Blake.
Ich hab diesen Namen schon mal gehört.

Immer noch hocke ich zwischen den Büschen und warte das der Typ geht.
Woher kenne ich ihn?
Ich hab Mika gestern Hühnchen mitgebracht, ich hatte mir extra etwas davon vom Tisch geklaut, damit ich dem Panther etwas Gutes tun kann und dann habe ich das genaue Gegenteil bewirkt, aber nun gut, jetzt weiß ich das.

Als Blake mit einem deutlich älteren Mann dann vom Käfig verschwunden ist, schleiche auch ich mich wieder aus den Büschen.
Das muss wohl sein Vater gewesen sein.
Ich steh vor Mikas Käfig und schaue ihn an.
Seine Augen fixieren mich, doch rührt er sich kein Stück.

Ich habe vor einiger Zeit den Panther hier entdeckt, als ich mal wieder Nachts durch die Straßen gelaufen bin. Seitdem bin ich, so oft wie es geht hier und rede mit ihm. Er hört mir zu und gibt keine dämlichen Kommentare von sich. Außerdem kann ich mir sicher sein, dass Mika niemandem etwas verrät, was ich ihm alles anvertraue.

"Entschuldige Mika, ich wollte dich nicht verletzen.", sage ich und der Panther dreht sich von mir weg, läuft durch seinen Käfig und legt sich dann in eine der hinteren Ecken.

Ich beschließe ebenfalls nach Hause zu gehen und schleiche auf dem Grundstück des Zirkus umher.
Alles ist still und ich werfe einen Blick in die Manege, auch dort ist niemand mehr.
Eine Schwache Beleuchtung lässt mich erkennen, dass in dem Zelt Tische und Bastelsachen aufgebaut sind.
Ich schleiche hinein und setze mich an einen der Tische, nehme mir etwas von dem grünen Tonpapier und einen schwarzen Filzstift, dann schreibe ich:

Hallo Blake.
Es tuht mir leid Mika Schwirichkeiten
bereitet zu haben.
Ich werde es nich noch ein mal tuhn.
Sorry

Naja etwas krakelig ist meine Handschrift ja schon und mit Sicherheit sind da auch einige Rechtschreibfehler drin, aber das ist mir egal. Mir ist wichtig das Blake weiß, dass ich ihn gehört habe.
Ich falte das Tonpapier zusammen und schreibe dann auf einer der Außenseite den Namen darauf und überlege wo ich den Zettel jetzt lassen soll. Mir ist es komischerweise wichtig, dass Blake diesen Zettel bekommt.
Ich beschließe, etwas von den Bastelsachen zur Seite zu räumen und lege dann auf die freie Fläche des Tisches den zusammengefalteten Zettel. Vielleicht bekommt er ihn ja.

Als ich mich wieder auf den Heimweg mache, denke ich immer noch über Blake nach und woher ich ihn kenne.
Ich laufe an meiner Schule und den Plakaten für den bevorstehenden Weihnachtsball vorbei und dann fällt es mir wie Schuppen von den Augen.
Das war Blake Vaughn, dort vorhin bei Mika vor dem Käfig.

Blake, der bei dem es immer so wirkt, als würde ihm die Sonne aus dem Arsch scheinen. Immer lächelt er und ihm scheint einfach so alles in den Schoss zu fallen.
Letztens erst, habe ich bei Mika jemanden über den Haufen gerannt und auch das kann nur Blake gewesen sein.
Ich bringe meine grauen Zellen auf Hochtouren und überlege, was genau ich alles von dem blonden Kerl weiß.
Er ist so ein ganz Schlauer, hat ein oder zwei Klassen übersprungen und da sind noch zwei Schüler mit denen er immer abhängt. Ein Junge und ein Mädchen. Zwillinge sind sie, glaube ich.
Und dem Kerl habe ich jetzt einen Zettel geschrieben, mit meiner super Rechtschreibung, na klasse. Da hat er gleich etwas, dass er mit einem Rotstift korrigieren kann.

