34. Lovetest
Beim Essen redeten Chloe und Paula über die Jungs im Camp und versuchten sich gegenseitig den passenden Partner zu finden. Währenddessen versank ich komplett in meinen Gedanken und wachte erst auf, als ich meinen Namen hörte.
„Was hast du gerade gesagt?", fragte ich und wendete mich dabei an beide Mädchen, weil ich nicht wusste, wer von ihnen das gesagt hatte.
„Ich meinte, dass dein perfekter Boy sowieso offensichtlich ist", wiederholte Chloe.
„Genau", fügte Paula hinzu.
„Ach ja?"
„Jenny, stell dich nicht so an. Jeder in diesem Raum, der Augen im Kopf hat, merkt, dass du auf Justin stehst und er auf dich", plapperte Chloe.
„Beim zweiten wäre ich mir nicht so sicher", murmelte ich.
„Schätzchen, hast du schon einmal seinen Blick gesehen, den er aufgesetzt hat, als du mit Nils geredet hast?", fragte Paula.
„Was für einen Blick?"
Paula demonstrierte es mir. Sie verzerrte ihr Gesicht so, wie ich es nie für möglich gehalten hätte. Ich lachte bei der Vorstellung, dass Justin so ein Gesicht aufsetzte.
„Ich meins Ernst", beschwerte sich Paula. Ich winkte ab. Klar.
Die beiden schüttelten ihre Köpfe.
„Weißt du, dass man sowas ganz einfach testen kann?", fragte Chloe nach einer Weile.
„Und wie? Wenn du meinst, ihn zu fragen, kannst du es vergessen."
„Nein! Überleg doch mal. Wie ist man, wenn man verliebt ist?"
„Komisch? Keine Ahnung."
„Nein, du Dummerchen. Man ist verrückt nach dem anderen", lehrte Chloe.
„Und jetzt überleg Mal, was dich verrückt macht, besser gesagt, wie er dich verrückt macht", meinte Paula.
„Ähh", ich dachte nach, ob ich das wirklich aufzählen sollte, und entschloss mich letztendlich dafür, „Naja, wenn er zuerst so frech ist dann plötzlich ganz lieb und zart und dann seine Berührungen..."
„Okay, das reicht. Und jetzt hör zu", sagte Chloe und wir drei steckten unsere Köpfe zusammen und entwickelten den perfekten Plan.
Nach dem Essen mussten wir das Geschirr wegräumen und bekamen danach den Nachmittag frei. Als ich fragte, warum, lachte mich Yvonne aus und meinte zu meiner Überraschung, weil heute Samstag sei. Morgen würden wir dann den kompletten Tag freibekommen, worauf ich mich sehr freute.
Als wir nach der Pause, die wir im Gemeinschaftsraum verbracht hatten, aus dem Haupthaus gingen, stand ich plötzlich zwischen Paula und Justin, und meine Freundin nützte es sehr aus, zwinkerte mir zu und schubste mich brutal gegen Justin.
„Hey, Vorsicht, du Trampeltier", grinste Justin, als er mich an den Ellbogen festhielt, damit ich nicht umfiel.
„Soll das etwa heißen, dass ich fett bin?", beschwerte ich mich spielerisch.
„Naja, ich würde es besser sehen, wenn du ein bisschen mehr Haut zeigen würdest."
Ich antwortete mit einem drohenden Blick. Mein Outfit bestand aus einem knappen, fast bauchfreien Top und einer Shorts.
„Wie genau soll da noch mehr Haut sein?"
„Indem du genauso aussiehst wie im Shoppingcenter."
Er spielte immer wieder auf dasselbe an, immer wollte er meine peinlichsten Erinnerungen hervorrufen. Meine Wangen verfärbten sich vor Scham.
Ich versuchte von Thema abzukommen, indem ich unserem Plan folgte. „Was hast du jetzt vor zu machen?"
„Weiß noch nicht. Hast du einen coolen Vorschlag?"
„Vielleicht gehen wir wieder in die Scheune und überlegen uns etwas..." Verdammt, das war viel zu direkt gewesen, jetzt wusste er, dass ich etwas von ihm wollte.
Meine Worte zeigten Erfolg. Äußerlich tat er zwar auf cool, aber ich sah Neugier in seinen Augen funkeln. Er war interessiert.
