36. Heilung

"I always felt like I saw things differently. Saw things other people didn't." — Lois Lowry

Meine Welt zerbrach. Ich konnte nicht mehr klar denken, nicht mehr atmen, nicht mehr existieren. Da war so viel Blut. Da war so viel von Reeds Blut. Der ganze Schnee um ihn herum leuchtete in einer schrecklich roten Farbe und für mich ergab nichts länger Sinn. Weder was das für ein Ding gewesen ist, noch woher der Reiter herkam, der mir nun von der Nähe doch ziemlich bekannt vorkam. Er arbeitete für Rowan. Wie kam er hierher? Hatte Rowan ihn hergeschickt? Ich war maßlos verwirrt, doch die Verwirrtheit hielt nicht lange. Ich war so vor Sorge erdrückt, dass ich nur an Reed denken konnte und wie dieser halb am Verbluten war.

„Ich habe die Tücher geholt", sagte ich und reichte sie dem Reiter, der mich zu seinem gigantischen Pferd gescheucht hatte, um diese zu holen. Ich ergriff sofort Reeds Hand und sah zu, wie der Reiter ihm das Oberteil zerriss und die Tücher anfing, auf die tiefen Kratzer zu drücken, sie abzubinden.

„Das sieht nicht gut aus. Er braucht Hilfe! Gibt es hier Heiler? Irgendwer muss was tun", sagte ich hysterisch und spürte, wie Tränen über meine Wangen kullerten. Reed war so blass geworden und seine Hand hing schlaff in meiner. Ihn so zu sehen zerstörte mich. Es erinnerte mich daran, wie er damals fast wegen Rowan gestorben wäre. War es das, worum es hier ging?
„Bitte rette ihn! Ich gebe dir alles. Meine Seele, du kannst sie haben, es ist mir egal. Bitte, bitte rette ihn einfach."
„Psht!", sagte er streng. „Sag so etwas niemals an diesem Ort! Hast du den Verstand verloren! Jeder hier würde deine Seele wollen, damit ist nicht zu scherzen."

„Er darf nicht sterben", schluchzte ich und kam mir so hilflos vor. Ich wusste nicht, wie ich ihn retten könnte.

„Wird er nicht. Ich bringe euch zur Höhle. Ihr müsst zurück, dann kannst du ihn mit deinen Kräften retten."

„Meine Kräfte..." Natürlich. Als Wächter und Seelenpartner konnten wir uns gegenseitig Kraft geben. Hier funktionierte das nicht aber wären wir erst zurück...

„Na los, geh zum Pferd!" Ich erhob mich und sah zu, wie der Fremde Reed hochhob. Hastig eilten wir zum Pferd, wo er Reed auf dieses hob und ich ihn festhielt, während der Reiter sich nun selbst aufs Pferd schwang.

„Schaffst du es hoch?"
„Kann das Pferd uns alle tragen?" Skeptisch sah ich das Tier an. Es war so viel größer als jedes normale Pferd, aber zwei schwere Männer und eine Frau erschien mir ziemlich viel Gewicht.

„Das ist die Unterwelt, Kleine. Das Pferd ist stark." Er reichte mir seine Hand und mühsam erkämpfte ich mir einen Weg hinter ihm auf das Tier und klammerte mich noch rechtzeitig an den Reiter fest, ehe er das Pferd antrieb.

„Wieso bist du hier und hilfst uns? Hat Rowan dich geschickt?", fragte ich, um mich etwas vor meiner Angst abzulenken.

„Rowan? Wie kommst du auf Rowan?", schnaubte er gekränkt.

„Du warst in seinem Haus. Und du warst in dem Wald vor seinem Haus. Du arbeitest doch für ihn." Ich hatte ihn beide Male nur in Rowans Gegenwart gesehen. Wieso sonst würde er sich dort aufhalten? Wieso sonst würde Rowan ihn auf seinem Grundstück tolerieren?
„Oh Kleine, lieber springe ich in den Abgrund der ewigen Verdammnis als Rowan zu dienen. Wenn ich könnte, würde ich ihm gerne das Herz aus der Brust reißen, dann weiß er, wie es sich anfühlt." Er lachte trocken und ich kapierte allmählich gar nichts mehr. Wenn er nicht für Rowan arbeitete, wie hatte er sich so unbemerkt in dessen Haus schleichen können? Wie konnte er dann nun hier sein?

