O for One Call Away

『I'm only one call away I'll be there to save the day

Superman got nothing on me I'm only one call away.

Call me, baby, if you need a friend. I just wanna give you love.

C'mon, c'mon, c'mon

Reaching out to you, so take a chance

No matter where you go, know you're not alone,

I'm only one call away


SOPHIA ➜ 31. Januar 2016 London, England

Jake hatte sich definitiv nicht lumpen lassen. Die Location war unglaublich schön, staunend betrachtete ich eine gläserne Bar, welche von blauen LED-Lichterketten bestrahlt wurde.

„Ich nehme an, Jake hat dir alles Wichtige schon erklärt?" Bereits bei meinem Eintreffen in dem etwas versteckter liegenden Anwesen hatte mich ein braunhaariger Lockenkopf freundlich empfangen. Nun führte er mich quer durch die Location. „Das hat er in der Tat." Trotz der Tatsache, dass es eigentlich meine Aufgabe gewesen wäre, einen seriösen Eindruck zu hinterlassen und ganz professionell diesen Termin hinter mich zu bringen, konnte der junge Mann meinen Sabber vermutlich schon vom Boden aufwischen. Jake hatte sich selbst übertroffen und noch immer hatte ich nicht den Hauch einer Ahnung, warum er all dies tat und vor allem, wie er dieses Monstrum bezahlen wollte.

„Sorry!" Holpernd stolperte ein blonder, junger Mann durch die Tür, vollbepackt mit zwei Gitarrenkoffern. Hinter ihm traten zwei weitere junge Männer, nicht minder vollbepackt ins Bild. „Da seid ihr ja endlich." Während der Lockenkopf die jungen Männer zu kennen schien, stand ich dort und fühlte mich wie bestellt und nicht abgeholt. Levi redete hingegen munter weiter: „Also, Nate, dein Schlagzeug kommt dort rechts auf die Empore, die Mikrofone werde ich noch anschließen und die Verstärker müssen wir noch aus dem Raum, hinten im Personalbereich holen, die hat Jake bereitstellen lassen..."

Während Levi weiter Dirigent spielte, schlenderte ich mit der Mappe in der Hand quer durch die Räumlichkeiten. Immer wieder bog ich ab, sah mich um und bestaunte die verschiedenen Räume. Alleine das Badezimmer dieses Hauses, war größer als unser WG-Wohnzimmer. Obwohl ich irgendwann den Überblick verloren hatte, welche Abzweigung ich nun genommen hatte und welche nicht, fühlte ich mich nicht wie verloren, sondern einfach nur wie magisch angezogen. Durch Zufall entdeckte ich eine riesige Balkontüre, welche mich nach draußen führte. Mein Ausblick raubte mir beinahe den Atem. Terracottafarbene Mauern konnten als bequeme Sitzmöglichkeiten dienen, ein riesiger, glasklarer Pool, wunderschöne beschnittene Hecken, strahlendes Grün trotz der eisigen Temperaturen. Für einen kurzen Moment fühlte es sich an, wie Urlaub.

„Tja, der Kleine hat sich echt nicht lumpen lassen, was?" Levi's kühle Hand auf meiner Schulter erschreckte mich, denn den Mantel hatte ich abgelegt. „Hat er definitiv nicht", flüsterte ich eher. „Dann komm mal mit."

Gerade noch rechtzeitig war es mir mit Hilfe der Liveband, von welcher Levi ebenfalls Teil war, wie sich später heraus stellte, gelungen, alles so fertig zu stellen, wie Jake es gewünscht hatte. Die Gäste waren bereit, jeder trug als kleinen Aperitif ein Martini-Glas vor sich her und der Schweiß, der sich meine Stirn herabbahnte, hatte sich auch wieder einigermaßen gelegt. Es war mit Jake abgesprochen, dass er Andy herlocken würde, während ich mit all seinen Freunden und seiner Familie auf ihn wartete.

