23. Der Fall der Götter

"I think you and I have known each other a few lifetimes." – Marie Howe

„Du und ich, wir waren einst vor langer Zeit Götter, ehe wir gefallen sind."

Ich hatte es geahnt. Ein Teil von mir hatte es vermutlich schon geahnt, noch ehe ich überhaupt wusste, dass ich Grace war. Da war immer dieses Echo gewesen, dieser Hall der Vergangenheit. Zuerst hatte ich es auf die ganze Sache mit dem Bann geschoben, aber selbst ohne ihn war da immer etwas gewesen, das ich nie ganz begreifen konnte. Bis jetzt.

Jetzt wusste ich es. Jetzt hatte ich meine Antwort.

Es war trotzdem erschreckend.

Es war einfach so absurd und unheimlich und verwirrend. Was bedeutet es denn? Wir waren einst Götter und nun waren wir Menschen. Wir waren sterblich. Weil wir gefallen sind.

„Ich verstehe nicht, wie das möglich ist", sagte ich und sah Reed an, erhoffte mir von ihm alle Antworten, auch wenn sein Blick deutlich aussagte, dass er sie selbst nicht hatte. „Wer waren wir? Wieso sind wir nun hier? Wieso erinnere ich mich nicht?"
„Keiner erinnert sich. Einige haben genauso wie wir beide jetzt auch herausfinden können, wer sie waren, aber die Erinnerungen... sie sind fort und ich weiß ehrlich nicht, ob es einen Weg gibt, sie je zurückzubekommen. Ich erinnere mich auch nicht und ich denke du weißt, wer wir waren." Er lächelte mich sanft an und ich dachte an alles, was ich in der Vergangenheit erlebt hatte.

Der Tempel, in dem ich ohnmächtig wurde, den Gott, den ich beim Ritual sah.

Ich wusste es. Ich hatte es tief in mir immer gewusst.

„Du bist Loki."

Sein Lächeln wurde nur noch breiter, als ich es aussprach, als ich seinen wahren Namen aussprach. Es war ein Lächeln, das er der Welt so selten zeigte, aber das so viel bedeutete, das mich berührte.

„Ich war einst Loki"; bestätigte er mit einer solchen Gewissheit, dass ich ihm glaubte. Das war sein voller Ernst.
„Und ich... wer war dann ich?" Ich war kein Genie in Sachen Mythologie. Ich wusste nicht viel über Loki oder mit wem er zusammen war. Ich wusste im Grunde nichts über ihn, außer dass er ein Unruhestifter war, aber kleine Stimme in meinem Kopf wusste es sehr wohl. Da war die Antwort in mir, die nur darauf gewartet hatte, erhört zu werden.

Ich dachte an ein Gemälde zurück, das ich vor vielen Monaten im Dorf sah und das mich regelrecht gebannt hatte. Ich dachte an andere merkwürdige Begegnungen zurück und der Name war klar in meinem Kopf. Mein Name, er war ganz klar.

„Marcy... ist das eine Göttin? Marcy?"

Reed strahlte übers ganze Gesicht und küsste meine Stirn. Tränen funkelten in seinen Augen, so glücklich war er, dass ich es selbst herausgefunden hatte.

„Es gab einst eine Göttin Marcy. Die Göttin der Kinder und der Liebe, auch wenn in den wenigsten Geschichtsbüchern über sie geschrieben wurde. Sie wurde wie unsere Erinnerungen und Leben ausgelöscht."

„Wieso? Ich verstehe nicht... wieso ist das alles geschehen?" Egal wie zwanghaft ich auch versuchte irgendeine Erinnerung heraufzubeschwören, da war nichts. Es war nicht wie bei der Angelegenheit um Grace und Alice, wo die Wahrheit reichte, um alte Erinnerungen zurückzubringen. Da war nur Leere.

„Ich kann dir nur das erzählen, was ich weiß", begann Reed und setzte sich vor meine Schaukel auf den Boden. „Schon als ich ein Kind war, hatte ich eine Ahnung darüber, wer ich eigentlich war. Ich war von der nordischen Mythologie fasziniert, regelrecht besessen gewesen. Hayden hat mich dafür stark gehänselt, denn während er und seine kleinen Freunde sich mit Holzschwertern die Köpfe einschlagen wollten, blieb ich lieber in der Bibliothek und las Bücher."
Ich lächelte, denn ich erinnerte mich zu gut daran, dass Reed schon immer anders als Kind gewesen war. Viel ruhiger, viel gebildeter als andere Kinder seines Alters.