Es war kurz irrelevant. Alles, was von Bedeutung war, war Reed zu retten. Dieses Pferd war verdammt schnell. Mit Leichtigkeit kamen wir bei der Höhle an, wo unsere Reise gestartet ist, und ich sprang sofort vom Pferd, wo der Reiter Reed sogleich in die Höhle trug.

„Konzentriere dich, du Trottel", fluchte er und gab Reed eine Ohrfeige, woraufhin dieser ganz benebelt die Augen öffnete.

„Kol... ich muss es ihr sagen...", nuschelte er dämmrig.

„Sag es ihr, wenn ihr zurück seid und nun geh! Du wirst anderenfalls sterben und die Kleine mit dir, also los!"

Reed verschwand vor meinen Augen, als ob er sich in Luft auflösen würde und ich wollte ihm folgen, aber dieser Reiter – Reed hatte ihn Kol genannt – stoppte mich.

„Bevor du gehst, solltest du wissen, dass Reed die Dinge, die er vor dir geheim hält, aus gutem Grund verborgen hält. Sei nicht zu sauer auf ihn, wenn er dir alles erzählt, versuch ihn einfach zu verstehen. Er mag ein unglaubliches Arschloch sein, aber ich habe ihn die letzten Jahrzehnte im Auge behalten und er hat wahrlich genug durchgemacht."

„Was?", fragte ich, aber wovon zur Hölle sprach er bitte? Was für Geheimnisse nun schon wieder? Woher wusste dieser wildfremde Mann über irgendwas Bescheid? Woher kannte er Reed? Wieso war er hier?
„Und noch etwas... ich bin da, falls du mich rufst. Ich bin vermutlich keine große Hilfe, wie du bereits festgestellt hast, aber wenn du mich wirklich brauchst, werde ich kommen. Ich werde immer kommen und immer da sein."
„So wie in Rowans Haus... oder davor im Wald."
„Genau", sagte er lächelnd.

„Aber du warst nicht immer da. Zuvor bist du nie da gewesen." Er hatte nur bei diesen beiden Malen reagiert, wenn ich panisch nach Hilfe geschrien hatte. Wie hatte er meine inneren Hilfeschreie überhaupt hören können? Wer verdammt war er?
„Du solltest gehen. Reed braucht dich." Er lächelte mich traurig an und ehe ich mich versah, hatte er mich in eine Umarmung gezogen. Etwas überrumpelt ließ ich das über mich ergehen, ehe er mich losließ und ich hastig in die Höhle eilte. Ich dachte dabei an mein zu Hause, dachte daran, einfach nur zu Reed zu wollen und so verschwand Kol vor meinen Augen und ich ging nach Hause. So wie alle es die ganze Zeit von mir verlangt hatten.

Ich kam taumelnd in meinem Zimmer zum Stehen und bekam gleich den Krach mit, der hier herrschte.

„Da bist du ja", rief Elin erleichtert aus und ich sah sofort zu Reed, der auf meinem Bett lag und von Kellin und Acyn ruhiggestellt wurde. Oder besser gesagt versuchten sie es. Er schrie vor Schmerzen geplagt das halbe Haus zusammen, wehrte sich gegen ihre Griffe, aber sie konnte seine Wunden nicht versorgen, wenn er so wild um sich schlug.

„Er braucht dich!", rief Kellin aus. „Los, gib ihm deine Kraft, sonst stirbt er uns gleich weg!"

Augenblicklich eilte ich zu meinem Bett, hinterfragte es nicht, dass Acyn hier war, ich sah nur mit großen Augen zu dem ganzen Blut, war wie erschüttert von den Schreien Reeds.

