47. Brians Rolle

Erfreut über meinen erfolgreichen Einbruch kehrte ich in Zimmer 205 zurück.

„Wir haben gesagt, du hättest Migräne", meinte Chloe bissig, sobald ich die Tür hinter mir geschlossen hatte.

„Hoffentlich hattest du eine schöne Zeit, in der du was auch immer getan hast", fügte Paula hinzu. Beide waren sichtlich total genervt.

„Okay, danke", gab ich zurück und setzte mich auf mein Bett. Eine Weile herrschte angespannte Stille.

„Wir haben gehört, du hast vor Sophies Augen mit Justin rumgeknutscht", meinte Paula.

„Ich dachte nicht, dass du so wärst", gab Chloe von sich. Ich drehte mich wütend zu ihnen um.

„Er hat mich geküsst! Ich habe nichts gemacht! Er ist ein Arschloch!", schrie ich und merkte plötzlich, wie Tränen meine Wangen hinunterliefen.

Beide sprangen auf und umarmten mich.

„Es tut mir leid", meinte Paula, „wir konnten es bloß nicht mehr ertragen, dass du die ganze Zeit etwas vor uns verbirgst."

„Also, was war die ganze Zeit los?", fragte Chloe, als ich mich beruhigt hatte.

„Ja, Schluss mit der Geheimnistuerei", stimmte Paula ein.

„Leute, ich...", begann ich, doch Chloe unterbrach mich.

„Was? Du willst es uns nicht erzählen? Jenny, ich bin enttäuscht." Sie drehte sich um und ging hinaus, Paula folgte ihr.

Aber ich konnte es ihnen nicht erzählen. Zum einen nicht, weil ich selbst keine Ahnung hatte, was gerade vorging, und zum anderen, weil Chloe mit Brian zusammen war und ich nicht wusste, welche Rolle er in dem ganzen spielte.

Na toll. Keine Freundinnen, kein Justin. Ich war auf mich allein gestellt.

Als Chloe kurz vor der Nachtruhe wiederkam, sprach sie kein Wort mit mir, sondern legte sich ins Bett und schloss die Augen. Ich seufzte.

Am nächsten Morgen beschloss ich wider meiner Pläne essen zu gehen, da ich auf Grund des verpassten Abendessens sehr hungrig war.

Chloe und Paula saßen zwar an meinem Tisch, redeten aber nach wie vor nicht mit mir. Allmählich ging mir das auf die Nerven. Sauer sein- okay, aber ignorieren?

Nach dem Essen teilte uns Karin mit, dass es heute am Nachmittag eine Schnitzeljagd geben würde. Alle sollten sich um fünfzehn Uhr vor dem Haupthaus versammeln.

Das heißt ich sollte Maes nächsten Eintrag schnellstmöglich finden. Leider hatte ich keine Ahnung, wie ich die Mädchen davon überzeugen konnte, mich ihr Zimmer durchsuchen zu lassen.

Als wir fertig waren, hatte ich keine Lust in mein Zimmer zu gehen, damit Chloe und Paula mich weiter ignorierten.

Keine Ahnung warum, aber ich schlenderte zum Gemeinschaftsraum. Niemand war dort, niemand würde mich nerven. Perfekt.

Ich setzte mich aufs Sofa und starrte Löcher in die Luft.

Denk nach, befahl ich mir.

Ich würde die Mädchen auf keinen Fall fragen können, ob ich ihr Zimmer durchwühlen dürfte, ohne ihnen die Umstände zu erklären, und das wollte ich nicht.

Aber was sollte ich sonst tun? Vielleicht könnte ich...

In diesem Moment ging die Tür auf und Justin platzte hinein. „Jenny... wie ich sehe, hast du Maes nächsten Eintrag ohne mich gelesen. Wo ist er? Ich würde ihn auch gerne lesen." Er lächelte.

Ich war aufgesprungen und überlegte, ob ich antworten sollte, entschied mich dagegen und wollte hinausgehen, doch er packte mich an den Schultern.

„Ich habe gesehen, wie du gestern Luis geküsst hasst. Jenny...bitte werde nicht wie ich. Du wirst es so bereuen...", fing er ernst an, doch ich unterbrach ihn empört.