„Ich habe es nie verstanden. Ich habe immer geglaubt, da müsste mehr sein. Es war wie eine Schnur, die an mir zog und mich irgendwohin führen wollte. Als ich dann dich kennen lernte, war es das erste Mal in meinem Leben so, als ob alles Sinn macht, aber wirklich verstanden habe ich das alles erst, als ich Kol kennen lernte."
„Kol?" Ich blinzelte verwundert, dass mein alter Freund ihm die Antworten erbracht hatte. Die beiden hatten sich immerhin nicht ausstehen können. Ich hatte nicht einmal gewusst, dass die zwei je in irgendeiner Weise etwas miteinander zu tun gehabt hatten, wenn ich nicht dabei war. Aber vielleicht hätte es mir klar sein müssen. Immerhin hatte er auch mit Kol zusammen gegen Rowan gearbeitet.

„Er... er erinnerte sich. Er ist die einzige Person, die sich an ganze Details erinnern konnte. Er wusste so viel mehr über dieses vergangene Leben als andere. Er wusste noch genau, wer er einst war, wer wir anderen alle waren, und er half mir dabei Antworten zu finden."
„Also war Kol auch ein Gott?", fragte ich ehrfürchtig und Reed nickte mit einem verbitterten Lächeln. „Er war einst ein Gott und dann wurde er in eine menschliche Hülle gesteckt und starb... er wird nie wieder zurück nach Hause können, so wie viele andere vor ihm auch. Von dem Tod gibt es kein Zurück mehr. Er hatte immer nur nach Hause gewollt und... jetzt wird er nie dorthin zurückfinden."

Mein Herz schmerzte. Es war, als würde sich eine Faust um es schließen und zudrücken. So fühlte es sich jedes Mal an, wenn es um Kols Tod ging. Es war, als ob mit ihm ein Stück von mir gestorben wäre. Ich wollte gar nicht daran denken, es fühlte sich jetzt schon an, als ob ich gleich weinen müsste und dann würden die Erinnerungen an seinen Tod mich ertränken. Das wollte ich nicht.

„Wer ist denn noch... ist jeder hier ein Gott?", fragte ich ehrfürchtig nach. Es war absurd. Meine Freunde, meine Familie, wer von ihnen war noch anders?

„Nicht jeder. Nur wenige von den richtigen Wächtern sind einst Götter gewesen. In unserem Vertrautenkreis befinden sich wohl etwas mehr als es normal ist, aber es liegt daran, dass wir Gefallenen uns gegenseitig anziehen. Wir spüren einfach, dass andere so sind wie wir, selbst wenn wir es noch gar nicht ganz begreifen können."
„Wer noch? Wer von unseren Freunden?"

„Hayden, Sam, Kellin, Malia sowieso. Arnold und Palina und... Daisy auch."
„Natürlich Daisy", murmelte ich. So besessen wie Hades von ihr war, ergab es Sinn. Sie war die Verkörperung eines reinen Frühlings gewesen, so wie die Göttin Persephone, die in der griechischen Mythologie mit Hades verbunden war. Wie hatte ich das nicht früher begreifen können? Hades hat selbst gesagt, sie wäre eine Göttin, nur hatte ich nicht gedacht, dass er es so wörtlich meinen würde. Ob er ihr geholfen hat sich zu erinnern?

„Es sind viele Religionen, es sind viele Götter. Manche haben eine Ahnung davon, wer sie sind, viele nicht. Viele sind schon gestorben, ohne sich je zu erinnern und vielleicht ist es besser ahnungslos zu bleiben", sagte Reed. „Ich habe mir oft gewünscht mich ganz zu erinnern, aber... ist es nicht besser, wenn die Erinnerungen wegbleiben? Es muss schrecklich sein sich an ein Leben und an einen Ort zu erinnern und niemals in der Lage sein, dorthin zurückzugehen, das zu haben, was man verloren hat."

„Also erinnerst du dich an gar nichts?", fragte ich ihn leise und er lächelte bitter.

