Kapitel 1

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Jimin

Erschöpft ließ ich mich auf meine Couch fallen. Wie konnte man nur so fertig von einer Stunde Muskelaufbautraining sein? Ich kann mich noch gut an eine Zeit erinnern, in der ich sowas mich links weggesteckt hatte. Doch leider war diese Zeit schon seit mehr als ein paar Monaten vorbei. Alles stöhnen bringt aber nichts, denn es ist meine eigene Schuld gewesen, ich bin schwach, zu empfindlich und einfach nicht mutig genug gewesen. Wäre es anders gewesen, wer weiß, wo ich heute dann wäre.

Vermutlich nicht hier, in meinem Appartment in Tokyo, sondern weiterhin in Seoul, im Dorm mit meinen anderen Bandmembern. Doch wer weiß, wie sich alles entwickelt hätte, wenn ich stark, mutig und robust genug gewesen wäre...
Vielleicht wäre es das Ende von Bangtan Sonyeondan gewesen.

Letzten Endes, hatte ich auf meine Art und Weise Mut und Stärke bewiesen. Ich hatte eine Entscheidung getroffen, von der ich dachte, dass sie für mich die Beste sei. Zu diesem Zeitpunkt, bin ich wohl auch sehr egoistisch gewesen, denn an meiner Entscheidung hingen eigentlich noch sechs weitere Schicksale, doch ich bin mir damals sicher gewesen, dass sie schon zurecht kommen würden.

Mein Blick richtete sich auf die riesige Fensterfront, natürlich verspiegelt, damit von außen niemand hinein sehen konnte. Der Himmel war dunkel, unzählige dicke dunkelgraue und schwarze Wolken zierten ihn. Seit einer Weile regnete es auch schon. Ich hörte den Regen gegen die Fensterscheiben prasseln und sah den einzelnen Tropfen dabei zu wie sie langsam an dem Glas herunter liefen, wie die unzähligen Tränen, die meine Wangen herunter gelaufen waren.

Tage mit einem Wetter wie diesem, erinnerten mich immer an die Nacht, in der ich meine Entscheidung getroffen hatte. Eine Entscheidung, die für meine Freunde, nein, meine Familie mehr als nur schlecht war und wenn ich ehrlich zu mir selber bin, war es auch für mich alles andere als eine gute Entscheidung...

Rückblick 1 Jahr zuvor

Wieder fiel ich beim üben der Choreografie über meine eigenen Füße und ich landete schmerzhaft auf meinem Hintern. Ich konnte es hinter und neben mir genervt aufseufzen hören. Natürlich waren die anderen von mir genervt, immerhin verursachte ich im Moment mit meiner Unkonzentriertheit für alle mehr Arbeitszeit am Tag. Ich konnte nichts richtig machen, nichts perfekt machen, so wie ich es gerne gewollt hätte.

Ich stolperte über meine eigenen Füße, kam aus dem Takt, trat einem anderen Member auf den Fuß, rempelte sie an oder rutschte aus. So war es fast bei jeder Choreografie. „Man Jimin!" fauchte mich Hobi an. Ich kniff meine Augen zusammen, in der Hoffnung, dass ich meine Tränen verstecken konnte. „Jimin, was ist in letzter Zeit mit dir los verdammt nochmal ?!" hörte ich Yoongi mit mir schimpfen.

‚Jimin reiß dich zusammen!' versuchte ich mir selber Mut zu zusprechen. Ich zog leise meine Nase hoch und öffnete meine Augen wieder. Jin sah einfach nur frustriert aus, ich wusste nicht warum er so aussah, immerhin müsste ich doch derjenige sein, der von Frustration erschlagen werden müsste. Namjoon schüttelte seinen Kopf, während Taehyung mich nur mitleidig ansah und Jungkook sah auch verärgert aus und hatte seine Hände in die Hüften gestemmt.