Am Heim angekommen, mache ich mich auf den mühseligen Aufstieg in mein Zimmer und bin froh, als ich mich wenig später in mein Bett kuscheln kann.
Es ist ruhig, nichts ist zu hören und ich schaue aus dem Fenster. Der Mond ist bald voll und Weihnachten steht, mehr oder weniger vor der Tür.

Weihnachten so wie viele Leute es kennen, kenne ich so nicht.
Weihnachten war in meiner Kindheit, Tage wie alle anderen auch. Meine Eltern waren mit sich und ihrem Leben beschäftigt, machten sich nichts daraus auch nur Ansatzweise meinem kleinen Bruder und mir es irgendwie nett zu machen.
Mein Bruder ist vierzehn und wie es ihm geht, weiß ich nicht. Er lebt noch Zuhause, wo auch immer das gerade ist.
Meine Eltern haben mich abgeschoben, hierher, weil sie nicht mehr mit mir fertig geworden sind und auch das Jugendamt gesagt hat, dass es besser ist, wenn ich unter eine strenge Hand genommen werde.

Aber zurück zu Weihnachten.
Noch nie, weder zu Weihnachten, noch zu meinem Geburtstag habe ich ein Geschenk bekommen. Ich weiß also nicht wie sich das anfühlt. Ich kann es nur ahnen, wenn ich die Schüler und die anderen Menschen höre wie sie sich darüber austauschen und wie sehr sie sich gefreut haben, nachdem die Feiertage oder auch der Geburtstag rum sind.
Hier in Bad Town wird Weihnachten auch nicht ausgerichtet.
Vier von den anderen Jungs gehen über die Feiertage nach Hause, unter anderem Sean, weil er sich so gut gemacht hat.
Sonst wird es hier wie immer laufen, noch nicht mal einen Weihnachtsbaum wird es geben.

Ich werde also in meinem Zimmer hocken und hoffen dass diese ach so besinnliche Zeit bald ein Ende hat, das Jahr vorbei ist und ein Neues beginnt. So wie immer eben.
Es kann halt nicht jeder so ein tolles Leben haben wie Blake Vaughn.

Am nächsten Morgen sitzen wir, nach dem Frühstück alle im Gemeinschaftsraum. Heute ist Samstag und heute wird besprochen wohin uns unser toller Sonntagsausflug morgen führt.
Ich sitze lässig in einem Sessel, höre nicht wirklich zu, denn mir ist es wirklich egal, was wir machen.
"Wir können ja auch in den städtischen Zirkus gehen. Die haben morgen Mittag eine Vorstellung und ich hab mich vorhin erkundigt ob es noch Karten gibt.", schlägt Logan vor.
Logan ist dreizehn, seit knapp einem halben Jahr bei uns und ist schon auf Stufe drei. So böse ist er also gar nicht.
"Das klingt gut.", meint Sean und Peter Parker, oh wie ich diesen Namen hasse, meint: "Okay, wenn niemand, der Mitbestimmungsrecht hat, etwas dagegen hat, dann gehen wir morgen in den Zirkus."
Es kommen keine Gegenstimmen und Sean lässt sich die Telefonnummer geben. Dann bestellt er Tickets und als alles erledigt ist, sagt er. "Es ist alles geklärt, wir gehen morgen in den Zirkus und anschließend haben wir dann eine Führung über das Gelände und zu den Tieren."

Ich werde morgen Mika sehen, dass ist für mich das einzige was gerade zählt und der Gedanke daran beruhigt mich.
Doch das währt nicht lang. Was ist wenn Blake morgen da ist und er mich in der Gruppe sieht, dort mit den anderen Bad Town Boys. Verdammte Scheiße. Wenn dem so ist und er erzählt es seinen tollen Freunden, dann bin ich am Arsch. Es geht ihn nichts an und noch weniger, dem Rest der Schüler.
Fuck!