23. Zwei gebrochene Seelen
"Am I supposed to be grateful to have survived this?" — Brenna Twohy
Wir landeten in meinem Zimmer, nur in welchem Jahr, wusste ich nicht. Es war mir auch völlig egal. Ich war zu aufgewühlt, konnte mich nur an Reed klammern und weinen.
Mein Herz drohte zu zerspringen. Diese Tage bei Rowan hatten mich so viel gekostet. So viel an Kraft, so viel an Würde. Alles schmerzte, alles fühlte sich erdrückend an, und Reed war wie Balsam für meine zerschundene Seele, nur schien ich kaum schnell genug Heilung von ihm zu kriegen.
„Alles wird gut. Hier wird er dich nicht kriegen. Hier weiß er gar nicht, wer du bist."
Diese Aussicht war beruhigend. Sie war so beruhigend, dass ich am liebsten auf ewig hiergeblieben wäre, egal welches Jahr auch immer das wäre. Nie wieder wollte ich Rowan sehen müssen, zurück zu ihm müssen und all das erleiden. Ich würde mich nur kaum auf ewig in der Vergangenheit verstecken, so wie Malia es tat. Ich würde es einfach nicht übers Herz bringen, alle zu verlassen, die mir wichtig waren. Vor allem, weil ich wusste, dass Rowan sie jagen würde. Er würde sie dafür bestrafen.
Niemand sollte für meine Fehler büßen müssen.
„Schau mich bitte an", sagte er und drückte mich sanft etwas von sich. Für zwei Herzschläge sah er mir in die Augen und atmete erleichtert auf, küsste meine Stirn und drückte mich wieder fester an sich.
„Du bist wirklich hier", hauchte er. „Du bist immer noch du."
Ich verstand nicht wirklich, was er meinte, hinterfragte es jedoch nicht.
Reed setzte sich mit mir auf das Bett, das in diesem Jahr auch genau an der gleichen Stelle stand, hielt mich in seinen Armen und wartete, bis ich wieder ruhiger wurde. Mit ihm fiel es mir leichter und ich glaubte, die Wirkung der vielen Drogen würde langsam nachlassen.
Meine Gedanken wurden wieder klarer, nur der Schmerz blieb. Der Schmerz und das ekelhafte Verlangen, am liebsten einfach wieder taub zu werden und nichts von dem Schrecken fühlen zu müssen.
„Mir geht es nicht gut", nuschelte ich leise gegen Reeds Brust und sein Griff um mich wurde nur noch stärker.
„Ich werde ihn dafür umbringen. Ich werde ihn in Stücke zerreißen!"
„Ich will nicht, dass einer von uns jemals wieder in seine Nähe gelangt."
„Was unvermeidbar sein wird... außer wir bleiben hier." Er sagte es scherzend und doch hörte ich aus seiner Stimme heraus, dass er es irgendwie ernst meinte. Er würde gern mit mir in der Vergangenheit bleiben und im Moment wollte ich es auch. Fern von allen zukünftigen Problemen, die so belanglos wirkten.
Reed zwang mich erneut, ihn anzusehen, wo er wieder intensiv mein Gesicht musterte. Ich wusste nicht, wonach er suchte, was er sich erhoffte zu sehen oder nicht zu sehen.
„Kannst du klar denken?"
Ah. Er hatte Angst, wie es mir geistig ging, ob Rowan mich ruiniert hatte.
Ich nickte zaghaft. Es war alles viel, es war alles erdrückend, aber er hatte mir meinen Geist nicht kaputt gemacht. Dafür hatte er auf eine besondere Show warten wollen. Sicher bereute er es mittlerweile.
„Er wird mich zerbrechen", sagte ich verängstigt von der Macht Rowans, wie er mich so viel Grauen fühlen gelassen hatte, wie er mich mit den Drogen betäubt hatte, während ich nichts dagegen machen konnte.
„Ich werde das irgendwie verhindern. Es tut mir leid, dass ich dich nicht retten konnte, dass ich nicht bei dir war, als..."
„Es ist ok", versicherte ich ihm. „Wärst du gekommen, hätte ich nicht gehen können." Freiwillig zu gehen wäre unmöglich für mich gewesen und ein Teil von mir wäre immer freiwillig bereit gewesen, mit Reed zu gehen.
Diese Wanderer hatten mir Angst gemacht, sie hatten mich mitgenommen – gegen meinen Willen – weil ich nicht gewusst hatte, wer sie waren und was sie wollten. Es hätte vermutlich so oder so keinen Unterschied gemacht, immerhin war ich so betäubt gewesen, dass ich sowieso von allein nichts bewirken hätte können.
Reed sah zu meinem Hals, berührte die Stelle, wo Rowan mich gebissen hatte. Ich hatte ehrlich keine Ahnung, wie ich derzeit überhaupt aussah, wie mein Hals und all meine Wunden aussahen, doch so wie Reeds Gesicht sich vor Wut verzerrte, musste ich übel aussehen.
„Willst du darüber reden?", fragte er mich leise und ich schüttelte den Kopf, presste mein Gesicht wieder gegen seine Brust. Ich wollte niemals darüber reden müssen oder gar darüber nachdenken, auch wenn das schwer war.
„Wie hat sie das so lange überlebt?" Wie hatte Malia so lange bei ihm sein können? Ich war nur paar Tage dort gewesen und ich hatte gedacht, sterben zu müssen. Wenn ich mir vorstelle, einige Wochen oder gar Monate bei ihm zu sein, wurde mir übel.