„Wie funktioniert das? Was muss ich machen?" Bisher hatte er seine Kraft immer mit mir geteilt. Ich hatte das noch nie getan.

„Berühre ihn, dein Körper wird es von allein schaffen. Du musst es nur wollen", sagte Kellin und ich legte meine Hände an Reeds Gesicht, wollte ihm helfen, wollte ihn heilen. Ich spürte fast sofort, wie mein Körper an Kraft verlor. Ich wurde müder, meine Muskeln schwächer und Reed wurde dafür ruhiger. Er hörte auf sich gegen die anderen zu wehren und ich schloss erleichtert die Augen, als die Blutungen stoppten.

„Funktioniert es?", fragte Elin panisch und ich öffnete die Augen wieder, sah, wie Reed schwer atmend zu mir aufsah. Auf seinem Gesicht hatte sich ein Schweißfilm gebildet und seine Augen wirkten noch grüner als je zuvor. Im Vergleich zu seiner unnatürlich erblassten Haut stachen sie richtig hervor.

„Alice... Alice...", sagte er sehnsüchtig meinen Namen und ehe ich mich versah, hatte er mich an sich gezogen. Er presste mich auf die Matratze, stützte sich über mich und küsste mich mit solch einer Wucht, dass mir sämtliche Luft aus den Lungen gepresst wurde. Ich war richtig perplex von der Kraft, die er trotz allem hatte, und dass er in dem Zustand ans Küssen denken konnte, aber ich hatte eventuelle vergessen, wie verrückt man nach seinem Partner wurde, wenn man erst die Kraft geteilt hatte. Ich hatte Reed damals zumindest an die Wäsche gehen wollen.

„Beruhige dich!", sagte Kellin, der ihn mit der Hilfe von Acyn von mir zog und hastig rutschte ich zum Kopfende des Bettes, rang nach Luft.

„Nein, ich brauche Alice. Ich brauche Alice!", schrie Reed und ich war entsetzt davon, wie sehr ihn das im Griff hatte.

„Komm schon, versuch zu schlafen, du musst dich beruhigen!", sagte Kellin streng, aber seine Worte drangen in keiner Weise zu Reed durch.

„Lasst ihn mehr zu mir. Es wird ihm helfen, wenn ich ihm nahe bin."
„Alice, er wird dir weh tun", sagte Acyn streng.

„Wird er nicht, er braucht mich nur bei sich", versicherte ich ihm und Kellin zog Reed mehr zu mir, so dass ich seinen Kopf auf meinen Schoß nehmen konnte.

„Psht, es wird alles gut. Ich bin da und ich verlasse dich nicht."

„Bitte... bitte, ich kann nicht... ich brauche dich, Alice. Geh nicht weg von mir. Verlass mich nicht wieder. Ich kann dich nicht wieder verlieren."

Mein Bruder und Kellin hielten Reed derweil weiter an seinen Armen und Schultern unten, während Elin versuchte, die Wunden etwas mehr zu versorgen, wo ihr Gott sei Dank Riley zur Hilfe kam.

„Verdammt, was ist denn hier los? Ich habe den anderen wegen dem Krach Bescheid gegeben, aber das ist ja richtig eskaliert."
„Weniger jammern und mehr Wunden versorgen", knurrte Kellin und ich streichelte derweil weiter beruhigend über Reeds verschwitztes Haar, der immer noch zusammenhangloses Zeug stammelte.

„Ich bin ja da, alles wird gut, du musst dich ausruhen, Reed."
„Alice... ich muss es dir sagen. Ich muss es dir sagen, Alice."
„Das hat auch später Zeit", murrte Kellin und ich sah es genauso. Egal was er mir auch sagen wollte, es konnte warten.

„Später. Versuch erst etwas Kraft zu tanken. Du brauchst das." Ich küsste seine Stirn und er lächelte selig, die Augen fielen ihm endlich zu und ich gab ihm noch etwas mehr Kraft, genug, dass er einschlief und ich mich mindestens genauso müde fühlte.

„Was ist geschehen?", fragte Elin, als die Wunde versorgt war und die Jungs Reed losließen. Er würde nicht so schnell aufwachen.