„Nein. Es gibt ein paar Sachen, die mich glauben lassen, es könnten Fetzen von Erinnerungen sein. Wenn ich manchmal schlafen gehe, kann ich das Klirren von Schwertern hören wie bei einem Kampf, dann rieche ich Stahl und Eisen und Leder. Ich kann manchmal eine Blumenwiese sehen, die nicht von dieser Welt sein kann, und zwei Kinder spielen auf ihr, ein Junge und ein Mädchen, aber ich erreiche sie nie. Ich habe oft versucht zu ihnen zu gelangen, aber sie engleiten mir jedes Mal."
„Ich habe die Kinder und die Wiese auch gesehen", sagte ich, konnte nicht glauben, dass er das auch gesehen hat. Ich hatte immer angenommen, es wäre irgendeine Halluzination, aber... ich hatte die Wiese gesehen, den weißen Palast und diese Frau... das war ich. Ich hatte mich gesehen, ich hatte mich erinnert, ohne es zu begreifen.

„An mehr werden wir uns vielleicht nie erinnern. Zu wissen und zu akzeptieren, wer man einst war, ist der erste große Schritt. Ich habe mir immer gewünscht, dass du dich erinnerst. Ich habe so lange mit Kol und jeder anderen Quelle der Macht versucht einen Weg zu finden, das alles geradezubiegen."
„Das ist es, was du immer getan hast", sagte ich und begriff endlich. „Damals... du hast Macht gesucht, weil du uns nach Hause bringen wolltest."
„Ich wusste, dass wir zu mehr bestimmt waren und ich wusste, dass es Gefahren auf dieser Welt gab, die uns schaden wollten, die besonders dir schaden wollten. Wären wir wieder Götter, wären wir so viel sicherer, glücklicher, aber mir wurde klar, wie gefährlich es war sich an etwas zu erinnern, bevor man dazu bereit war. Ich habe es dir immer sagen wollen und Kol hatte mich davor gewarnt. Erst als Rowan dir das angetan hatte, verstand ich, was für Konsequenzen solche Wahrheiten mit sich bringen können."

„Er hat es mir gezeigt", murmelte ich. „Er hat mich erinnern lassen und es hat mich zerbrochen... Wieso erinnere ich mich dann immer noch nicht wirklich? Wieso war ich so lange ahnungslos?"
„Rowan hat dich gefoltert. Er hat dir nur die schlimmen Momente deines alten Lebens gezeigt, er hat dich mit Ängsten gefüttert und du hast versucht dich zu beschützen. Dein Kopf hat das einzige gemacht, was er konnte, um dich vor all den Qualen zu retten, er hat alle Erinnerungen daran genommen und tief in dir weggesperrt, wobei der Fluch, der auf uns Gefallenen lastet, es vereinfacht hat. Wir Götter sollen vergessen und dass dein Kopf es so dringend wollte, war perfekt. Also hast du vergessen, aber der Schmerz, die Wunden, all das ist geblieben, nur dass dein Kopf noch viel weniger verstand, was es bedeutet, da so viel Information plötzlich fehlte." Und deswegen habe ich den Verstand verloren. Deswegen war ich nun zerbrochen. Ich war wie ein Puzzle, das sich fast vervollständigt hätte, aber weil das Bild so schrecklich gewesen ist, zersprang ich erneut und nun würde ich nie wieder ganz werden.



Reed und ich waren in das Haus seiner Eltern gegangen, als die Sonne drohte unterzugehen. Seine Familie war nicht da, so dass wir es uns ungestört in seinem Zimmer gemütlich machen konnten, wo ich auf seinem Bett saß, als er ein Tablett mit Tee und Keksen ins Zimmer trug.

„Mit dem Speisenaufzug ging das damals wesentlich leichter. Ich habe die Hälfte längst verschüttet."
„Das Ding wurde immer noch nicht repariert?", fragte ich amüsiert und nahm mir eine warme Tasse zur Hand.

„Seit Hayden meinte noch immer klein genug zu sein damit fahren zu können und er abgestürzt ist, nein."
„Das ist so lange her", sagte ich und dachte an die Vergangenheit. Es war so merkwürdig endlich zu verstehen. Ich hatte mich immer gefragt, warum Reed all die Dinge getan hatte, wieso er so besessen von Macht und Dunklen Mächten gewesen ist. Nun verstand ich es. Er hatte uns nur nach Hause bringen wollen. Aber war dieses göttliche Leben das, was ich wollte? Ich erinnerte mich immerhin nicht daran, aber wäre ich bereit irgendwas von meinem Leben hier dafür aufzugeben? Ich hatte so viel verloren und so viel wieder zurückbekommen. Ich hatte genug Abschiede und Wiedersehen gehabt. Es war auslaugend. Eigentlich hatte ich genug davon. Konnten wir nicht einfach nur nach vorne blicken?

