Das Himmelslaternenfest

Joshs Sicht:

,,Himmelslaternenfest?''

Es war wohl nun ziemlich offensichtlich, was wir machen würden, nachdem Selina das Plakat entdeckt hatte, auf dem in Großbuchstaben draufstand, was heute Abend hier stattfinden würde.

,,Soweit ich weiß, gibt es das Himmelslaternenfest nur einmal im Jahr hier in Kalifornien und ich hatte gedacht, es wäre eine coole Idee für unsere Verabredung auf freundschaftlicher Basis'', erklärte ich ihr, während wir die Lichtung zum Strand entlangliefen.

,,Woher weißt du davon?'', wollte sie von mir wissen.

Das würdest du jetzt sehr gerne wissen ...

Manche Dinge behielt man lieber für sich und verriet sie nicht. In diesem Fall würde ich ihr nicht erzählen, dass ich Ashley gefragt hatte, ob sie eine Idee hätte, was ich mit Selina auf unserer ,,auf Freundschaft basierenden Verabredung'' machen konnte.

Ich glaubte, dass das gar nicht mal so ein blöder Vorschlag war. Selina würde es hoffentlich gefallen und mir auch.

,,Geheimnis.''

Selina knuffte mich spielerisch leicht in die Wange und gab mir einen kurzen Kuss, der einen Haufen von Schmetterlingen in meinem Bauch freisetzte.

,,Lass uns auch gemeinsam eine Himmelslaterne holen.''

Sie zog mich mit sich zu einem kleinen Tisch, wo sich alle eine Himmelslaterne holten.

,,Auf die Laterne könnt ihr schreiben, was ihr wollt. Es kann ein Spruch, eine Zeichnung oder ein Wunsch sein. Ihr seid da komplett frei'', erläuterte uns eine Frau, die uns eine Laterne und Stift aushändigte.

,,Lass es uns so machen, wie an dem Abend, an dem wir im Gras gesessen sind und eine Sternschnuppe gesehen haben. Ich verrate dir nicht, was ich aufgeschrieben habe und du wirst mir nicht verraten, was du geschrieben hast. Einverstanden?''

War ja klar, dass Selina wieder für sich behalten wollte, was sie sich wünschte. Aber wenn sie das so machen wollte, hatte ich kein Problem damit.

,,Einverstanden. Ich lass dich als erstes schreiben. Du kannst die rechte Seite haben. Ich nehme die Linke'', willigte ich sofort ein.

Selina griff beherzt nach dem Stift und der Laterne und begann zu schreiben. Ich drehte mich währenddessen um und wartete, bis sie fertig war. Als sie es war, übergab sie mir denn Stift und nun war ich dran.

Ich überlegte kurz und tatsächliches gab es da etwas, was ich auf diese Laterne schreiben wollte. Da wir sowieso ausgemacht hatten, dass wir uns gegenseitig unseren Wunsch nicht verraten würden, entschied ich mich für Worte, von denen ich froh war, dass Selina sie nicht sehen würde.

Selina soll glücklich sein und all ihre Träume sollen in Erfüllung gehen. Und ich hoffe wirklich, dass der Glückspilz, der eines Tages mit ihr zusammen sein darf, sie genauso behandeln wird, wie sie es verdient hat und sie für den Menschen wertschätzt, der sie ist.

,,Hey, wie war das mit dem nicht gucken, Püppchen?!'', rief ich empört aus, als ich merkte, dass Selina zu mir rüber schielte, um lesen zu können, was ich auf die Laterne geschrieben hatte.

,,Sorry. Bist du fertig?'', entschuldigte sie sich bei mir.

,,Jetzt schon.''

Ich hielt meine Hand vor meinem Text und sie tat es auch.

,,Ich halte die Himmelslaterne, wenn sie angezündet wird, links und du rechts, okay?'' beharrte Selina, um ja sicherzugehen, dass wir nicht sahen, was der andere aufgeschrieben hatte,

,,Okay.''

Wir suchten uns mit unserer Laterne nach einem guten Platz zwischen den anwesenden Leuten und warteten ab.

,,Bereit?''

Die Frau, die uns eben noch Laterne und Stift gegeben hatte, ging mit einem Feuerzeug durch die Reihen, damit die Himmelslaternen angezündet und in den Himmel steigen konnten.

