Y for Youth


We are the reckless, We are the wild youth
Chasing visions of our futures
One day we'll reveal the truth
That one will die before he gets there.






SOPHIA 07. - 08. März 2016 London, England


Wenn ich geglaubt hatte in Liams Freundeskreis noch nicht richtig angekommen zu sein, hatte ich mich gehörig getäuscht.

Kaum hatte sich die Tür geöffnet, wurde ich direkt von Hannah und Sarah in Beschlag genommen. Die Jungs seien dabei die Grillkohle und spontan entstandene Bowle nach oben zu tragen. Natürlich zeigte Hannah stolz unzählige Bilder ihrer neugeborenen Patenkinder. „Eigentlich sollte es nur ein Junge werden. Dass Mariella gleich hinter her geschlüpft kommt, konnte keiner Ahnung. Isaac hat ganz schön blöd geguckt." Auch von ihrem Bruder und seiner Frau hatte Hannah zahlreiche Bilder parat, die sie mir gerne zeigte. Schließlich war ich neu in ihrem Grüppchen und musste noch einiges lernen, laut Sarah.

Hannahs älterer Bruder war ein gutaussehender Mann, Ende zwanzig. Er war groß und wirklich hübsch. Laut Hannahs Erzählungen war er so ganz anders, als sie selbst. Viel ernster als sie und trotzdem ein wahrer Teddybär.

Ihr wehmütiger Blick war mir nicht entgangen. Vorsichtig hakte ich nach: „Du vermisst ihn sehr, stimmt's?" Mit einem Seufzen bestätigte sie meine Vermutung. Auch, wenn es nicht lange her war, seit sie wieder hier in London war, sah man ihr einfach an, dass Amerika und vor allem ihr Bruder ihr fehlte.

„Versteht mich nicht falsch, ich liebe Harry und sogar den Londoner Regen. Aber meine Familie fehlt mir hin und wieder wirklich sehr. Vor allem an Feiertagen fällt es mir auf. Es ist weniger im Alltag, sondern eher an so besonderen Tagen. Bescheuert, ich weiß."

Um von ihrer eher ungewöhnlichen Emotionalität abzulenken, begann sie verhalten zu lachen und bediente sich am Sekt, den Liam extra wegen der Mädels bereit gestellt hatte. Er selbst verzichtete am heutigen Abend – zu meiner Überraschung – völlig auf Alkohol. Nicht einmal den Begrüßungs- Shot hatte er angerührt.

Noch bevor ich Hannah darauf hinweisen konnte, dass es absolut in Ordnung war, dass sie ihre Familie trotz allem hin und wieder vermisste, tauchten Niall und Harry auf. Sie nahmen mich völlig selbstverständlich zur Begrüßung in die Arme und mir fiel mal wieder auf, wie verpeilt ich war. Grundsätzlich verpasste ich jene Momente, in denen Menschen sich anfreundeten. Ich verpasste immer genau die Momente, in denen ich in irgendwelche eingespielten Teams hinein schlitterte. Und den Ausgang fand ich auch nie wieder.

„Kommst du mal mit, Baby?" Harry legte seine Hand sanft um ihre Hüfte und zog sie mit sich.

„Gott sei Dank." Erleichtert seufzte Niall auf, ließ sich in den blauen Lesesessel fallen und nahm Sarah, wie selbstverständlich das Sektglas aus der Hand, um das Blubberwasser in einem Zug runter zu kippen. „Ja, klar. Bediene dich ruhig", zischte Sarah. „Mach ich auch, Danke", grinste Niall frech. „Aber jetzt mal zum Wesentlichen"- „Genau, Alkohol!" Woher Eleanor und Perrie mit einem Mal kamen, konnte ich nicht sagen. Ich erschreckte mich jedoch tierisch, als mich die Blondine an sich drückte. „Schick, was du aus seiner Bude gemacht hast, Sophia", plapperte die Blondine und bestaunte die Bilder, die eigentlich Liam ausgesucht hatte. Im Gegensatz zu mir, kaufte er Bilder nicht einfach nur so, weil sie hübsch aussahen. Zu meiner großen Überraschung hatte er der alten Mrs. Cronin doch öfter zugehört, als gedacht. Sie wäre sicher stolz auf ihn gewesen, bei all dem Kunstwissen, dass er mir beim Einkaufen kredenzt hatte. Umso widersprüchlicher kam mir sein Gemecker über meine Dekorationsvorschläge im Nachhinein betrachtet vor.