„Was willst du machen?", fragte ich ihn deswegen, als er sich neben mich setzte und seinen eigenen Tee ergriff. „Wegen dieser Gottgeschichte. Du arbeitest seit über hundert Jahren an einen Weg zurück, wie läuft das?"
„Schwierig. Sehr schwierig. Kol war immer meine größte Hilfe, da er sich an so viel mehr erinnerte als irgendwer sonst. Er hat mir viel sagen können. Ich habe gehofft in seinen Aufzeichnungen mehr zu finden, aber es ist nicht leicht alles zu verstehen."
„Wusste er denn, wieso wir gefallen sind?"

Er sah mich unglücklich an, verzog leicht das Gesicht und mir wurde ganz anders von dem Blick, von der Antwort in diesem.

„Wegen mir? Es ist meine Schuld gewesen?"
„Nicht direkt. Das, was ich herausgefunden habe, sagt nur, dass an dich der Fluch gebunden ist, der die Götter zum Fallen brachte. Deswegen sind meine Leute auch sehr daran interessiert, auf dich aufzupassen. Wir ahnen, dass man dich in irgendeiner Weise braucht, um das wieder zu richten. Wir haben einige Zutaten zumindest von der Theorie her aufdecken können, die nützlich sein könnten für solch eine Prozedur. Man braucht dich, den verlorenen Tempel, da dort so ziemlich jedes Ritual möglich ist, dann den Dolch, den wir nicht mehr besitzen, da seine Macht nützlich sein könnte, und noch einen mächtigen Smaragd aus dem Reich der Unterwelt. Solche Steine sind nur leider sehr, sehr selten. Ich habe Jahrzehnte gesucht und nie auch nur einen Hinweis auf solch einen Stein finden können. Angeblich haben welche von ihnen göttliche Macht in sich gespeichert, was laut Kol enorm wichtig ist, aber so einen Stein zu finden und dann noch den richtigen, ist etwas schwierig."

Tempel, Dolche, Steine. Mir schwirrte etwas der Kopf. Das waren alles noch irgendwie logische Zutaten.

„Aber wieso ich? Was genau hat es mit mir auf sich, dass absolut jeder irgendwas von mir will? Hel meinte, ich hätte ihre Macht gestohlen. Meine eigene leibliche Mutter will meine Macht haben, und nun bin ich auch noch für den Fall der Götter verantwortlich?" Was genau war in meinem Leben als Marcy so schiefgelaufen, dass ich für ein derartiges Drama verantwortlich sein konnte. Wenn das alles stimmt, dann hatte ich unzählige Leben auf dem Gewissen, dann hatte ich so viele von uns verdammt.
„Ich weiß es leider nicht. Ohne Erinnerungen ist es schwer alles zu verstehen und unsere Geschichtsbücher sind in der Hinsicht nicht mehr richtig. Der Fall der Götter wird als solches nie richtig beschrieben. Von Ragnarök wird gern geschrieben, was den Untergang der Götter erklärt, aber ungefähr zeitgleich mit dem Fall der Götter wurde unsere Welt von allen göttlichen Welten abgetrennt. Es gibt keine Möglichkeiten mit ihnen zu kommunizieren."

„Nein, es gab keine", korrigierte ich ihn, „aber Rowan hat dafür gesorgt, dass diese Wege wieder offen sind."

„Es ist trotzdem nicht so leicht einen Weg zu finden mit anderen Welten zu kommunizieren, aber wir versuchen schon einen zu finden. Keiner von uns hat je so einen Kontakt aufgesucht. Wir Menschen waren auch nie diejenigen, die einfach in irgendeine göttliche Welt spazieren konnten, es würde den sicheren Tod für uns bedeuten. Götter suchen uns auf, das heißt, solange die Götter nicht wissen, dass die Wege offen sind, werden sie auch nicht kommen. Aber wir arbeiten irgendwie daran. Vorher kannst du versuchen alte Aufzeichnungen der Karimi Familie zu lesen, sie werden dir noch mehr Antworten geben können. Wenn du Mr Spencer danach fragst, wird er sie dir sicher zur Verfügung stellen."
„Die Karimi Familie?", fragte ich und ließ mir von Reed einen Keks reichen. Die Karimis waren einer der fünf Herrscherfamilien der Wächter. Ich kannte niemanden von ihnen. Iran und Nasrin waren entfernte Verwandte der Linie gewesen, aber echte Karimis lebten gar nicht mehr in London. Wieso sollten sie also mehr oder bessere Aufzeichnungen besitzen?
„Die Karimis waren früher einmal einer der einflussreichsten Familien hier in London und wir waren bei unserem netten Besuch im Jahr 995 auf dem Ball eines Karimis, wo wir auf uns selbst trafen."

