
Ich hatte mir schon einige Male in Gedanken vorgestellt, wie Selina wohl nackt aussah. In jeder einzelnen dieser Versionen hatte ich ihren Körper zumindest aus meiner Sicht als perfekt empfunden.
Aus dem einfachen Grund, weil er ihr gehörte. Ich wäre niemals auf die Idee gekommen, sie mit anderen Mädchen zu vergleichen. Sie war Selina und genau so perfekt, wie sie war.
,,Es geht mir bei dir doch nicht nur um dein Aussehen. Ich mag dich auch so, als die Person, die du bist. Mag sein, dass du nicht perfekt bist. Nein, eigentlich bist du ganz bestimmt nicht perfekt. Du bist ab und zu wirklich total nervig und willst dazu auch immer das letzte Wort haben. Ja, du bist anders, wie die ganzen anderen Mädchen, mit denen ich bis jetzt geschlafen habe. Aber das sollte kein Grund sein, warum du dich eingeschüchtert fühlen solltest. Ohnehin müssen nur die Frauen perfekt sein, die nichts anderes können. Und was deinen Körper betrifft, bin ich mir ziemlich sicher, dass du dich irrst. Obwohl ich bisher noch nicht das Vergnügen hatte, ihn in seiner vollen Pracht zu sehen, gibt es da, soweit ich das beurteilen kann, ganz bestimmt nichts an dir, was du verstecken müsstest. Nicht vor mir.''
Sie sollte sich nicht vor mir verstecken. Ich wollte alles von ihr sehen und jede Seite an ihr kennenlernen. Ich konnte ihr keine ihrer eigenen Unsicherheiten nehmen.
Aber ich konnte dafür sorgen, dass sie wusste, wie ich sie sah. Und mir würde es mehr als gefallen, sie etwas aus ihrer eigenen Komfortzone zu locken.
,,Ich würde gerne etwas ausprobieren und dafür sorgen, dass du jetzt an etwas anderes, als an deine Selbstzweifel denkst'', verkündete ich, als mir auffiel, dass Selina in Gedanken abgedriftet war, ich konnte die Rauchwolke über ihrem Kopf förmlich sehen. Ich strich mit den Lippen über eine empfindliche Stelle auf ihrem Hals und beobachtete, wie sie darauf reagierte. Selina schluckte und sah mich abwartend an. ,,Aber ich brauche dein Einverständnis'', hauchte ich ihr zu.
Ich würde ihr keinen Knutschfleck machen, wenn sie es nicht wollte.
,,Warum?''
,,Weil ich nie etwas tun würde, was du nicht möchtest'', erwiderte ich.
Ich mache nichts mit dir, ohne, dass du es mir ausdrücklich erlaubst, Selina.
,,Du hast meine Erlaubnis'', versicherte sie mir.
Also nahm ich mir die Stelle vor und wollte gerade leicht dran saugen, als die Zimmertür plötzlich aufflog.
Ich ließ sofort von Selina ab und wir beide sahen in das Gesicht ihrer Mutter, die uns ziemlich skeptisch anblickte.
,,Was genau macht ihr da?''
Mit der Wahrheit herauszurücken, konnte ich wohl ziemlich schlecht. Sie wäre ganz bestimmt nicht begeistert davon gewesen, wenn sie wüsste, dass ich mit ihrer Tochter herumgemacht hatte.
,,Selina hat ein Date mit Brice'', probierte ich ihr eine schnell ausgedachte Notlüge aufzutischen.
,,Und dafür muss sie auf deinen Schoß sitzen?''
Sie schien mir nicht ganz zu glauben. Verübeln konnte ich es ihr jedoch nicht. Ich wäre auch an ihrer Stelle ziemlich misstrauisch gewesen.
,,Sie hat mit mir nur das Date nachgespielt'', log ich weiter.
,,Das stimmt'', kam mir Selina zur Hilfe, wobei ich aus ihrer Stimme heraushörte, wie nervös sie war.
Das Wort ,,Date'' und ,,Brice" schienen eine besondere Wirkung auf Selinas Mutter zu haben. Ihre Augen strahlten und sie nahm ihre Tochter ganz fest in den Arm, als sie von mir aufstand und zu ihrer Mutter hinlief.
,,Das ich diesen Tag noch erleben werde. Ich habe es selber nicht für möglich gehalten. Mein großes Mädchen hat ein Date.''
In diesem Moment begriff ich, dass egal, was zwischen war, unser Geheimnis bleiben würde. Niemand sonst würde von dem hier erfahren. Selina würde weiterhin so tun, als würde sie immer noch etwas von ihrem früheren Schwarm Brice wollen.
Und ich würde so tun, als wäre ich Single seit der Trennung mit Bianca. Irgendwie störte mich das, dass ich nicht vor anderen zu ihr stehen konnte.
Aber wir hatten ja auch nie zu keinem Zeitpunkt festgelegt, dass es etwas Ernstes war, obwohl wir seit zwei Wochen Dinge taten, die in einer Freundschaft nicht üblich waren.
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