„So, können wir jetzt mal bitte, zum Wesentlichen kommen?" keifte Eleanor mit einem Male und ließ mich zusammen zucken. Ich mochte sie noch nicht oft gesehen haben, doch diese Tonlage war mir neu. „Was schenkt ihr Hannah zum Geburtstag?"

Diese entscheidende Frage setzte eine mächtige Diskussion in Gange. Bis vor zwei Minuten hatte ich noch geglaubt, dass mein Geschenk simple ausfallen würde. Vielleicht ein paar schöne Blumen, vielleicht etwas, was ich auf die Schnelle schneidern könnte. Bis vor zwei Minuten wusste ich aber auch noch nicht, wie kompliziert Liams Freunde Geburtstage angingen.


Irgendwo zwischen Rucksäcken, Schmuck und Kleidern fragte ich vorsichtig in die Runde: „Hätte vielleicht jemand eine Idee, was ich ihr schenken könnte?"

„Mach's doch, wie Briana. Die klaut sich einfach unsere Ideen", zischte Eleanor und kippte ihr halbvolles Glas in einem runter. Wenn Blicke töten könnten, würde die Brünette Amerikanerin, die dort ganz alleine in der Ecke rumstand, tot umfallen. Hatte Hannah nicht erzählt, dass Louis, Briana und Eleanor alles einwandfrei gewuppt bekamen? Verwirrt sah ich zwischen der Britin und der Amerikanerin hin und her. Auf den ersten Blick konnte man definitiv ein gewisses Beuteschema ausmachen: Louis bevorzugte zierliche Erscheinungen mit starken Gesichtsausdrücken.



Irgendwie hatte ich durch meine Beobachtungen den Anschluss verloren. Die Gespräche gingen munter weiter und mir fiel nicht nur auf, dass Louis sich noch nicht hatte blicken lassen, sondern dass Briana noch immer völlig alleine dastand und mit niemandem sprach. Wo hatte sie ihren Sohn gelassen?

Da ich beobachtet hatte, dass auch Briana nur Cola getrunken hatte, ging ich mit zwei neuen Gläsern auf sie zu. Wenn einer wusste, wie es sich anfühlte in ein eingespieltes Team, eine Familie hinein zu stolpern, ohne wirklich Anschluss zu haben, dann ich. „Hey, ich bin Sophia", stellte ich mich vor und reichte ihr eines der Gläser. „Danke, dass ist lieb von dir. Ich bin Briana." Müde lächelte sie mir zu, nahm dankend das Glas entgegen und betrachtete weiter das Bild, vor welchem sie stand.

„Alle schwärmen von deiner Einrichtungskunst. Du hast da wirklich ein gutes Händchen für."

„Naja, ich hab mich Liam mehr oder minder aufgedrängt. Ich dachte, wenn er es sich heimelig einrichtet, denkt er weniger daran, warum er überhaupt renovieren wusste."

„Ja. Louis hat mir erzählt, was passiert ist. Schrecklich. Aber er weiß doch, dass es nicht seine Schuld ist oder?"

Und in diesem Moment beschloss ich, dass ich Briana mochte. „Danke! Das versuche ich ihm auch die ganze Zeit beizubringen, aber er versteht es nicht."

„Oh, er versteht so einiges nicht", kicherte Briana, die mich sogleich bat, sie doch einfach Bria zu nennen, so wie all ihre Freunde es taten.

Jap, ich mochte sie.




