Minho:

Ich bin am Samstag nicht zur Party gegangen, auch wenn ich gewollt habe. Ich hätte es einfach nicht riskieren können. Ich werde ihnen hoffentlich alles erklären können, wenn ich volljährig und nicht mehr von meinen Eltern abhängig bin.

Wie jeden Tag, wenn Schule ist, sitze ich hier im Wohnzimmer vorm Fenster und warte, bis Jisung vorbei läuft, damit ich ihm mit genug Abstand folgen und ihn beobachten kann. So auch heute. Ich warte, bis er vorbei geht und folge nur kurz darauf.

Das sind die einzigen Momente mit ihm, die mir noch geblieben sind. Die Momente, in denen ich ihn einfach nur beobachten und seine Stimme hören kann, auch wenn sie nicht mir gilt, sondern den anderen Jungs.

„Na, auch noch komplett fertig von Samstag?" fragt Hyunjin Jisung grinsend, als er ihm und Jeongin wie immer an der Kreuzung begegnet. „Oh Ja. Aber immerhin mussten wir dieses Jahr nicht kotzen." lacht er müde.

Auch ich muss lachen, da ich dadurch wieder an die Geburtstagsparty der drei vom letzten Jahr denken muss.

Felix' Wohnung tut mir noch immer leid. So viel Kotze wie die letztes Jahr sehen musste, hat sie zuvor wahrscheinlich noch nie. Von allen vorherigen Mietern zusammen mit eingeschlossen.

„Wir nicht, aber Seungmin schon." lacht Jeongin jedenfalls ebenso müde, nach Jisung's Worten. „Seungmin?" fragt dieser. „Ja, der hat beim Beer-Pong wohl die wirklich harten Sachen erwischt und dementsprechend ging es ihm dann auch. Er hat kurz bevor wir zum Mittagessen sind in einen seiner Büsche gekotzt." „Achso! Deshalb hat er uns alle also davon fern halten wollen!" entgegnet Jisung amüsiert auf Jeongin's Erklärung. „Genau." sagt Hyunjin ebenfalls amüsiert, woraufhin die drei in Gelächter ausbrechen und auch ich mitmachen muss, da diese Vorstellung einfach zu witzig ist.

Da hat unser Seungminnie also gekotzt.

Naja, was heißt UNSER? Ich bin kein Teil mehr davon.

„Was ist denn so lustig?" reißt Seungmin mich aus meinen Gedanken, als die drei noch immer lachend bei den anderen beim Schultor ankommen. „Nichts, nichts." schüttelt Jeongin lachend den Kopf, weshalb Changbin, Felix und Seungmin Hyunjin, Jeongin und Jisung skeptisch ansehen. „Und jetzt die Wahrheit." sagt Seungmin. „Also ich denke, dass du es am wenigsten hören willst, Minnie." lacht Hyunjin und wuschelt durch die Haare des Zweitjüngsten. „Jetzt will ich es erst recht wissen." entgegnet Seungmin und richtet währenddessen seine Haare.

„Na gut, wenn du unbedingt willst. Es ist lustig, dass du gestern in einen deiner Büsche gekotzt und uns dann alle mit Mühe und Not von diesem fern gehalten hast." lacht Jeongin, woraufhin auch alle anderen, mich eingeschlossen, einsteigen und Seungmin einfach nur seine Augen weitet. „Das...Das hast du gesehen?" fragt er stotternd. „Wir beide." sagt Hyunjin grinsend und weist auf sich und seinen Freund.

„Und da exposed ihr mich einfach?" fragt er aufgebracht und schnipst Jeongin und Hyunjin gegen deren Stirnen. „Hey!" beschweren sich die Beiden und schnipsen zeitgleich zurück, sodass Seungmin nun zwei rote Stellen an seiner Stirn hat. „Warum machen wir das eigentlich immer?" fragt dieser, als er sich seine nun wohl ziemlich stark schmerzende Stirn reibt.

Ja, gute Frage. Das 'Gegen-Die-Stirn-Schnipsen' hat sich irgendwie in 'unsere' Clique eingebürgert, obwohl es mehr schmerzt, als man glaubt.

