8. Alter Schmerz
"Everyone thinks of changing the world, but no one thinks of changing himself." - Leo Tolstoy
Reed
Ich hatte die Nacht mehr damit verbracht, Grace zu beobachten, als selbst viel Schlaf zu kriegen. So war es fast jede Nacht, seit ich sie wieder bei mir hatte. Mittlerweile brauchte ich auch gar nicht mehr viel davon, so dass es mir nicht viel ausmachte. Ich nutzte meine Zeit lieber damit, die 125 Jahre ohne sie nachzuholen. Ich war zu dankbar für sie, für diese zweite Chance.
Ich war gegen Morgengrauen dennoch kurz eingeschlafen und wachte glücklich mit Grace auf mir drauf liegend auf. Seelenruhig missbrauchte sie mich als Matratze und Teddy zugleich und es gab nichts Schöneres auf dieser Welt. Ich konnte es nicht verhindern, ihr über ihr wildes Haar zu streichen und sie seufzte im Schlaf zufrieden, presste ihr Gesicht nur noch fester gegen meine Brust.
Womit hatte ich solch ein Glück verdient? Gar nicht und das war auch der Grund, weswegen das hier nichts weiter als ein kurzer Moment war. Das hier bedeutete nichts. Es sollte zumindest nichts bedeuten.
Als sie eine gute halbe Stunde später aufwachte, nahm ich zufrieden wahr, dass es ohne Albtraum geschehen war, dass sie zwar kurz verschlafen aber ansonsten so klar wirkte wie noch nie, seit sie wieder sie selbst war.
„Oh", sagte sie überrascht, als sie realisierte, wie nahe wir uns waren und sofort verfärbten ihre Wangen sich rot. Herrlich.
„Tut mir leid." Sie wollte von mir herunter, doch ich hielt sie umso fester.
„Ist schon gut", versicherte ich ihr und kurz wirkte sie unsicher, ehe sie nachgab, ihren Kopf wieder senkte und meinem Herz beim Schlagen lauschen konnte. Es schlug nur für sie. Wusste sie das?
„Ich glaube, ich will mit dir über das, was geschehen ist, reden."
Was geschehen ist? Was genau meinte sie? Es gab da zu viel und sofort wurde ich unruhig. Ah, hier war auch schon der Moment, wo alles wieder zerbrach. Vermutlich schlief ich deswegen so wenig. Wenn Grace nämlich schlief und sich an mich klammerte, als ob sie mich brauchen würde, da war kurz alles so wie immer. Da war es so wie einst und ich liebte es mich selbst in diesem Glauben leben zu lassen, dass für einen Moment alles gut war. Wenn der Tag anbrach, wurde mir nur immer verdeutlicht, dass nichts in Ordnung war.
So wie jetzt.
„Die Dunklen Tage", erklärte sie sich genauer. „Ich will mit dir über die Dunklen Tage reden."
Mein Herz setzte einen Schlag aus, was sie hören musste, da sie zu mir aufsah.
„Alles, was du willst", sagte ich leise, auch wenn ich vor Panik regelrecht ergriffen war. Sie wollte über die schlimmste Zeit reden, über meine Fehler, über meine Taten. Natürlich wollte sie das, sie verdiente jede Antwort, die sie sich ersehnte, doch zu wissen, dass sie mir vielleicht nie wirklich verzeihen wird, sich von mir abwendet, wenn ihr erst bewusstwird, was für ein schrecklicher Mensch ich gewesen bin, es zerstörte mich.
„Ich will einfach nur verstehen dürfen", sagte sie, versuchte sich zu rechtfertigen, was sie nun wirklich nicht musste.
„Ich verstehe es, voll und ganz. Ist es ok, wenn meine Brüder bei diesem Gespräch dabei sind?"
Fragend sah sie mich an, nickte dann jedoch, ohne mein Motiv dahinter zu hinterfragen.
