D für Dämlich


LIAM ➜ 11. Januar 2016 Buenos Aires, Argentinien

Ein stechender Schmerz schoss mit einem Male durch meinen Kopf und ich wurde ruckartig wach. Irgendetwas hämmerte schrecklich gegen mein Hirn. Die gleisende Sonne und das fremde Hotelzimmer, in dem ich mich befand machten die Situation nicht wirklich erträglicher.

Grummelnd griff ich an meinen Kopf, versuchte ihn zu stützen und so gegen diesen Schmerz anzukämpfen.

Neben mir auf dem Couchtisch stand ein Glas Wasser, eine Brezel und eine Packung mit Tabletten. Ohne groß darüber nachzudenken schmiss ich mir die Pillen ein. In letzter Zeit hatte ich viel schlimmere Dinge runtergeschlungen, als eine fremde Brezel, fremdes Wasser oder fremde Tabletten. Das Salz der Brezel tat mir gut. Mein Mineralien-Haushalt wurd aufgefrischt. Ich hatte vorher den Geschmack von Erbrochenem auf der Zunge. Meine Kleidung roch nicht besser. Ekelhaft. Einfach ekelhaft.

Es dauerte eine Weile, bis ich mich wieder gefangen hatte. Derartige Situationen hatte ich in letzter Zeit öfter gehabt, wusste nicht, was passiert war oder wo ich mich befand. Man sollte meinen ich hätte mich daran gewöhnt, doch irgendetwas in mir, sagte mir, dass hier irgendetwas anders war, als die zahlreichen Male zuvor.

Zum einen lag ich alleine auf der Couch, keine hübsche Fremde neben mir, kein fremdes Bett. Ich war ganz alleine. Vermutlich lag das an meinem Geruch. Ich ekelte mich vor mir selbst und ich war mir tausend Prozentig sicher, dass ich mich so nicht unter die Leute begeben konnte. Also stand ich auf. So leise wie möglich kämpfte ich mich vor, öffnete eine Tür und fand auf Anhieb das Bad. Sogar jemand erbärmliches, wie ich hatte einmal Glück. Respekt an mein Karma.

Ohne weiter irgendeinen Gedanken an irgendetwas anderes zu vergeuden, glitten meine Finger unter den Bund meiner Boxershorts, bis mir doch etwas einfiel: „Wo war ich, was tat ich hier und wo zum Henker waren mein Handy und mein Portmonee?"

Panisch fuhr ich mir durch die Haare. Meine Hände entknoteten einige Strähnen und ich vermerkte in Gedanken, dass ein Besuch bei Louise mal wieder notwendig war. Doch diese eitlen Gedanken waren fürs erste nebensächlich. Also ging ich mit meinen Klamotten unterm Arm aus dem Bad und sah mich weiter um. Ich war in keinem einfachen Hotelzimmer, sondern einer Art Loft, wie es schien. Es war geräumig und modern eingerichtet. Für eine Sekunde fragte ich mich, ob ich nicht doch in meinem Hotel war und einfach nur bei Louis, Niall oder Harry eingenickt war. Nach irgendeinem Anhaltspunkt suchend, gelangte ich in ein Schlafzimmer. Meine kleine Hoffnung, mich bei einem der Jungs, wortwörtlich, ausgekotzt zu haben, zerschlug sich, als ich einen schwarzen BH auf dem Boden liegen sah. Das war an sich zwar kein eindeutiger Beweis, doch die fünf Oma-Unterhosen, die zusammengefaltete auf dem Bett lagen, gaben den finalen Beweis. Keiner der Jungs würde etwas knallen, das so etwas trägt.

Mit gerümpfter Nase sah ich mich weiter um und stieß auf einen schwarzen Koffer. Bei näherem Betrachten fielen mir die Initialen S.A.S auf. In meinem Kopf ratterte es, doch mein besoffenes Hirn spuckte keinerlei Hinweise aus. Ich zögerte. Sollte ich den Koffer öffnen? Dieser Moment wäre perfekt für diese Filmszenen, in denen Engelchen und Teufelchen auf der Schulter diskutierten. Aber ich hatte mein Karma schon genügend strapaziert, wie ich immer wieder erfuhr, also verließ ich das fremde Schlafzimmer ohne den Koffer angefasst zu haben.