„Zu viel, aber um es kurz zu machen, das alles war ein Desaster." Ich erzählte ihnen also von unserer Trennung, wie ich vor Andreas Mutter flüchtete, was in diesem schrecklichen Wald geschehen war und wie der Reiter uns rettete. Keiner sagte etwas dazu. Meine Brüder, die offenbar kurz nachdem Reed und ich gegangen sind, ins Zimmer geplatzt waren, wirkten recht zornig, aber sie sagten nichts, hielten sich mit ihrer Meinung dazu zurück. Ich war froh darüber. Dass all das einfach nur sinnlos gewesen ist, wusste ich auch und sicher würde Reed es genauso sehen. Was zählte, war einfach nur, dass er aufwacht, dass er gesund war.



Die Nacht war anstrengend. Keiner wollte gehen, aus Angst, dass Reed beim Aufwachen Hilfe brauchen könnte oder nur wieder über mich herfallen möchte. So schlief ich sitzend auf meinem Bett, Reed halb auf meinem Schoß, Acyn und Kellin an jeweils einer Seite meines Bettes, wo sie in Reichweite waren Reed jederzeit zu packen. Lediglich Riley und Elin waren in ihre eigenen Zimmer gegangen.

Es war eine eher weniger erholsame Nacht. Wäre ich nicht so erschöpft gewesen, hätte ich vor Sorge um Reed kein Auge zubekommen, aber ich war erledigt und wachte auch nur zum Morgengrauen auf, weil Reed sich zu bewegen anfing.

„Alice?" Ich war sofort hellwach, als seine verschlafene Stimme zu mir durchdrang.

„Oh nein", stöhnte Acyn, der sich schon drauf und dran machen wollte, Reed notfalls von mir zu halten, aber das war nicht nötig.

„Wie geht es dir?"

„Dank dir umwerfend." Er küsste meine Handfläche und ich lächelte ihn erleichtert an.

„Heißt das, du wirst ihr nicht mehr die Kleidung vom Leib reißen?", fragte Kellin, der sich streckte.

„Nur wenn sie es will."

Ich musste lachen.

„Er kann Witze machen, dem geht es gut", brummte Acyn und erhob sich.

„Lasst ihn etwas ruhen. Ich kümmere mich schon um ihn", sagte ich an beide gerichtet und weil sie selbst erschöpft waren, gingen beide, ohne noch was zu sagen, jedoch erst nachdem Kellin sich vergewissert hatte, dass es um Reeds Wunden gutstand.

„Sie sind schon stark am Heilen, dank Alice, aber ich besorge dir trotzdem etwas dagegen, damit es schneller heilen wird."

Als nur noch Reed und ich allein waren, lag ich einfach neben ihm im Bett und sah ihn an. Ich hatte so eine Angst gehabt, ihn zu verlieren. Ich war mir so sicher gewesen, dass nun alles vorüber sein würde. Es wäre mein Ende gewesen. Ein Leben ohne Reed erschien mir so traurig und leer. Ich hatte es nie ertragen, mir über so eine Zukunft Gedanken zu machen, aber letzte Nacht war der Tod unter uns gewesen und es hatte mir gezeigt, wie verdammt gefährlich all das war. Ich hasste es. Ich hasste dieses ganze Drama so sehr. Wann würden wir endlich glücklich sein können?

„Du hast mich gerettet", sagte er müde und ich lächelte schwach.

„Nur weil du mich zuerst gerettet hast. Was ist in diesem Wald geschehen?"
„Es war die Grenze zur nächsten Zone der Unterwelt. In ihm leben ein paar Wesen, die deinen Geist verwirren können. Sie zeigen dir Dinge, die dich tiefer in den Wald locken und wenn du erst unter ihrem Bann stehst, bringen sie dich um oder zwingen dich dazu, dich selbst zu töten."
„Ich habe dich gesehen."

Er lachte trocken. „Es war merkwürdig von sich selbst angegriffen zu werden."
„Es war alles für umsonst. Ich habe es nicht geschafft, einen Deal zu erreichen und... dieser Reiter, wer war das?"

