4.

Nach dem langen Abend wachte ich spät am nächsten Morgen auf. Ich schreckte aus dem Schlaf, schaute mich verwirrt um und stellte fest, dass ich in Schlafklamotten in meinem Bett lag.

Wie zur Hölle bin ich ins Bett gekommen und wie habe ich mich umgezogen? Ich erinnere mich nur noch an den Tanz mit Ian, oder war das etwa auch nur ein Traum?

Ich brauchte unbedingt einen Kaffee, also zog ich meine Kuschelschuhe an und machte mich auf den Weg nach unten. Dort angekommen war ich noch mehr verwirrt über alles, denn das Haus war sauberer als sonst. In der Küche angekommen machte ich mir einen Kaffee schwarz, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Mit der heißen Tasse in der Hand lief ich wieder die Treppe nach oben, wo ich mich draußen auf den Balkon meines Zimmers setzte. Angenehm warme Luft umschwirrte meine verwuschelten Haare. Ich schloss meine Augen, überlegte stark nach, was nun gestern wirklich passiert war. Da ich wirklich nicht drauf kam, beschloss ich Liz anzurufen.

Ich entsperrte mein Handy, wo ich tausende Nachrichten von gestern in der Partygruppe empfangen hatte, diese jedoch ignorierte und die Nummer meiner besten Freundin wählte.

"Hey Isi. Krasser Abend, ohne Mist!", fing sie direkt an los zu labern.

"Ich hatte einen komischen Traum. Irgendwie habe ich alleine angefangen aufzuräumen, wo dann Ian noch dazu kam und wir plötzlich getanzt haben. Heute Morgen bin ich dann in Schlafsachen in meinem Bett aufgewacht und ich weiß einfach nicht, wie ich dahin gekommen bin.", plapperte ich einfach aus mir heraus.

"Oh mein Gott Isi, du hast es noch nicht gesehen oder?", fragte sie mich überrascht.

"Was denn schon wieder gesehen Liz?", fragte ich sie verwirrt, währenddessen ich meine Beine entspannend auf den anderen Stuhl legte.

"Das war kein Traum.", antwortete sie mir kurz und knapp.

Ich riss meine Augen auf. "Wie das war kein Traum?", meine Stimme klang geschockt.

"Hast du noch nicht in die Partygruppe geschaut? Dort ist ein Video aufgetaucht, wie ihr am tanzen wart, so innig und mit so viel Gefühl, dass habe ich auf diese Art und Weise noch nie gesehen.", meinte sie total aufgeregt, während ich einfach gar nicht mehr auf mein Leben klar kam.

Ich schaltete Liz auf Lautsprecher, öffnete den Gruppenchat und klickte auf das Video, welches von gefühlt tausenden von Leuten kommentiert wurde.

Auf dem Video waren Ian und ich zu sehen wie wir tanzten, wie wir lachten und wie wir uns gar nicht mehr aus den Augen lassen konnten. Nach einer Weile innigem Tanzen, setzten wir uns auf die Couch und fingen an zu reden, all das war ebenfalls auf dem Video zu hören.

"Wieso hast du aufgehört zu tanzen, du bist einfach großartig Isi...", er strich mir vorsichtig eine lockere Haarsträhne hinter mein Ohr.

"Ich habe seitdem du mich verlassen hast nie wieder getanzt, all die Jahre konnte ich es einfach nicht mehr. Du hast mir gefehlt Ian.", antwortete ich ihm, mein Blick nur auf den Boden gerichtet.

Er legte seinen Zeigefinger unter mein Kinn und drehte meinen Kopf sanft zu sich, sodass mir nichts anderes übrig blieb, als ihm in seine wunderschönen Augen zu schauen.

"War ich wirklich deine letzte große Liebe?", fragte er mich neugierig, woraufhin ich nur nicken konnte, denn Worte schafften es gerade nicht bis zu meinen Lippen.

Dann schaltete sich die Kamera aus und das Video war beendet.

"Scheiße.", fing ich laut an zu fluchen.