Später im Gespräch fand ich nicht nur heraus, dass sie vor ihrem kleinen, wahnsinnig süßen Sohn, als Stylistin gearbeitet hatte, sondern auch, dass es Louis' älteste kleine Schwester, Lottie, war, die in diesem Moment kurz auf ihn aufpasste. Auch, wenn Bria eigentlich lieber bei Freddie geblieben wäre, hatte Louis sie gebeten Eleanor und ihn zu begleiten. Er wolle ihr helfen Anschluss zu finden.

„Es ist aber gar nicht so einfach. Ich weiß, dass ich dich hier einerseits nicht belästigen sollte"- „Ach, Quatsch", unterbrach ich sie direkt. „Wenn ich dir helfen kann, dann tue ich das gerne und sei es auch nur zuhören. „Nur ist gut. Olivia, meine beste Freundin vertritt immer noch eisern die Meinung, dass ich das alles alleine hinbekommen würde. Aber ich kann Louis ja schlecht den Umgang mit Freddie verbieten. Und Eleanor erst recht nicht. Sie versucht ja mit der Situation klar zu kommen, aber es ist schon komisch. Ich merke doch, dass sie mich nicht richtig mag. In letzter Zeit habe ich das Gefühl, dass außer Freddie, meiner Mum – und dir jetzt – niemand wirklich Bock auf meine Anwesenheit hat. Du hättest mal erleben müssen, was während meiner Schwangerschaft abging. Beleidige mich, okay, damit kann ich leben. Aber ich lass mich sicherlich nicht anspucken!"

„Okay, okay. Briana. Atme erstmal durch", lächelnd legte ich eine Hand auf ihre Schulter und versuchte sie zu beruhigen. Was genau es war, dass sie dazu gebracht hatte, sich derart in Rage zu reden, wusste ich nicht. Aber ich wollte es unbedingt herausfinden. „Das klingt grausam, aber siehe es mal so: Jetzt bist du in London und wenn ich dich richtig verstanden habe vorhin hat das noch niemand mitbekommen."

„Hast ja Recht", lächelte sie nun wieder. „Mal abgesehen davon, dass es nichts nützt sich über diese minderbemittelten Zombies aufzuregen, die ernsthaft daran glauben, dass ich Freddie auf Geheiß des Managements gekauft habe, damit diese ganze Larry-Scheiße aufhört."

Noch bevor Briana mich über diese völlig absurden Theorien aufklären konnte, hörte ich Liam laut fluchen. Nicht weit von uns kämpfte er sich gerade nach oben. War sein Handgelenk etwa blau? „Eh, ich muss da glaube mal kurz"- „Ja bitte", fügte Briana hinzu.

Denn die Jungs schienen es für wichtiger zu befinden Liam auszulachen, statt sich um die Flammen zu kümmern.

„Gott, ihr dämlichen Kinder", zischte Eleanor und kippte kurzerhand einen fünf Liter Eimer Wasser über den Grill.

„Geht's?" fragte ich vorsichtig und sah Liams rechte Hand an, während sich alle anderen dem langsam ausgehenden Feuer zu wanden.

„Meine Finger tun weh und mein Ego ist angeknackst. Ansonsten geht's, danke der Nachfrage und selbst?"

„Scherze kannst du später machen. Zeig mal her." In der Tat war es nicht sein Handgelenk, was blau angelaufen war, so wie ich es zuerst gedacht hatte, sondern lediglich sein Ringfinger hatte eine ekelhafte Farbe angenommen. „Der Sturz auf dem Eis sah besser aus, muss ich sagen. Aber hier der nasse Beton hat keine schlechte Arbeit geleistet."



Zuerst hatte ich geglaubt, dass eine ganze Menge Eis schon genügen würde, weshalb ich Liam einfach einen Beutel Erbsen in die Hand drückte und ihn aufs Sofa setzte.