„Bist du verrückt? Lass mich los!", ich wand mich herum, doch sein Griff war zu fest.

„Jenny... Bitte. Lass uns reden...."

„Geh mir aus dem Weg und lass mich los!", fauchte ich. Sein Griff wurde lockerer und sanfter. Mit einer Hand strich er vorsichtig über meine Wange.

„Hör auf!", schrie ich ihn an, „ich lasse mich nicht noch einmal verarschen!"

„Jenny, bitte, hör mir zu... das will ich gar nicht! Bitte Jenny, ich...", versuchte er, aber ich riss mich los und lief weg.

Warum wollte er mich die ganze Zeit verletzen? Verstand er denn nicht, dass er mein Herz sowieso schon in eine Million winziger Stücke zerbrochen hatte? Musste er wirklich noch darauf herumtrampeln?

Ich versteckte mich auf dem Dachboden. Ein paar Mal kamen mir die Tränen, doch ich wollte nicht mehr wegen ihm weinen. Nie wieder.

Plötzlich wusste ich, dass es ganz einfach war, ins Zimmer 209 zu kommen.

Ich ging hinunter und klopfte dort an.

„Herein!"

Ich stieß die Tür auf.

„Äääh, Mädchen, irgendeine Betreuerin sucht euch, ihr sollt ins Haupthaus kommen", meinte ich.

Die beiden nickten und gingen, ich tat auch so, als ob ich mich verziehen würde. Als ihre Stimmen verstummten, betrat ich ihr Zimmer.

Wo konnte Mae ihr Tagebuch versteckt haben? Eigentlich sahen alle Möbel so alt aus, dass sie über sieben Jahre hier gestanden sein konnten. Ich begann beim Schreibtisch, weil sie diesen erwähnt hatte. Dort lagen Schminkzeug und Essen der Mädchen, aber keine Spur von einem Tagebuch. In der zweiten Schublade war eine Jahreszahl eingraviert, die mir verriet, dass dieser Tisch erst vier Jahre alt war, weshalb ich meine Suche sofort abbrach. Als nächstes durchsuchte ich den Kleiderschrank, wobei ich mich beeilte, doch auch dieser war zu neu. Die Mädchen konnten jeden Moment zurückkehren. Das einzige wirkliche Möbelstück, das mir noch übrigblieb, war das Bett. Es war aufklappbar und eine der inneren Seitenwände ließ sich abnehmen. Dahinter lag ein Karton. Ich schnappte ihn mir, klappte das Bett zu und verschwand wieder auf den Dachboden.

Der Karton war leer, genauso wie damals der Karton im Jungsklo. Anscheinend waren wir wirklich nicht die einzigen, die Maes Tagebuch suchten.

Wer außer uns konnte daran interessiert sein? Jemand, der beteiligt war, schoss es mir durch den Kopf. Diese Theorie musste ich prüfen.

Ein Blick auf mein Handy verriet mir, dass es 14:45 war, also dass ich nur mehr 15 Minuten hatte. Ich verließ das Mädchenhaus und ging mit schnellen Schritten ins Haupthaus. Kaum hatte ich das Haus betreten, stieß ich mit Yvonne zusammen. Sie entschuldigte sich und fragte, ob ich einen Gefallen für sie tun könnte.

„Bitte, Jenny. Ich soll Brian holen, weil wir noch einmal die Regeln für das Spiel durchgehen wollen und er immer noch nicht da ist. Könntest du das für mich machen? Ich will wirklich nicht in sein Zimmer gehen...", bat sie. Ich stimmte zu. Das kam gerade genau richtig. Rotschopf nannte mir seine Zimmernummer und bedankte sich ein dutzend Mal.

Brian hatte ein eigenes Zimmer, obwohl eigentlich alle Betreuer zu zweit untergebracht waren. Aber da es nur drei männliche Betreuer gab, war Brian alleine.

Ich klopfte an, aber er antwortete nicht, also kam ich einfach herein. Brian war nicht da.

