Kapitel 83: Süßes Eichhörnchen (1.962)
Minho:
Mittlerweile bin ich mit Jisung auf meinem Rücken bei ihm zuhause angekommen. Ich habe dem mittlerweile schlafenden Jungen komplizierter Weise die Schlüssel aus seiner Tasche gekramt und die Tür zu seinem Haus aufgeschlossen. Zu meinem Glück scheint Jisung's Familie schon zu schlafen, da jeder Raum komplett dunkel und es allgemein ziemlich still ist.
Was ist nur mit meinem Freund passiert? Ich war doch schnell genug da, sodass der Fremde Jisung gar nicht richtig bedrängen konnte. Er ist ihm zwar sehr nah gekommen, doch ich war schnell genug, sodass der Unbekannte gar nichts mit meinem Freund machen konnte.
Noch immer könnte ich diesen Arsch dafür windelweich schlagen, doch aufgrund von Jisung's Reaktion, musste ich mich wohl mit dem einen Schlag in sein Gesicht zufrieden geben. Ich meine gut. Er hat immerhin eine blutende Nase davon bekommen, aber meiner Meinung nach hat das noch nicht einmal ansatzweise als Karma ausgereicht.
Jedenfalls trage ich Jisung nach oben in sein Zimmer und versuche ihn vorsichtig auf sein Bett zu legen, was mir tatsächlich auch gelingt.
Kaum habe ich mich von dem Jüngeren entfernt, beginnt er plötzlich erneut zu wimmern, hat jedoch dennoch seine Augen geschlossen und scheint noch immer zu schlafen.
„Es ist alles okay, Baby. Ich bin bei dir." flüstere ich meinem Freund leise zu, als ich ihm durch seine Haare streiche. Tatsächlich beruhigt sich der Jüngere unter diesen Berührungen ein wenig.
Voller Sorge sehe ich das gerade so zerbrechlich wirkende Erscheinungsbild meines Kindheitsfreundes an. Seine leicht angeschwollenen Augen, seine immer wieder aufkommenden, wimmernden Geräusche und die noch immer klar zu sehenden Tränenspuren an seinen Wangen.
„Was ist nur passiert?" murmle ich traurig, ehe ich Jisung versuche langsam und friedvoll zu wecken, damit er sich umziehen kann. Ich meine klar könnte auch ich das für ihn machen, aber ich will nichts machen, was er später vielleicht bereuen oder mir vorhalten könnte. Außerdem kenne ich meinen Jisungie und weiß, dass er besonders in Bezug auf seinen Körper ziemlich große Selbstzweifel hat.
„Baby. Du solltest dich noch umziehen, bevor du weiter schläfst." spreche ich so ruhig ich kann auf ihn ein, während ich zusätzlich liebevoll durch seine Haare streiche, damit er nicht gleich die nächste Panikattacke bekommt, als er langsam wach wird. Schweigend nickt der Jüngere einfach nur, wirkt jedoch noch immer sehr geknickt. Er steht auf und geht zu seinem Kleiderschrank. Ich will gerade den Raum verlassen, damit er sich in Ruhe umziehen kann, als Jisung panisch mein Handgelenk greift und mich somit davon abhält. Wiederholt sammeln sich Tränen in seinen Augen, als er mich bittet: „Bitte lass mich nicht allein."
„Hey, ganz ruhig, Jisungie. Ich will nur raus gehen, damit du dich in Ruhe umziehen kannst. Ich werde dich schon nicht alleine lassen. Okay?" entgegne ich, woraufhin Jisung unsicher fragt: „Fest versprochen?" Ein wenig überrascht, über diese Frage des Jüngeren, schweige ich erstmal kurz. Genau das hat er mich damals gefragt, als er aufgrund seiner Soziophobie in der zweiten Klasse seine erste richtige Panikattacke hatte, bei der seiner Familie und auch meiner Familie klar wurde, dass er diese Phobie hat. Allgemein erinnert mich Jisung gerade an sein Ebenbild von damals. „Fest versprochen." verspreche ich meinem Freund, woraufhin er eher widerwillig und sehr zögernd mein Handgelenk aus seinem Griff löst.
Ich drücke ihm noch einen Kuss auf die Stirn und sage dann: „Ich bin gleich wieder da. Zieh dich um und leg dich schon ins Bett." Langsam nickt der Jüngere, ehe ich mit einem letzten Blick zu meiner Liebe sein Zimmer verlasse. Ich schließe seine Zimmertür hinter mir und lehne mich tief durch atmend gegen diese. Denn jetzt, wo das ganze Adrenalin wieder nachgelassen hat, spüre ich sowohl meine durch den Schlag in das Gesicht des Fremden pochenden Fingerknöchel, als auch den ganzen Alkoholkonsum, denn schlagartig spüre ich wieder diese Übelkeit in mir hoch kriechen.