„Es tut mir leid..." sagte ich ganz kleinlaut und zog meinen Kopf ein wenig ein. Diesmal war es Jin, der sich zu Wort meldete. „Jimin, du bist im Moment wirklich ein echter Totalausfall. Nicht nur beim tanzen, sondern auch beim singen. Du triffst kaum noch deine hohen Töne und selbst beim normalen singen. Was ist mit dir los?"
Diese Worte taten mir weh, sehr weh. Jin war wie eine Eomma, zu jeden von uns und auch so etwas, wie ein großer Bruder, eine Person, der man alles anvertrauen konnte. „Ich weiß es nicht, Hyung." antwortete ich ihm. Ich hatte gesehen, dass auch die anderen Member gespannt auf meine Antwort waren.

Ich schaute jeden einzelnen von ihnen an und ich konnte an ihren Gesichtern sehen, dass sie mit meiner Antwort nicht zufrieden waren. In mir schrie alles ‚Lüge!', denn ich hatte Jin Hyung eiskalt ins Gesicht gelogen. Wenn ich es genau nahm, nicht nur Jin Hyung, sondern allen. Ich wusste schon, was mein Problem war, weshalb ich so ein Totalausfall war, nur was das eben ein Zusammenspiel von mehreren Dingen, basierend auf einer großen Sache. Diese große Sache, war etwas, dass ich zum Wohle unserer Familie, niemals erzählen würde, zumindest nicht allen.

Der einzige, der wusste, worum es ging, wie es mir ging und warum ich zur Zeit so war, wie ich war, war Taehyung, mein Soulmate, deshalb hatte ich von ihm auch nur einen mitleidigen Blick bekommen. „Unglaublich, du sorgst für uns alle immer für mehr Arbeit. Wir bleiben, damit es als Einheit funktioniert, fehlerfrei funktioniert. Morgen ist der Videodreh und du verhaspelst dich in den einfachsten Schritten. Ich habe keine Lust, die nächsten Tage Nachtschichten einzulegen, nur weil du dich nicht konzentrierst!" wetterte Hobi weiter. Ja, so war er, wenn man beim tanzen Fehler machte. Eigentlich wusste ich, dass er es nicht böse meinte, sondern nur an das Wohl aller dachte, aber mich traf jedes einzelne Wort wie ein Stich ins Herz.

Ich schluckte hart, atmete tief ein und wieder aus, straffte meine Schultern und sah jeden einzeln an, ehe mein Blick bei Hobi hängen blieb. „Es verlangt keiner, dass ihr alle hier bleibt. Hobi, du bist unser Maintänzer, du kannst auch meinen Part, tanz, ich nehme es mir mit dem Smartphone auf, verbinde es mit dem Monitor und übe alleine weiter. Dann könnt ihr alle nach Hause gehen." meine Worten klangen ruhig, viel ruhiger, als ich mich fühlte und mein Blick war fest auf Hobi gerichtet, ehe er wieder zu den anderen ging und bei Yoongi hängen blieb. „Das klingt doch nach einem Plan. Ich habe Hunger und ich bin müde, ich will schlafen." sagte er und dann blickte er Namjoon an.

Namjoon war unser Leader, er hatte zu entscheiden, ob auf meinem Vorschlag eingegangen wurde oder nicht. An den flehenden Blicken der anderen, die Namjoon ansahen, konnte ich Zustimmung für meinen Vorschlag erkennen, auch ohne, dass sie etwas sagten. „Hm..." kam es erst nur von unseren Leader, ehe er einen Moment schwieg und leicht seinen Kopf hin und her wiegte. „Bist du dir sicher Jimin? Ich könnte auch bleiben und dir helfen. Immerhin bin sogar ich mal besser als du." fragte er mich. Autsch... Ich setzte ein Lächeln auf, welches dann mit guter Schauspielkunst zu einem kurzen Auflachen wurden. „Das stimmt Namjoon, aber ja, ich bin mir sicher, geht ruhig, ich komme schon zurecht. Ich möchte euch nicht von eurem wohl verdienten Feierabend abhalten." gab ich zurück. „Immerhin etwas kannst du...richtige Entscheidungen für andere treffen." hörte ich Jungkook leise murmeln.