„Ach, und was genau?", fragte er.
Ich lächelte, weil mir nichts einfiel. Er grinste zurück. Chloe und Paula kamen zu uns. „Habt ihr zwei Lust an einem sicheren Ort irgendwas Lustiges zu machen?"
„Gerne", antwortete ich für uns. Dann los.
Chloe holte eine Flasche Whiskey und Justin knackte die Scheune. Paula ging als erste laut plappernd und lachend hinein, doch sie verstummte plötzlich, als sie drinnen war. Wir folgten ihr und teilten ihren Schreck. Brian saß dort im Heu, er hatte uns den Rücken zugekehrt. Wir alle standen da, unschlüssig, was wir tun sollten. Er drehte sich zu uns.
„Unfassbar, besteht die ganze heutige Jugend nur mehr aus Alkoholikern?", fragte er grinsend.
Wir schwiegen.
„Was habt ihr hier vor?", fragte er weiter.
Justin meldete sich zu Wort. „Wir wollten ein bisschen Spaß haben."
„Spaß kann man auch ohne Alkohol haben."
„Besonderen Spaß", meinte Justin.
„Den will ich auch", Brian blickte in die Runde, „was ist, darf ich mitspielen?"
Niemand wagte es, sich zu rühren. Ich nickte vorsichtig.
Wir alle setzten uns in einen Kreis. „Was spielen wir?", fragte Chloe vorsichtig.
„Als Aufwärmrunde schlage ich Ich hab noch nie vor, danach Wahrheit oder Pflicht", sagte Justin.
Paula fing an. „Ich hab noch nie jemanden aus der Runde geküsst." Alle ließen ihre Gläser stehen, nur Justin und ich tranken.
„Ich hab noch nie etwas gestohlen", meinte Chloe. Justin trank, was ihm einen empörten Blick von mir einbrachte. „Ich erzähl's dir später", versprach er. Brian grübelte, trank schließlich doch. Chloe konnte sich ihren Kommentar nicht unterdrücken, „Richtige Bad Boys hier", und Justin grinste sie stolz an. Ich rollte meine Augen.
„Ich hab noch nie einen Knutschfleck gehabt", sagte Brian. Alle tranken.
Justin war an der Reihe. „Ich hab noch nie..." Die Scheunentür ging auf. Wir alle blickten dorthin. Jetzt sind wir dran.
Wen ich dort sah, erwartete ich am wenigsten von allen. Nils.
„Was macht ihr so?", fragte er kalt. Ich sprang auf, Justin ebenso.
„Wir spielen...", fing Paula an, doch Nils unterbrach.
„Gut, dann spiele ich mit." Er setzte sich, und Justin und ich nahmen auch Platz.
„Ich bin dran", verlangte er und sagte, „Ich hab noch nie mit den Gefühlen von irgendwem gespielt." Er war immer noch sauer. Ich trank, außer mir Brian, Justin –was für ein Wunder-, und Chloe. Vergebens versuchte ich, Blickkontakt mit Nils zu suchen. Er sah mich nicht an, auch wenn seine Augen in meine Richtung gerichtet waren, er schien mich nicht zu bemerken, ich war Luft für ihn, durch die er hindurchsah. Ich hatte ihn anscheinend sehr hart getroffen. Verdammt, verdammt, verdammt!
Justin blickte mich mit seinen wundervollen, aber diesmal besorgten Augen an. Auch Chloe und Paula starrten zu mir, jedoch bedeuteten ihre Blicke, „Der versaut unseren ganzen Plan." Unser Lovetest war mir im Moment egal, ich hatte einen Freund verletzt, und wollte es wieder in Ordnung bringen, aber ich konnte nicht. Egal was ich tun würde, Nils würde es nicht besser gehen. Es gab Wunden, die nur die Zeit heilen konnte.
Justin setzte seine Runde fort. „Ich bin noch nie fremdgegangen." Brian war der einzige –außer Justin selbst-, der trank. „Jenny, du noch, dann spielen wir Wahrheit oder Pflicht."
Ich überlegte. „Ich war noch nie verliebt." Die Mädels, Nils und Brian, und -zu meiner Überraschung- auch Justin tranken. Ich schloss mich ihnen an.
„Gut- Wahrheit oder Pflicht. Wer fängt an?", fragte Chloe.
„Ich", sagte Justin und zeigte auf mich, „Jenny?"
