„Oooh", gab Justin verwundert von sich. Ich blendete seine Stimme aus und blickte zu Nils, der mir lächelnd zunickte. Vorsichtig rutschte ich auf ihn zu und presste meine Lippen zögerlich auf seine. Nils erwiderte den Kuss sanft. Er küsste nicht schlecht, auf jeden Fall war er kein Anfänger, aber egal wie sehr ich mich bemühte, meine Gedanken wanderten immer wieder zu Clemens Party. Flaschendrehen. Die Millionen Schmetterlinge, die durch meinen Bauch geflattert waren, das Schwindelgefühl, meine weichen Knie.

Nichts davon fühlte ich jetzt. Null. Und ich hasste mich dafür. Nils war so nett und süß.

„Okay, okay, Leute, es reicht", meinte Paula. Ich tat so, als wäre ich verlegen, und Nils lächelte mir glücklich zu und flüsterte, „Darauf warte ich seit der Busfahrt." Ich lächelte geschmeichelt.

Paula kicherte. Ich blickte zu Justin hinüber. Er stand an einen Baumstamm gelehnt, seine Hände verschränkt und schaute wütend und...verletzt drein.

„Ich gehe dann", meinte er kalt. Was hatte er für Probleme?

Nach seinem Abgang hörten wir auf zu spielen. Die restliche Zeit bis zum Mittagessen plauderten wir und spazierten ein bisschen. Mir fiel auf, dass Nils mich bei jeder Gelegenheit sanft berührte. Es war total süß, aber bei mir lösten diese Berührungen nichts aus. Kein Kribbeln, keine Stromschläge.

Beim Mittagessen mied Justin mich. Auch danach, als wir alle das Geschirr wegräumen mussten und er mich unabsichtlich schubste, worauf ich einen Teller hinunterschmiss. „Du Idiot, pass doch mal auf", fauchte ich, doch er ging eiskalt an mir vorbei und ignorierte mich. Ich wurde wütend. Was hatte ich ihm getan? Warum stellte er sich so an?

Während der Mittagsruhe saßen Chloe, Paula und ich im Zimmer 205. Ich beschwerte mich über diesen Idioten, und Paula und Chloe hatten ähnliche Meinungen dazu.

„Der steht auf dich!", kreischte Chloe.

„Weiß nicht, aber egal bist du ihm nicht. Er ist total eifersüchtig", meinte Paula, „aber wer fix auf dich steht, ist Nils."

„Wer ist Nils?"

„Der Schwarzhaarige, mit dem Jenny auf der ersten Party rumgemacht hat."

„Hey, wir haben nicht rumgemacht, nur geredet", beschwerte ich mich.

„Egal, ich hab's eh schon kapiert", meinte Chloe.

Wir hatten noch eine halbe Stunde Pause, und ich skypte mit Nathalie. Sie gab mir den Tipp, einfach extrem verführerisch sein, und ich würde schon etwas aus Justin herausbekommen. Toll.

Yvonne und Brian riefen uns zusammen, und meinten, „Die Sonne scheint jetzt nicht mehr so stark, also gehen wir auf das Erdbeer- und Himbeerbeet und pflücken Beeren für das Dessert am Abend."

Die Beete befanden sich diagonal hinter dem Jungshaus, neben dem See. Die Sonne stand zwar nicht senkrecht über uns, aber heiß war es trotzdem. Wir alle bekamen Körbe und füllten die Beeren dort hinein. Ich ging dauernd hin und her, und ich konnte alle sehen, außer Justin. Nicht, dass ich ihn sonderlich vermisste, aber es wunderte mich. Wenn wir nicht auftauchten, hatte Karin gesagt, gäbe es Probleme. Während der Arbeit redete ich mit Nils, der mich auch dazu überredete, eine der Erdbeeren zu kosten. Sie waren wirklich süß und lecker.

Als wir fertig waren, fanden die Kurse statt. Zuerst hatte ich Photographie. Julia gab uns Kameras, und wir machten erste Fotoversuche. Meine waren, laut ihr, gar nicht so schlecht, aber es gäbe auf jeden Fall viel zu tun.

Beim Schwimmen tauchte Justin auf.

„Wo warst du?", fragte ich ihn.

„Hast du mich vermisst?", er grinste.

„Im Ernst jetzt!", verlangte ich.

„Hab bisschen was verbrochen", meinte er geheimnisvoll.

„Und das wäre?"

Ich erhielt keine Antwort, sondern hörte Brian, der uns befahl, uns innerhalb von vier Minuten Badezeug anzuziehen und dann wieder hier zu sein.

Justin lächelte pervers, als ich mit meinem türkisenen Bikini beim See stand. Ich hätte vielleicht doch den anderen anziehen sollen, dann würde ich nicht solche Erinnerungen bei Justin hervorrufen.

„Okay, stellt euch alle in einer Reihe auf, sodass ihr mich gut sehen könnt. Gut. Als erstes werden wir uns aufwärmen. Also, macht Dehnübungen, ich zeige euch ein paar Möglichkeiten, aber eigentlich seid ihr frei", meinte Brian.

