2. Zurück in die Hölle

"Sometimes I think everyone is just pretending to be brave, and none of us really are. Maybe pretending is how you get brave." — George R.R. Martin

Die Zeit bis zur Party verstrich langsam. Ich machte meine Hausaufgaben, zeichnete ein wenig was und nahm ein Bad. Dennoch war ich ein gutes Stück vor 22 Uhr fertig mit allem, würde mich jedoch erst richtig herrichten können, wenn meine restliche Familie zu Bett gehen würde. Keiner von ihnen durfte wissen, dass ich heimlich das Haus verlasse. Niemals würden sie mich auf eine Party gehen lassen, sie trauten mir nicht genug dafür und vermutlich war ich in ihren Augen auch noch einfach zu jung. Ich war zwar 18, aber in ihren Augen nicht alt genug spät in der Nacht allein durch die Gegend zu wandern, zu trinken und das an abgelegenen, gefährlichen Orten. Nein, ich würde nie um Erlaubnis fragen und mich hoffentlich auch nie erwischen lassen.

Es war 21 Uhr und ich wusste, dass meine Großeltern gleich zu Bett gehen würden vermutlich. Tante Lilien würde sich dann sicher in irgendeines der Zimmer verschanzen und mit Freundinnen für Stunden telefonieren, doch sie würde nicht mehr nach mir schauen, das tat sie nie. Ich trug zum Vorwand bereits meinen Schlafanzug, lief die Treppe hinab und wollte allen eine Gute Nacht wünschen, als ich jedoch hörte, wie das Gespräch in der Küche sich um mich drehte. Ich verharrte an der Treppe, lauschte den Worten, konnte es gar nicht verhindern.

„Ich mache mir lediglich Sorgen um das Mädchen", sagte meine Großmutter in dem Moment, klang wirklich aufgewühlt.

„Ihr geht es doch gut, Beth. Wir sollten Malia Vertrauen schenken. Wenn es ihr wieder schlechter geht, würde sie es uns sagen", beruhigte mein Großvater sie und ich ließ mich langsam auf die Stufe unter mir nieder, fühlte mich jetzt schon schlecht von dem Gespräch. Mein Großvater vertraute mir so sehr und ich würde ihn gleich heute noch bitter enttäuschen. Er dürfte nie erfahren, wie tief ich in der Scheiße mich begebe. Es wäre so enttäuscht.

„Ich weiß immer noch nicht, ob es eine gute Idee ist, dass sie ihre Tabletten abgesetzt hat. Was ist, wenn es wieder schlimmer wird?"

„Mutter, wir würden es doch sehen", sagte Tante Lilien nun recht theatralisch, war auf der Seite meines Großvaters.

„Sie hat heute nach der Schule aufgewühlt gewirkt", merkte meine Großmutter an und ich schloss kurz die Augen. Also hatte sie mir angesehen, dass ich zerzaust war. Natürlich. Sie alle achteten zu penibel auf mich und mein Verhalten. In ihrer aller Augen war ich wohl eine tickende Zeitbombe, die jeden Moment wieder hochgehen könnte, doch das würde ich nicht, das wollte ich nicht!

„Sie kam aus der Schule, wer ist da nicht aufgewühlt oder genervt?", fragte Lilien, schien mir ohne Zweifel zu vertrauen und ich fühlte mich schlecht diesem Vertrauen nicht gerecht zu werden. Ich erhob mich, wollte nichts mehr hiervon mitanhören müssen und lief deswegen geradewegs in die Küche, wo natürlich die Gespräche ein Ende fanden, alle mich bestürzt ansahen, doch ich versuchte so zu tun, als ob ich nichts gehört hätte.

„Ich gehe mal zu Bett", sagte ich breit lächelnd und bekam von allen dreien ebenso breite Lächeln zurück.

„Gute Nacht", wünschten sie mir alle und ich wandte mich hastig wieder ab, lief eilig zurück nach oben, wo ich meine Türe hinter mir absperrte. Ich wollte nicht zu sehr über das Gespräch gerade nachdenken. Ich musste sie wieder enttäuschen, ich musste es, wenn ich Jason retten wollte. Sie würden davon nichts erfahren. Es wäre eines meiner kleinen Geheimnisse und das war besser so. Keiner von ihnen würde sich damit belasten müssen.