„Du hast angefangen!" verteidigen sich jedenfalls HyunIn, die sich ebenfalls ihre Stirnen reiben. „Ja, aber nur weil ihr mich exposed habt!" verteidigt sich auch wieder Seungmin, während die anderen drei einfach nur in Lachen ausbrechen, ehe das Schulklingeln sie unterbricht und sie sich deshalb eher widerwillig zu ihren Klassenräumen bewegen, was ich ihnen gleich tue.

In meinem Klassenraum angekommen, lasse ich mich schließlich neben Yeji auf den Platz sinken. Seitdem ich nicht mehr mit Changbin und den anderen Jungs spreche, haben Yeji und ich Plätze getauscht.

„Es ist mal wieder Zeit für eine Gruppenarbeit." verkündet unser Lehrer plötzlich, nachdem er uns nur ein bisschen was erzählt hat.

Warum macht Herr Kim eigentlich in letzter Zeit gefühlt nur noch Gruppenarbeiten?

So teilt er die Gruppen ein und wie mittlerweile üblich, bin ich mit Changbin und Yeji in einer Gruppe.

„Darf ich bitte mal auf die Toilette?" meldet sich Yeji, als wir uns alle drei nun an den Tisch von Yeji und mir gesetzt haben. „Ja, gehen Sie ruhig, Miss Hwang." winkt unser Lehrer ab, woraufhin sie nun also aufsteht und die Toiletten ansteuert.

Was eine Verräterin...Jetzt lässt die mich tatsächlich mit Changbin alleine?

Da ich mich wirklich noch immer so gut wie möglich weigere, mit Changbin zu sprechen, arbeite ich alleine weiter, werde jedoch aus meinem Tun gerissen, als Changbin frustriert seufzt.

„Aish, Minho. So kann das nicht weiter gehen." sagt er. „Was meinst du?" tue ich auf unwissend. „Dein Ernst jetzt? Wie...Ach egal. Auch wenn ich nicht verstehe, dass du nichts mehr mit uns zu tun haben willst und es dir ehrlich gesagt noch immer übel nehme, dass du genau das Jisung so ohne triftigen Grund an den Kopf geworfen hast, so sollten wir wenigstens als Klassenkameraden miteinander reden und umgehen können. Meinst du nicht? Wir wissen, dass du nichts mehr mit uns als Freunde zu tun haben willst, aber wir beide sind dennoch in einer Klasse, also sollten wir wenigstens miteinander reden können. Also sag mir bitte, was du von Aufgabe zwei hältst und was du für einen Lösungsvorschlag hast. Denn das ist der Sinn von Gruppenarbeiten."

So gebe ich mich geschlagen und rede mit ihm über die Arbeit und zugegeben tut das unglaublich gut.

Kurz vor Ende der zweiten Stunde, fährt plötzlich ein Krankenwagen auf den Schulhof, sodass ein Getuschel in der Klasse entsteht. „Jetzt regt euch mal wieder ab und kümmert euch wieder um eure Aufgaben. Es ist bestimmt nur jemand vom Sportunterricht und nichts schwerwiegendes." sagt unser Lehrer genervt, woraufhin wir uns tatsächlich wieder unseren Aufgaben widmen, bis es zur Pause klingelt.

So verbringe ich wie immer, seit ich nicht mehr mit den Jungs befreundet bin, meinen Tag bei Yeji, die diese Pause ausnahmsweise mal nur mit mir und ohne ihre Freundinnen verbringen will.

Ich habe nichts dagegen, da ich Yeji wirklich mag und auch gerne Zeit mit ihr verbringe, aber noch immer empfinde ich nicht mehr für sie, als Freundschaft. Noch immer fühlt sich mein Herz nur zu Jisung hingezogen.

Jedenfalls reden Yeji und ich viel, bis nun auch die erste Pause zu Ende ist und somit die letzten beiden Stunden für uns anfangen, da heute alle, aufgrund einer Lehrerkonferenz, nach der vierten Schluss haben.