Wahrheit war langweilig, außerdem hatte ich Angst vor dem, was er mich fragen wollte, „Pflicht."
„Hol eine Pflanze aus dem Haupthaus."
„Bist du bescheuert? Wozu?", beschwerte ich mich. Alle prusteten. Er lächelte nur, also erhob ich mich und ging aus der Scheune. Vorsichtig schlich ich ins Haupthaus und passte auf, dass mich niemand sah, dann nahm ich die erste Topfpflanze, die ich tragen konnte und kehrte achtsam zurück.
„Bravo, böses Mädchen", lachte Justin. Ich stellte den Topf zwischen Brian und mich.
„Chloe?", fragte ich.
„Pflicht."
„Küss einen Jungen aus der Runde." Sie würde mich dafür hassen, aber ich wollte einfach wissen, wen sie nahm. Chloe funkelte mich wütend an, sah dann zwischen Justin, Nils und Brian hin und her. Sie entschied sich als erstes gegen Justin, ich vermutete, wegen mir, dann gegen Nils, vermutlich weil er verletzt war. Ihr blieb Brian übrig. Vorsichtig küsste sie ihn und lief dann peinlich berührt zu ihrem Platz zurück. Brian konnte sich sein zufriedenes Grinsen nicht verkneifen.
„Paula?"
„Wahrheit."
„Langweiler. Mit wem hast du schon aller geschlafen?"
„Mike, Stan, Nick und Julio."
„Mehr, als ich dachte", kommentierte Chloe lachend. Paula wurde rot und zeigte ihr den Mittelfinger.
„Brian?"
„Pflicht."
„Küss ein Mädchen, nicht aus dieser Runde. Sie darf nichts wissen, erst danach."
„Und wenn ich nicht will?"
„Dann musst du trinken." Brian füllte das Glas und trank es in einem Zug aus.
„Nils?"
„Pflicht."
„Trink auf Ex", meinte Brian und reichte ihm ein gefülltes Glas.
Nils trank. Er schaffte es nicht.
„Als Strafe...ziehst du ein Kleidungsstück aus."
Nils zog sich sein Shirt über den Kopf. Ich musste zugeben, er sah nicht schlecht aus. Aber das war es anscheinend, was er bewirken wollte.
„Jenny?" Das war nun die zweite Runde.
Ich seufzte. Was wohl kommen würde?
„Pflicht."
„Küss mich."
„Nils, ich...weiß nicht ob das so eine gute Idee ist. Ich meine, ich..."
„Ist mir egal. Los, oder zieh dich aus."
Ich überlegte. Was sollte ich tun? Der Alkohol, der mir zuflüsterte, ich solle seinen Wunsch erfüllen, gewann.
Es war ein atemberaubender Kuss, aber mehr nicht. Immer noch keine Schmetterlinge, keine Gefühle.
Als wir uns voneinander lösten, zischte er, „Und? War das so viel schlechter als es dein Justin kann? So schlecht bin ich doch gar nicht, oder, Jenny?" es lagen Hass und Wut in seiner Stimme.
„Nils...", flüsterte ich flehend, doch er stand auf, genauso wie Justin.
„Wenn du ein Problem mit mir hast, lass es uns wie erwachsene Männer lösen", meinte Justin und hob seine geballten Fäuste.
„Wenn du dann heulend auf dem Boden liegst, verschone ich dich nicht", fauchte Nils. Justin schmiss sich auf ihn. Ich sprang kreischend auf und bekam auch fast eine Faust ins Gesicht.
„Stopp ihr Idioten! Hört sofort auf damit!", schrie ich aus Leibeskräften. Was war nur in sie gefahren?
Die beiden gingen erst auseinander, als ich mich zwischen sie stellte, denn ansonsten hätten sie mich getroffen. Nils Nase blutete, Justin war unversehrt. Ich ging auf Nils zu, wollte ihm helfen, aber er stieß meine Hand weg und verließ die Scheune. Während die zwei ausgerastet waren, war Brian nur abwesend dagesessen. Er hatte sehr nachdenklich und von seinen Gedanken überwältigt gewesen.
Ich bemerkte die Tränen auf meinen Wangen erst, als Justin sie behutsam wegwischte. Chloe, Paula und Brian ließen uns alleine.