Ich suchte mir passende Kleidung aus dem Schrank, entschied mich für eine schwarze Jeans, ein dunkles Top, dazu eine Lederjacke und Boots. Ich trug meine braunen längeren Haare offen, würde jedoch Schminke auftragen, viel Schminke. Ich liebte es mein Gesicht als Malunterlage zu verwenden, es machte mir Spaß aus mir selbst ein Kunstwerk zu machen, mich selbst wie bei meinen Zeichnungen zu Leben zu erwecken, mir Farbe zu verleihen. Ich nutzte die viele Zeit mein Gesicht zu neuem Glanz erstrahlen zu lassen, bis ich schließlich die langersehnte Nachricht von Jane erhielt. Ich hatte meine Großeltern schon gehört, wie sie in ihr Zimmer gegangen waren und kaum öffnete ich meine Türe, konnte ich auch Lilien wie gewohnt am Telefonieren hören. Mich würde keiner vermissen. Mit meinem Handy und einem Hausschlüssel ausgestattet lief ich leise nach unten, geradewegs aus der Haustüre heraus, wo meine Freundin schon im Taxi wartete und in das ich sofort einstieg.

„Hallo", begrüßte ich sowohl sie als auch den Fahrer, schloss die Türe und das Auto fuhr schon los.

„Du siehst scharf aus", sagte sie und ich grinste.

„Kann ich nur weitergeben", sagte ich, doch sie trug ein kurzes, dunkelblaues Kleid, hohe Schuhe und sie wirkte wirklich reizend in dem Outfit. Im Gegensatz zu mir war sie recht groß gewachsen, so dass sie in so einem Outfit nur noch anziehender aussah. Die Kerle würden ihr garantiert den ganzen Abend nachstarren. So war es meistens, aber mir war es lieber, wenn sie die Aufmerksamkeit abbekam. Ich hatte bei der Aufmerksamkeit von Männern meistens nur Pech. Mit einem mulmigen Gefühl dachte ich sofort an Dima, dass ich ihn um das Geld für Jason bitten müsste und mir wurde übel.

„Kommt Jason?", fragte sie mich und ich lächelte leicht.

„Sicher, wann lässt er sich schon eine Party entgehen?", fragte ich. Er würde da sein, sicher komplett high und ich würde seinen Hintern retten dürfen.

„Ich habe ihn heute in der Schule gesehen, er scheint ja echt drauf gewesen zu sein, hat sich erst einmal im Gang in einen Mülleimer übergeben", sagte sie und ich seufzte trübe.

„Er hat Scheiße gebaut", klärte ich sie auf, würde ihr irgendwann sagen müssen, was Sache war, versuchte es gar nicht zu verbergen. So etwas konnte ich nicht vor ihr geheim halten. Wenn es um Dima ging, steckten wir beide in der Scheiße, sie würde es so oder so erfahren, doch besser von mir als von irgendwem sonst.
„Oh, was hat er getan?", murrte sie und ich klärte sie schnell über Paul Rosings Geld auf, das er nicht aufbringen kann, und auch, dass er mich um Hilfe gebeten hatte. Jane wirkte entsetzt, schien das alles langsam zu verarbeiten und ich sah, dass unser Taxifahrer höchst interessiert wirkte. Immer wieder sah er vom Rückspiegel zu uns, doch die Geschichte klang ziemlich abgefuckt. Er musste denken, wir wären alles Junkies, die kein Geld hatten. Ich würde es ihm nicht übelnehmen, wenn er so denkt.

„Er will, dass du Dima um Hilfe bittest", reimte sie sich die Lage von allein zusammen und ich sah sie nicht an, als ich nickte, sah lieber zum Fahrer, der durch den Spiegel mal wieder nach hinten blickte.

„Malia, das kannst du nicht tun!"