Somit fuhr ich mein Gespräch mit Briana fort und ließ sie mir nicht nur von ihrem Sohn erzählen, sondern vor allem von ihrer Ausbildung zur Stylistin. Auch wenn ich selbst mit dem Wechseln meines Studienfachs zu kämpfen hatte, interessierte mich ihr beruflicher Werdegang brennend. „Meine Cousine Ashley hat mich da mehr oder minder reingezogen in diese Schiene. Ich hatte damit nicht viel mehr zu tun, als dass ich meinen Barbies mit Filzstiften die Haare gefärbt hatte. Doch als sie anfing sich für all die verschiedenen Produkte und ihre Wirkungsweise zu interessieren, hat sie mich damit wirklich irgendwie angesteckt."

„Wirklich interessant, Bria, aber ich muss mir Sophia kurz ausleihen."

Noch bevor ich in irgendeiner Weise hätte reagieren können, zog Harry mich in die Küche. „Sophia. Ich brauche deine Hilfe." Wenn auch er mich nun fragen würde, was er seiner Freundin zum Geburtstag schenken könnte, würde ich schreien. Ich selbst überlegte mittlerweile, dank Brianas Tipp, einfach ein paar schöne, hochwertige Schuhe zu kaufen, über die sie sich freuen könnte. „Wie kann ich helfen?"

„Ich habe morgen einen Termin im Tierheim und es wäre wirklich der absolute Oberhammer, wenn du mir helfen könntest." Aus großen, grünen, wirklich verzweifelt dreinblickenden Augen sah er mich an und traf mich direkt in meinem Helfersyndrom. „Ich würde die anderen Mädels ja fragen, aber Sarah hilft bei dem Fußballspiel ihres Bruders irgendwie aus, Eleanor hat ganz, ganz miese Laune und Perrie ist morgen mit den Mädels in der BCC Live Lounge. Du bist also meine letzte Hoffnung." Kein Wunder, dass Hannah Harry nicht widerstehen konnte. Bei dem Blick konnte niemand nein sagen.

„Und die Jungs kannst du nicht fragen, weil sie davon keine Ahnung haben."

„Exakt."

Auch, wenn ich wirklich nicht wollte, immer hin hatte ich absolut keine Ahnung von Hunden, konnte ich Harry bei seinem verzweifelten, flehenden Blick nicht einfach im Regen stehen lassen. Also gab ich nach, nickte und ließ mich fest umarmen. Wenn er Freude anfangen würde zu weinen, würde ich ihn den Balkon hinunter stoßen.

„Ach und übrigens, Soph. Ich bin ja kein Arzt, aber Liams Finger sehen nicht gut aus. Außerdem hat er schon drei Mal beinahe die Whiskeyflasche aufgemacht, die Louis mitgebracht hat."

Harry hatte Recht. Seine Finger sahen alles andere als gut aus. Das Grundglied seines Ringfingers war geschwollen und lila-bläulich verfärbt.

„Meinst du nicht, wir sollten in die Notaufnahme?" schlug ich völlig uneigennützig vor.


Okay vielleicht nicht völlig uneigennützig. Da die Grilloption nun ausgefallen war, hatten sich Sarah und Hannah in die Küche verzogen, um das Fleisch beziehungsweise das Gemüse anzubraten. Die Jungs hingegen hatten beschlossen, es sei Zeit für einen knallharten Kampf.

Mit Wii Controllern und Mario Kart.

Dies brachte mich zwar auf eine Idee, ging mir im Großen und Ganzen aber mehr auf die Nerven, als alles andere. Dieses kindische Rumgeschreie ging gehörig an die Substanz. Vor allem, wenn man sich ohnehin schon irgendwie fremd fühlte.

„Wäre vielleicht nicht so schlecht", gab Liam schließlich kleinlaut zu.

Nur, weil Perrie an uns vorbei stolzierte, um sich vor dem Haus eine Zigarette zu genehmigen, bekam irgendjemand mit, dass wir sie alleine ließen. Sarah und Hannah waren zu beschäftigt in der Küche und die Jungs zu fixiert auf ihr Spiel. Perrie jedoch begleitete uns nach unten, anstatt einfach auf dem Balkon zu rauchen.

