M for Miracle

SOPHIA 01. Februar 2016 London, England


Ich tat es nicht gerne, doch ich musste mir eingestehen, dass mir Liam Leid tat. Zuerst schlug ich ihm die Nase grün und blau und dann nahm ich mir die Dreistigkeit heraus, sein Weltbild vollkommen zu zertrümmern. Mir war nicht entgangen, dass er hin und wieder auf mein Hinterteil starrte oder mich musterte, wie ein saftiges Steak. Doch sein Blick, als ich ihm unsere gemeinsame Vergangenheit aufzeigte, war unbezahlbar.

Mit einem Seufzen stellte ich die Kaffeemaschine erneut an. Während das braune Gold durch den Filter lief, schmiss ich mich ohne mich groß durch meinen Kleiderschrank zu wühlen, in meinen schwarzen Kragenpullover und eine enge Jeans. Während ich nach einem Haargummi suchte, welches nicht zerrissen oder bereits kurz davor war, kam mir eine Kleinigkeit in den Sinn. Wenn Liam keinen Schimmer davon gehabt hatte, dass er bei mir gelandet war, wusste er überhaupt, wie er nach Hause kam? Andererseits durfte selbst er in der Lage sein sich ein Taxi zu bestellen. Straßenschilder konnte er sicher lesen.

Auf meinem Schreibtisch wurde ich fündig. In irgendeiner Unterrichtsstunde musste ich mein Lieblingshaargummi um meine Federmappe gewickelt haben. Weiß der Geier, warum. Bevor ich mir die noch nassen Haare in einen lockeren Dutt binden konnte, fiel mein Blick auf eine neue Zeichnung. „Dieser kleine Bastard", flüsterte ich und musste, obwohl ich es nicht wollte, nicht nur zugeben, dass es wirklich gut aussah, sondern auch noch herzlich lachen. Der junge Mann, der mich noch gestern auf Knien anflehend gebeten hatte, ihn nicht alleine schlafen zu lassen, hatte mir einen kiffenden Simba auf meinen Schreibtisch geschmiert. Niemand, außer Jake, Andy und Dana hatten sich bisher an meinen Schreibtisch gewagt. Obwohl die Zeichnung unglaublich gelungen war, schwor ich ihm Rache.

Dieses Bild, Liam, vor seiner eigenen Haustür sitzend, triefend nass und bettelnd, er könne nicht alleine schlafen. Ich würde sicherstellen, dass er es sein Leben lang aufs Butterbrot geschmiert bekam. Sofern ich ihn wieder sehen würde.

Wieder in der Küche wollte ich gerade etwas Kaffee in meine Tasse gießen, als mein Handy vibrierte. Für einen kurzen Moment glaubte ich, es sei Liam. Schließlich hatte ich ihm letzte Nacht versprochen, dass er sich bei mir melden konnte, wann immer er Hilfe brauchte. Theoretisch würde es ihn bloß einen Anruf kosten. Praktisch stand ihm vermutlich sein eigenes Ego im Weg. Zwar hatte ich ihm verklickern wollen, dass ein derartiger Absturz nicht noch einmal vorzukommen brauch, doch wenn ich ehrlich zu mir selbst war, hatte er es vermutlich vergessen.

Süße mir ist langweilig! Bring Kaffee mit!!! Der Kamillen-Tee macht mich wahnsinnig...Hab dich lieb- Dana xo.


Eine einzige Nachricht genügte und schon kroch das schlechte Gewissen in mir hoch und sorgte dafür, dass ich keine Stunde später mit schweißnassen Händen in den elften Stock des örtlichen Krankenhauses fuhr. Mein Atem ging schneller, als es vermutlich gesund war. Ein kleiner Junge hielt die Hand seines Großvaters fest umschlungen. Aus seinem kleinen blauen Rucksack hing der Kopf eines zerfledderten Stoffbären schlapp heraus. Vermutlich besaß der Kleine sein Kuscheltier seit der Geburt und wenn der Junge circa fünf oder sechs Jahre alt war und er nur halb so besessen von seinem Stofftier war, wie ich es damals gewesen war, wunderte es mich nicht, dass er so zerfleddert ausschaute. Ich hätte wetten können, dass das Ding maximal zweimal pro Jahr eine Waschmaschine von innen sah.