Meine Augen wurden groß. Ich hatte diese schräge Begegnung beinahe vergessen. Wir hatten uns gesehen. Ich hatte mich selbst gesehen und mich erkannt, ich hatte es gespürt. Ich war gegen mich gelaufen und es war die skurrilste Begegnung überhaupt gewesen.

„Ich wusste da gab es etwas Vertrautes", murmelte ich. „Dein früheres Ich hat mir ein Messer an den Hals gedrückt." Vorwerfend sah ich ihn an und Reed lachte auf, küsste mich auf die Wange.

„Verzeih mir, Herzblatt. Ich war eine furchtbare Person." Mein Lächeln verschwand augenblicklich von seinen Worten und wie bedauernd er wirkte.

„Du warst sicher nie eine furchtbare Person."
„Kennst du die Geschichten von Loki? Er war die Schande der Götter, er war ein Störenfried, ein Monster." Er war aufgebracht, angewidert von dem, was er war. Ich nahm seine Hand in meine und drückte sie besänftigend.

„Ich war offenbar so schlimm, dass mein Name aus den Geschichtsbüchern gelöscht werden musste. Wie viele Götter waren schon perfekt oder gut? Geschichten können falsch sein. Ich glaube nicht, dass du eine furchtbare Person warst. Wir waren immerhin zusammen, also muss an dir sehr viel Liebenswertes gewesen sein, sonst hätte ich mein Herz nicht an dich verloren. Egal in welchem Leben."

„Du warst gewiss keine schlimme Person", versicherte Reed mir und aß mir meinen Keks weg. „Kol hat mir versichert, dass du großartig warst. So wie er über dich geschwärmt hat, wollte ich ihm manchmal alle Zähne ausschlagen."
„Er war mir wohl schon als Gott wichtig, nicht wahr?", fragte ich vorsichtig. Ich sprach so ungern über Kol, aber es war schön zu wissen, dass wir immer dazu bestimmt waren, Freunde zu sein. Er hatte mich gefunden, so wie Reed mich gefunden hatte. Man konnte uns von unseren Leben trennen, aber unsere Seelen fanden immer zueinander.

„Ihr wart im Blut verbunden. Er hat mal versucht es mir zu erklären, aber offenbar ist das irgendein seltsamer nordischer Brauch gewesen, der zwei Krieger aneinanderbindet."
„Also Göttin der Kinder der Liebe und eine wahre Kriegerin. Ich war ja unglaublich", kicherte ich, es klang so absurd, dass ich eine Kriegerin sein soll, dass ich eine Göttin war.

„Du bist immer eine Kriegerin, vielleicht keine sonderlich gute, aber du bist eine Kämpferin, daran habe ich nie gezweifelt." Er sah mich liebevoll an und ich wünschte so sehr mich erinnern zu können, aber selbst wenn ich es nie würde, so war es schön zu wissen, dass Reed und ich verbunden waren. Es war egal was auch passiert, wir würden uns immer finden, uns immer ineinander verlieben.



Reed und ich verbrachten die halbe Nacht damit, über die Götter zu reden. Es war nach wie vor so schräg zu wissen, dass wir einst ein Leben hatten, das uns geraubt wurde und woran ich in irgendeiner Weise Schuld trug. Leider gab es keine Aufzeichnungen, die genau sagten, was einst geschehen war und wie genau man es umdrehen könnte, dafür gab es zum einen keine Garantie und zum anderen fehlten Zutaten. Der Tempel war die eine Sache, immerhin besaß ich die Karte, die dorthin führte. Der Dolch war nur außer Reichweite und was für ein grüner Stein das war, wusste ich nicht. Nur ich war da und es war gruselig, dass ich erneut Teil von irgendeinem Ritual sein müsste.

Genau deswegen war das keine Priorität. Es war nichts, das wir wirklich versuchen oder angehen wollten. Reed suchte schon seit Ewigkeiten nicht mehr aktiv nach einer Lösung. Er war immer fasziniert davon Antworten zu finden, aber er war nicht mehr so besessen wie einst von der Aussicht auf Göttlichkeit und ich war froh darum. Ich wollte nicht zu diesem alten Leben zurück. Es war vorbei, es war nicht mehr von Bedeutung und ich wollte mich nicht an noch mehr erinnern, noch verwirrter sein, selbst wenn die Sehnsucht da war.