Aus diesem Grund gehe ich nach unten in die Küche der Familie Han und nehme mir ein Glas Wasser. Dieses leere ich in einem Zug, ehe ich erneut tief durch atme und so versuche nicht gleich zu kotzen. Das habe ich vorhin im Club ja wahrlich genug.
Ich hätte Jisung nicht wieder alleine raus schicken und somit alleine durch den Club gehen lassen sollen. Wäre er einfach bei mir geblieben, wäre das mit diesem Fremden vielleicht gar nicht erst passiert.
Sauer auf mich selbst, wische ich mir einmal übers Gesicht, ehe ich mich von der Theke, an der ich gelehnt habe, abstoße und die Treppen wieder nach oben gehe, um nach meinem Freund zu sehen. Wie eine Kugel zusammengekauert liegt der Jüngere auf seinem Bett, konnte sich nicht einmal mehr richtig zudecken.
„Warum deckst du dich nicht zu, Baby?" frage ich, als ich die Decke greife und sie über ihn legen will, doch panisch schüttelt mein Freund seinen Kopf, setzt sich blitzschnell im Bett auf und rutscht bis an die Wand. Dort zieht er seine Beine so nah wie möglich an seinen Körper und stützt seinen Kopf auf jene, während sich schon wieder Tränen in seinen Augen sammeln.
Augenblicklich setze ich mich neben meinen Kindheitsfreund und lege zaghaft meine Arme um seinen zitternden Körper, woraufhin der Jüngere sich fest an mich krallt, seinen Kopf in meine Brust vergräbt und in diese schluchzt. Ich kann nicht mehr machen, als meinen Freund einfach an mich zu drücken und für ihn da zu sein.
Es macht mich fertig, die Person, die ich mehr als alles andere auf der Welt liebe, so zu sehen.
Dieser Moment und allgemein seine Reaktionen erinnern mich gerade so sehr an seine erste Panikattacke von damals, die ich noch immer genau vor Augen habe, auch wenn das jetzt schon um die zehn Jahre her ist. Dieses Bild konnte ich dennoch nicht einfach so vergessen. Wie meine und Jisung's Eltern gesagt haben, habe ich scheinbar schon Beschützerinstinkte für Jisung entwickelt, als er noch in der Wiege lag und bis heute scheint sich nichts daran geändert zu haben. Genau so wie damals, schmerzt es mich auch heute noch, meinen besten Freund und nun auch große Liebe so zerbrochen zu sehen.
Doch was ist der Grund für sein Verhalten?
„Was...Was ist los, Sungie?" traue ich mich zögernd zu fragen, als ich spüre, dass er sich einigermaßen beruhigt, seinen Kopf jedoch weiterhin in meiner Brust vergraben hat. „Ich...Ich h-habe e-einen Rü-Rückf-fall..." stottert mein Freund, als er sich noch fester an mich drückt und in mein Oberteil krallt.
„Einen Rückfall?" frage ich leise, während ich dem Jüngeren durch seine Haare streiche, was ihn schon damals immer beruhigt hat. „Einen...Einen R-Rückfall bei...bei m-meiner T-Therapie. I-Ich...M-Meine S-Soziale Phobie...Sie...Sie greift wieder so stark wie...wie vor der T-Therapie." brabbelt der Blauhaarige, weshalb ich meine Augen weite und den Jüngeren noch etwas näher an mich ziehe, ehe ich ihm einen sanften Kuss auf seinen Haarschopf hauche.
„B-Bitte bleib bei mir, Minho." wimmert mein Freund in meine Brust, als er sich verzweifelt noch mehr an mich drückt. „Ich bleibe bei dir. Versprochen. Aber du solltest eine Beruhigungstablette nehmen, damit du die Nacht auch zur Ruhe kommen und schlafen kannst." entgegne ich, was mein Freund nur schwach abnickt. „Ich hol dir schnell eine. Ich bin sofort wieder da, okay?" Wieder nickt der Jüngere schwach, ehe ich ihm noch einen Kuss auf seine Stirn hauche und dann nach unten in die Küche gehe, um meinem Freund ein Glas Wasser zu holen.
Ich war zwar noch nicht oft in dem neuen Haus meines Kindheitsfreundes, aber dennoch glaube ich zu wissen, wo sich seine Beruhigungstabletten befinden und zu meinem Glück sind sie auch genau da, wo ich es erahnt habe. Mitsamt des Glas Wassers und den Tabletten gehe ich also wieder die Treppen nach oben zum Zimmer meines Freundes. Noch immer sitzt der Jüngere nah an der Wand, mit seinen Beinen eng an seinen Körper gezogen.