„Das ist Mister Twixxel. Und wer bist du?"

Die Gedanken an meine Kindheit hatten mich erfolgreich von der Tatsache abgelenkt, dass durchaus die Wahrscheinlichkeit bestand mit diesem engen, sauerstoffarmen Stahlkasten gefühlte hundert Meter in die Tiefe zu stürzen und jämmerlich zu verenden. Allerdings hatten sie mich so sehr abgelenkt, dass ich zuerst nicht ganz verstand, dass der kleine Junge mit dem kleinen Stofftiger an meiner alten Tasche redete.

„Kannst du nicht sprechen?" Mitleidig sah er zwischen mir und dem alten Mitbringsel der Abschlussfahrt meiner älteren Schwester hin und her.

„Doch, doch. Aber leider hab ich nicht so einen coolen Namen wie du. Mein Frauchen war doof und hat mich einfach Tiger genannt." Leicht ging ich in die Hocke und verstellte meine Stimme. Der Anhänger ließ sich leicht abknipsen und sobald ich mit dem Kleinen auf Augenhöhe war, strahlte er mich an.

„Wir können uns einen neuen Namen für dich ausdenken."

„Auja", jauchzte ich fröhlich und ließ den Tiger tanzen. Der kleine Junge strahlte mich an und ließ mich  meine Schwester mit einem Male irgendwie vermissen.

„Hm..." Die Falte zwischen seinen Augenbrauen und die geschürzten Lippen ließen mich grinsen über beide Ohren.

„Ich bin übrigens Sophia." Mit einem freundlichen Lächeln hielt ich dem blonden Junge meine Hand hin, die er flink nahm und schüttelte. „Ich bin Chase und das da ist mein Opa George."

Mit einem kurzen Nicken hob er seinen Hut „Miss." Ich nickte ebenfalls und zuckte, als Chase freudig rief: „Ich habe einen Namen!" Bevor er mir ihn allerdings mitteilte, sorgte der kurze Schreck zuvor, gemischt mit dem Anhalten und Rucken des Fahrstuhls dafür, dass ich das Gleichgewicht verlor und statt in der Hocke nun auf meinem Po vor dem Kind saß. „Alles in Ordnung, Miss?" „Hast du dir wengetan?" sprachen Großvater und Enkel gleichzeitig. Mir entfuhren allerdings nur ein Lachen und ein kurzes „Nein, nein. Mir geht es gut."

„Also, darf ich deinen Tiger Piggles nennen?" Vor der sich automatisch öffnenden Tür sah er mich fragend an. „Ich weiß, es ist kein Schwein aber weißt du ich habe neulich so eine totaaaaal coole Serie gesehen mit so einem kleinen rosa Schweinchen und das war total süß und total schlau, obwohl sonst immer die Füchse viel, viel schlauer sind oder eben die Raben, die sind manchmal auch echt schlau aber das kommt immer darauf an, was man für eine Fabel liest. Das Wort habe ich von meiner Freundin Elsa gelernt, die geht schon in die Schule und die ist voll schlau, die hat das auf Wikipedia gelesen, cool oder?"- „Chase!" Etwas forsch unterbrach George seinen Enkel, schmunzelte aber ohnehin. Wer konnte diesem kleinen Jungen mit seinen Grübchen und den strahlend blauen Augen etwas abschlagen? „Du musst zwischendurch Atmen, mein Junge. Sonst können wir dich gleich bei deiner Oma lassen."

„Nein!" quiekte er auf einmal los.

Während ich die beiden einfach wortlos beobachtete, spürte ich, wie mir jemand in die Ferse fuhr. „Hey-" begann ich zu protestieren, bis Dana ihre Arme um meine Hüfte wickelte und anbetend zu mir nach oben schaute. „Bitte sag mir, du hast auf dem Weg hierher eine Pizzeria überfallen oder eine Kuh geschlachtet?"

„Nein, aber wir haben einen neuen Namen für Sophias Kuscheltier gefunden", quietschte Chase fröhlich dazwischen. Dana spielte das Spiel nur zu gerne mit. „Nein? Ehrlich?" Mit weit geöffnetem Mund sah sie ihn erwartungsvoll an, bis er mit stolzgeschwellter Brust verkündete. „Das ist Sir Piggles von Spitzzahn! Ritter aus Miamas und Märchenwächter im Land-Fast-Noch-Wach und allerbestester Freund von Mister Twixxel!" Auch, wenn ich nur die Hälfte von dem Verstand, was er da vor sich her brabbelte, war es unglaublich entzückend, wie stolz er den Tiger gen Himmel streckte.