,,Bereit'' riefen wir gemeinsam aus.

Sie zündete unsere Laterne an und wir warteten geduldig, bis all die anderen ebenfalls so weit waren.

Es gab ein wirklich sehr schönes Bild ab, als alle zur gleichen Zeit die Laterne losließen und orangene Lichter am dunklen Nachthimmel zu sehen waren. Es war ein Anblick, den ich wahrscheinlich niemals in meinem Leben vergessen würde und ein absoluter Gänsehautmoment.

Dort oben schwebten all die Wünsche und ich hoffte, dass sie viele davon in Erfüllung gehen würden. Wer weiß, vielleicht flogen sie ja bis nach oben zu Grayson und er konnte sehen, was ich mir für seine Tochter gewünscht hatte.

,,Würde es abgedroschen klingen, wenn ich dich jetzt nach einem Kuss fragen würde?''

Ich hatte meinen Kopf auf Selinas Schulter gebetet, während wir in den Himmel blickten und mitverfolgten, wie die vielen Lichter von der Dunkelheit verschluck wurden, da sie viel zu weit weg von uns waren und verschwanden.

,,Nein ganz und gar nicht" antwortete mir Selina lächelnd und nahm mein Gesicht in ihre Hände, um es zu ihrem zu ziehen.

***

,,Und, wie fandest du unsere auf Freundschaft basierende Verabredung? Hat es dir gefallen?'', erkundigte ich mich bei ihr, als wir noch am Strand entlangliefen, während die anderen schon längst gegangen waren.

,,Und wie. Es war wunderschön. Ich kannte so etwas ja eigentlich nur von Filmen. Ich hätte niemals gedacht, dass ich auch einmal bei einem echten Himmelslaternenfest dabei sein werde.''

Ich bedankte mich in Gedanken bei Ashley, dass sie mir das vorgeschlagen hatte. Auch für mich war es ein sehr besonderer Moment gewesen und ich hätte ihn mit niemanden außer Selina teilen wollen.

,,Ich war auch noch nie auf einen. Ich fand es jedenfalls wirklich schön, weil ... ''

Tja, du bist nun schon wieder am Punkt, wo du dich selbst verrätst.

,,Weil?'', griff Selina das letzte Wort auf und es gab anscheinend keine andere Möglichkeit, als diesen Satz aufrichtig zu beenden.

,,Weil es mit dir war. Ich habe nichts gegen einen Kinoabend, einem Dinner oder einen Nachmittag am Strand, aber das war wirklich etwas einmaliges. Und mit einem anderen Mädchen, das hätte einfach nicht gepasst. Du bist nun mal einmalig, Selina Lauren Maynard.''

Das klang ganz und ganz nach einem Satz, den die Typen in Liebeskomödien sagten. Aber es gab keine anderen Worte dafür, wie ich für Selina empfand. Ich fühlte so und konnte es nicht ändern.

Die eigenen Gefühle waren das, was man am wenigsten kontrollieren konnte. Ich hatte Selina gerade praktisch indirekt wie auf einem Silbertablett offengelegt, dass ich sie mehr als nur freundschaftlich mochte und musste nun annehmen, wie auch immer sie darauf reagieren würde.

,,Josh?''

Allein die Art, wie sie meinen Namen aussprach, klang nicht gut. Etwas an ihrer Stimme hörte sich bedrückt an und das machte mich mehr als unruhig.

,,Ja?''

Du musst ruhig bleiben. Egal, was sie auch sagen wird. Du musst es akzeptieren und das Beste daraus machen.

Ich spürte jedoch schon den Stich, als Selina vorsichtig meine Hand losließ und mich ernst ansah.

,,Vielleicht sollten wir das hier beenden.''

Ich hatte gewusst, dass das irgendwann kommen würde. Doch ich konnte nicht glauben, dass dieser Moment nur wirklich gekommen war.

Und ich hätte am wenigsten erwartet, dass es sich so anfühlen würde, als hätte dir jemand ein scharfes Messer kaltblütig in die Brust gestoßen. Es war, als ob du plötzlich keinen Boden mehr unter deinen Füßen spüren konntest, weil die Person, der du vertraut hattest, ihn weggerissen hatte.