"Hey, hey, beruhig dich.", Liz fing an zu lachen, verstummte jedoch schnell wieder, als sie bemerkte, dass ich all das gar nicht so witzig fand wie sie.

"Mich wird doch jetzt jeder in der Schule auslachen. Das tun eh schon viele, aber jetzt noch mehr.", verzweifelt fuhr ich mir mit meiner freien Hand durch die Haare. "Ich gehe einfach nie wieder zur Schule, ganz einfach."

"Isi, jetzt hör auf! Das war gestern die coolste Hausparty seit langem. Du wirst ganz sicher nicht ausgelacht. Und klar kommst du zur Schule, was mache ich denn sonst ohne dich da?", ermahnte sie mich streng.

Ich konnte mir ganz genau vorstellen wie sie gerade eine Hand in ihre Taille legte und aussah wie eine strenge Chemielehrerin, die ihre Schüler beim Scheiße bauen ermahnte. Bei dem Gedanken musste ich schmunzeln.

"Na gut, aber nur für dich.", gab ich letztendlich nach.

-

Das Wochenende verging an sich ziemlich ruhig. Liz und ich machten einen Serienmarathon auf Netflix.

Heute war leider wieder Schule angesagt. Fertig angezogen und zu Recht gemacht ging ich nach unten und machte mir eine Schüssel mit Cornflakes, welche ich gemütlich am Tisch aß. Als ich mir den letzten Löffel in den Mund schieben wollte, klingelte es plötzlich an der Tür. Ich stand auf und schlenderte gemütlich zur Tür, welche ich neugierig öffnete.

"Hey, können wir kurz reden?", fragte mich Ian aus dem nichts, woraufhin ich nur nickte und zur Seite ging.

Als er an mir vorbei ging, dachte ich direkt an das Video, schluckte einmal stark und folgte ihm ins Wohnzimmer. Wir setzten uns beide auf die Couch.

"Hör mal...", fing er an. "Ist schon gut, das auf dem Video war ein Fehler, hab schon verstanden.", unterbrach ich ihn und stand enttäuscht auf, ohne zu wissen, was er wirklich sagen wollte.

"Ich muss los zur Schule, wir sehen uns.", ohne zu zögern ließ ich ihn in meinem Haus zurück und machte mich auf den Weg in die Schule.

Tränen stiegen in meine Augen, doch ich versuchte sie ständig zurück zu halten, damit niemand mir ansehen konnte, wie verletzt ich gerade war. Hätte ich nämlich meine Schwäche anderen gegenüber gezeigt, hätten sie es direkt ausgenutzt, um mich noch mehr fertig zu machen, als ich so schon war. Von weitem sah ich schon Liz auf mich warten, woraufhin ich auf direktem Wege auf sie zu steuerte. Doch kurz bevor ich sie begrüßen konnte, stellte sich Maddie mit ihren eingebildeten Freundinnen vor mich und legte warnend ihre Hände in die Hüfte.

"Na du Schlampe, machst du dich gerne an vergebene Männer ran?", fragte sie mich in einem ernsten Ton und schaute herablassend zu mir.

"Erstens habe ich mich an niemanden ran gemacht, zweitens seit wann bist du bitte mit Ian zusammen? So eine Bitch wie du hat niemals eine Chance bei so einem herzensguten Mensch wie ihm!", schrie ich sie schon fast an.

Maddie holte ihr Handy aus ihrer Tasche und zeigte mir ein Foto, worauf Ian und sie halb nackt im Bett lagen. In diesem Moment konnte ich einfach nicht glauben, wie sehr er sich einfach verändert hat. Mein Herz tat weh, ich wollte einfach nur weg von diesen falschen Mädchen.

"Du stehst mir im Weg.", ich schubste Maddie mit voller Kraft zur Seite, ging an ihr vorbei, machte jedoch Begegnung mit dem Bein einer ihrer Freundinnen.

Ich flog nach vorne, bereit auf den Boden zu fallen, jedoch fingen mich zwei starke Arme auf. Als ich nach oben schaute, sah ich in zwei wunderschöne braune Augen - Ians. Doch leider zogen sie mich alles andere als in den Bann, er ekelte mich einfach nur noch an.