„Sophia, die Kerzen!" Hektisch kam Nate an geschlittert, nahm mir die Kerzen für den Geburtstagskuchen aus der Hand und rannte zurück. Beinahe wäre er samt Kerzen und Deko-Batman-Logo vor den Türrahmen geknallt. „Idiot", lachte Levi und zeigte seine kleinen Vampirzähnchen. Natürlich hatte ich es mir nicht nehmen lassen ihn wegen eben dieser ein bisschen aufziehen. Doch er nahm es mir nicht übel. Obwohl ich keinen Schimmer hatte, wo Jake die chaotische Band aus Los Angeles aufgetrieben haben mochte, hatte ich beschlossen, dass ich den wilden Haufen mochte. Besonders Dracula, wie ich ihn kreativerweise getauft hatte, hatte ich sofort in mein Herz geschlossen. Und das noch bevor ich ihn Bass spielen hörte. Meiner kleine Schwäche für Musiker hatten Austin, Drew und Nate es zu verdanken, dass sie mir helfen mussten, während ihr Freund auf der unfertigen Bühne gestanden hatte, um uns mit seiner Stimme zu unterhalten. Besonders seine 'the 1975' - Cover hatten es mir angetan.

Gerade als ich die letzten Handgriffe an Andys Geburtstagstorte anlegte, öffnete sich die schwere Holztür und Jake kam herein gehuscht. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie er Levi ein Lächeln zu warf. Und erst in diesem Moment erinnerte ich mich daran, wie Jake seine neue Flamme beschrieben hatte. „Er heißt Levi."

Gott bin ich blöd, dachte ich und schlug mir in Gedanken die Hand vor die Stirn. Das dürfte erklären, woher Jake die Band kannte. „Ist alles so weit fertig, Soph?"

„Ja. Aber was machst du hier? Was denkt Andy denn jetzt?"

„Er glaubt ich würde nur die Verstärker von einem Freund ausleihen; Hey Sonnenschein." Zwar sprach mein bester Freund mit mir, doch sobald der Lockenkopf neben mir aufgetaucht war, war ich abgemeldet gewesen. „Hey, ihr Turteltäubchen, Aufmerksamkeit? Trottel des Jahrhunderts an besten Freund?" Mit der Hand vor seinem Gesicht wedelnd, versuchte ich Jakes Aufmerksamkeit wieder auf mich zu lenken. „Huh", machte dieser nur, schaute sogar halbherzig zu mir rüber, doch wirklich zuhören tat er mir anscheinend nicht. Kurzerhand packte ich ihn deshalb am Arm und zog ihn lachend mit mir. „Wenn du raus gehst machst du das Licht aus, rufst ihn und sagst es sei dir zu schwer, alles klar?" „Hm."

„So ein Trottel."

„Ein verliebter Trottel." Zoe, meine Schwester prostete mir zu und wir nahmen einen kleinen Schluck. „Ich hab mich nicht umgezogen!" Erschrocken hätte ich beinahe meinen Drink quer über sie gespuckt und sah entsetzt an mir runter. Zu meinem Glück löschte Jake in diesem Moment das Licht. Andernfalls hätte mich meine Schwester vermutlich lauthals ausgelacht, denn ich trug noch immer meine schwarze Leggins, die alten braunen Stiefel und einen roten, fast knielangen Strickpullover. „Scheiße", grummelte ich, doch schon in diesem Moment hörte ich Andy wettern: „Ich schwöre dir, wehe es ist-" „ÜBERRASCHUNG" „- eine Überraschungsparty."

Fröhlich stürzte ich mich in die Arme meines besten Freundes. „Ich wünsche dir alles erdenklich Gute, mein Großer! Bleib so wie du bist, denn so hast du mich schließlich schon einige Jährchen ertragen." „Du bist doch doof." Und damit hatte Andy mir das schönste Kompliment gemacht, was er mir je hätte machen können. Denn dieser Satz aus seinem Munde bedeutete nichts anderes als, „Ich hab dich unendlich lieb."