„Wie ich Harry kenne, hat er den Balkon in Grillanzünder getränkt, da will ich lieber nichts riskieren", scherzte Perrie und zückte ganz altmodisch ihre Streichhölzer. Der mit Kaliumchlorat versetzte Kopf rutschte über die rote Phosphorversetzte Fläche und entzündete sich spielend leicht.

Perrie schien sich darüber keine Gedanken zu machen, so wie jeder normale Mensch es für selbstverständlich nehmen würde. Jeder normale Mensch, abgesehen von Liam. Wie paralysiert starrte er auf die klitzekleine Flamme, die Perries Zigarette erglühen ließ. Völlig aus Reflex griff ich nach seiner unverletzten Hand und pustete das Streichholz aus, noch bevor Perrie sich darum kümmerte, dass die Flamme ihre Finger nicht ansengte. Jene ließ dies völlig unkommentiert, inhalierte das Nikotin und sprach schließlich: „Also, da die anderen dir nicht wirklich geholfen haben. Hannah freut sich immer über Schmuck, Schuhe oder einfach nur Bücher. Du musst dir da keinen Stress machen. Hauptsache du kommst zur Party."

Lächelnd nickend deutete ich schließlich auf Liams verletzte Hand, bedankte mich flüchtig und zog Liam mit mir in Richtung Tiefgarage.

„Was willst du denn jetzt hier?"

„Na, deinen Wagen fahren. Krankenwagen sind zu auffällig und ein Taxi dauert jetzt zu lange."

„Vergiss es. Meinen Lamborghini Huracan fährt niemand, außer mir!"



Oh doch. Nachdem Liam frustriert feststellen musste, dass er mit der noch vom Eislaufen schmerzenden Hand nicht fahren konnte, hatte ich mich hinter das Lenkrad des 610 PS-Biests gesetzt. Und hatte den Spaß meines Lebens. Mit dem Gefühl ich sei Vin Diesel höchstpersönlich lenkte ich das schwarze Monster flink und vielleicht ein klein wenig zu schnell durch den dichten Londoner Verkehr.

Liam hingegen schien dieses Gefühl von Freiheit nicht zu überkommen, ganz im Gegensatz zu mir.

Aber wir hatten noch eine Rechnung offen.

So sehr sich Mr. Payne geändert haben mochte, die Schmach und seine blöden Beleidigungen, als ich den wundervollen 63er Mustang in Argentinien zu Schrott gefahren hatte, hatte ich nicht vergessen. Wie auch, wenn Dana dank mir noch immer auf Krücken lief.

Diese offene Rechnung würde ich nun mit Aidens Ratschlägen im Hinterkopf begleichen.

„Du fährst zu schnell", meinte Liam trocken. Dass die Angst quasi in seinem Gesicht geschrieben stand, schien er nicht zu wissen. Cool strich er sich durch die Haare. Wobei er mit dieser Geste bloß den Schweiß von seiner Stirn schmierte. Mir machte das Ganze somit nur noch mehr Spaß, weshalb ich lässig noch einmal fünf km/h drauf legte.

„Es gibt so einiges, was du nicht über mich weißt", erwiderte ich cool. Und brachte Liam damit nur noch mehr aus der Fassung. „Was hat das Eine, denn mit dem Anderen zu tun", fragte er verwirrt.

„Tokyo Drift ist mein Lieblingsteil der Fast & Furious- Reihe."

Noch bevor er darüber nachdenken konnte, was ich gerade von mir gegeben hatte, setzte ich zu einem Überholmanöver an. Im Gegensatz zu ihm hatte ich bemerkt, dass wir nur noch gute zwei Minuten vom Krankenhaus entfernt waren. Nicht einmal sechs Wagen konnte ich überholen, ohne das Liam anfing wie ein Mädchen zu kreischen und sich panisch am Sitz festzukrallen, so gut es ging.

