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In Weiß zieht sich der Stoff. Ist seiden, weich und rein. Schmiegt sich perfekt um die Ecken und Kanten. Ist makellos, glänzt ausschließlich in dieser makellosen Klarheit.

Wird zerstört, als Wooyoung lachend sein Weinglas zu schräg hält. Die Tischdecke ist mit roten Tropfen bestückt, aus dem Nichts, und als sie vorhin platziert wurde, auch alles außer vorhersehbar, zu dem Schauspiel eines Tatorts geworden.

Sofort hebt der Jüngere sein Glas wieder in eine stabile, gerade Haltung. Will die Serviette, auf der sein Besteck gelegen ist, ohne Zögerung auf das noch abstehende Rot werfen. Beinahe schon in Zeitlupe sickert die Flüssigkeit langsam in den Stoff hinein und nimmt diesen immer weiter ein. Sein Blick ist entschuldigend, während das Besteck über den Tisch klirrt, die Geräuschkulisse erhöhend und allerlei Aufmerksamkeit auf sich ziehend. Wooyoung setzt seinen Plan dennoch um, und kaum geschah der eine Tatort, schon ist auch der beige Stoff von der ehemaligen Ummantelung des Bestecks in die Farbe des Blutes getunkt worden.

Das Tuch somit liegen lassend, beruhigt sich Wooyoungs Aura auch schon wieder. "Okay, also das war gerade ein richtiger Wirrwarr an Panik", sein eigenes Weinglas schwenkend in der Hand haltend, lehnt Yeosang sich über den Tisch und grinst seinen Freund an.

"Kann aber jedem Mal passieren, auch in einem Restaurant. Also keine Sorge, Wooyoung", lächelnd stütze ich mein Kinn an meiner zu einer Faust geballten Hand ab. Verstecke das sich langsam entwickelnde Grinsen hinter dieser. Mit Wooyoung sprechen, seinen Namen sagen und ihm dann auch noch gegenüber sitzen - ausschließlich wahrgewordene Träume. Und dann auch noch welche von der feinsten Sorte, nämlich die meiner tiefsten, als auch hungrigsten Begierde. Es sollte schon so lange geschehen, und jetzt? Es ist einfach wahrgeworden.

Allerdings muss jetzt wieder schnell die Kurve gekratzt werden! Denn genau vor Wooyoungs kleinem Missgeschick war da so ein Gespräch, welches allen ein Lachen entlockt hat. Mir jedoch gleichzeitig zu einem Vorteil verhelfen sollte. Denn die Mission bleibt unverändert und stets die gleiche - Wooyoung in einzig und allein meine Fänge der Ewigkeit zu locken.

"Also hattet ihr mit 10 zusammen einen Wanderurlaub und Yeosang hat sich den Arm gebrochen, weil er über eine Wurzel gestolpert ist?", das Gesagte der beiden Freunde zusammenfassend, gelingt es mir, die beiden gedanklich wieder vollkommen auf die Schiene des vorherigen Gesprächs zu leiten.

Sogleich wird mir von beiden ein kräftiges Nicken der Zustimmung zugeworfen.

"Wanderst du denn immer noch gerne, Wooyoung?"

Das kräftige Nicken von vor ein paar Sekunden wird noch stärker. Und ein glückliches Lächeln zeichnet sich auf seinen Lippen ab. Perfekt. Ins Schwarze getroffen. Genau sowas habe ich gebraucht. Etwas, mit dem ich Wooyoung und auch mich selbst (selbstverständlich) aus dem Zentrum dieser Stadt locken kann. Ohne Yeosang. Dieser hat dieses Wochenende keine Zeit. Dies weiß ich, weil mein bester Freund seit Wochen erzählt, dass er endlich mal wieder seine Familie besuchen fährt. Sein Vater feiert Geburtstag und lädt ein.

"Welch lustiger Zufall! Ich auch. Wollen wir dann nicht mal zusammen wandern gehen?"

"Klingt gut. Sehr gerne, San."

Mein Blick ist so tief in Wooyoungs schimmernden Augen - so tief in die glänzenden Augen der Freude - ,dass ich beinahe den verwirrten Blick meines besten Freundes nicht bemerkt hätte. Geschickt schenke ich diesem auch keine weitere Achtung, sondern ausschließlich ein Stubsen gegen dessen Schienbein. Dürfte Aussage und kräftig genug gewesen sein.

Jetzt nur noch ein sachter Versuch, es so schnell wie möglich machen zu wollen.

"Ich hab da jetzt so richtig Bock drauf. Hättest du zufällig dieses Wochenende Zeit?"