Während immer mehr Menschen auf ihn zustürmten, nutzte ich die Gelegenheit um mir von Drew meine Autoschlüssel und auch den Kleidersack, um welchen ich ihn gebeten hatte, geben zu lassen. Mit einem knappen „Zweite Tür links" ließ er mich stehen. Keine Minute später befand ich mich in einem leeren Raum, welcher stark nach Personalraum oder Abstellkammer aussah. Für mich reichte es jedoch. Zu meinem Glück befand sich noch ein alter Concealer in meiner Handtasche, sodass ich die gröbsten Augenringe kaschieren konnte. Das Glück schien am heutigen Abend ausnahmsweise einmal auf meiner Seite zu sein, denn ich schaffte es in die Strumpfhose zu schlüpfen, ohne  ein Loch  in das feine Nylonzu kratzen. Auch das Kleid ließ sich wunderbar überziehen. Nur bekam ich den Reißverschluss nicht bis ganz oben geschlossen. „Mist", fluchte ich kurz auf, beschloss aber schließlich einfach meine Schwester kurz zur Seite zu ziehen.

An diesem Abend lernte ich aber, dass ich nicht einfach „glückliche fünf Minuten" mit „glücklicher Abend" verwechseln durfte.


Was ich noch kennenlernte, war Jakes Gesang, der zu meiner Überraschung gar nicht mal so schlecht war. Zu fortgeschrittener Stunde, ich hatte inzwischen Zeit gefunden mein Kleid ordentlich zu schließen und mich mit Andy zu unterhalten, hatte Jake beschlossen mit wirklich beachtlichem Alkoholpegel ein Happy Birthday anzustimmen. Das war das letzte Mal, dass ich ihn in dieser Nacht zu Gesicht bekam. Erst um drei Uhr morgens tauchte er aus dem Nichts auf und beschloss uns zu erklären, warum er diese riesen Party organisiert hatte.

Vorher fand ich jedoch endlich eine ruhige Minute, um Andy seine Geschenke zu überreichen.

„Wie geht es Dana", lautete seine erste Frage, als ich ihn bat mir in die ruhigere Küche zu folgen.

Seufzend hievte ich mich auf die Anrichte. Mit einer geschwinden Bewegung ließ er sich neben mich fallen und stieß in seinem Schwung beinahe eine Bierflasche um. Auch er hatte sich in der Zwischenzeit einen beachtlichen Pegel angeeignet. Allerdings bei weitem nicht so schlimm, wie Jake. „Ich weiß nichts weiter. Levi hat Jake völlig in Beschlag genommen. Mehr, als dass sie sie noch einmal operieren mussten, weil die Argentinier gepfuscht haben und dass sie geschlafen hat, als er gegangen ist, weiß ich nicht." Einen kräftigen Schluck aus meiner Flasche nehmend, fasste ich neuen Mut ihn wirklich anzusehen. Noch immer befürchtete ich, dass er sauer auf mich war. Doch anstatt irgendetwas zu erwidern, kippte er den kompletten Inhalt seiner Flasche einfach seinen Hals hinunter, nahm sich eine neue und schaute mich provokant an. „Und wann bekomme ich endlich mein Geburtstagsgeschenk?" Lachend boxte ich ihn gegen den Oberarm, bevor ich tatsächlich seine Geschenke aus dem Aufenthaltsraum holte. Als ich wieder in die Küche trat, saß er immer noch auf der Anrichte.

„Happy Birthday", flötete ich übertrieben nett und reichte ihm drei kleine Päckchen. Zusammen mit Dana und Niall waren wir an unserem letzten Abend durch die Einkaufsmeile der argentinischen Hauptstadt gezogen. In einem kleinen Ramschladen waren wir schließlich fündig geworden. „Eine alte Polaroid-Kamera?!" Mit großen Augen und weitoffenstehendem Mund starrte er mich an. Ein sanftes Lächeln genügte ihm. „Und ein-oh Gott, Sophia, es ist wunderschön!" Ohne dem dritten Päckchen großartig Beachtung zu schenken, legte er sich das Lederarmband um. „Schau dir mal die Innenseite an."

»Freundschaft ist eine Seele in zwei Körpern« ~ Aristoteles", flüsterte er leise und strich andächtig über den selbsteingebrannten Schriftzug. „Du bist ein Schatz", noch bevor er mich in die Arme schloss, stürzte eine dunkelhaarige Schickse zwischen uns – weiß der Geier woher sie auf einmal ankam- „Andy, Schatz! Alles Gute!" Ihre Stimme erreichte widerliche Höhen und allein anhand ihres Parfüms war für mich klar, dass ich sie nicht mochte. „Ich geh dann mal", nuschelte ich vor mich hin und nahm mir aus dem Kühlschrank eine weitere Flasche Tequila, der Lieblingsdrink meiner Schwester, mit.