„Hier, Baby." sage ich, als ich Jisung das Glas und die Tabletten entgegen halte. Mit zitternden Händen nimmt mir mein Freund erst die Tabletten ab, um sich zwei auf seine Hand zu machen, ehe er sie in seinen Mund nimmt und dann das Glas in seinen zitternden Händen hält, um sie runter schlucken zu können. Als er dies getan hat, gibt er mir das Glas wieder, sodass ich dieses auf seinen Nachttisch stellen kann. Augenblicklich schlingt Jisung seine Arme wieder um seine Beine und hat seine Augen geschlossen, um so versuchen zu können, seine Atmung ein wenig zu beruhigen.
Ich presse kurz meine Lippen aufeinander, ehe ich mich wieder neben meinen Freund setze und zaghaft meine Arme um ihn schlinge. Direkt lehnt sich der Jüngere gegen mich. „Versuch ein wenig zu schlafen, Sungie. Das brauchst du jetzt."
Ich spüre, wie mein Freund ganz sachte nickt und sich währenddessen tatsächlich etwas beruhigt.
„Danke, Minho." haucht der Jüngere leise, als er sich noch etwas näher an mich drückt, auch wenn das schon fast nicht mehr möglich ist.
„Hast...Hast du dem Typen eigentlich eine rein gehauen?" fragt mich der Jüngere leise, was ich nur abnicke. Direkt entfernt sich Jisung von mir und nimmt panisch meine Hand in seine, um sich meine noch immer pochenden Knöchel anzusehen, die ein wenig bluten.
Ich sollte echt mehr trainieren, damit meine Fingerknöchel nicht gleich so schnell nachgeben.
„Minho, das muss sofort verbunden werden." spricht mein Freund, als er es sieht und will schon aufstehen, als ich ihn jedoch davon abhalte. „Nein, Jisung. Es tut auch gar nicht weh." schwindle ich den Jüngeren an. Ich will nur, dass es ihm gut geht und dafür muss er schlafen. Sobald er schläft, verbinde ich mir das schon selbst.
„Lüg mich nicht an, Minho." spricht Jisung leise, ehe er sich aus meinem Griff, mit dem ich ihn vom Aufstehen abgehalten habe, löst und aufsteht. Er steht auf wackligen Beinen und muss sich an der Wand und an seinen Möbeln auf dem Weg aus seinem Zimmer abstützen. Ich will gerade schon aufstehen und ihn zurück zum Bett bugsieren, als Jisung mir einen Blick zuwirft, der keine Widerrede duldet und dabei sagt: „Bleib hier."
So tue ich, was mir mein Freund befohlen hat und warte auf seinem Bett auf seine Rückkehr. Nach kurzer Zeit kommt Jisung mit einem Erste-Hilfe-Kasten jedoch noch immer auf schwachen Beinen zurück und setzt sich mir gegenüber. Er öffnet den Kasten und atmet tief durch, vermutlich um sein Zittern unter Kontrolle zu bekommen. Dann holt er alles nötige aus dem Erste-Hilfe-Kasten, ehe er erneut tief durchatmet und mir seine linke Hand entgegen hält.
„Gib mir deine Hand, Minho." Wie befohlen reiche ich meinem Freund meine Hand, sodass er sie desinfizieren kann. Anschließend macht er noch einen kleinen Verband um meine Fingergelenke. „Ich habe noch Sehyun's Kleiderschrank geplündert, damit du Schlafsachen hast. Sie liegen auf seinem Bett." spricht mein Freund, während er den Erste-Hilfe-Kasten wieder wegräumen will. Ich nicke seine Worte jedenfalls ab, ehe ich mich in Sehyun's Zimmer begebe und mir die Sachen von seinem Bett nehme, in die ich auch sogleich schlüpfe. Anschließend gehe ich zurück in Jisung's Zimmer, wo mein Freund bereits im Bett liegt.
Ich lege mich direkt zu ihm, woraufhin sich mein Freund augenblicklich an mich kuschelt.
„Danke für alles, Minho." haucht Jisung, als er sein Gesicht in meine Halsbeuge vergraben hat. Ich drücke ihm einen Kuss auf seinen Haarschopf, ehe ich meinen Kopf selbst leicht gegen seinen lehne. „Ich danke dir, Sungie. Ich liebe dich."
Eine Antwort erhalte ich nicht mehr, weshalb ich kurz in das Gesicht des Jüngeren schaue und dabei feststelle, dass er bereits eingeschlafen ist. Bei diesem Anblick muss ich augenblicklich breit lächeln und hauche meinem süßen Eichhörnchen noch einen Kuss auf die Stirn, ehe ich ihn wieder an mich drücke, seinen betörenden Eigenduft in mich einnehme und meine Augen schließe, sodass ich nach kurzer Zeit selbst in einen tiefen Schlaf drifte.
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