„Das ist ja cool", verkündete Dana beeindruckt, obwohl ich genau wusste, dass sie genau so wenig verstand, wie ich es tat.

„So mein Spatz, deine Oma wartet. Es war schön Sie kennen zu lernen, Sophia und"- „Dana."

Wir verabschiedeten uns freundlich von dem lustigen Duo und insgeheim hoffte ich, dem Kleinen später noch einmal zu begegnen. Nun ging es jedoch erst einmal um meine beste Freundin.

„Also Liebes. Erst hab ich Hunger, dann brauche ich Coffein und am besten Nikotin und dann musst du mir erzählen, was ich verpasst habe."

Auf ihrem Zimmer angekommen hievte sie sich aus dem Rollstuhl wieder ins Bett ohne dabei den eingegipsten Fuß noch mehr zu demolieren. Sobald sie es sich bequem gemacht hatte, klingelte sie nach einer Schwester. Noch skeptischer sah ich von der Fensterbank aus zu, wie sie dem gutaussehenden Krankenpfleger, welcher sich mit einem hübschen Lächeln als Sam vorgestellt hatte, versuchte weiß zu machen, dass sie die Kanüle der Infusion ganz ausversehen beim Herumdrehen im Bett heraus gerissen haben musste.

„Hm, genau, Dana. Ganz bestimmt." Schelmisch grinsend versorgte er meine beste Freundin einfach weiter und verabschiedete sich schließlich von uns. „Wenn ich euch etwas bringen kann, klingelt einfach. Einen besseren Room-Service bekommt ihr heute nicht mehr."

„Dana." Ich versuchte vorwurfsvoll zu klingen, doch alleine ihr dämliches Augenbrauen- Gewackel ließ mich grinsen. Sie klopfte einladend auf ihr Bett und ich ließ mich am Bettende fallen und stand in den nächsten drei Stunden nur auf, um meine Tasche auszuspülen, da die Thermoskanne meinen kleinen Fahrstuhlsturz nicht unbeschadet überstanden hatte, und um auf die Toilette zu gehen.

„Und er ist echt zweimal in den Pool gefallen? Was ein Vollidiot. Woher kennt ihr euch noch mal." Sorgfältig pustete sie sich ihre Nägel trocken. Der mattschwarze Lack war ihr Favorit, während meine Nägel rot strahlten. Ich nutzte die Zeit, um das Fenster zu öffnen, ohne mein Werk zu zerstören, bevor ich ihr antwortete.

„Hörst du Andy eigentlich nie zu?" Der vorwurfsvolle Unterton stellte sich im Endeffekt als gar nicht so unterschwellig heraus, wie ich es geplant hatte.

„Ich hab das mit ihm geklärt", pampte sie direkt zurück und wie bestellt klopfte es an der Tür und ein blonder Ire samt einem Strauß Rosen streckte seinen Kopf durch die Tür. „Störe ich?"

Die Verfärbung ihrer Wangen war mir nicht entgangen und so antwortete ich fix: „Nein, Quatsch. Komm rein."

Ich überließ Niall meinen Platz und nahm mir stattdessen einen Stuhl, dessen Lehne mehrfach vibrierte. „Niall, kannst du vielleicht eben in meine Tasche greifen und mein Handy heraus fischen, bitte?" „Klaro." Er löste sich flink aus Danas Umarmung und stellte die Rosen in eine Vase, bevor er mir mein Handy reichte und wieder zurück an ihre Seite flitzte, als hinge sein Leben davon ab.

Mehrere Nachrichten von Andy waren herein getrudelt. Eine unglaubwürdiger als die Andere.