Erst gegen drei Uhr morgens sah ich Jake endlich wieder. Lallend, lachend und offensichtlich überglücklich kam er in Levi's Armen die Treppen herunter gestolpert. Während er sich den Abend über offensichtlich in seinen Armen herum getrieben hatte, sich nicht darum geschert hatte, dass er sich nun all unseren Freunden gegenüber geoutet hatte, hatte ich mich in Smalltalk und Geduld geübt. Da diese dunkelhaarige Schickse, Florence, noch immer an meinem besten Freund klebte, hatte er sein drittes Geschenk nicht mehr angerührt. Es waren bereits benutzte Filme mit Schnappschüssen, die wir in unserem Urlaub erstellt hatten. Auf einem der Fotografien sah man sogar ein Stück von Liam. Ob er ihn wohl erkennen würde? Aber selbst wenn, dieser selbstverliebte Macho hatte Andy der Art in den Arsch getreten, dass dieser ihn hochkant aus der Wohnung geschmissen hatte. Seitdem hatten sie kein Wort mehr mit einander geredet.

An meinem Caipirinha schlürfend stand ich also draußen auf der Terrasse und versuchte Levi und Jake daran zu hindern in ihrer kompletten Kleidung in den beheizten Pool zu hüpfen. „Spielverderber", scherzte Levi leise zischend, nahm seine Hand aber nicht einen Millimeter von Jakes Hüfte.

„Also, Hosenpupser"- „Ich bin nur vier Monate jünger als du!" Protestierend stemmte Jake die Hände in seine Hüften und sah mich empört an. Die zwei, die direkt vor meiner Nase herumblödelten, boten mir perfektes Kino. Eigentlich hatte mir nur noch Popcorn gefehlt.

„Jungs, ich will euch ja nicht stören aber ich glaube, ich hab da gerade etwas gesehen, dass definitiv nicht gut ist." Und obwohl es mir zutiefst widerstrebte, musste ich etwas tun. Ein Blick auf die Uhr, ein Blick zu den Menschen um mich herum, doch niemand schien ihn gesehen zu haben. Niemand drehte sich ungläubig um. Ob ich mich vielleicht geirrt hatte? In meinem Kopf ratterte es, ich versuchte die Gesichter und die Kleidung in meinem inneren Auge durchzugehen, als sich alle um Andy und seine Torte platziert hatten. Doch diese eine Jacke wäre mir aufgefallen.

„Sophia-Schätzchen, ich muss mit dir reden."

Noch etwas neben der Spur antwortete ich mit einem einfach „Hm", konnte meinen Blick aber nur schwer losreißen. ‚Ich hätte schwören können, er war es,' flüsterte ich leise, kam aber nicht gegen die Musik an. Levi und seine Band hatten bereits um Mitternacht ihre Pause eingelegt und so wie er hier an Jake klebte, würde diese auch noch eine Weile dauern.

„Du hast dich sicher gefragt, warum ich das hier organisiert habe, oder?" Stumm nickend ließ ich ihn fortfahren. „Ich wollte nicht nur Andys Geburtstag feiern, sondern auch meinen Abschied." „Du verarscht mich." Meine Kinnlade klappte weit nach unten und ich hätte schwören können, dass mein Herz für einen Schlag ausgesetzt hatte. Levi schüttelte sanft den Kopf und drückte seine Lippen kurz gegen die Stirn meines besten Freundes. „Ich werde mit Levi und den Jungs nach Amerika gehen und dort-" „Nach Amerika?!" Diese schrillen Höhen war ich nicht gewohnt von meiner Stimme. „Sein Onkel besitzt eine renommierte Galerie und ihm gefallen meine Bilder. Das war schon immer mein Traum! Bitte sei nicht sauer auf mich! Du hast ja keine Ahnung, wie schwer es mir fällt euch hier zurück zu lassen, aber-" „Stopp! Nichts ‚Aber'. Du wirst mit ihm fliegen. Scheiß auf uns!" Der Schock saß mir tief in den Knochen. Und bis vor ein paar Sekunden hätte ich ihm an Kopf geknallt, wie verrückt er war, dass er Levi nicht lange genug kannte. Ich hätte ihn beschimpft und ihm gesagt, er solle seine Freunde, seine zweite Familie nicht so mir-nichts-dir-nichts im Stich lassen.