„Er wird sterben oder hast du 8000 mal einfach so übrig?", fragte ich, doch keiner in unseren Familien war so reich und keiner von uns hatte andere Kontakte, die so viel Geld mal ebenso hergeben würden. Man könnte sicher reiche Klassenkameraden fragen wie Eric, doch ihm die Lage zu erklären würde Jason zu sehr in die Scheiße ziehen und das war keine Option. Ich war verzweifelt, mir fiel auf die Schnelle nichts anderes ein. Es gab sicher andere Möglichkeiten, doch die Zeit fehlte.

„Du bist gerade erst von ihm los, hast dir gerade erst deine Freiheit verdient und nun willst du zurück? Er wird dich nie wieder gehen lassen, das weißt du doch, oder?", fragte sie mich eindringlich und ich atmete tief durch, unterdrückte meine aufsteigenden Tränen. Man musste mich nicht daran erinnern.

„Ich kann ihn nicht sterben lassen."
„Er hat sich selbst in die Scheiße getrieben. Du bist nicht für ihn verantwortlich, du kannst nicht ewig hinter ihm aufräumen."
„Du weißt, dass ich nicht mit mir leben könnte, wenn er... wenn es meine Schuld... ich bin nicht so stark", sagte ich leise, doch ein Todesfall würde ausreichen, um mich wieder in ein tiefes Loch zu stürzen, aus dem ich womöglich nie wieder herauskommen würde. Besser ich bin unglücklich an Dimas Seite, würde dafür jedoch leben, als dass ich vor Kummer und Schuld heraus mich nur mal wieder versuche umzubringen.

„Das ist zu krank! Ich kann dich das nicht machen lassen."
„Du kannst mich nicht aufhalten", murmelte ich und sie lachte bitter.

„Malia, ich würde mir wünschen, wie du aus dieser Scheiße endlich herauszukommen, und du hast das Unmögliche möglich gemacht, bist endlich frei und nun gehst du blind zurück in die Verdammnis?"
„Vielleicht ist es besser so?", merkte ich an. „Er kümmert sich um einen."
„Und zu welchem Preis?", fragte sie, doch bevor wir weiterreden konnten, hielt das Taxi an unserer Wunschadresse, der alten Fabrik. Jane bezahlte und wir stiegen auf. Ich hörte die Party schon von außen, auch wenn sich niemand direkt beim Eingang aufhielt. Das Thema war fürs erste gegessen und wir wollten beide nur kurz wenigstens einen freien Kopf kriegen dürfen.

Wir liefen durch den Hintereingang in die volle Halle, wo die Musik laut dröhnte, der Geruch von Alkohol, Schweiß und Erbrochenem in der Luft lag. Ich war mir sicher auch Gras riechen zu können, doch in meinen Augen roch das Zeug so widerlich, es war schwer den Unterschied auszumachen bei all den widerlichen Gerüchen im Raum. Jane nahm mich an die Hand, zog mich zu der selbst errichteten Bar im Saal, wo sie für uns beide was zu Trinken bestellte und kaum hielt ich meinen Becher in der Hand, trank ich ihn halb leer, wollte wenigstens angetrunken sein, wenn ich Dima über den Weg laufen sollte.

„Da seid ihr ja." Ich drehte mich wie Jane auch zu Jason um, der wie erwartet völlig bekifft mit einem Becher voller Bier zu uns kam, kaum gerade laufen konnte und sofort fuhr Jane die Krallen aus.

„Du verfickter Idiot!", schrie sie ihn an und gab ihm eine Ohrfeige, die mich schockierte und von der Jason den Becher fallenließ.

„Jane!", sagte ich erschüttert, während Jason ganz verwirrt wirkte.

„Was habe ich getan?"
„Was du getan hast? Wie kannst du sie zu so etwas drängen, du egoistischer Bastard?", schrie sie ihn an und klatschte ihm schon erneut eine, so dass ich sie hinter mich drückte, doch es brachte doch keinem was so wütend zu werden. Er war völlig auf Drogen, ihn jetzt anzuschreien, brachte rein gar nichts.

„Ich bin verzweifelt", sagte er und ich biss mir vor Nervosität halb die Unterlippe blutig.

„Und deswegen ziehst du sie da mit hinein?!"