Ich wusste nicht, ob es gut wäre, die zwei dabei zu haben, aber sie könnten aushelfen, wenn ich von der Wahrheit zu überwältigt war, sie konnten ihre Sicht erklären, vielleicht würde es helfen. Na gut, wem machte ich was vor? Es würde nicht helfen, sie würde mich verachten und hatte jedes Recht dazu. Ich hoffte wohl immer noch, sie wenigstens kurz halten zu dürfen und so legte ich meine Arme um sie, versuchte mir den Moment einzuprägen. Niemals wollte ich vergessen, wie perfekt sie war, wie gut es sich anfühlte, wenn sie auf mir lag, wie sie roch, wie weich ihr Haar war, wie blau ihre Augen. Für einen kleinen Moment war sie bei mir und es war in Ordnung. Es würde nie reichen, aber es war mehr als ich verdiente.
Wir fuhren für das Gespräch zu Kellins Anwesen. Es wäre besser dort als in der Lagerhalle. Es war warm genug draußen, dass wir uns im Garten versammelten, wo Kellin einen Tisch decken ließ, so dass wir während des vermutlich langen Gesprächs mit Essen und Trinken – darunter viel Alkohol – versorgt wären.
Schweren Herzens hatte er sich von Malia getrennt, die nun innen bei Kate war, und etwas nervös saß ich gegenüber von Grace, wusste nicht, wo ich anfangen sollte, wie ich anfangen sollte.
„Woran erinnerst du dich alles?", fragte Hayden schließlich und Grace riss ihren Blick von mir los, um zu ihm zu schauen.
„An sehr viel Dunkelheit... viele Tote... viele Verschwundene. Ich erinnere mich an einsame Stunden im Haus und wie du da warst." Sie lächelte ihn an und mein Herz schmerzte.
Ich hatte sie allein gelassen.
So oft.
Zu oft.
„Sind sie wirklich alle fort?" Mit Tränen in den Augen sah sie uns alle nacheinander an und ich nickte. „Von damals gibt es noch uns, Reyna und Ramon, der Rest ist fort."
Eine Träne kullerte über ihr Gesicht und ich wünschte, ich könnte die vielen Toten wieder auferwecken, ich wünschte, ich wäre der verdammte Gott der Toten, doch das war ich nicht.
Sie waren fort und niemand würde mehr etwas daran ändern können.
„Und du hast mit den Toden nichts zu tun?" Sie sah zu mir, leichte Panik spiegelte sich in ihren Augen. Sie wusste eben, dass sie mir das nie verzeihen könnte.
„Nein. Mit keinem Tod von jemanden, der dir wichtig war zumindest."
So viel Ehre hatte ich noch aufbringen können. Ich hätte ihr nie derart wehtun können.
„Also sind alle fort... Daya, James, Kol... ich habe ihn doch gesehen." Verzweifelt sah sie auf ihren Schoß hinab, schien Sinn dahinter finden zu wollen.
„Er war nur ein Schatten, an den dein wahres Ich sich erinnern wollte. Kol starb vor langer Zeit."
Ungern wollte ich sie daran erinnern, wo ich damals doch alles gegeben hatte, dass sie über dieses traumatische Ereignis hinwegkommt, doch sie musste sich erinnern, was real war.
„Er hat sich so real angefühlt", murmelte sie und schüttelte leicht den Kopf, sah wieder auf.
„Was ist geschehen? Damals... wieso? Wieso mussten sie alle sterben? Wieso hast du mir den Rücken gekehrt?"
„Weil ich glaubte, dich so beschützen zu können." Ich lachte verbittert auf, weil die Ironie fürchterlich war. „Ich wollte dich vor all der Dunkelheit schützen, die dich gesucht hat, ich wollte stark genug sein, Rowan von dir fernzuhalten. Ich bin ehrlich zu dir, es gibt Dinge, die ich dir immer noch nicht sagen kann, aber ich hatte immer nur versucht, dir zu helfen. Ich wollte verhindern, dass das, was damals geschehen ist, als du in seine Hände geraten bist, sich je wiederholt. Ich wollte dir eine sichere Welt ermöglichen, eine glückliche Welt... nur auf dem Weg dahin habe ich mich selbst verloren und alles ruiniert."
„Ja, du hast eindeutig was vermasselt", schnaubte Hayden und ich sah ihn finster an. „Ich meine ja nur."
„Du hast andere getötet." Es war keine Frage von ihrer Seite.
„Ja."
„Viele Menschen."
„Ja."
„Du hast auch andere schreckliche Dinge getan." Wieder eine Feststellung. Sie wusste das alles längst. Sie hatte immer gewusst, wer ich war, zu was ich in der Lage war.