Doch dann hatte ich in seine Augen geschaut. Sie schauten verzweifelt, flehend und bildeten bereits Tränen. Ich selbst hatte meinen Traum und damit auch mich schon längst aufgegeben nur, um es anderen Recht zu machen. Das konnte und wollte ich ihm nicht antun. „Komm her!" Hastig zog ich ihn in meine Arme, legte mein Kinn auf seiner Schulter ab und flüsterte ihm etwas ins Ohr, was ich schon Andy indirekt gesagt hatte: „»Freundschaft ist eine Seele in zwei Körpern«. Ich hab dich lieb. Und versprich mir eines: Wenn irgendetwas ist, egal was, dann sag es mir und ich bin da. Es mag vielleicht zwölf Stunden oder so dauern, aber ich bin für dich da, wenn du mich brauchst, okay?" „Okay." „Mein kleiner Augustus", neckte ich ihn mit seinem Lieblingsfilm.

Erst ein Scheppern riss mich von meinem besten Freund los. „Das kann nicht wahr sein."

Ich hatte mich nicht getäuscht. Ich hatte mich ganz und gar nicht getäuscht.

„Ist das nicht Liam Payne? Heilige Scheiße! Meinst du-" „Unterstehe dich!" Noch bevor Levi komplett seinem Fanboy-Moment verfallen konnte, wurde er von Jake zurück gehalten. „Diesem Wichser werden wir keine Aufmerksamkeit schenken." Auf den verwirrten Blick seines Freundes hin, nuschelte Jake irgendetwas von einer Erklärung, die er ihm später liefern würde. Ich jedoch bahnte mich durch die Menschen und schaute dabei zu, wie Liam Andy stolz eine McDonalds Tüte überreichte. Schon von weitem war klar, dass er sich mächtig einen hinter die Binde gekippt haben musste, bevor er hier her gekommen war. Innerlich schrieb ich eine Notiz an mich selbst, dass ich ihm definitiv noch seine Autoschlüssel wegnehmen musste.

„Du hast sie doch nicht mehr alle! Verpiss dich!" Völlig zu Recht stieß Andy seinen ehemaligen 'Bruder' von sich. Was dieser sich geleistet hatte, war nicht mit diesem peinlichen Auftritt zu entschuldigen.

„Aber -"

„Nichts aber."

„Schön! Aber das Bier nehme ich mit." Trotzig griff er nach Andys begonnener Flasche und bahnte sich seinen Weg quer über die Tanzfläche. Sein Blick war glasig, er torkelte gefährlich und wieder einmal rief er nicht mehr als Mitleid in mir hervor.

Noch bevor er aus meinem Sichtfeld verschwinden konnte, lief ich ihm nach und fand ihn schließlich an der Bar, direkt neben dem Eiswürfelspender.

„Was machst du denn hier?"

Völlig desorientiert drehte er sich um dreihundertsechzig Grad, konnte die Richtung der Stimme allerdings nicht ausmachen. Mittlerweile machte ich mir ernsthaft Sorgen. Wie viel hatte der Saufkopf bitte schön getrunken?!

„Hier." Ruppig legte ich meine Hand auf seine Schulter. Leider konnte ich mir ein schelmisches Grinsen und einen kleinen Lacher nicht verkneifen. Mister Ich-bekomm-Jede-ins-Bett sah furchtbar aus. Eine Anstellung im nächstbesten Gruselkabinett hätte er locker einstecken können. Seine Miene entglitt ihm völlig, als er mich erkannte. Was erschreckenderweise ziemlich lange dauerte. Ohne zu zögern setzte er die Bierflasche erneut an. Doch ich war – oh Wunder – schneller. „Davon hattest du definitiv genug!"