,,Was genau, was sollten wir beenden?''

Sie kann das doch nicht ernst meinen. Du verstehst ihre Worte bestimmt gerade falsch. Sie meint garantiert etwas anderes und nicht das, was ihr da zusammen habt. Sie wird dich doch nicht nach so einem schönen Abend einfach so verlassen.

,,Ich glaube, wir sollten das, was wir vor Monaten begonnen haben, nun endgültig beenden. Keine Küsse, Sex oder Abende wie diese mehr. In ein paar Wochen bist du sowieso wieder in Birmingham. Es gibt also keinen Grund das Ganze hier noch weiter in die Länge zu ziehen.''

Ist das wirklich die Selina, die ich kenne, die da mit mir spricht?

Verdammt, kann mich bitte jemand kneifen und aus diesem Albtraum herausholen!?

,,Soll das ein verdammter Scherz sein?''

Ich tigerte unruhig hin und her, weil ich mich bewegen musste, damit ich nicht völlig durchdrehte. Der Tsunami war schon über mich eingebrochen und ich wusste gar nicht mehr, was ich überhaupt empfinden sollte außer Enttäuschung und Wut.

,,Wir hatten unseren Spaß und nun müssen wir der Tatsache ins Gesicht blicken, dass wir keine langfristige Zukunft haben werden.''

Da hatte ich es nun auf schwarz auf weiß: Ich war einfach nur ein Vollidiot. Ich hätte auf Abstand zu ihr gehen sollen, als ich es noch gekonnt hatte und ich hatte es nicht getan.

Und damit war ich irgendwie selbst schuld daran, dass es mich so verletzte und Selina gerade mit ihren Worten gefühlskalt mein Herz in die nächste Mülltonne schmiss.

,,Für dich ist das Ganze also so einfach? Du setzt einfach einen Schlussstrich und damit ist die ganze Sache für dich gelaufen? Das zwischen uns bedeutet dir also so wenig?''

Bedeute ich dir und das zwischen uns so wenig?

Hast du wirklich zu keinem einzigen Zeitpunkt etwas für mich gefühlt?

Bin ich ernsthaft der Idiot, der sich eingebildet hatte, dass das hier vielleicht doch auf Gegenseitigkeit beruhte?

,,Es ist doch nicht mehr als eine bedeutungslose Affäre gewesen. Leute wie du hängen nicht mit Leuten wie mir rum. Football Typen wie du daten heiße Mädels. Leute wie ich hingegen wahrscheinlich niemanden. Es tut mir leid, aber ich kann das nicht mehr.''

Was ist das denn schon wie wieder für eine Scheiße?!

Sie soll einfach den Mund halten. Ich habe es schon verstanden. Sie will es beenden und möchte nichts mehr von mir.

,,Das ist so ziemlich das Schwachsinnigste, was ich jemals gehört habe. Und wenn du mit mir nur eine kurze Affäre haben wolltest, hättest du es mir sagen sollen. Dann hätten wir das von Anfang an gleich klären können. Ich bin keine fünf mehr.''

Hielt sie mich denn für so unterbelichtet, dass sie das nicht schon früher hatte sagen können?

Dann wären wir schon viel eher auf den gleichen Stand der Dinge gewesen ...

,,War es denn nicht das, was du wolltest? Eine einmalige Sache?'', hielt mir Selina vor.

Irgendwie schon. Aber nicht, weil ich das so gewollt habe. Du hast doch für uns beide entschieden, dass es eine einmalige Sache sein würde ...

,,Am Anfang vielleicht ja , aber ... ''

,,Lass es gut sein, ich will nicht hören, was du zu sagen hast'', schnitt mir Selina das Wort ab und ich gab auf.

Dieses Gespräch machte keinen Sinn mehr. Es war alles geklärt. Wir würden ab jetzt getrennte Wege gehen und sie würde ihre Ruhe vor mir haben.

,,Fein, wenn es das ist, was willst, dann bitte! Wie wäre es, wenn wir das ganze Jahr einfach vergessen und so tun, als wären wir uns nie begegnet? Ist doch wieso besser so, nicht wahr?! Das ist doch genau das, was du von Anfang an wolltest, mich endlich los zu sein. Schön, dass wir das so schnell klären konnten!''

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