„Bist du völlig bescheuert?" keifte er. „Oh mein Gott, Sophia, da ist ein Bürgersteig!" Wohlwissend, dass sein Wagen gute Federung hatte, nahm ich die Linkskurve extra eng, rauschte über eine kleine Ecke des Bürgersteigs hinweg und lenkte den Wagen wieder sicher mit angemessener Geschwindigkeit auf die Straße. „Alter, Sophia! In London kannst du nicht mal poppeln ohne, dass irgendeine beschissene Verkehrskamera dich aufzeichnet! Fuck, da ist ein Radfahrer! Wenn du so weiter machst sind wir entweder beide gleich unseren Führerschein los oder schlicht und einfach Matsch!? Siehst du die Oma, da nicht? Gott, Sophia....Scheiße, jetzt bremse endlich!"

„Okay."

Den Wagen geschickt auf den Parkplatz eines Supermarkts nahe des Krankenhaus lenkend, zog ich die Handbremse, umfasste mit der anderen Hand fest das Lenkrad und parkte den Wagen mit einem wunderbar sauberen Drift in der Parklücke ein. Aiden wäre sicher stolz auf mich gewesen.

Liam hingegen schrie mich schrill an, zog den Schlüssel aus dem Schloss und stolperte nach draußen. Völlig überzogen klammerte er sich an die kleine Laterne, welche auf dem Stückchen grün, neben welchem ich geparkt hatte, thronte.

„Bist du jetzt völlig übergeschnappt, Sophia? Was sollte das denn?"

„Wir hatten noch 'ne Rechnung aus Buenos Aires offen, mein Lieber", grinste ich frech und zog ihn mit mir mit.





Im Krankenhaus stellte sich heraus, dass sich Liam bei dem Sturz auf dem Eis eine Verstauchung zugezogen haben musste. Sein grandioser Fall vor gut drei Stunden hatte einen Haarriss in seinem Ringfinger zur Folge gehabt. Aufgrund dessen legte man ihm eine Gipsschiene um Mittel- Ring- und kleinen Finger, die er nun gut drei bis vier Wochen tragen musste.

„Hab doch gesagt, es wird nicht so schlimm", meinte ich beim Verlassen des Krankenhauses. Zu unserem Glück hatte noch keiner seiner verrückten Fans uns entdeckt, als wir das große Gebäude verließen und uns auf den Weg zurück zum Parkplatz machten.

„Du hast aber schon gemerkt, dass ich Rechtshänder bin oder?"

„Naja, mein Gott. Ist ja nicht so, als könnte dir niemand helfen", sagte ich leichthin und vergaß, dass ich damit Unrecht hatte. Er wohnte wieder alleine.

Doch Liam ging nicht darauf ein. Im Gegenteil. Er händigte mir den Autoschlüssel aus, sogar ohne, dass ich ihm versprechen musste, ordentlich zu fahren.

Obwohl es mich regelrecht im Fuß juckte ordentlich Gas zu geben, zügelte ich mein Verlangen nach Rasen und fuhr ordentlich und gesittet zurück zu Liams Haus.

Briana, die sich meine Nummer von Hannah hatte geben lassen, war die einzige, die Liams Party verlassen hatte. Sie bat mich zu entschuldigen, dass sie sich die Nummer so hatte geben lassen und hoffte für Liam, dass alles gut gelaufen war. Während wir schweigend nebeneinander die Stufen nach oben liefen, erzählte ich ihr von Liams Gipsschiene und bat sie, sich nicht zu viele Gedanken zu machen. Es würde sich schon alles richten.

Falls nicht, würde ich versuchen über Hannah an Eleanor heranzukommen.