„Ach, lass mich doch in Ruhe", fauchte er, wie ein kleines Kind, dem ich gerade sein Lieblingsspielzeug weg genommen hatte. Er machte torkelnd auf dem Absatz kehrt, stolperte beinahe über einen der Barhocker und ging in Richtung Pool. Mit einem Sicherheitsabtsand folgte ich ihm und betete, dass er nicht der Länge nach die Treppen nach unten segelte und sich das Genick brach. Für einen kurzen Moment verlor ich ihn aus den Augen, weiß der Geier wie er das angestellt hatte.

Schließlich fand ich ihn aber wieder. Eine Bourbon-Flasche kuschelnd und die bekleideten Beine, samt teurer Nike-Sneakers, im Pool baumeln lassend.

Ohne groß nachzudenken striff ich meine Pumps von den Füßen, ignorierte die Tatsache, dass ich noch meine Strumpfhose trug und setzte mich, ebenfalls die Füße im warmen Wasser baumeln lassend, neben ihn.

„Weißt du, Sophia, sie hat mich verarscht. Ich hab sie am Flughafen gesehen, ich bin mir so sicher! Sie muss es gewesen sein. Ihre Wohnung war leer und da hing ein Zettel, Pakete sollen zur Nachbarin. Sie ist immer noch schwanger, es muss so sein!"

Ich wusste genau wovon er sprach. Auch wenn Andy es nicht zugegeben hatte, wenn Promi-News im Fernsehen liefen, hatte er aufmerksam gelauscht und später, wenn er nicht mehr in unserer WG saß, hatte ich nachgelesen, wie es Liam ging. Dennoch wollte ich, dass er mit mir redete. Er sollte mir sagen, was ihn bedrückte. Vielleicht würde er dann merken, dass Menschen eher im Stande waren bei Problemen zu helfen, als der Bourbon in seiner Hand. „Wer ist sie und was glaubst du gesehen zu haben?" Mein Versuch ging nicht auf. Patzig antwortete er: „Is' auch egal" und setzte schnaubend die Flasche an. Doch ich war schneller.

„Was soll'n das?" pflaumte er mich an und wollte nach der Flasche greifen. „Was glaubst du wer du bist? Ich weiß ja nicht mal, was du hier machst?"

„Das könnte ich dich genau so fragen!" Ich wusste nicht wieso, aber jetzt platzte mir der Kragen. Was bildete dieser verschissene Säufer sich eigentlich ein? „Weißt du eigentlich wie Andy gelitten hat, nachdem du ihm all den Scheiß an den Kopf geknallt hast?" Schweigend sah er mich an. Es war nicht schwer zu erraten, was gerade in seinem Kopf vorging. „Du hast keinen blassen Schimmer, wer ich bin, richtig?"

Fest umklammerte er die Flasche. Ich sah ihm an, dass er irgendetwas erwidern wollte. Doch bevor er etwas sagen konnte, rammelte irgendein betrunkener Idiot gegen ihn und Liam glitt einfach ins Wasser. Meine erste Reaktion war schallendes Gelächter. Eine kleine Abkühlung tat diesem aufgeblasenen Wichtigtuer sicher gut.

Erst als er nicht mehr auftauchte, geriet ich in Panik. „Du Vollidiot", zischte ich und sprang ohne darüber nachzudenken ins Wasser. Es war angenehm war und doch erschreckte ich mich zu Tode. Andy war neben mir ins Wasser gesprungen und ohne darüber nachzudenken nach ihm getaucht. Japsend tauchten beide wieder auf. „Du hirnloser Vollidiot. Wie oft soll ich dir noch den Arsch retten." „Isch hab dich lieb." Überschwänglich knutschte Liam Andy auf die Wange. „Ja,ja. Halt die Klappe. Soph? Ich heb ihn hoch, du ziehst ihn raus."

Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis wir Liam aus dem Pool gezogen hatte. Er rutschte aus meinen Händen, plantschte wie ein kleines Kind. Irgendwelche Fremde griffen mir schließlich unter die Arme, meine Schwester rauschte mit Handtüchern herbei und irgendwie schafften wir es ihn aus dem Pool zu bekommen.

„Ich bringe dich nach Hause. Gib mir die Autoschlüssel."

„Nein." Wie ein kleines Kind rannte er um den Pool.

„Liam!"

Schließlich war es nur eine Frage der Zeit, bis er ausrutschte und erneut ins Wasser fiel.



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