"Ich hasse dich.", sagte ich verletzt.

Ohne mich zu bedanken, riss ich mich aus seinem Griff und ging weiter in Richtung Liz, ohne noch einmal einen Blick an ihn zu verschwenden. Ich verstand nicht, worauf ich all die Jahre gehofft und gewartet hatte. Nach all der Zeit stand nun ein komplett anderer Mensch vor mir, mit anderen Interessen, anderem Aussehen, er war nicht mehr der Junge in den ich mich damals verliebt hatte. Vielleicht wollte es mein Kopf so sehr, dass mein Herz einfach mitgespielt hatte. Ich biss mir auf meine Lippe, um meine Tränen unterdrücken zu können. Liz empfing mich mitfühlend, woraufhin wir ins Schulgebäude gingen und ich ihr alles von diesem Morgen erzählte.

"Er hat dich einfach gehen lassen? Du hast ihn einfach in deinem Haus stehen lassen? Stell dir vor der ist kriminell geworden und hat dich ausgeraubt!", fragte sie geschockt und lehnte sich fassungslos an ihren Spint.

"Das Beste war ja noch, als ich erfahren habe, dass Ian und Maddie was miteinander haben. Das hat mir so mein verdammtes zerbrochenes Herz aus der Brust gerissen. Ich kann es einfach gar nicht glauben.", in diesem Moment öffnete sich die Tür zum Hof, wo Maddie mit Ian an der Hand hinein kam.

Verletzt und schluchzend drehte ich mich zu meinem Spint und tat so, als würde ich meine Bücher herausholen.

"Isi...", Liz legte vorsichtig eine Hand auf meine Schulter.

"Isabelle, kann ich Sie bitte einmal sprechen?", sprach mich der Lehrer unseres Tanzkurses auf der Schule an.

Ich wischte mir die Tränen unter den Augen mit einer fixen Handbewegung weg, woraufhin ich mich zu ihm umdrehte und ihn anschaute.

"Sicher.", ich verabschiedete mich von Liz und machte mich mit dem Lehrer auf den Weg.

Wir kamen in einem riesigen Raum an, mit vielen Spiegeln an der Wand. Mehrere Mädchen in meinem Alter saßen dort in einem Kreis, ebenfalls Maddie.

"Was soll ich hier?", fragte ich ihn, als ich dieses falsche Grinsen hinten in der Ecke sah.

"Ich möchte, dass Sie für uns tanzen. Ich habe das Video von einer anonymen Person bekommen und bin beeindruckt von Ihrem Talent Isabelle.", er schaute mich flehend an.

Maddie's Grinsen verschwand langsam, als sie realisierte, warum ich eigentlich hier war.

"Ich tanze nicht mehr, das auf dem Video war eine Ausnahme.", antwortete ich ihm und setzte an zum Gehen.

"Dann tun Sie noch eine Ausnahme, bitte.", er flehte mich förmlich an und setzte sich zu den anderen Schülerinnen.

"Na gut.", ließ ich nach, zog mir meine Jacke von den Schultern und wartete, bis die Musik anfing.

Das Lied 'When You Find Me' begann zu spielen. Ich atmete tief ein und aus. Hörte nur auf mein Herz, meine Arme fingen an sich zu dem langsamen Lied zu bewegen. Ich vergaß alles um mich herum und tanzte, als gäbe es in diesem Raum ganz allein nur mich. Mein Körper strahlte alles an Gefühlen aus, was ich gerade in diesem Moment fühlte. Die eine oder andere Träne kullerte über meine Wange, als das Lied sich langsam dem Ende begab. Vorsichtig öffnete ich meine Augen wieder. Überrascht stellte ich fest, dass mehr Leute dazu gekommen waren, um mich beim Tanzen zu beobachten. Sie applaudierten alle, bei manchen konnte ich sogar Tränen in den Augen entdecken. Ein kleines Lächeln huschte über meine Lippen und das erste Mal seit langem, fühlte ich mich wieder ernst genommen.

Next one, ich hoffe euch gefällt mein Buch.❤

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