„Er zwingt mich doch nicht, Jane", sagte ich besänftigend, denn ich würde aus freien Stücken handeln.

„Was für ein Bullshit! Er weiß, dass du es nicht ertragen würdest ihn im Stich zu lassen", sagte Jane angewidert und Jason wirkte ernsthaft bestürzt, sah zu mir.

„Malia, du weißt, dass ich dir danach helfen werde, oder?"

„Natürlich", sagte ich, auch wenn ich nicht wirklich daran glaubte. Er würde es versuchen, doch in seiner Verfassung war er nicht gerade ein Held, der viel bewirken könnte.

„Das ist alles doch bescheuert", sagte Jane aufgebracht, kehrte uns den Rücken zu und verschwand in der Menge. Ich verstand ihren Ärger. Sie stand noch in Dimas Schuld, würde so viel dafür geben, da endlich herauszukommen. Dass ich so naiv wieder in diese Hölle zurücklief, war unbegreiflich für sie, aber wir waren eben nicht gleich.

„Ich hole mir was zu trinken", seufzte Jason betrübt und ich selbst kam mir kurz verloren vor, sah mich in der Halle um, sah zu den vielen tanzenden und lachenden Leuten, ehe ich ein vertrautes Gesicht erkannte, eines, nach dem ich mehr oder weniger gesucht hatte. Jetzt oder nie. Ich atmete tief durch, hätte gern noch mehr zu trinken, würde es nun aber auch so schaffen müssen, wollte es nur hinter mich bringen. Zielstrebig lief ich auf den im Vergleich zu allen anderen Anwesenden älteren Mann zu. Er war schon in seinen 30ern, wirkte fehl am Platz unter all den 18 bis höchstens Mitte 20 Jährigen, doch er war auch nicht wirklich hier, um zu feiern und sein Leben zu leben, er war wegen der Arbeit hier.

„Marek!", rief ich nach dem Mann durch den Lärm hinweg und sofort fanden seine dunklen Augen mich, wo sich ein leichtes spöttisches Lächeln auf seine Lippen legte. Er mochte mich genauso wenig wie ich ihn, doch hierbei musste man sich nicht mögen.

„Was will die kleine Prinzessin denn?", fragte er abwertend und ich versuchte mich nicht von ihm zu sehr kränken zu lassen.

„Wo ist Dima?", fragte ich frei heraus und er lachte auf.

„Vermisst du ihn schon so schnell? Ich habe den Jungs gesagt, dass du zurückkommen würdest. Jemand wie du hält es keine paar Wochen allein in dieser Dreckswelt aus", machte er sich über mich lustig und ich ballte meine Hände zu Fäusten, denn er hatte ja keine Ahnung.
„Ist er hier oder nicht?"

„Ja, was willst du von ihm?"
„Sag ihm, ich muss mit ihm reden, es ist dringend!", sagte ich, wandte mich schon ab und lief weiter. Jetzt würde es an Dima liegen mich zu finden. Dima fand immer die Leute, die er suchte, so wie er mich damals im Park gefunden hatte, ganz gezielt, ganz bewusst. Ich erschauderte von der Erinnerung, fragte mich immer, wie mein Leben ausgesehen hätte, wenn ich damals aufgestanden wäre, wenn ich einfach weiter gerannt wäre. Es gab jedoch Dinge, über die man nur Vermutungen aufstellen konnte. Es brachte nichts mir den Kopf darüber zu zerbrechen, denn ich war sitzen geblieben, ich hatte ihn kennen gelernt und ich hatte mich bereitwillig in die Verdammnis ziehen lassen. Ich holte mir mehr zum Trinken, wollte gern wie alle anderen unbeschwert tanzen dürfen, doch ich war zu nervös, hielt unauffällig Ausschau nach Dima, wann er plötzlich wohl auftauchen würde, um mit mir zu reden, als da etwas ganz anderes vorher geschah. Ganz plötzlich spürte ich es nämlich, etwas, das ich seit über drei Jahren nicht mehr gespürt hatte und das mir Angst macht. Ich ließ vor Schreck den Becher in meiner Hand fallen, sah mich nur noch panischer um, doch ich kannte dieses Gefühl, ich kannte diese schwache, kaum wahrnehmbare Anziehung, die die Anwesenheit meines Seelenpartners ankündigte. Er war hier. Kellin Wentworth war auf dieser Party und ich wusste, dass ich unter gar keinen Umständen von ihm gesehen werden wollte. Ich musste fort, wir alle mussten am besten fort, denn Dima und Kellin in einem Raum bedeutete Tod und Verdammnis. Wir waren alle am Arsch, aber vorerst wollte ich wenigstens Jane finden. Kellin war unheilvoll, wenn er hier war und jemand wie Dima auch hier war, könnte das böse enden. Ich dachte an all die Geschichten, die ich über Kellin aufgeschnappt hatte über die Jahre hinweg, und ich bekam richtige Angst. Wo war Jane? Ich lief los, suchte meine beste Freundin in den Massen, wurde immer nervöser und panischer. Ich schubste Leute aus dem Weg, bekam die verschiedensten Beleidigungen an den Kopf geworfen, nur war es mir egal im Moment, ich hatte zu große Sorgen, dass hier jeden Moment alles eskalieren könnte.