„Kol, Linie der Zeit."

„Ein Wächter." Er war also nicht einmal Teil der Apokalyptischen Reiter. Er war einer von uns.

Das erklärte, wieso er bei meinen vorherigen Begegnungen immer so plötzlich verschwunden war. Er war in der Zeit gesprungen.

„Wie hatte er da sein können? Wieso hat er uns geholfen? Ich dachte immer, er würde für Rowan arbeiten. Ich habe ihn bei Rowan gesehen, aber er meinte, er würde niemals jemanden wie ihm helfen."
„Würde er auch nicht. Du kannst Kol vertrauen, er... er kommt, wenn du nur laut genug nach Hilfe schreist, auch wenn er dir vermutlich keine große Hilfe hier sein wird."
„Das sagte er auch, also dass er kommt, weil ich um Hilfe gerufen habe. Das ist schräg. Ich meine, ich habe oft in meinem Leben um Hilfe geschrien, wieso kommt er erst jetzt? Wieso kommt er überhaupt, wenn ich nach Hilfe schreie? Wer ist er? Du hast noch nie seinen Namen erwähnt, das ergibt alles keinen Sinn."

„Ich habe vergessen, wie neugierig du sein kannst", lachte er und verzog vor Schmerzen geplagt das Gesicht.

„Brauchst du was? Noch mehr Kraft von mir?"
„Oh bei den Göttern nein! Hier ist keiner, der mich von dir fernhalten könnte, ich will dir nicht weh tun, ich... es tut mir leid. Ich wollte dich letzte Nacht nicht einfach... du weißt, dass ich das nie würde, oder? Nur dieses Teilen der Kräfte, es..."
„Ist in Ordnung", beruhigte ich ihn lächelnd. „Ich war ja genauso schlimm."
„Ja, aber ich kann dich aufhalten. Ich wiege etwas mehr als du, Herzblatt, ich hätte dich verletzen können."
„Hast du aber nicht."

„Bitte gib mir niemals deine Kraft, wenn keiner da ist, um dir zu helfen, verstanden? Ich könnte nicht mit mir leben, wenn ich dich verletze."

„Sei nicht albern. Du könntest mich nicht verletzen. Ich meine, ich war überrumpelt, aber ich liebe es doch dir nahe zu sein, ich würde nur eher deinen Zustand nicht ausnutzen wollen und außerdem bist du nicht in der Verfassung für körperliche Zweisamkeit", merkte ich an.

„Ich bitte dich", schnaubte er. „Ich bin immer in der Lage für körperliche Zweisamkeit."

„Nicht wenn du so verletzt bist. So lange wird es keinen Sex geben", sagte ich tadelnd und musste bei seinem entsetzten Gesichtsausdruck kichern.

„Herzblatt, der Sex mit dir ist die beste Medizin. Es hilft mir sehr beim Entspannen."

„Wenn es Entspannung ist, wonach du dich sehnst, kann ich dir auch anders Aushelfen", sagte ich lieblich und richtete mich etwas mehr auf, legte meine Hand an den Bund seiner Hose und sah, wie überrascht er wirkte. Er hatte gehofft, mich in Verlegenheit zu bringen, mich zu Verführern, aber ich konnte das Blatt auch wenden.

„Alice..."
„Ist es nicht das, was du willst? Entspannung?", fragte ich ihn und massierte über die Hose hindurch sein bestes Stück, spürte, wie schnell er darauf reagierte.

Das hier war absolut nicht der geeignete Augenblick. Wir waren beide müde und er war verletzt, aber ihn beinahe verloren zu haben ließ mich auf das, was angebracht war und was nicht, scheißen. Wenn er das wollte, würde ich es ihm geben. Ich wollte ihn glücklich sehen, ich wollte ihm nahe sein. Ich liebte ihn so unfassbar sehr, dass ich keinen Moment zwischen uns ungenutzt lassen wollte.