Ich hatte das Gefühl, das heute bereits jeder, außer Taehyung schon etwas gesagt hatte, was mich sehr verletzt oder zumindest getroffen hatte. Ich hasste mich selber dafür, das mir zur Zeit alles so nahe ging, denn ich merkte auch, dass es mir mental immer schlechter ging. Auch ich sah Namjoon Hyung bittend an... Ich hörte ihn seufzen. „Okay. Hobi, würdest du bitte Jimins Choreo tanzen?" fragte er Hobi, dieser nickte und ich beeilte mich, mein Smartphone zu holen. Die Musik wurde gestartet und ich hielt die Kamera auf Hobi gerichtet. Wehmütig schaute ich dabei zu, wie Hobi meinen Part so viel besser tanzte, als ich selber und mir wurde wieder einmal bewusst, ich hatte wirklich nachgelassen...

Als er fertig war, bedankte ich mich bei Hobi Hyung und verabschiedete mich von allen. Taehyung hatte sich nochmal zu mir umgedreht und mich fragend angesehen. Ich wusste, was er mich fragen wollte, wir verstanden uns auch ohne Worte, doch ich deutete nur ein lächeln an und schüttelte mit dem Kopf. Er musste nicht auf mich warten, denn ich konnte ihm ansehen, dass er genauso erschöpft war, wie die anderen und ich auch, doch ich musste es weiter versuchen, ich wusste ich kann es besser! Er nickte als Erwiderung, hob die Hand, winkte mir zu und verließ, die Tür hinter sich schließend den Raum.

Ich seufzte laut aus und meine gesamte Haltung fiel in sich zusammen. „Als wüsste ich nicht selber, dass man mit mir nichts anfangen kann und ich euch immer nur noch mehr Arbeit mache..." murmelte ich zu mir selber und begann, mein Smartphone mit dem Monitor zu verbinden. Nun sah ich Hobi auf dem großen Screen meinen Part tanzen und ich begann wieder zu üben.

Ohne es zu merken, hatte ich noch einige Stunden weiter geprobt. Zuerst hatte ich gedacht, ohne die Anwesenheit einer bestimmten Person würde ich es fehlerfrei hinbekommen. Fehlanzeige. Wenn ich es nicht mal schaffte, wenn er nicht mit dabei war, wie sollte es dann in Zukunft weiter gehen? Würde ich BTS in der Liste nach unten treiben? Würde ich die Gruppe ruinieren? Würden alle wegen mir zum Gespött der anderen Bands werden? Und das nur weil ich unfähig war? Der Gedanke daran schmerzte mehr, als es meine mentale Gesundheit jeden Tag tat.

Ich packte meine Sachen und sah auf die Uhr. Verdammt, es war schon 1:00 Uhr Nachts. Ich hatte die Zeit total vergessen, in meinem Wahn alles perfekt machen zu wollen, der jedoch zu einer einzigen Enttäuschung für mich geworden ist. Seufzend und mit mir selbst mehr als unzufrieden, machte ich mich auf den Heimweg. Es hatte zu regnen begonnen, jedoch störte mich das nicht. Ich wurde nass bis auf die Knochen, doch das sollte mir nur recht sein, so konnte niemand den gefühlt niemals endenden Strom an Tränen sehen, der mir über das Gesicht lief.

Auf dem Weg nach Hause hatte ich mir die Seele aus dem Leib geheult. Tropfend betrat ich den Dorm, er war stockdunkel. Die anderen hatten wohl gegessen und waren dann schlafen gegangen. Verständlich, immerhin waren wir alle seit den frühen Morgenstunden auf den Beinen und hatten gearbeitet. Gut, das ich vermutlich sowieso Augenringe des Todes hatte, so würde es vermutlich keinem auffallen, dass ich absolut verheult aussah.

Weiterhin tropfend, ging ich die Treppe hoch, zu meinem Zimmer. Gut, dass wir mittlerweile einen großen Dorm hatten, in dem jeder sein eigenes Zimmer hatte. Ich zog die Tür hinter mir zu und schaltete mein Licht an. Mein Weg führte mich zu meinem Spiegel, ich warf einen Blick hinein und musste sagen, ich sah wirklich scheisse aus. Mein Weg führte mich zurück zur Tür, ich schaltete das Licht aus, weil ich mich selber nicht mehr sehen wollte, weder im Spiegel, noch in der Spiegelung der Fensterscheibe. Gedanklich, ließ ich die letzten Wochen, revue passieren, hörte die Worte meiner anderen Member in meinem Kopf widerhallen, auch die, die sie nie persönlich an mich gerichtet hatten.