Ich nutzte meine Chance und sah mich ein bisschen um. Seine Kleidung lag überall verstreut, das Bett war nicht gemacht. Es war stickig hier. Typisch Mann, dachte ich schmunzelnd, konzentrierte mich dann aber. Auf dem Schreibtisch lagen Papiere, irgendwelche Notizen, und einige Zettel mit einer Handschrift, die ich sofort erkannte. Mae. Er hatte Maes Tagebuch.

Er war nicht der einzige, den ich hier sympathisch fand. Zwar waren die meisten Mädchen irgendwelche Tussis, die ihm nachliefen und nicht checkten, dass er mich hatte, dennoch gab es ein paar Ausnahmen. Eine von ihnen war ein dürres rothaariges Mädchen, mit dem mich jeder hier verwechselte. Jedoch hatte sie viele von diesen Sommersprossen, die ich nicht unbedingt schön fand. Ich freute mich, dass ich keine hatte.

Die Süße war ziemlich naiv, aber nicht dumm. Irgendwie mochte ich sie. Insgeheim nannte ich sie Pünktchen.

Wir waren immer zu dritt unterwegs, obwohl er sie nicht so gerne hatte. Er wollte viel lieber alleine mit mir sein. Aber dazu würde er noch genug Gelegenheiten bekommen.

Hierbei musste es sich wohl um Yvonne handeln. Das war der Eintrag, der sich in der Jungstoilette befunden hatte. Es gab noch einen, wahrscheinlich den aus Maes ehemaligen Zimmer .

Er meinte, er wollte heute etwas ganz besonderes unternehmen. Wir trafen uns in der Scheune.

Zuerst kuschelten wir ein bisschen, dann redeten wir.

„Unglaublich, dass so ein Mädchen wie du wenige Verehrer in der Schule hat", meinte er.

„Ich bin eben nicht die hübscheste", antwortete ich darauf, was auch stimmte. Rote Haare waren Geschmackssache.

„Also für mich bist du perfekt", flüsterte er. Dann küssten wir uns.

Viele sagen, dass der Altersunterschied bei einer Beziehung nicht groß sein darf. Er war 19, ich 15, und alles war perfekt. Vier Jahre waren gar nicht so viel.

Er wurde immer stürmischer, verlangender, schon bald blieb nichts von der anfänglichen Zärtlichkeit.

Langsam wanderten seine Hände unter mein Shirt. Ich lachte, dachte mir nichts dabei.

Er hörte nicht auf. Ich wollte ihm andeuten, dass ich das nicht wollte, aber sein Kuss erdrückte alle Worte.

Einige Zeit später strahlte er und war überglücklich, ich jedoch fühlte mich furchtbar. Warum...? Ich sagte ihm, dass ich jetzt gehen sollte, versuchte zu lächeln, aber es gelang nicht.

Als ich im Zimmer ankam, brach ich in Tränen aus, und Pünktchen merkte sofort, dass etwas nicht stimmte.

Ich erzählte es ihr nicht, schob alles auf Bauchschmerzen.

Oh mein Gott, war hatte sie gerade das beschrieben, woran ich dachte? Hatte Brian sie wirklich...?

Ich war schockiert. Hinten auf dem Blatt war ein Post It aufgeklebt.

Bitte finde den nächsten Teil, stand dort, als ich ihn geschrieben hatte, dachte ich, ich hätte ihn missverstanden. Ich dachte, alles könnte besser werden. Ich selbst konnte ihn nicht finden, der Wald ist eben zu dicht, bitte tu das für mich und vernichte ihn, tu irgendwas damit, Hauptsache er findet ihn nicht! Bitte!!!

Meinte sie damit, dass Brian den Teil auf keinen Fall lesen sollte? Aber warum?

Ich war mir sicher, sie hatte einen guten Grund, nachdem er ihr so etwas angetan hatte.

Ich konnte es nicht fassen.

Auf der Rückseite befand sich auch noch ein Gedicht, dass sie aber nicht selbst geschrieben hatte. Für mich klang das wie ein Kindergedicht, vielleicht sogar ein Lied, in dem es um eine Eiche ging.

Plötzlich ging die Tür auf.

xxOkay, dieses Kapitel ist seltsam, es tut mir leid. -Youtulipxx


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