Er zog hörbar die Luft ein und sah mich an, als müsste ich ein Engel sein. „Alice... quäle mich bitte nicht. Ich bin ein armer Junge, der fürchterliche Schmerzen hat."

„Du armer, armer Kerl." Ich lächelte ihn an, als er zu grinsen anfing, meine freie Hand ergriff, um sie sachte zu küssen.

„Du bist teuflischer als ich dachte."
„Siehst du das immer noch so?", fragte ich und öffnete seine Hose, glitt mit meiner Hand in diese und streichelte quälend langsam über sein bestes Stück.

„Oh ja, positiv. Du bist grausam. Du könntest glatt ein Dämon sein, der mir versucht das Herz aus der Brust zu reißen, aber weißt du was? Ich schenke es dir. Es gehört sowieso nur dir, hat es immer und wird es immer." Ein leises zufriedenes Seufzend entwich ihm und ich zog seine Hose etwas mehr nach unten, machte es uns beiden leichter damit und bewegte anschließend meine Hand auf uns ab, sah zu, wie ihm die Augen zufielen, er sich lächelnd meinen Bewegungen hingab. Ihn so zu sehen, mache mich glücklich. Er hatte keine Schmerzen, er wirkte friedlich, gelassen und ich wollte ihn am liebsten immer so unbeschwert sehen.

Ich befeuchtete meine Lippen, ehe ich mich nach unten beugte und ihn mit meinem Mund verwöhnte. Sofort entwich ihm ein Stöhnen, sofort flüsterte er meinen Namen wie der Abschluss zum Gebet. Es ermutigte mich. Ich hatte das hier bisher erst einmal zuvor getan, ich war mir nicht zu hundert Prozent sicher, dass ich alles richtig machte, aber ich wollte es versuchen. Reed ließe eine Hand durch mein Haar gleiten und ich spürte, wie er sein Becken mir entgegen drückte, seine Atmung schneller wurde und ich ließ mit Vergnügen meine Lippen über ihn gleiten, berührte ihn mit meiner Zunge und genoss es währenddessen von ihm gestreichelt zu werden.

„Alice... Alice, ich komme, du musst... fuck..."
Gern wollte ich ihm sagen, dass es ok war, ich genau wusste, worauf ich mich einließ, aber dafür würde ich aufhören müssen, was ich nicht wollte, also machte ich weiter, nahm seine Hand dabei in meine und sein Händedruck wurde fast schmerzhaft, als ich ihn zum Kommen brachte.

„Du bist... wow", hauchte er atemlos, als ich mich aufrichtete und mir den Mund mit meinem Handrücken sauber wischte.

„Ich hoffe, du bist jetzt entspannt", sagte ich neckend, merkte jedoch, wie meine Wangen rot glühten.

„Ich wäre noch entspannter, wenn du dich auf mich setzt und mich reitest bis..."
„Kommt nicht in Frage! Das hier war schon zu anstrengend für dich. Du schläfst jetzt erst einmal und wenn du ganz gesund bist, kannst du mit mir machen, was du willst."

„Oh, dafür lohnt es sich gesund zu werden."
„Na also, aber nun musst du schlafen."
„Nur wenn du bei mir bleibst", sagte er quengelnd und zog mich in seine Arme hinab. Ich musste lachen, schmiegte mich jedoch gerne an ihn und küsste seine Wange, ehe ich die Decke über uns beide zog.

„Ich liebe dich, Reed", murmelte ich gegen seine Haut und er brummte zufrieden.

„Ich hoffe, dass du das nie anders sehen wirst, denn ich liebe dich mehr als irgendwen auf diesem fucking Drecksplaneten, Herzblatt."

„Immer so melodramatisch." Ich küsste ihn erneut und schloss die Augen, wollte selbst ein bisschen ruhen dürfen.



Es war später Nachmittag, als wir von Kellin geweckt wurden. Dieser öffnete das Fenster, warf einen Bündel Kleidung auf das Bett und klatschte laut in die Hände.