Er nickt. Wooyoung nickt. Nach einem kurzen und überlegenden Blick in sein mit Rot gefülltes Glas nickt er doch tatsächlich. Das ist perfekt. Auch bekannt als ein: Jackpot. Das nur sachte Lächeln der Vorfreude auf meinem so gespannten Gesicht wird schnell zu einem Grinsen getrieben und dem Zucken einer Sekunde später, auch schon von einer Klippe hinab zurück in eine gelassene Lage der Mundwinkel gestoßen.

Wooyoungs Handy klingelt. Er sieht auf den Bildschirm. Auch seine Mimik ändert sich, huscht hinüber zu einem verträumten Schmunzeln. Ist dies tatsächlich jene Sache, die meine Augen auffangen müssen? Kaum einen Wimpernschlag später will ich sie schon in abermillionen Teile zerreißen. Wer ist das? Er nimmt sofort ab. Ohne Zögern. Ist mit Freunden aus und macht dies ohne Zögern. Wer ruft ihn da an?

Nach einer Begrüßung, in der dieser Ausdruck nicht von seinem Gesicht schwindet, müssen meine Ohren, zu meiner bedauerlichen Existenz beitragend, auch noch Zeugen einer unfassbaren Straftat werden. „Du, hör mal, ich würde dich echt gerne dieses Wochenende sehen, aber ich habe mich gerade schon mit einem Freund zum Wandern verabredet. - Ja genau, nur ein bisschen wandern."

Nur. Nur. Nur. Dieses Wort bebt von meinem Trommelfell hinüber zum Hammer, welcher auf den Amboss schlägt und den Steigbügel zucken lässt, damit dieser durch das ovale Fenster die Cochlea erweckt. Dieses Wort über die Stränge des Reizes in das Bett meines Hirns einchecken lässt, damit es sich dort auch noch ein bisschen zudecken kann.

Sachte erhebe ich mich von der weichen Sitzfläche meines Stuhles, symbolisiere Yeosang, dass ich zur Toilette gehen werde, um mit Worten kein Unbehagen einer Störung in Wooyoungs Gespräch zu geleiten.

Meine Füße tragen mich schnellen Schrittes durch das Gewand an schönen und bedeckten Tischen. An manchen sitzen Menschen, deren Existenz meinen gleichmäßigen Gang etwas mehr in die Weiche tänzeln lässt.

Die Tür zum Raum mit Kloreiniger und fein gestapelten Rollen aufreißend, stürme ich auf keine der Kammern mit Schüsseln. Stattdessen bleibe ich am Waschbecken hängen. Stütze mich an dessen weiß schimmernden Rand ab. Mein Kopf hängt hinab. Kurz erkennt mein Blick das silberne Schimmern des Stöpsels, bis meine Augen in eine Schließung verfallen.

Das Volumen meiner Lunge flattert, als die Inspiration mehr Luft als nötig in diese pumpt. Und jetzt wieder tief ausatmen. San.

Es ist alles gut. Du bist nicht nur ein Nur! Er hat der anderen Person abgesagt, um mit dir wandern zu gehen. Möglicherweise, weil er diese Tätigkeit als sein Hobby bezeichnet, so sehr liebt und sich einfach auf dessen Ausführung freut.

Er soll es aber nicht aus Liebe zu einem Hobby getan haben, sondern aus Liebe für das Nur, welches ich nicht nur bin.

Mein Kopf schwenkt von links nach rechts, dieses Schütteln besteht für den Augenblick ein paar schwacher Sekunden. Dann schießt er aus einem Nichts entspringend in die Höhe. Meine Augen sind wieder offen. Treffen meine Sicht durch den Spiegel vor mir, in mein eigenes Braun. Starre in diese Farbe hinein. Grinse bei diesen Gedanken nicht nur in mich hinein, sondern lasse diese Spitze ausführend über meine Mundwinkel gleiten. Ein Träumchen, das ändert Nichts und gleichzeitig alles, in eine genüssliche Richtung der puren Süße. Eine perfekte Basis wird mir gegeben, so werde ich die Zukunft über diese führen. Meinen Plan umsetzen. Es so perfekt wie vorgegeben möglich servieren.

Noch an diesem Wochenende, während Wooyoung unschuldig mit mir über einen nicht befestigten Weg der Berge huscht.

Dann soll es geschehen.

Schicksal, ich nehme dein Zeichen an und werde es ausführen, genau wie du es wolltest.

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Heyaaa!
Welch schöne Story, ich werde sie mal fein weiterschreiben oder so!🙂‍↕️
(Das war das erste Kapitel, dass ich seit April mal 'neu' geschrieben hatte!🫡)

Bin tatsächlich etwas vom Schreiben abgekommen und stattdessen seit letztem Jahr aktiv in b/s/t Community auf Instagram. Hobbys muss man haben!👀 (und sein ganzes Geld ausgeben, Schreiben ist da günstiger...)

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