Eine Spur verzweifelt raufte ich mir die Haare. Sicher, ich hatte mir diesen Mist selbst zuzuschreiben. Die Erkenntnis minderte aber trotzdem keineswegs meine schlechte Laune. Mein Blick wanderte also weiter durch den Raum und suchte nach meinem iPhone oder dem schwarzen Leder meiner Geldbörse. Beinahe wie von selbst drehte ich mich um meine eigene Achse und stoppte abrupt, als ich plötzlich angeschrien wurde, in einer derartig hohen Oktave, dass ich befürchtete mein Trommelfell zu verlieren.

„Verdammte Scheiße, ich dachte du bist schon längst weg!" Amüsiert stemmte ich meine Hände in die Hüfte und sah der Brünetten dabei zu, wie sie vollkommen überfordert versuchte ihre Mitte und gleichzeitig ihre Brüste zu bedecken. Grinsend sah ich ihr mitten in die Augen. Ihre Wangen verfärbten sich und sie sah zu Boden. „Ich wüsste nicht, was es da zu grinsen gibt", grummelte sie schließlich und ging ins Badezimmer, um sich mit einem sehr, sehr kurzen Handtuch einzuwickeln. Es reichte gerade so an den Anfang ihrer Oberschenkel. Ich spielte kurz mit dem Gedanken an dem Zipfel des Handtuches zu ziehen, doch ich musste mich auf das Wichtige fokussieren: Handy und Geld.

„Was machst du überhaupt noch hier?" Immer noch bedröppelt schaute sie mich aus ihren großen Augen an und durchbrach die kurze Stille, in der ich versucht hatte meinen Penis unter Kontrolle zu halten. Auch wenn ich nichts, aber auch wirklich gar nichts von letzter Nacht wusste, hoffte ich, dass wir guten Sex gehabt hatten. Sie war definitiv eine Granate.

„Kannst du endlich mal aufhören mich so anzugaffen und mal antworten?" Dass sie derartig fauchen konnte, hatte ich nicht erwartet. Zuhause musste ich wohl meinen Rücken begutachten, nicht, dass sie ihre Kralle ausgefahren hatte.

„Ich such' mein Handy und mein Geld. Hast du es noch? Oder hast du es schon auf den Kopf gehauen und verscherbelt?" antwortete ich kühl und versuchte nicht über meinen eigenen Witz zu lachen. Der Brünetten mir gegenüber war allerdings weniger zum Lachen zu mute. Ihre Kinnlade war weit aufgeklappt und von dem peinlich berührten Mädchen war absolut nichts mehr übrig geblieben. „Du arrogantes Arschloch!" empörte sie sich und verpasste meinen Glocken einen heftigen Tritt. Ich sog scharf die Luft ein und versuchte gegen die Tränen anzukämpfen, die automatisch in meine Augen geschossen kamen, als hätte sie mir die Nase gebrochen. Schützend hielt ich meine Hände um meinen ramponierten, leider halb erigierten Penis und ging zu Boden. Aus dieser Perspektive konnte ich der Dame zwar ein bisschen unters Handtuch linsen, doch das half mir auch nicht weiter. „Du blöde Schl-" „Wage es dich dieses Wort in den Mund zu nehmen und du wirst nie wieder Tageslicht erblicken!"

Sie hatte sich zu mir runter gehockt und hielt mir ihre geballte Faust ins Gesicht. Abwehrend hob ich eine Hand, die andere schützte weiter meinen, leider nur von den Boxershorts geschützten, Penis. „Ist ja gut", krächzte ich. „Geht doch." Die finstere Miene war wie vom Erdboden verschluckt. Stattdessen hielt sie mir ihre Hand entgegen und half mir hoch. Doch so leicht ließ ich mich von diesem süßen Lächeln nicht betütteln. Skeptisch musterte ich das Mädchen vor mir. Irgendwo hatte ich dieses Grinsen schon mal gesehen. Doch wie schon einige Minuten vorher musste ich feststellen, dass mein Hirn noch zu benebelt war, um irgendetwas Ordentliches auf die Kette zu bringen.

„Also was ist? Hast du jetzt mein Handy oder was?"

Nervös fuhr sie sich durch die Haare. Ich ahnte böses. „Ja, also das ist da so eine Sache-"

„Zimmerservice!" krakelte auf einmal eine weitere weibliche Stimme. Herr Gott, ein Dreier? Verwirrt sah ich auf die scharfe Brünette, die mit einer Tüte Brötchen ins Zimmer gestapft kam. Eines musste ich meinem besoffenen und auch bekifften Ich von gestern Abend lassen: Mein Auge für scharfe Dinge hatte ich wohl nicht verloren.