Ich vergrub mein Gesicht in den Händen und sackte zu Boden. So gut es ging, unterdrückte ich meine Schluchzer. Justin setzte sich zu mir und streichelte meinen Rücken. Warum musste alles so schief laufen? Hoffentlich dachte Justin nicht, dass ich in Nils verliebt war.
„Hey, du brauchst es nicht zurückzuhalten. Lass alles raus", flüsterte er zärtlich.
Ich lehnte meinen Kopf gegen seine Schulter. „Ich hätte ihn nicht küssen sollen, das war ein Fehler."
„Es war seine Schuld. Er ist in dich verliebt und total verzweifelt, weil du ihn nicht an sich heranlässt. Jeder Junge würde die Chance nützen und sich küssen lassen."
„Ich liebe ihn nicht."
„Warum weinst du dann wegen ihm?", fragte er sanft, ohne Vorwurf. Er half mir nur, mit mir selbst klarzukommen.
„Keine Ahnung...er tut mir total leid...", ich wusste nicht, ob das die Wahrheit war.
„Klingt für mich sehr nach Liebeskummer."
„Woher willst du wissen, wie das ist? Hattest du jemals Liebeskummer? Nein, bestimmt nicht, du bist derjenige, der den Mädchen die Herzen bricht und dann damit protzt, du bist gnadenlos, du..." Ich sprach nicht fertig, weil er mich unterbrach. Mit einem Kuss.
Als er sich dann wieder von mir löste, hörte ich mein eigenes Herz pochen. Ich atmete viel zu schnell, als wäre ich gerade gerannt, und meine Lippen prickelten von dem vorsichtigen und romantischen Kuss.
Ich. Liebe. Dich. Justin. Baker.
„Komm, gehen wir", meinte Justin und zeigte auf seine Uhr. Es war schon halb neun. Die Zeit war unfassbar schnell vergangen, wir waren seit vier Uhr hier gewesen.
Wir gingen schweigend zu meinem Haus, und als ich mich verabschieden wollte, spazierte Justin einfach herein. „Du weißt, dass du da eigentlich nicht hineindarfst, oder?"
„Soll ich draußen bleiben?" Das ließ mich verstummen. Ich wollte nicht, dass er geht.
In meinem Zimmer angekommen, betrachtete er meine Sachen. Wir hatten Glück, denn Chloe war noch nicht hier. Er brachte mich in Bett, setzte sich dann zu meinen Füßen und redete mit ruhiger und leiser Stimme. „Weißt du, du brauchst die keine Sorgen zu machen. Jungs haben viel kürzer Liebeskummer als Mädchen. Nils reagiert zwar heftig, aber spätestens bis zum Ende nächster Woche geht's ihm wieder gut. Und falls irgendwas sein sollte, du kannst dich an mich wenden, dann zeig ich's dem Idioten."
Ich lächelte. Wenn er es sehen könnte, wäre er vielleicht peinlich berührt, denn ich war mir sicher, an meinem jetzigen Gesichtsausdruck konnte man genau lesen, wie niedlich ich ihn so fand. Er war ein Held für mich und bat mir seine Hilfe an. Aber es war dunkel, und so sah er keine Reaktion. Vermutlich dachte er, ich wäre schon eingeschlafen, denn er stand auf.
Ich hörte keine Schritte, die den Raum verließen, also ließ es mich denken, dass er noch hier war. Aber wozu? Ganz vorsichtig öffnete ich meine Augen und sah seine Silhouette über mir. Ich dachte, er würde mich gleich küssen. Mein Herz begann zu rasen, meine Knie wurden weich. Die Vorstellung löste ein wunderschönes Gefühl in mir aus.
Aber Justin ging hinaus. Vielleicht hatte er mich blinzeln sehen, oder er hatte einfach nur Schritte gehört und sich deshalb aus dem Staub gemacht.
Meine letztere Theorie musste gestimmt haben, denn kaum zwei Minuten später kam Chloe herein. Sie dachte ebenfalls, ich würde schon schlafen, und legte sich auch ins Bett.
Ich war zu müde, um vor dem Einschlafen über meinen Tag nachzudenken, aber ein Gedanke kam mir doch: Justin wollte mit Nils kämpfen. Wegen mir.
xx2232 Wörter hat dieses Kapitel :) Hoffe ihr freut euch<3 -Youtulipxx
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