Stumm schrie ich auf, raufte mir die Haare so sehr, dass es schon an der Kopfhaut zu schmerzen begann. Ebenso stumm wie mein Schrei, waren meine erneuten Tränen und Schluchzer. Ich rutschte mit dem Rücken an der Tür herunter und kauerte mich auf den Boden. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis ich mich wieder beruhigt hatte. Verdammt, so konnte es nicht mehr weiter gehen. Ich richtete mich selber zu Grunde und auch meine Familie, die anderen Jungs litten unter mir. Nein! Das wollte ich nicht mehr! Ich musste verschwinden, zum Wohle aller! Entschlossen stand ich auf, riss meinen Schrank auf um meinen Koffer heraus zu zerren sowie meinen Rucksack. Ich stopfte alles an Kleidung hinein, was rein passte, in den Rucksack packte ich alle persönlichen Sachen, die einen emotionalen Wert für mich hatten. Als ich fertig war und den Koffer geschloßen hatte, atmete ich einmal tief durch, ließ meinen Blick noch einmal durch den Raum gleiten, ehe ich den Rucksack schulterte und möglichst leise meine Tür öffnete, den Koffer auf dem Flur abstellte und die Tür leise wieder schloß.

Ich fühlte mich wie ein Einbrecher, obwohl ich aus meiner miserablen Lage ausbrechen wollte. Schon lustig. Auf Zehenspitzen versuchte ich möglichst keinen Laut zu verursachen. Eigentlich ganz schön dämlich, die anderen würden sowieso nicht aufwachen, so erschöpft wie sie gewirkt hatten, trotzdem zuckte ich bei jedem Geräusch, dass mir zu laut erschien zusammen und ich stoppte in meinen Bewegungen. Endlich an der Tür angekommen, streckte ich meine Hand zur Klinke aus, als plötzlich das Licht anging. Ertappt zuckte ich zusammen. Fuck! Langsam drehte ich mich um und sah in die traurigen Augen von meinem Alien. Ich glaubte zu sehen, das es leicht in seinen Augen glitzerte, als seien Tränen in ihnen.

Wir sahen uns eine Ewigkeit an, ehe er mich traurig anlächelte und mir zu nickte. Ich verstand. Und wieder fing ich an zu heulen, ging auf ihn zu, umarmte ihn und drückte ihn fest an mich. „Geh jetzt Chimmy...sonst wird es nur noch schwerer." murmelte er leise und strich mir mit seiner großen Hand einmal über den Kopf. Ich nickte, schniefte noch einmal, ehe ich mich von ihm löste und wieder auf die Tür zuging. Diese wurde von mir geöffnet und ich trat mit meinem Koffer heraus. Ich hatte schon einen Plan wo ich als erstes zur Überbrückung hin gehen würde, bis ich einen Flug nach Japan bekommen würde. Leider, hatte ich mir schon Gedanken gemacht, im Vorfeld, für den Fall der Fälle. Hätte ich mich nicht dazu entschieden, meine zweite Familie zu verlassen, wäre das Appartment in Japan mein zweiter Wohnsitz geworden. Ich blickte nicht zurück, denn ich wusste, ich würde es nicht übers Herz bringen zu gehen, wenn ich Tae noch einmal ansehen würde.

Ich hörte, wie leise die Tür hinter mir geschloßen wurde....

Rückblick Ende

Ein lauter Ton holte mich aus meiner Erinnerung zurück. Ich brauchte einen Moment, bis ich wieder richtig bei Bewusstsein war. Seit einiger Zeit, versank ich so tief in Erinnerungen, dass es teilweise sogar so wirkte, als sei ich total weggetreten. Ich nahm mein Smartphone zu Hand und schaute auf das Display. Eine neue Nachricht von Namjoon...

*

~Mystrien~

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