2 - kleines Geheimnis
Er erzählte, wie seine Mutter Laura mit ihm ein neues Kapitel in ihrem Leben starten wollte, weit weg von hier. Mit neuen Menschen, neuen Hobbies, neuer Hoffnung. Er erzählte, wie sie an den falschen Mann geriet, er in der neuen Schule gemobbt wurde, ihre neue Wohnung abgebrannt ist.
Alles in Allem stellte Lena fest, dass die beiden in den letzten Jahren viel Scheiße erlebt haben müssen. Die Armen. Timo und Laura waren immer willkommene Gäste in Lenas Familie. Timo wurde sogar im Hause Herzog abgegeben, wenn Laura mal längere Termine wahrnehmen musste oder ähnliches. Genauso war Lena auch schon oft genug bei den Heuers liebevoll untergekommen. Es zog sie runter, so negative Geschichten von ihm zu hören. Seit sich ihre Mutter mit Laura gestritten hat vor ein paar Jahren, hatte sie nichts mehr von beiden gehört.
"Nun ja und jetzt sind wir wieder hier. Meine Mom wollte deinen Eltern einen Überraschungsbesuch abstatten, bevor es die Runde macht, dass wir wieder hier sind. Du musst dichthalten, Lena.", bat er sie dann. Lena nickte stumm und lächelte ihn aufmunternd an.
Es wäre ein Jammer, wenn sich ihre Eltern nicht wieder vertragen würden nach so langer Zeit. Sie war jedenfalls ein bisschen froh, diesen verrückten, lebensfrohen Typen wieder in ihrem Leben zu haben. Nur, dass sie das nicht so offen zugab. Vor allem nicht vor ihren Freundinnen. Timo war... gewöhnungsbedürftig für Außenstehende.
Timos Frage, ob sie wieder reingehen sollten, riss Lena aus ihren Gedanken. Sie nickte und lächelte ihn leicht verträumt an. Schließlich war Timo hier, um ein Konzert zu geben. Lena trottete hinter ihm her, ehe er von der Meute drinnen wieder beansprucht wurde. Sie ließ sich allmählich wegdrängen und wandte sich ab, um Mara zu suchen. Denn die war sicher nicht Teil der Menge.
Wenig später hört man bereits wieder die Stimme des Rappers und das Gegröle seiner Anhänger. Aber keine Spur von Mara. Stattdessen konnte Lena Jule, Bella und Maxi in der Küche bei den Getränken ausmachen. Kurzerhand bog sie ab und steuerte auf ihre Freunde zu.
"Hey Leute.", begrüßte sie die Runde, ehe die anderen ihre Gespräche unterbrachen und ihre Blicke auf Lena richteten.
"Hey Lena! Na? Du und der Purple Prince?" Maxi klopfte ihr auf die Schulter und grinste sie an. Na toll. Es machte also schon die Runde. Lena verdrehte die Augen und atmete genervt aus.
"Purple Prince", betonte sie ironisch komisch, "ist kein anderer als Timo, mein früherer Nachbar und bester Freund.", erklärte sie dann. Die anderen tauschten überraschende Blicke und staunten nicht schlecht.
"Moment... DAS, ist Timo? Dieser unscheinbare, kleine Knirps von damals der auf eine Sonderschule ging?", warf Bella ein. Ja, genau der. Lena zuckte mit den Schultern und nickte. Timo war für sie schon immer etwas Besonderes und nichts Unscheinbares. "Krass.", man sah Bella die Überwältigung regelrecht an.
Ja, er hatte sich verändert. Aber selbst wenn nicht, Lenas Freundeskreis kannte Timo auch früher nicht so richtig. Hauptsächlich von Erzählungen oder Kindergeburtstagen. Er hatte nie viel Interaktion mit den Leuten von Lenas Schule.
Nachdem Lena noch etwas über Timo ausgequetscht wurde, beschloss die Gruppe sich ins Wohnzimmer zu begeben und dem Rapper zuzuhören. Lena war schon früher im Kinderzimmer ein Fan von seinen Texten und Liedern. Nur heute klingen sie noch besser und auch professioneller. Lena verlor sich noch einige Male in Timos Augen, während er auf seiner provisorischen Bühne eine stimmungsvolle Show ablieferte.
Plötzlich wurde sie von hinten angetippt und sie wandte sich um. Mara. Kurzerhand erklärte sie mitten im Getümmel, wo sie bis eben war. Nämlich bei Nick. Nick war der beliebteste Typ an der Schule. So ein richtiger Klischee-Sunnyboy. Er war einige Zeit mit Jasmin zusammen, bevor er immer öfter Berührungspunkte zu Mara suchte. Da lief zwar noch nichts, aber Lena wusste, dass Mara auf jeden Fall verliebt war. Zudem ist Nick einer der wenigen, der auch Kontakt zu Timo hatte und ihn erkannte. Die beiden feierten noch eine Weile zur Musik und verabschiedeten sich dann von der Party.
Erst am nächsten Morgen fiel Lena auf, dass sie überhaupt keine Kontaktdaten von Timo hatte. Zu blöd, dass sie gestern Nacht nicht Nummern getauscht hatten. Sie würde ihn gern so vieles fragen, wieder in sein Leben treten, wie es früher war. Und dann war da noch der Kuss...