„Ab unter die Dusche mit euch, zieht euch um und los! Wir können nicht so viel Zeit verlieren. Und wenn ich sage unter die Dusche, dann getrennt! Keine Zeit für irgendwelche Sexspiele, und du trinkst das hier, Reed. Ich brauche dich fit und nicht halbtot."

„Kann ich ihn erschießen?", murrte Reed, der mich nur noch enger an sich zog. Ich war fürs Erschießen. Ich wollte das Bett nicht verlassen. Ich war müde und Reed so dicht an mir gekuschelt zu haben war zu herrlich, um nun loszulassen.

„Bitte", nuschelte ich und Kellin zog genervt die Decke von uns.

„Hat es einen Grund, dass deine Hose offen ist und ich deinen Schwanz sehen kann?", fragte er angewidert nach.

„Oh, es hat sogar einen sehr guten Grund."
Kellin schnaubte. „Offenbar kann es dir dann ja gar nicht mehr so schlecht gehen. Na los, oder ich hole Acyn ins Zimmer, der wird bei dem Anblick dafür sorgen, dass du dich schnell bewegst."
„Bei den Göttern, jetzt weiß ich wieder, wieso ich eigentlich so wenig Zeit mit dir verbringe, du bist nervig." Grummelnd erhob Reed sich und widerwillig richtete ich mich auch mehr auf, rieb mir die Augen. Kellin hatte ja recht. Wir hatten wichtige Dinge zu erledigen und Reed ging es deutlich besser. Er trank das Mittel aus dem Quartier und ich sah zu, wie die Wunden an seinem Oberkörper heilten, bis sie nur noch rote geschwollene Linien darstellten.

„Soll man das wirklich so früh schon trinken?" Ich hatte deutlich länger warten müssen, nachdem Helena Aasen mich erstochen hatte.

„Nein, es wird sicher hässlich vernarben, aber wir haben keine Zeit für Verletzungen", sagte Reed und zuckte mit den Schultern, nahm die Kleidung und verschwand in meinem Bad.


Eine halbe Stunde später waren er und ich frisch geduscht und in sauberen Sachen gehüllt, wo wir uns – nachdem wir Elin aus ihrem Zimmer abgeholt hatten – aus dem Haus schlichen, um zu Kellins zu fahren. Wir mussten weiter planen, wie wir nun vorgehen und den anderen vielleicht nochmal detaillierter berichten, wie wir versagt hatten. Ich würde von diesem Trip in die Unterwelt garantiert mein Leben lang Albträume haben.

Als wir im Haus ankamen, war dieses übervoll und ich war froh, dass Kellin erst mit Reed privat reden wollte, das gab mir noch ein paar Minuten Ruhe, ehe die große Befragung anfangen würde. Elin ließ mich allein, um schnell etwas aus der Bibliothek zu holen und ich schlich mich für etwas frische Luft in den Garten.

Es war merkwürdig, dass wir nicht einmal einen Tag zuvor in der Unterwelt gewesen sind. Dieser kurze Ausflug war mir so viel länger vorgekommen. Ich wusste immer noch nicht, ob ich mir die Hälfte nicht einfach eingebildet hatte. Reed war so schnell wieder auf den Beinen, dass es mir mehr wie ein einziger schlechter Traum vorgekommen ist. Ich sah ihm zwar an, dass er noch deutlich geschwächt war, aber er biss die Zähne zusammen. Keiner würde ruhen, bis Rowan nicht beseitigt wäre.

„Alles klar bei dir?" Ich sah zu Hayden, der sich neben mich stellte und mich besorgt musterte.

„Ich wurde nicht halb zerfetzt."
„Ja, ich habe gehört, dass Reed mal wieder den Helden spielen wollte."
„Mal wieder. Das ist irgendwie eigenartig zu hören, findest du nicht? Wir dachten mal, er wäre der Böse, wir haben ihn eingesperrt."
„Ja", lachte Hayden bitter. „Vielleicht haben wir uns ja geirrt."

„Also glaubst du gar nicht mehr daran, dass er böse Absichten hat? Ich meine, er ist nur frei, weil wir einen gemeinsamen Feind haben. Ich dachte, das hätte dir nicht gereicht, um ihn zu vertrauen." Fragend sah ich ihn an und er zuckte lächelnd mit den Schultern.