„Viele."
„Und bereust du es?" Eine schwere Frage. Ich wollte ehrlich sein. Ich musste ehrlich sein, auch wenn es ihr nicht gefallen würde.
„Nein", sagte ich deswegen. „Ich habe Fehler begangen und von denen bereue ich einige, aber ich habe die meisten schlimmen Dinge getan, um diejenigen zu beschützen, die mir wichtig waren. Ich würde es deswegen wieder so machen. Ich würde schreckliche Dinge begehen, um das, was mir wichtig ist, zu beschützen."
Sie war überrascht von meinen Worten. Natürlich hieß sie diese nicht gut, aber sie wirkte weniger angewidert, als ich es befürchtet hatte. Sie schien eher nachdenklich zu sein.
„Damals", begann Grace und sah lieber auf ihre Hände als zu einem von uns, „als ich glaubte zu ertrinken..." Mein Herz schmerzte von dieser grauenvollen Erinnerung. „...ich habe nach dir geschrien... du hast mich aber nicht gehört."
„Ich habe dich gehört", versicherte ich ihr sofort und sie sah zu mir. „Sofort! Ich bin gerannt und gerannt und du... ich habe versucht dich zu retten, ich habe alles getan, aber..."
„Du warst wirklich da?" Sie klang erstaunt, als ob sie es nicht gedacht hätte.
„Natürlich. Ich wollte anschließend mit zu deinem Vater, doch man ließ mich nicht zu dir und dann erfuhr ich, die Heiler wären fort, also glaubte ich, dir ginge es besser, aber..."
Sie wirkte nachdenklich, zog ihre Stirn kraus und schien sich stark den Kopf über etwas zu zerbrechen.
„Ich erinnere mich daran, dass ich aufgewacht bin", sagte sie und ich sah sie überrascht an.
„Wann?", fragte Kellin nun deutlich interessiert.
„In meinem alten Kinderzimmer. Ich war verwirrt und erschöpft und spürte meinen Körper nicht mehr, aber... meine Mutter war da... Helena." Tränen funkelten in ihren Augen und ich spürte, wie ich mich anspannte. Wollte ich hören, was sie zu sagen hatte? Wollte ich es wirklich wissen? Ich hatte immer angenommen, das Wasser, der Sauerstoffmangel hätten sie umgebracht, doch sie war wieder aufgewacht. Sie war tatsächlich aufgewacht. Ich hatte es mir nicht eingebildet, dass ihre Augen ganz kurz offen waren. All die Jahre hatte ich geglaubt, nur das gesehen zu haben, was ich sehen wollte, aber... aber sie war aufgewacht.
„Sie hat sinnloses Zeug geredet und dann... dann hat sie... das Kissen..." Sie konnte nicht mehr sagen, brach schluchzend in Tränen aus und mir war jeder Abstand zu viel. Ich eilte um den Tisch herum zu ihr, kniete mich vor ihren Stuhl und sie fiel mir in die Arme, presste ihr Gesicht an meine Schulter und weinte hemmungslos.
„Es tut mir leid." Es tut mir leid, dass ich nicht da war, dass ich sie nicht beschützen konnte, dass sie das durchmachen musste. All die Zeit hatte ich gedacht, dass sie in dieser Wanne starb, dass es die Ursache war, ich zu langsamen gewesen bin. Dabei war sie aufgewacht, dabei hätte alles gut werden können, wäre Helena Aasen nicht gewesen. Sie hat alles ruiniert. Sie hat ihre eigene Tochter erstickt.
Nur wieso?
Wieso hatte sie das getan?
„Ich hatte solche Angst", schluchzte sie und ich drückte sie nur noch fester, küsste ihre Haar, weinte mittlerweile selbst, weil nur der Gedanke an damals mich zerriss.
„Ich werde dich nie wieder allein lassen. Nie wieder."
Kellin sah mitleidig zu uns herab, Hayden selbst weinte still und wirkte fassungslos von dem, was Grace erzählt hatte. Es hatte keiner von uns gewusst. Diese Frau würde dafür bezahlen. Ich würde sie hierfür bezahlen lassen!
„Wie soll ich dir vertrauen?" Sie sah mich an und ich wünschte, ich könnte ihr sagen, dass ich immer ehrlich sein würde, nur konnte ich das nicht.