Jedoch wirkt Changbin plötzlich mehr als nur unruhig. Ständig schaut er auf die Uhr und wippt ungeduldig mit seinen Beinen, während ich sehen kann, dass seine Augen etwas glasig sind.

Und genau dieser Punkt macht mich unglaublich stutzig.

Als es zum Ende klingelt, stürmt Changbin auch schon direkt aus dem Klassenraum, was mich nur noch mehr verwirrt. Sonst ist er doch eigentlich immer der Letzte, der geht. Deshalb bin ich heute ausnahmsweise auch mal schneller, damit ich sehen kann, was er macht und vielleicht auch herausfinden kann, was mit ihm los ist.

Nervös wartet Changbin vor dem Klassenraum von Seungmin, Jeongin, Hyunjin, Felix und Jisung.

„Aish, was hat das denn so lange gedauert?!" fragt Changbin, als Hyunjin, Seungmin und Jeongin aus dem Raum kommen. „Der Arsch hat überzogen." sagt Hyunjin, als sich die vier auf den Weg nach draußen machen.

Wollen die denn nicht auf Jisung und Felix warten?

Verwirrt folge ich den vieren weiter.

„Jetzt beeilt euch mal. Appa steht schon draußen und wartet auf uns." sagt Changbin, als er seine Schritte beschleunigt, was die Anderen drei ihm gleich tun und ich deshalb auch.

Seit wann wird er denn abgeholt?

Doch tatsächlich. Vor dem Schultor steht Changbin's Vater.

„Danke, dass du uns noch beim Krankenhaus absetzt, Appa." sagt Changbin, als er sich, ebenso wie Hyunjin, Jeongin und Seungmin ins Auto setzt.

Krankenhaus?
Warum Krankenhaus?

„Kein Problem. Es ist euch schließlich wichtig." entgegnet Changbin's Vater noch, ehe er auch schon los fährt und ich irritiert zurück bleibe. „Hey, wo bist du so schnell hingegangen?" fragt Yeji, als sie mich eingeholt hat. „Ich hab mich nur gefragt...Ach egal. Lass uns nachhause." winke ich einfach ab und so laufen wir nun auch nachhause.

Dort angekommen erwartet mich auch schon die nächste Überraschung.

Ein Polizeiwagen, der mit Blaulicht vor meinem Haus steht.
Mein Vater, der genau in dem Moment und in Handschellen herausgeführt wird, als ich mich dem Haus nähere.

„Was ist hier los?" frage ich meine Mutter, die nun auch mit Tränen in den Augen und einer Menge blauen Flecken, die zuvor noch nicht da waren, aus der Haustür tritt. „Was ist mit dir passiert?" frage ich sie weiter, als ich die ganzen blauen Flecken wahrnehme.

„Lass uns drinnen reden, Minho." sagt sie, als sie mich in das Haus zieht und die Tür hinter uns schließt, während die Polizisten mit meinem Vater im Auto wieder abfahren.

„Ich hatte nun handfeste Beweise dafür, dass dein Vater ein Krimineller ist und habe ihn damit zur Rede gestellt. Ich habe ihm gesagt, dass er sich selbst stellen soll. Wenn nicht, würde ich ihn anzeigen. Daraufhin ist er ausgerastet und hat mich geschlagen. Ich habe mich schließlich im Badezimmer eingeschlossen und über mein Handy die Polizei gerufen."

Als sie zu Ende gesprochen hat, ist sie schließlich in Tränen ausgebrochen, weshalb ich sie direkt in meine Arme geschlossen habe.

„Aber nun ist es vorbei. Also ist deine nächste Amtshandlung, mit Jisung und den anderen zu sprechen."
„Ich warte lieber noch den Prozess ab. Nicht dass er vielleicht doch wegen mangelnder Beweise freigesprochen wird oder Bewährung bekommt."
„Ich bezweifle, dass das passieren wird. Alleine schon wegen häuslicher Gewalt wird er sitzen müssen." lächelt meine Mutter schwach.
„Lass uns deine Wunden erstmal anschauen und versorgen." entgegne ich und so machen wir dies auch.

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