„Ich habe wohl einiges besser verstehen können seitdem. Meine Meinung hat sich geändert. Ich denke immer noch... nein, ich weiß, dass er immer noch auch andere Pläne hat, aber ich verstehe diese besser und denke nicht, dass er irgendwem schaden will, auch wenn er anfangen muss Grenzen zu ziehen."

„Alles so verwirrend", seufzte ich und er legte den Arm um meine Schultern, zog mich an sich.

„Lass die Dinge einfach auf dich zukommen, Sonnenschein."
„Das sagst du so leicht", grummelte ich und verdrehte die Augen, als mir was zu der ganzen Sache einfiel. Etwas, das ich verstehen wollte. „Ich hätte eine Frage an dich. Kennst du einen Kol? Er müsste aus der Linie der Zeit stammen."

Überrascht nahm Hayden den Arm runter und sah mich einen Moment ganz irritiert an.

„Klar kenne ich Kol. Er war damals der beste Freund von Grace gewesen, ich konnte ihn nie ausstehen und er mich genau so wenig. Ich war mir immer sicher gewesen, dass er ihr nur an die Wäsche wollte, auch wenn ich wohl mittlerweile zugeben muss, mich getäuscht zu haben. Kommt ziemlich häufig vor." Er lachte verbittert und schüttelte leicht den Kopf.

„Und wo ist er jetzt? Wieso hilft er uns nicht aktiv bei allem, was hier los ist?" Wieso kommt er nur, wenn ich ihn rufe?

Hayden wurde blass und sein Lächeln verschwand. „Oh, ähm... er kann nicht mehr helfen. Er ist tot."
„Tot?" Wie konnte er tot sein? Ich hatte ihn doch gerade erst gesehen. Das war unmöglich.

„Er starb zum Beginn der Dunklen Tage ungefähr. Rowan hat ihn umgebracht, es war, um es milde auszudrücken, echt brutal." Hayden schüttelte sich angewidert von der Erinnerung und ich geriet leicht ins Taumeln.

„Wow, alles ok?"

„Ja... ja, alles gut." Nichts war gut. Rein gar nichts war gut. Wie hatte ich ihn sehen können? Wie konnte er tot sein? Ich hatte Kol zweimal hier auf der Erde gesehen und einmal in der Unterwelt. War er in der Unterwelt gewesen, weil er tot war? Mir stockte der Atem. Nur wie hatte er dann auch hier sein können? Gab es denn Geister? Nur wieso würde er dann von allen Menschen ausgerechnet mich aufsuchen?

„Sicher? Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen. Wieso willst du all das über Kol wissen? Woher weißt du von ihm? Hat Reed was erwähnt?"

„Nein, hat er nicht, ich... ich weiß gar nicht, wie ich auf ihn komme." Die Wahrheit war zu abgedreht. Sie alle dachten sicher sowieso schon, dass ich meinen Verstand verloren hatte, weil ich komische Visionen hatte, da mussten sie nicht noch wissen, dass ich verdammte Geister sehen konnte oder eher den Geist eines vor über hundert Jahren gestorbenen Jugendlichen, der mal der beste Freund von Grace war. Am Ende kommt immer alles auf sie zurück. Langsam war ich mir sicher, dass sie und ich enger verbunden sind, als es mir lieb ist. Zufall kann das kaum sein. Trotzdem wurde ich das Gefühl nicht los, dass jeder andere deutlich mehr dazu wusste als ich. Sie machten ja auch kein Geheimnis mehr daraus. Es war nervig, denn egal wie sehr ich auch behauptete, mich mit der Tatsache zufrieden zu geben, nie Antworten zu kriegen, so würde ich vermutlich nie meine Ruhe finden, wenn ich nicht irgendwann alles verstehe. Nur was würde es mich kosten? Was würde all das hier mich noch kosten?


Wörter: 4434

Aloha :) Ich hoffe es hat euch gefallen. Freitag geht es weiter xx


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