Die Gedanken beiseite geschoben, zog sie sich etwas an und tapste die Treppe runter in die Küche, in der ihre Eltern bereits am gedeckten Tisch saßen und den vielleicht dritten Kaffee tranken. Meine Güte, es war doch erst kurz vor 10 Uhr. Eigentlich keine Zeit, wenn man bedenkt, dass sie erst gegen 4 Uhr nach Hause kam.
"Guten Morgen zusammen.", brachte sie heraus.
"Guten Morgen Mäuschen. Na? Wie war die Party gestern?", begrüßte sie ihre Mutter mit viel zu guter Laune. Lena hatte wirklich eine behütete Familie. Ihre Eltern waren noch glücklich verheiratet, ihr Vater war Dr. Matthias Herzog, Psychotherapeut, ihre Mutter Paula arbeitete im Supermarkt im Ort und bekam dadurch jeden Klatsch und Tratsch mit und ihr kleiner Bruder war ein kleines Genie und kaum noch eine Nervensäge.
"Cool.", sagte sie kühl und setzte sich. Sie nahm sich ein Brötchen und Orangensaft zum Frühstück, was netterweise schon alles vorbereitet war.
"Wenn du von etwas erzählst, fühlt es sich immer so an, als ob man dabei gewesen wäre, großartig!", erwiderte Lenas Vater Matthias ironisch. Alle anwesenden hielten kurz inne, ehe sie gemeinsam begannen zu lachen.
"Entschuldige,", begann Lena, "Es war besser als erwartet. Jasmin hatte sogar einen Musiker engagiert und die Stimmung war allgemein sehr gut. Getrunken haben Mara und ich aber kaum." Das musste sie eigentlich nicht erwähnen, denn das wussten ihre Eltern. Lena war keine von dem Schlag, die sich wild betrinken musste, um Spaß zu haben. Bei dem Wort "Musiker" allerdings musste sie sich zusammenreißen. Timos Bitte, nichts zu verraten, dass sie wieder hier waren, saß fest in ihrem Kopf.
"Na das ist doch aufregend! Was für ein Musiker war denn da? Und vor allem, welchen Musiker kann sich eine Schülerin denn leisten?", bohrte ihre Mutter nach. Ja, genau. Das wurde irgendwie immer schwieriger.
"Ach das war nur so ein Newcomer aus dem Nachbarort, noch nicht wirklich bekannt.", winkte Lena ab. Hoffentlich gibt sich Paula damit zufrieden.
"Wie spannend! Und welche Musikrichtung?" Fehlanzeige. Natürlich musste sie weiterfragen. Zu Lenas Glück klingelte in diesem Moment das Telefon und die Frage war bereits vergessen. Während die neugierige Frau ans Telefon ging, stand Lena auch schon auf und räumte alles ab, was nicht mehr benötigt wurde, um aus dieser Situation raus zu kommen.
Nach dem Frühstück traf sich Lenas Mutter mit einer Freundin im Café (das Telefonat von vorhin) und ihr Vater zusammen mit ihrem Bruder Nico fuhren zu einem Fußballspiel. Demnach war Lena allein zu Hause, doch sie wollte sich sowieso mit Mara treffen.
In der Eisdiele angekommen, bestellten sich die Freundinnen erstmal einen Eiskaffee.
"Ich finds ja cool, dass DaClaudio schon geöffnet hat, aber an manchen Tagen ist es echt noch zu kalt für Eis!", merkte Mara an und wollte somit das Gespräch starten.
"Ja das stimmt, aber ich hatte einfach super Lust auf Eis.", erwiderte Lena. "Außerdem kann ich hier wieder normal reden. Zuhause muss ich durchgehend darauf achten, dass mir nicht doch ein Wort über Timo rausrutscht. Das ist echt anstrengender als ich dachte.", gab sie zu.
Mara nickte. "Kann ich verstehen. Weißt du denn wenigstens, wann Timos Mom zu euch kommen will?"
"Nein, davon hat er nichts erwähnt. Wir haben nicht mal Nummern getauscht gestern!"
Mara schmunzelte. "Liebe macht nicht nur blind sondern auch doof. Aber er wird dich schon finden, wenn er es will. Da bin ich mir sicher."
Lena nickte gedankenverloren. "Ich frage mich, wie es wohl ist."
"Wie was ist?" Mara war nur leicht verwirrt.
"Na, wie es ist berühmt und bekannt zu sein. Und ob wir... naja, zusammen sein werden?"
Mara musterte ihre Freundin die ganze Zeit über.
"Ich mein... damals. Es hat gerade erst angefangen mit uns, dass wir mehr als nur Freunde sind. Und dann ist er weggezogen.", zuckte sie mit den Schultern.
"Das wird sich ergeben. Ihr hattet gestern nicht wirklich Privatsphäre um über all das zu reden. Ihr wurdet von neidischen Tussis und Dudes beobachtet und er war da um 'ne Show abzuliefern. Ihr werdet sicher noch vernünftig über euch reden, Süße.", sprach Mara ihr zu.
Lena seufzte. "Ich hoffe es. Und vor allem hoffe ich, dass mir Leon keine Szene macht morgen in der Schule... hat ja scheinbar jeder mitbekommen, was gestern passiert ist." Und damit meinte sie den Kuss. Den hat wohl wirklich jeder mitbekommen, der auf der Party war.
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