Als ich für paar Stunden schlief, erinnerte ich mich ein bisschen an das, was ich von Rowans Folter verdrängt hatte. Ich wurde im Traum von Schatten und Monstern in einem düsteren Wald gejagt. Ich sah einen Mann an seinem eigenen Blut ersticken, Gift verätzte meine Hände, als ich in einer scheinbar verlassenen Höhle stand und nach jemanden suchte. Es waren nur schreckliche Bilder, die mich heimsuchten und die mir nicht wirklich irgendwas über dieses frühere Leben erzählten. Ich wachte so nur schreiend und hysterisch auf und Reed blieb mit mir bis zum Morgengrauen wach und beruhigte mich, bis es wieder erträglich wurde.


Am nächsten Tag suchte ich in normalen Büchern nach Antworten, aber Reed hatte recht, dass über eine Marcy in keinem wirklich was erwähnt wurde und wenn ja, waren es eher banale Fakten. Ich würde Mr Spencer dringend nach den Karimi Aufzeichnungen fragen müssen, aber ehe ich dazu Zeit hatte, wurden wir mit einer anderen Neuigkeit abgelenkt.


„Ihr habt wen gefangen genommen?", fragte ich Acyn und Riley, als ich diese in Kellins Anwesen antraf.

„Victoire Bardeaux, die Verrückte, die bei dem Massenausbruch in Griechenland freikam und die für ihre seltsamen Opfergaben an die Götter bekannt wurde", sagte Acyn.

„Es war echt schwer, aber wir sind die besten der besten. Sie hatte keine Chance", sagte Riley zufrieden.

„Und nun hoffen wir, dass sie uns helfen kann, Nasrin von dem Dämon zu befreien, der in ihr steckt."
„Glaubt ihr denn, dass sie das schafft?", fragte Reed zweifelnd. Bisher hatte nichts helfen können, um Nasrin wieder zurückzubringen. Seit wir sie beim Ritual mitnehmen konnten, war sie besessen. Ihre Familie drehte schon ganz durch, Reyna terrorisierte Reed mit Nachrichten, aber wir ließen niemanden zu ihr. Es war zu riskant und wir wussten nicht, wem man wirklich trauen konnte, außerdem sollte ihre Familie sie nicht so sehen. Sie hatten mit Irans Tod schon genug durchgemacht, das war kein Anblick, den sie sich antun wollten.

„Sie hat ein beeindruckendes Wissen zu Göttern, der Unterwelt, Ritualen. Wenn jemand helfen kann, dann sie", sagte Acyn schulterzuckend. „Sie ist zumindest derzeit unsere letzte Hoffnung. Ich habe noch nie einen derart hartnäckigen Dämon gesehen, aber es dauert wohl noch etwas, bis wir Victoire dazu bringen, etwas kooperativer zu werden."

„Wenn sie erst redet, kann sie sicher auch für andere Angelegenheiten nützlich werden", sagte Hayden und ich sah ihn deutlich aufmerksamer an als zuvor. Ich sah jeden Wächter aufmerksamer an. Reed meinte, dass die meisten von ihnen auch Götter waren. Nur wer waren sie? Reed meinte, Sam und Hayden zumindest würden nichts davon wissen und es war immer ein Risiko jemanden von seinem früheren Ich zu erzählen. Woher Reed überhaupt wusste, dass sein Bruder ein Gott war, wusste ich nicht. Es gab immer noch so viel, worüber wir reden mussten, aber eins nach dem anderen.

Erst war es wichtig, Hel zu stoppen und ich war mir sicher, dass wir auf dem Weg dahin so einiges noch verstehen würden.

„Ich hätte weitere gute Nachrichten zu überbringen", sagte in dem Moment Arnold, der glücklich lächelnd eintrat. „Rowan ist bereit zu reden."


Wörter: 3644

Aloha :) Ein paar weitere Antworten. Es ist noch nicht alles geklärt, aber ich denke, fürs erste ist es ein Anfang. An alle, die das hier schon länger geahnt haben, ihr könnt richtig stolz auf euch sein, vielleicht erratet ihr die restlichen Antworten ja auch noch, wer weiß wer weiß xx


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