„Kommst du eigentlich bis zum Boden, wobei du deine Beine gestreckt lässt?", fragte Justin.

„Natürlich!" Zuerst wollte ich es ihm vorführen, aber dann realisierte ich, warum er fragte. Mein Ausschnitt.

„Du perverses Schwein!", fauchte ich. Er grinste frech.

Als wir endlich ins Wasser gingen, stöhnte ich fast laut auf. Das kühle Nass tat so gut!

Während dem Abendessen sah Chloe mich die ganze Zeit nervös an, öffnete mehrmals den Mund, um etwas zu sagen, schloss ihn dann aber wieder. Allmählich machte mich das unruhig. „Nun sag schon, was hast du so interessantes zu sagen?"

„Also dein Justin ist dir aber nicht treu", meinte sie. Was?

„Was meinst du damit?", fragte ich verwirrt.

„Ich hab gehört, in der Mittagspause wurde er mit einer im Bett erwischt."

Das tat weh. Natürlich, wir waren nicht zusammen oder so, wahrscheinlich war er nicht einmal in mich verliebt, aber trotzdem schmerzte die Vorstellung, er hätte etwas mit einer anderen. Ich rang nach Luft. Scheiße, er war so ein Arschloch!

Der Appetit verging mir, und ich stand auf und rannte heulend aus dem Speisesaal. Warum? Warum konnte ich mich nicht in normale Jungs verlieben? Warum nicht in Nils?

„Hey, oh mein Gott, es tut mir so leid! Ich hatte kein Ahnung, wie sehr...scheiße, ich", stammelte Chloe, als ich mich an der Wand des Haupthauses kauernd fand. „Komm ins Zimmer, ich habe dort was gutes", flüsterte Chloe und meinte damit ihre Alkoholsammlung. Sie gab mir ein Glas, und tatsächlich, es beruhigte mich ein bisschen. Ich nahm ein zweites und heulte mich bei ihr aus.

„Ich denke, du solltest zur Party heute Abend gehen", meinte Chloe.

„Sicher nicht! Schau mich an", meine Mascara war verlaufen, meine Augen rot und meine Laune verdorben.

„Du braucht ein bisschen frische Luft, laute Musik, irgendwas, wo du dich austoben kannst."

Schließlich ging ich doch. Davor aber stylte mich Chloe auf, sie bestand darauf. Meine Haare band sie in einem hohen Pferdeschwanz, mein Outfit stellte sie aus zerrissenen Shorts und einem bauchfreien Shirt zusammen, mein Make-Up bestand aus roten, verführerischen Lippen und einem dunklen Lidstrich, natürlich auch Mascara.

„Bombe", staunte meine Freundin über ihr eigenes Werk.

Ich lächelte.

„Merk dir, wenn er dich anschaut oder sogar anquatscht, sei unglaublich, sei kalt, sei unerreichbar!", riet mir Chloe.

Auf der Party tat ich genau das, was sie mir gesagt hatte, auch wenn ich mir ein bisschen arrogant vorkam.

Justin sah mich besorgt an. „Ist alles okay?"

„Mir geht's perfekt", meinte ich kalt. Ach, plötzlich so fürsorglich?

„Naja, du bist vom Essen abgehauen und du bist hier betrunken aufgekreuzt...sicher alles gut?"

„Ja, verdammt", schnitt ich genervt ab.

„Hey, Leute, spielt ihr mit Ich hab noch nie?", fragte Paula, die auch schon leicht wankte.

Wir beide willigten ein, und setzten uns mit den anderen etwas abseits der Tanzfläche, damit wir uns gegenseitig überhaupt hören konnten.

„Ich fange an", verlangte Chloe, „Ich hab noch nie Liebeskummer gehabt." Ich trank, genauso Paula. Nils, Justin, Sandra und ein Junge aus Gruppe B ließen ihr Glas unberührt.

„Jetzt ich. Ich hatte noch nie einen Knutschfleck von jemanden aus dieser Runde", meinte Justin und grinste mich belustigt an. Scheiße, sollte ich lügen? Oder doch trinken? Ich dachte an den Tag vor der Abreise, Kyle's Party. Ich entscheid mich, nichts zu verbergen, und trank.

„Ich hab noch niemandem aus dieser Runde einen Knutschfleck hinterlassen", meinte ich fordernd. Nun war er an der Reihe zu trinken, was er auch tat.

Wir spielten insgesamt eine Stunde lang, dann meinten plötzlich alle, es wäre langweilig und hauten ab.

„Machen wir weiter?", fragte Justin.

„Okay." Ich war einverstanden, wobei mir bewusst war, dass Justin nicht einmal halb so betrunken war wie ich. Egal.

„Ich hab noch nie mit jemandem geschlafen, ohne dass ich mit dieser Person eine Beziehung hatte", schlug er vor und trank selbst, was ich etwas unsinnig fand. Ich biss mir auf die Lippe. Ich hatte das wirklich noch nie gemacht.

„Wow, du bist so ein Bad Girl", spottete er.

xxIch muss sagen, dass die Geschichte sicher noch ewig weitergehen wird, und ich hab jetzt noch keine Ahnung, wie und wann sie endet XD -Youtulipxx