Dass seine Freunde extra geblieben waren, um sich zu erkundigen, wie es ihm ging, schien mich mehr zu freuen, als Liam selbst. Er wirkte einfach nur wahnsinnig erschöpft, weshalb er alle mit einem lieben Lächeln nach nur einer halben Stunde nach unserer Ankunft bat wieder zu gehen. Harry und ich boten dennoch an, ihm beim Aufräumen zu helfen. Hannah verabschiedete sich mit einem Kuss von Harry und jeweils einer Umarmung von Liam und mir. Sobald sie die Tür hinter sich zugezogen hatte, schaute Harry mich aus großen Augen an.

„Sophia. Ich hab ein riesen Problem."





Noch während ich am nächsten Tag versuchte Harrys erstes Problem zu lösen, tauchte ein drittes Problem auf.


Problem Nummer Eins war immer noch, dass er sich für keine Hunderasse entscheiden konnte. Somit hatte er mich, nachdem wir bei Liam auf der Couch eingeschlafen waren, zum Frühstück eingeladen.

„Weißt du, das Ding ist: Ich hätte gerne was kleines, friedliches. Hannah mag aber lieber diese großen, robusten Hunde. Sie liebt Huskys aber ich persönlich finde die kleinen – och nein, bitte nicht." Mitten im Satz brach er ab und Problem Nummer drei tat sich auf. Die bereits gemietete Partylocation für Hannahs Überraschungsparty am morgigen Tag wurde aufgrund eines Brand – und Wasserschadens abgesagt. Leichtsinnige, betrunkene Jugendlichen hatten die alte Fabrik am Londoner Stadtrand angezündet und somit die Sprinkleranlage ausgelöst.

„Sie wissen aber schon, dass ich bis morgen niemals eine Alternative finden kann, die abgelegen genug ist, dass keine Aasgeier- Hallo?" Fassungslos und fast schon den Tränen nahe starrte Harry auf sein Handy. „Jetzt hat der Wichser einfach aufgelegt. Was mache ich denn jetzt?"

„Erstmal tief durchatmen", schlug ich vor und schob ihm meinen letzten Scone zu. „Für Problem Nummer eins: Kaufe einfach einen Pomsky. Das ist eine Mischung aus Pomeranian und Husky. Man kann zwar nicht ganz genau sagen, wie groß sie werden, das hängt irgendwie mit den Genen der Eltern zusammen aber du kannst davon ausgehen, dass du nach zwei Jahren kein Kalb in der Bude hast. Und für Problem Nummer zwei: Wie weit sollen deine Gäste fahren?"





Diese Frage erklärte sich, indem wir eben diese Strecke fuhren.

Liam, der von Harry erbarmungslos aus dem Bett geworfen wurde, musste uns seinen Range Rover zur Verfügung stellen, damit wir sicher die gut zweieinhalb Stunden Fahrt bis ins Elderly's Paradise in Wolverhampton überstanden.

„Und du bist sicher, dass sie es erlauben wird?" fragte Harry unsicher, als er neben mir über den Kies schlurfte. Wie auch schon vor etwa zwei Wochen, war der alte Paul der erste, der mir begegnete. „Hallo Kindchen", rief er schon aus der Ferne und lief auf uns zu. Liam lief immer einen Schritt hinter Harry und mir her, so als müsste er sich verstecken. Meinem Erachten nach war es völlig überflüssig. Keiner der Bewohner dieses Altenheims besaß Twitter. Die meisten besaßen nicht mal ein schnurloses Telefon. „Wie geht's ihr?" fragte ich vorsichtig, nachdem ich den alten Mann kurz an mich gedrückt hatte. Erst, als ich meine Frage schon ausgesprochen hatte, merkte ich, dass ich die Antwort eigentlich gar nicht wissen wollte. „Heute ist ein schlechter Tag, Liebes", seufzte er schwermütig. Das konnte nur bedeuten, dass meine Grandma nicht einmal ihn, ihren langjährigen Liebhaber erkannt hatte.


Schweren Herzens stieg ich trotzdem die Treppen hinauf und lief auf direktem Wege auf das Klavier zu.







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So, nun kann ich endlich mit deinem wahnsinns Moodboard angeben, LittleMissSwyles! Vielen lieben Dank dafür♥♥♥

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