27. /Fortschritt/

›ᴏꜰꜰᴇɴᴇ ᴛÜʀ. ᴇʀɢʀᴇɪꜰᴜɴɢ ɪʜʀᴇʀ ᴍÖɢʟɪᴄʜᴋᴇɪᴛ ᴜɴᴅ ᴅᴜʀᴄʜꜱᴄʜʀᴇɪᴛᴇɴᴅ ᴅᴀꜱ ᴀɴᴋᴏᴍᴍᴇɴ ɪᴍ ꜱᴄʜᴡᴀʟʟ ᴅᴇꜱ ʟɪᴄʜᴛᴇꜱ?.‹

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Mit gesenktem Blick ist sein Fokus auf das Buch in seinen Händen gelegen. Hinterfragt alles und gleichzeitig nichts. Kann sich nicht länger konzentrieren.

Muss dies auch gar nicht. Bis eben war er allein. In der Bibliothek, mal wieder, auf einem der Fensterbretter. Wollte seinen Nachmittag durchschreiten. Allein. Also eigentlich. Ein Schatten. Die Dunkelheit fällt auf ihn ein. Befreit seinen Körper von der hell eingenommenen Ausleuchtung. Ohne innere Weigerung des Aufstandes hebt sich der Augenschein des Jungen an. Erkennt seinen Umriss.

Ihn musternd erkennt er abermals nicht diese Person, welche ihm heute Morgen gegenüber stand. Denkt, jemanden anderes zu erkennen. Die Gesichtszüge des Älteren sind sanft, in ihrer Zärte und ohne jegliche Form der niedergefallen aufgegebenen Kühle, beobachtet er ihn auch. Jeweils nachahmend, vollziehen sie gleiche Handlungsstränge.

„Darf ich mich zu dir gesellen?", sofort, ohne das Ausnutzen einer zögernden Sekunde, schnappt Wooyoung seine Tasche. Zieht diese zurück und macht Platz. Weswegen fragt er ihn? Sonst ist er doch auch ohne jeglichen Widerstand des Jüngeren dulden, in seiner bestimmend dominanten Haut gefangen? Wann hat er diese abgestrichen, in seiner Häutung endgültig, als auch vollst, verloren?

Wooyoung weiß damit nicht so recht umzugehen. Statt sich wieder abzuwenden, fängt er weiterhin keinen neuen Fokus in seinem Netz auf. Beobachtet stattdessen San. Wie dieser sich setzt. Denkt nicht mal daran, seine Augen von ihm zu nehmen. Als sei ein gegenseitiges Beobachten, das Normalste in ihrem Verhältnis. Dabei ist dies zwischen Mobber und dazugehörig seinem Opfer, alles außer zutreffend.

Beide sollten sich nicht abkönnen. Die Ferne des jeweils anderen aufsuchend, niemals länger miteinander verweilen, als nötig. Bedürftig oder aufzwingend von Dingen wie Schule gefordert.

Aber die beiden. Sie warten aufeinander. Passen sich dem anderen an, verbringen ihre Freizeit, mit Vorzügen wollend, als auch gerne, mit dem anderen. Zusammen. Meist lesend. In der Bibliothek.

Es klingt verrückt.

Dem Jüngeren wird es, wie schon so oft klar, sie sind in keiner Opfer-Mobber-Beziehung mehr. Schon länger nicht mehr. Auf jeden Fall, auf keiner normal erscheinenden Laufbahn. Es ist eher wie ein Experiment. San ist der Wissenschaftler und Wooyoung seine neuste Errungenschaft. Aktuelle Lage; er testet die Grenzen und Möglichkeiten von dieser.

Spielt seinem Willen folgend mit dem Glas einer angebrochenen Seele, schmeißt diese mit Leichtigkeit und ohne auch nur an Wandel zu denken um sich. Berücksichtigt mit Bedacht nicht auch nur einmal, dass ein vollkommener Bruch Folgen eines unbeschreiblichen Ausmaßes haben könnten.

Ist ihm wahrscheinlich egal. Zu beschäftigt damit, genau diese Kante zu erreichen. Zu erkennen wie die Risse immer weiterschreiten, sich durchbrechen und der angelegten Fährte folgend ein Ziel vor Augen haben.

Gerade hat der Ältere seine eigene Tasche geöffnet und aus dieser sein Buch geholt, da treffen sich ihre Scheine. Erleiden einen Schnittpunkt, welcher fast schon blendend ein Weichen von Wooyoungs Augen hervorruft. Er hat es herausgefordert. Fühlt sich in dieser Situation angekommen, jedoch plötzlich realisierend doch komplett unwohl. Weiß nicht damit umzugehen.

Keinen Blickkontakt erhaschend, scheint Sans Interesse an einem gehobenen Augenschein wie verfolgen. Niedergefallen in die sogleich geöffneten Seiten gefangen.

Sich wieder beruhigend, fällt der Blick des Jüngeren flach. Hat jedoch ein weiteres Mal keinen Funken des Interesses für sein eigenes Buch über. Sieht stattdessen auf den Einband von Sans.
Erkennt den Titel. Kommt seinem Ziel nah. Weiß zwar noch immer nicht, was der Inhalt oder die Bedeutung ist. Kann dem jedoch nachgehen, dies dann später und recherchierend. Im Internet.