„Malia!" Ich drehte mich erleichtert zu meiner Freundin um, die nach mir rief und sofort wirkte sie voller Sorge bei meinem aufgeschreckten Anblick.

„Wir müssen fort!"

„Was ist los?", fragte sie und ich sah sie eindringlich an, doch sie wusste Bescheid. Sie wusste über meine Familie, was ich war, wer Kellin für mich war, sie wusste alles.

„Er ist hier", sagte ich und die Worte erzielten eine Wirkung. Sie wurde blass. Sie wusste genauso gut wie ich, dass das Ärger bedeutete, dass das gar nicht gut war.

„Bist du dir sicher?", fragte sie, immerhin war so etwas noch nie zuvor vorgekommen. Ich hatte Kellin seit ich vor drei Jahren bei unserer Bindungszeremonie davongerannt war nicht mehr gesehen, dennoch konnte ich dieses Gefühl zuordnen, wusste genau, was es zu bedeuten hatte.

„Wir müssen weg!", sagte ich, hatte Angst, was er hier wollte, hatte Angst ihn zu sehen. Am liebsten wollte ich Jason auch mitnehmen, doch er arbeitete nicht direkt für Kellin, er war nicht wichtig genug. Kellin kannte ihn vermutlich gar nicht. Er war dennoch in der Schusslinie, wenn es hier eskalieren sollte, nur konnte ich ihn kaum auch hier unter all den Leuten suchen, die Zeit drängte. Jane nahm mich sofort an die Hand, zog mich in Richtung Ausgang, wollte mich fortbringen und sich selbst auch in Sicherheit. Keiner wollte im selben Raum wie ein gefährlicher Mafiaboss sein müssen. In unserem Leben hatte es genug davon mit Dima gegeben, doch Dima war kein Psychopath, Kellin schon. Wir waren schon auf dem besten Weg nach draußen, als sich ein Arm um meine Taille schlang, ich zurückgezogen wurde. Verschreckt schrie ich leise auf, doch schnell erkannte ich die teure Rolex am Arm, erkannte den antiken silbernen Ring am mittleren Finger und mit einem rasenden Herzen sah ich zu Dima auf, glaubte ganz kurz wieder dieses 15 Jahre alte Mädchen zu sein, das wie damals vor Kellin davonrannte, direkt in seine Arme. Er hatte sich in den letzten Jahren kaum geändert. Er war immer noch dieselbe schaurige Persönlichkeit wie damals und selbst jetzt, wo ich mehr Angst wegen Kellin hatte, verschlug es einem die Sprache ihn zu sehen.

„Mein kleines Mädchen", sagte er. „Wohin so eilig."
„Ich wollte gehen", sagte ich nervös und er schüttelte den Kopf.

„Marek sagte, du suchst mich. Wenn du was willst, musst du jetzt reden, später bin ich zu beschäftigt", sagte er, deutete mir an, ihm zu folgen und ich blickte zu Jane, die ganz starr wirkte, doch sie hieß das alles immer noch nicht gut und wollte gleichzeitig nur gehen dürfen.