„Ich würde nie etwas tun, das dir schadet."
„Das hat du damals gesagt und dich nicht daran gehalten."
Autsch.
„Was mein Bruder ganz inkompetent zu sagen versucht, ist, dass es vieles gibt, was nicht gesagt werden kann, aber dass er dich nicht hintergehen würde, niemals", half Kellin mir aus und dankend sah ich kurz zu ihm.
„Was ist danach geschehen?", fragte Grace und da sie mich nicht losließ, richtete ich mich auf, setzte mich auf ihren Stuhl und zog sie dabei auf meinen Schoß. Sie schien überrascht von der Nähe, beschwerte sich jedoch nicht, sah mich eher abwartend an.
„Nachdem du... fort warst?"
Sie nickte.
„Rowan verlor stark an Kraft. Er war nicht so geschwächt wie einst, aber weil du fort warst und damit ein Teil seiner Macht, endete der Krieg. Ich kehrte allen den Rücken und war keine Bedrohung mehr, alles war gut. Zumindest für den Rest der Wächter. Für mich war nichts mehr gut. Ich wollte nicht mehr an das denken, was ich erbaut und erkämpft hatte. Ohne dich war mir alles so sinnlos erschienen. Ich hatte mit dir das einzige verloren, wofür es sich scheinbar zu kämpfen gelohnt hatte, aber... ich ließ mich von meinem Hass blenden. Ich wollte Rache. Rache an Rowan, Rache an jeden, der Schuld daran haben könnte, dass alles so enden musste. Den Rest der Geschichte kennst du ja schon." Ich hatte ihr zumindest alles im Groben erzählt, an dem Abend, wo sie die Wahrheit erfahren hatte.
„Und Rowan hat sich seine Macht zurückerkämpft", schlussfolgerte Grace und sah dabei zu Kellin, der grimmig nickte.
„Er ist ein Seelensammler. Er hat nie viel davon gehalten, sich von Seelen zu nähren, die nicht mächtig waren wie deine oder besonders die von Malia, aber um nicht alles an Macht zu verlieren, das er sich zu den Dunklen Tagen so hart zurückerkämpft hatte, hatte er sich dazu herabwürdigen lassen. Dann, gute hundert Jahre nach den Dunklen Tagen, wurde er auf Malia zufällig aufmerksam. Wie du ja von unserem netten Besuch bei deiner Mutter erfahren hast, hat er durch sie herausgefunden, nach wen er suchen muss und vor allem wann er nach ihr suchen muss. Malia hatte bei ihrer ersten Begegnung keine Ahnung, wer er war oder was er war. Sie war sehr jung, gerade 15 und in einer Phase ihres Lebens, wo sie sich von jedem allein gelassen fühlte. Er wusste genau, wie er sie in seine Arme lockt, wie er ihre Seele versklavt und durch sie wurde er so stark, wie seit hunderten von Jahren nicht mehr."
„Aber sie konnte ihm entkommen", sagte Grace.
„Es war schwer, aber ja. Sie konnte entkommen. Nur damit er sie wirklich in Frieden lässt, mussten wir ihn glauben lassen, sie wäre tot, sie wäre fort. Er hätte sie sonst anderenfalls gejagt. Also planten wir diese ganze Fake Entführung, ließen es schon vorher aussehen, als ob ich besessen von ihr wäre..."
„Ja klar, das war nur gespielt", schnaubte Hayden leise und grinste dabei.
„Wir versteckten uns also für 15 Jahre in anderen Zeiten, aber wir behielten auch immer wieder dich im Auge. Wir hatten dafür gesorgt, dass deine Seele nach deinem Tod in unsere Zeit befördert wurde, und wir wollten sichergehen, dass du sicher warst, dass niemand wie Rowan auf dich aufmerksam wird oder mein verehrter Bruder, der dich sicher spüren würde."
„Was er auch hat", sagte ich nun, immerhin hatte ich sie gleich als Kind bemerkt, die Veränderung bemerkt, auch wenn ich lange nicht begriffen hatte, was es damit auf sich hatte.