Jedoch plagt sie ihn. Plötzlich so unerhört reizend, tanzt sie auf seinen dauerhaft nicht zur Ruhe langenden Gedanken herum. Fordert diese heraus. Kriegt den Jungen tatsächlich so weit. Er kann sich nicht beherrschen. Verliert seine Vernunft und den deutlichen Anzeichen von San folgend, wohl sogar jeglichen guten Punkt.
Leicht rau, von dem bis dato ununterbrochenen Schweigen mitgenommen, unterbricht er eine Stille, welche nicht mal für eine Begrüßung aufgelöst wurde.
„Was liest du eigentlich?"

Ohne weiter streifende Augenblicke des Vergehens. Der Augenblick scheint gewagt und erkundet gewesen, perfekt. Sofort zucken die Augen des Älteren hinauf. Diesmal ohne Widerstand, Weiche oder Rückhalt, in den Gegenspielern der gleichen Bezeichnung eines anderen Kopfes.

Dennoch kehrt abermals eine Stille ein. Scheint keine Unterdrückung zu beinhalten, San ist noch nicht bereit. Will dem Jüngeren bisher keine Antwort entgegenbringen. Ob er überlegt? Sich eine geschickte Wortwahl zurechtlegt oder puzzelt er gerade etwas zusammen, dass diese Frage auslöschend wie ein Radierer fungiert.

Er weiß es nicht, kann nur warten.

Gerade beginnt ein Kampf. Im Inneren von Wooyoung, sein abermals zerstückeltes Handeln lässt sein Gewissen hinterfragen, ob es ihm peinlich sein sollte oder ob alles gut ist, während seine Gedanken einfordern Druck aufzubauen, schreit seine Seele Stopp. Kann dem Blick des Älteren, welcher einfach nur trübe ist und nichts aussagt, schon nicht standhalten. Weiß nicht, wie sie die Folgezeit überstehen soll.

„Ist doch egal, nicht wahr? Hast du Geschichte? Könnte ich es möglicherweise bei dir abschreiben?"
Plötzlich handelt er schnell, greift mehrere Dinge auf einmal auf, lässt den Jüngeren eine gedankliche Folge nur mit Problemen erlangen. Stockend dies sogar aufgeben. Deutet, dass er keine Antwort bekommen wird. Stempelt es als richtig ab und zieht das Letzte tiefer in sich ein. Während San sein Buch beiseite räumend aus Wooyoungs spähenden Blickfeld raubt und stattdessen Block, als auch Stift aus seiner Tasche entwendet.

Sogleich nickt er. Greift nach dem Riemen seiner eigenen Tasche und entzieht dieser dann auch schon seinem zur Nachfrage passenden Hefter eines Faches.
Überreicht ihn ohne Stockung oder auch gewagt zögernder Abfolge dem Älteren.

Wendet sich dann ab. Findet sich innerlich abstufend mit der Erkenntnis ab, dass er sich gedulden muss. Seinem inneren durch Nachfrage keine früheren Antworten bereithalten kann.

Aber weswegen macht San auch ein solches Drama über seine von Interesse begleitete Stoffklasse des Lesens? Zaubert daraus ein Thema, welches zum größten Geheimnis aller Welt, für Wooyoung, fortschreitet.

Sich wieder an das noch halb offene in seiner einen Hand hängende Buch wendend, entscheidet er sich dann doch dazu, eine Art Ablenkung einzugehen. Liest einfach weiter.

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Nachdem der Ältere mit dem Abschreiben von Wooyoungs Aufzeichnungen fertig war, hat dieser sich bei Weitem früher verabschiedet, als an manch anderen Tag. Vor dem Sonnenuntergang.

Er hat gewartet. Solang, bis er sich sicher war, dass San auf jeden Fall weg ist. Wühlt gerade in seiner Tasche. Sucht sein Handy, will Google öffnen und das Buch erforschen. Findet das Gerät jedoch nicht.

Mit verschnellert schlagendem Teil malt er sich verschiedene Szenarien aus. Wie er es im Klassenraum vergessen hat oder es ihm unbemerkt in der enge des Flures entwendet wurde. Wie es nicht gefunden oder nicht abgegeben vom Finder behalten wurde. Er es nie wieder zurückbekommt.

Noch immer nach Antworten strebend, packt er seine Sachen ein und sich einredend, dass es noch im Zimmer auf dem Nachttisch liegt, geht er so Bibliothekarin. Welche, wie fast immer, in eines der vielen Bücher vertieft ist, welches ihr hier, bei ihrer Berufung, zur Verfügung steht.
Sich räuspernd zieht er die Aufmerksamkeit, gewollt, der Frau auf sich, welche das Teil in ihrer Hand sogleich zuklappt und sich nach vorne lehnend zielgerichtet an ihn wendet. Nickt.

Ohne weitere Begrüßung, weil er dies vorhin beim Betreten der Räume getan hat, setzt er sofort zum vollendenden Reden an.
„Das Buch ‚Save me’ haben Sie das?"
Die Frage aufnehmend, hebt die ältere Frau ihren Zeigefinger, deutend Geduld einfordern, an, während sie zeitgleich anfängt auf die Tastatur des Computers einzuhämmern.

„Ja, das Exemplar eines Liebesdramas haben wir, ist jedoch ausgeliehen. Warten würde ich dir ans Herz legen es ist echt gut. Aber sag mal Wooyoung, seit wann-"

„Vielen Dank. Sie haben mir echt geholfen! Tschüss. Bis morgen."
Mit einem Winken und die Frau von Unhöflichkeit getrieben unterbrechend, wendet Wooyoung sich zart lächelnd ab.

Ein Liebesdrama.

Interessant.

Wenn sie doch nur wüsste, was die Worte von einem Genre für ihn bedeuten. Und die Welten, welche sie ihm, frühzeitig seine Nerven stillend, nun eröffnen können – möglicherweise. Unglaublich.

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