„Oh, ich komme wohl ungelegen." Die schärfere der beiden machte auf dem Absatz kehrt, zwinkerte mir und der Attentäterin zu und verschwand mit den Brötchen. Himmelherrgott, wo war ich nur gelandet?

„Also was ist jetzt?" Ich versuchte die Brünette wieder daran zu erinnern, was meine eigentliche Frage gewesen war. „Ach so, ja, also das ist eigentlich ganz lustig, du wirst es auch zum Schießen finden!" Sie stammelte irgendetwas vor sich hin und wurde immer nervöser. „Verdammt, raus mit der Sprache!" fuhr ich sie an, nachdem sie definitiv meine Nerven überstrapaziert hatte.

„Ich habe es mitgewaschen." Sie haute diesen Satz einfach so raus, als wäre es keine mittelschwere Katastrophe. „Du hast was?" ungläubig funkelte ich sie an.

„Naja, du hattest dich ja halb in deiner Kotze gewälzt, da habe ich deine Sachen in der Hotelwaschanlage gewaschen und in den Trockner geschmissen...ich wusste ja nicht, dass dein Handy in der Jackentasche ist." Wie ein begossener Pudel stand sie vor mir, sah zu Boden und pfriemelte nervös an dem Saum des Handtuchs. Das sie mir damit einen netten Einblick verschaffte, zumindest ein wenig, schien sie nicht zu bemerken.

Doch trotz der Tatsache, dass sie wirklich gut aussah, wurde ich fuchsteufelswild. „Hast du auch nur im Geringsten eine Ahnung, was du damit angestellt hast!? Woher soll ich bitte die ganzen wichtigen Nummern bekommen? Meine Daten, meine Fotos, meine Musik, meine neuen Texte- alles weg!?" Je lauter ich wurde, umso kleiner schien sie zu werden.

Irgendwann platzte aber auch ihr der Kragen, überraschenderweise. „Ich hätte dich auch an deiner Kotze ersticken lassen können, du ungehobelter Klotz!" keifte sie und bevor ich was erwidern konnte, machte es Klick. „Moment Mal, wir hatten letzte Nacht gar keinen Sex?" Verwirrt sah ich sie an. Das hatte ich mir wegen ein bisschen zu viel Alkohol entgehen lassen? Gott, war ich blöd.

Als sie losprustete vor Lachen, bekam nicht nur mein Ego einen Knacks, nein ich erschrak auch ziemlich. „Was? Wir? Niemals!" Sie machte unnötige Pausen, um zwischen den Wörtern genug Zeit zum Lachen zu haben. „Du wärst fast erstickt an deiner Kotze, Liam. Und strenggenommen schuldest du mir noch 50 Pfund."

„Wie bitte?"

„Na wegen deinem bestialischen Gestank, hab ich mein sündhaft teures Steak die Kanalisation entlang geschickt."

„Du hast mein Handy gewaschen. Ich schulde dir gar nichts."

„Touché."

Unsicher stand das Mädchen immer noch im Handtuch vor mir. Die Stille zwischen uns war angenehm prickelnd. In meinem Kopf war ich bereits dabei sie auf ihr Bett zu schmeißen, denn mal ehrlich: Wütender Sex hat einige Vorteile. Andererseits, wenn ich die Tatsache bedachte, dass sie mich als Wrack vorgefunden hatte, war es wohl besser wenn ich ging.

„Ich schlage vor, du lässt mich kurz deinen Laptop benutzen, gehst duschen und bist mich in etwa einer halben Stunde los."

„Klingt gut."

Die hübsche Brünette tapste schnell über die kalten Fliesen und reichte mir schließlich ein älteres Laptop. „Passwort ist Simba1994." Ungläubig nahm ich das Ding entgegen und sah sie an. Mit den Worten „Was? Nichts geht über Disney", verschwand sie im Badezimmer.

Ich schüttelte ungläubig den Kopf, loggte mich bei Twitter ein und schrieb Preston, dass ich ihn in einer halben Stunde vor dem Hotel erwarten würde. All nötigen Infos bekäme er dann.

Keine zwanzig Minuten später stand ich am Hinterausgang des Hotels, ließ Nikotin durch meine Adern strömen und wartete auf Preston. Ich brauchte dringend eine Dusche. Vor allem aber musste ich dringend mit Andy reden. Dieses bekloppte Mädchen kam mir einfach zu bekannt vor.


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