„Wir glaubten vor 15 Jahren, dass Reed böse war. Seine Taten während der Dunklen Tage, was er alles getan hatte, um Macht zu gewinnen, es ließ uns vermuten, dass er vom Weg abgekommen sei, dass er dich auch nur wegen deiner Macht haben wollte. Wir wollten dich vor ihm beschützen, aber als Reed uns dann aufgesucht hatte und erklärte, was er damals wirklich getan hatte, es änderte alles. Wir realisierten, dass er nie die Bedrohung war, und von da an arbeiteten wir zusammen, um auf dich aufzupassen. Mittlerweile hattest du einfach zu viel Dunkelheit angelockt und dein Geist war in Gefahr, wenn jemand wie Rowan dir einfach die Wahrheit erzählt hätte."
„Ok", sagte Grace, die offenbar alles verarbeiten musste, sehr nachdenklich auf meinem Schoß wirkte und es nicht störte, dass ich mit einer ihrer Locken spielte, um mich selbst etwas zu beruhigen. Über all das zu reden, war nicht gerade einfach.
„Jetzt bleibt nur noch die Frage, wieso? Wieso ich? Wieso Malia? Was genau ist an uns beiden so besonders, dass überhaupt jemand uns haben will oder schaden will?"
Ich tauschte einen Blick mit Kellin, der ganz leicht den Kopf schüttelte. Die letzte große Wahrheit. Selbst Hayden wirkte nun äußerst interessiert. Er hatte selbst keine Ahnung. Das war etwas, das nur sehr wenige wussten. Nicht einmal Malia hat eine volle Ahnung darüber.
„Ihr werdet es nicht sagen", stellte Hayden fest, der unsere Gesichtsausdrücke bemerkt hatte. „Wieso?"
„Weil es etwas ist, das man selbst herausfinden muss. Etwas, das man selbst begreifen muss. Es ist ähnlich wie mit dem Bann, der auf Grace lag. Manche Dinge können einen sehr zerrütten, wenn man sie falsch erfährt", erklärte ich.
„Im Grunde weißt du die Antwort längst, Grace", sagte Kellin nun. „Rowan hat es dir gezeigt, als er..."
„Als er mich kaputt gemacht hat", beendete sie den Satz, sprach leise und hatte die Augenbrauen konzentriert zusammengezogen, als ob sie versuchte sich zu erinnern. Sie sollte sich nicht erinnern. Sie sollte nicht daran denken, was er ihr angetan hatte.
„Es ist gerade auch egal. Wir sollten Stück für Stück alles aufarbeiten. Das hier war schon sehr viel auf einmal, findest du nicht?"
Sie nickte und seufzte anschließend leise.
„Ich weiß nicht, was ich denken soll", sagte sie schließlich, als ich nicht mehr wusste, was ich sagen sollte.
„Du kannst darüber nachdenken. Du kannst dir so viel Zeit lassen, wie du willst alles zu verarbeiten, es ist immerhin sehr viel."
„Das werde ich."
Die Stimmung war gedrückt. Grace einen Großteil von damals erklärt zu haben, mit ihr über das, was geschehen ist, zu reden, es hatte einiges verändert und das in kurzer Zeit. Nach dem Gespräch war sie im Garten geblieben, wo sie auf der Wiese saß und Blumen wachsen ließ. Malia war rausgekommen und hatte sich zu Kellin gesetzt, und Hayden war nach innen verschwunden. Ich beobachtete Grace und schob es auf, das nächste Gespräch mit ihr zu führen. Es musste nur sein. Mir ist klargeworden, dass ich enorm viel Druck auf sie aufbaute, dass wir beide viel Druck gegenseitig auf uns aufbauten. Dieser Kuss gestern war himmlisch gewesen. Ich glaubte einen Teil von mir an sie verloren zu haben, kaum hatte ich ihre Lippen gespürt, ihren Körper unter mir gefühlt, gemerkt, dass sie mich wollte. Aber ihr Blick... da war diese Verwirrung gewesen, all diese Fragen und ich konnte ihr keine Antworten geben. Das mit uns brauchte Zeit. Wir beide mussten mit dieser neuen Situation zurechtkommen, sie musste so viel verstehen und aufarbeiten und da sollte die Frage zu dem Stand unserer Beziehung nicht im Weg stehen.
Ich musste ihre also diese Last wenigstens nehmen.
Ich straffte meine Schultern und schritt auf sie zu. Sie merkte, dass ich kam, sah zu mir auf und erhob sich langsam.