„Jane Schatz, geh du doch solange zu Marek, dann kannst du dich mal nützlich machen!", sagte er deutlich unfreundlicher an meine Freundin gerichtet, die anders als ich keine Wahl hatte als zu gehorchen. Sie gehörte ihm solange, bis sie sich ihre Freiheit verdient hatte. Meine eigene Freiheit würde nicht mehr lange existieren.

„Natürlich", sagte sie, wenn auch recht zerknirscht. Traurig sah ich ihr einen Moment nach, ehe ich Dima folgte, weg von den vielen feiernden Leuten, in einen separaten Raum, wo die Musik und die Stimmen der Partygäste nur noch dumpf zu einem hallten. Unwohl verschränkte ich die Arme vor der Brust, zitterte, jedoch nicht vor Kälte. Ich sah zu dem Mann, der meiner Meinung nach zu dicht vor mir stehen blieb, mich interessiert ansah.

„Was ist es, was ich für dich tun kann. Es gibt nichts, was ich nicht wieder für dich richten könnte", sagte er und ich lächelte leicht, doch deswegen war ich hier.

„Ich brauche Geld", sagte ich und er wirkte überrascht, schien eindeutig mit was anderem gerechnet zu haben.

„Geld? Wofür? Neue Schuhe? Einem hübschen Kleid?", fragte er, musterte mich dabei ausgiebig, so dass mir unbehaglich wurde. Das war seine Art. Dima ließ einen sich unwohl fühlen.

„Für einen Freund", sagte ich und er lächelte nur noch breiter.

„So gütig von dir. Ich habe ja gewusst, dass du irgendwann wieder zu mir finden würdest, doch ich hatte eher gedacht, deine Sehnsucht nach Erlösung wäre der Auslöser", sagte er, kam mir noch näher, so dass ich es langsam mit der Angst zu tun bekam.

„Ich brauche 8000", sagte ich und er streichelte meine Wange, trieb mir Tränen in die Augen, die ich jedoch tapfer zurückhielt.

„Du weißt, was der Preis ist", stellte er klar und ich nickte, war froh vorher etwas getrunken zu haben, das machte es leichter die Angst herunterzuschlucken, während er seine Hände an meine Taille legte.

„Und du weißt, dass ich dich ungern ein zweites Mal gehen lassen würde", merkte er nun an und ich nickte erneut.

„Ich weiß."

„Oh, ich denke unsere neue Zusammenarbeit könnte reizend werden. Ich habe dich vermisst, mein liebstes Goldstück. Du warst immer meine kleine Trophäe unter all den anderen", sagte er, strich mit seinen Händen nach hinten bis zu meinem Po und ich atmete zittrig auf von seinen Berührungen, hatte Angst, wie sehr sich die ganze Lage geändert hatte. Damals hatte er schon kaum die Finger von mir gelassen, doch er hatte mir sonst nie irgendwas getan. Nun war ich 18 und ich sah ihm an, dass das so einiges ändern würde.

„Aber nun komm, Darling, mein liebster Konkurrent ist hier und ich muss mit ihm reden!", sagte er und ich glaubte mich verhört zu haben.

„Du suchst Kellin auf?", fragte ich fassungslos, ließ mich von ihm mitziehen. War er verrückt geworden? Was wollte er schon von Kellin? Erschossen werden? Oh Gott, er durfte mich nicht sehen. Was wäre, wenn er irgendwem hiervon erzählt? Na gut, das würde er nicht, doch ich hatte mir geschworen nie wieder in sein Gesicht schauen zu wollen, nie wieder von diesen grünen Augen herablassend angeblickt zu werden, nie wieder all diese Abneigung zu spüren. Schien so, als würde ich in nur einer Nacht ein neues Leben bekommen. Alles würde sich heute ändern und ich schluckte meine Tränen herunter, als ich Dima folgte, zurück in die Hölle, aus der ich gerade erst herausgekrochen war.

Wörter: 3420

Aloha :) Ich hoffe es gefällt euch. Im Nächsten lernt ihr dann endlich mal Kellin kennen xx

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