Das glaube ich jetzt nicht. 13.37 Uhr

Siehst du das? 13.39 Uhr

Sag mir, dass ich mich irre. 13.45 Uhr

SAG MAL HAST DU DEIN HANDY GEGESSEN ODER WAS?! P.S.: Hast du die Bilder überhaupt bekommen? 14. 18 Uhr

Wo zum Henker bist du????? Hier passiert das achte Weltwunder und du bist nicht da... 14.53 Uhr

Liam-Arschlochflachwichserhosenscheißer-Payne hat sich gerade bei mir entschuldigt und hat um exakt 16.04 Uhr mein Haus verlassen und ist auf dem Weg zu dir.16.06 Uhr

Meine großen Augen und meine Sprachlosigkeit schienen vollkommen an Dana und Niall vorbeizugehen. Sie hatten nur Augen für einander, weshalb es nicht großartig auffiel, dass ich aufstand, das Zimmer verließ und eine Sprachnachricht an Andy versendete:

Das glaube ich dir nicht. Verarschen kann ich mich alleine. Liam hatte heute Morgen keinen blassen Dunst von gar nichts. Er hat nicht gemerkt wo er ist, er hat die alten Schulbilder nicht erkannt und er hat mir gestern Nacht sicherlich nicht zu gehört. Auch, wenn er mir mit ‚One Call Away' in den Ohren gelegen und mich wie ein Baby angebettelt hat, er hat sich nicht so mir nichts dir nichts dazu entschlossen sich nach einem geschlagenen halben Jahr bei dir zu entschuldigen. Wisst ihr Sturköpfe überhaupt noch, warum ihr euch gestritten habt, wie die Scheiße angefangen hat? Ich weiß es nämlich nicht mehr. Ihr verdammten Böcke, einer sturer als der Andere...boah, jetzt musste ich meinem Ärger erst mal Luft machen. Verarschen kann ich mich alleine, Mister Samuels. Ach übrigens, die Memo kommt mit Sicherheit erst an, wenn ich wieder zuhause bin, ich besuche Dana im Krankenhaus.

Schnaubend ging ich zurück in das Krankenzimmer. Niall schreckte hoch, zuckte von Dana weg und lief ebenso wie sie knall rot an. „Ich würde mal sagen, ich lass euch alleine?"

„Nein, nein, das musst du nicht! Ich muss mich ähm eh fertig machen für, na du weißt schon, eh, Harrys Geburtstag und so, bis dann." Ich konnte gar nicht so schnell gucken, wie der Ire durch die Tür flitzte.

„Willst du mir vielleicht etwas sagen?"

„Ach, du, ne eigentlich nicht", wich sie sofort aus und kramte durch den Beutel, welchen ich ihr mitgebracht hatte. „Lass uns doch mal den Film hier schauen." Beiläufig nahm sie irgendeine DVD und startete ihren Laptop.

Egal wie oft ich im Laufe des Films versuchte das Thema von „Harry und Sally" auf sie und Niall zu richten, Dana blieb stur. Stattdessen schlief sie irgendwann an meine Schulter gelehnt ein und auch ich langweilte mich und spielte mit meinem Handy herum.


Kurz bevor ich gegen 18 Uhr völlig einnickte, vibrierte mein Handy erneut. Meine Augenbrauen schossen in die Höhe, als ich die Nachricht las.

Ich muss mich bei dir entschuldigen, Skinny-Sophia ;) und- auch wenn ich es ungern zugebe, muss ich mich bedanken.

Eine weitere Nachricht trudelte kurz danach ein. ❝Begleitest du mich bitte auf Harrys Geburtstagsparty? Heute Abend, 20 Uhr, Dresscode. Ich hole dich ab?- Liam

Mein erster Gedanke?

Liam Payne hatte gerade drei entscheidende Lektionen gelernt:

- Man(n) entschuldigt sich für seine Dummheit

- Man(n) bedankt sich

- Man sagt Bitte.

Mein zweiter Gedanke?

Wie zum Henker, komme ich da wieder raus?



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Dieses spontane Mitternachts-Kapitel, was mir zufälligerweise dabei hilft die neue The Tide Single früher zu hören, widme ich zwei besonderen Menschen:

Einmal peniku ;Ich kann dir gar nicht genug Danken. Ich finde auch jetzt keine Worte mehr für deine lieben Worte♥♥♥

und einmal -uptownjustin , denn seien wir einmal ehrlich, das neue Buddy Cover ist atemberaubend! Ich wollte mich schon früher mit einem Kapitel bedanken, aber meine Muse hat mich erst heute Nacht geküsst ;) Danke dir für das wundervolle Cover!!

So aber nun zum Kapitel,

wer hat den alten Bekannten gefunden? ;)







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