Sie sah aus wie die Göttin des Frühlings.
Sie war die Göttin des Frühlings.
„Ich habe nachgedacht, viel nachgedacht. Wegen der Geschichte heute, wegen dem Kuss gestern", begann ich und sah, wie sie verlegen den Blick senkte, kaum erwähnte ich den Kuss. Ich tat eindeutig das richtige, wenn sie so reagierte. „Ich kann nicht mit dir zusammen sein."
Sofort riss sie den Kopf hoch, sah mich aus geweiteten Augen verletzt an.
„Was?" Ihre Stimme war so brüchig, so verletzlich, das sich mich sofort erklärte, es nicht ertrug, sie so zu sehen.
„Ich will mit dir zusammen sein, so sehr und ich hoffe du weißt, dass ich dich mit jeder Faser meines Körpers liebe und begehre, aber... du brauchst Abstand. Ich weiß, ich helfe dir und ich werde dir immer helfen, aber ich erdrücke dich. Unbewusst erdrücke ich dich mit meiner Nähe und du solltest atmen können, frei denken. Ich will damit also sagen, dass egal was das mit uns auch ist, es ist gerade nicht wichtig. Es hat Zeit. Es hat so verdammt viel Zeit, denn gerade sollten wir schauen, dass wir beide mit dieser neuen Realität zurechtkommen." Meine Worte verletzten sie immer noch. Ich sah ihr an, dass es sie schwer traf, aber auch, dass sie mich verstand, dass sie wusste, dass es die einzig richtige Entscheidung war.
„Also sind wir Freunde?", fragte sie mich und ich lächelte, ergriff ihre beiden Hände und drückte sie sanft.
„Wenn es das ist, was du willst."
„Ich würde mich freuen, wenn wir Freunde sind", sagte sie und lächelte. Das Lächeln erreichte nicht ganz ihre Augen, aber ich würde alles dafür geben, dass es das bald wieder würde.
„Ich...", begann sie und keuchte plötzlich erschrocken auf, sank auf die Knie, als ob sie Schmerzen durchleiden würde.
„Grace", sagte ich, als ich es selbst merkte und ich war nicht allein. Auch Kellin und Malia keuchten beide auf, als sie den Schmerz spürten, der sich anfühlte, als ob man von innen heraus einen gegen den Kopf verpasst kriegen würde, als ob die Welt sich drehen würde und alles für einen Moment seltsam dumpf werden würde, ehe es genauso plötzlich wieder verschwand, wie es gekommen war.
„Was zum...", begann ich ganz durcheinander und hatte nicht einmal bemerkt, dass ich zu Boden gegangen war.
„Was war das?", fragte Grace mich ehrfürchtig, aber ich hatte keine Ahnung, zumindest so lange, bis mein Handy klingelte und ich sah, dass Acyn mich anrief.
„Die gute oder die schlechte Nachricht zuerst?", fragte er mich, kaum nahm ich den Anruf entgegen, und ich schluckte schwer von seinen Worten.
„Sag einfach, was du zu sagen hast, Acyn."
„Die gute Nachricht ist, wir wissen, wo wir Rowan finden werden. Wir haben endlich eine Spur."
„Und die schlechte Nachricht?" Ich sah zu Grace, als ich ihren Bruder das fragte. Sie sah zum Himmel hinauf, der sich schlagartig verdunkelt hatte, und wo nun helle Blitze aufleuchteten, und ein dröhnender Donner die Erde halb zum Beben brachte.
Ich ahnte, was Acyn sagen wollte.
„Rowan hat einen Weg gefunden, die Wege zu den anderen Welten zu öffnen. Alle Wege sind offen."
Ja, das waren wahrlich schlechte Aussichten.
Wörter: 3427
Aloha :) Ein paar weitere Wahrheiten zu damals. Ich hoffe, es hat euch gefallen. Was denkt ihr, was das letzte große Geheimnis ist? Mal sehen, was für ein Ärger dank Rowan kommt. Ich würde gern über damals, was 1895 war, detaillierter schreiben, aber ganz ehrlich, es ist zu viel geschehen. Das alles ist viel zu kompliziert, um es hier als Wiedergabe zu berichten. Das alles verdient eigentlich ein eigenes Buch xD Sonntag geht es weiter xx
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