„Er hat sie nicht so behandelt. Mit ihr ist er... sanfter umgegangen", erklärte Reed mir. „Sie war ihm auf eine andere Weise wichtig. Er hat sie zwar gequält, aber eher unterbewusst und nicht so gezielt."
„Es muss dennoch so schrecklich für sie gewesen sein." Sie wurde dennoch über Jahre hinweg von ihm geleert. Er hatte sich so lange von ihr genährt, doch sie war ihm entkommen. Drei ganze Male konnte sie ihm entkommen, dann würde ich es auch schaffen! Ich würde diesen Deal irgendwie beenden. Ich würde seinen Klauen endgültig entkommen, auch wenn ich noch absolut keine Ahnung hatte, wie ich das schaffen sollte.
„Mit dir geht es mir besser", murmelte ich und konnte mir vorstellen, was für eine Erleichterung es für meine Cousine gewesen sein musste, als sie Kellin gefunden hatte. Mit ihm war es für sie sicher auch erträglicher geworden.
„Das höre ich doch gerne", lachte er leise und ich zwang mich, mich ein bisschen von ihm zu lösen, ihm wieder in sein Gesicht zu sehen.
„Was ist bei dieser Feier geschehen?" Wer war alles verletzt? Tot? Was war mit Riley?
„Rowan hat die Wachen am Eingang getötet. Offenbar hat er Hilfe in unseren Reihen, was wir ja längst vermutet hatten. Bei der Explosion ist keiner gestorben, was einem Wunder gleicht. Viele sind aber verletzt."
„Wie Riley."
„Ja. Ich weiß nicht wirklich detailliert, wie es ihm geht, aber er ist außer Lebensgefahr. Der Rest deiner Familie ist unversehrt."
„Elin?"
„Sie war bei Iran, beiden geht es gut. Mr Norbert hat sich beim Sturz den Arm gebrochen und einer der Hunde Leilas wurde von Rowan schwer verletzt, als er sich auf diesen stürzen wollte, aber ich glaube, sie hat das Tier gut versorgt."
Ich war erleichtert, dass es allen, die ich kannte, gut ging. Das mit den Wachen und den Verletzungen fand ich grauenvoll, besonders, weil ich mir die Schuld gab. Rowan hatte mich geholt, mich gewollt und meinetwegen hatte er so drastische Schritte gewagt.
„Es ist nicht deine Schuld", sagte Reed, als könnte er meine Gedanken lesen. „Rowan mordet mit großem Vergnügen. Das ist Krieg. Es werden mehr von uns verletzt werden und sterben, aber das würde nur noch schlimmer werden, wenn du bei ihm wärst und er noch mächtiger wird. Er wird jetzt gerade schon schlimm genug sein, wenn er so viel deiner Kraft geraubt hat, es würde nur noch schlimmer werden, wenn er noch mehr von dir nimmt."
„Ich weiß nicht, wie wir das verhindern wollen. Es ist unmöglich. Ich hatte versucht, nach dem Gegenstand zu suchen, aber... er hat mich..." Ich brach ab. Ich konnte es nicht sagen, ich wollte nicht darüber reden, wie schrecklich das gewesen ist. Wie er mich berührt, gedemütigt und gefoltert hatte.
„Ist in Ordnung. Du bist stark. Du bist meine kleine tapfere Kämpferin und du hast es geschafft und ich liebe dich." Er küsste mein Gesicht und ich blinzelte neue Tränen fort, wollte nicht noch mehr weinen. Mit Weinen würde nichts bewirkt werden, genauso wie ich nicht hier versteckt bleiben konnte. Leider ging es mir nach wie vor miserabel. Ich war entkräftet, die Drogen hatten meinen Kopf ins Chaos stürzen lassen. Wie sollte ich jetzt sofort gegen Rowan ankämpfen? Er würde mir zumindest keine Pause vergönnen.
„Ich weiß nicht, wie ich das alles schaffen soll", gestand ich verängstigt von dem, was kommen würde.
„Ich helfe dir. Aber erst musst du was essen, dich ausruhen und die Drogen aus dem System kriegen, die dich eindeutig noch schwächen."
Mein Magen knurrte wie auf Kommando und obwohl ich seit einer Ewigkeit nichts gegessen hatte, war mir übel beim Gedanken, etwas zu mr nehmen zu müssen.
„Ich kann nicht essen."
„Du musst aber. Du bist in diesen paar Tagen so dürr geworden. Ich kann deine Rippen spüren, ich will nicht, dass du noch schwächer wirst. Du wirst deine Kraft brauchen, Herzblatt."
Leichter gesagt als getan. Ich konnte mich ja nicht einmal von ihm wirklich lösen, so sehr schmerzte alles, ohne seine heilende Nähe. Diese Seelenbindung war so schräg.
Sowieso wollte ich für einen Moment einfach nur ruhen und obwohl Reed mich sicher am liebsten füttern und versorgen wollte, ließ er mich schlafen.
Es war nicht meine Intention gewesen wirklich einzuschlafen, doch mein Körper war schwach und mein Kopf sowieso. Ich lehnte an Reed und döste schneller ein als je zuvor, wurde zwar nicht länger von Rowan gefoltert, sah dennoch äußerst abscheuliche Dinge im Schlaf. Es war als wäre er immer noch hier und würde mich finstere Bilder sehen lassen. Ich glaubte an einem Ort gefangen zu sein, der die Unterwelt sein könnte. Eine erdrückende Hitze herrschte hier, in der Ferne hörte ich Schreie und verängstigt sah ich mich an diesem schaurigen Ort um. Wieso war ich hier?
Es sah aus wie eine vertrocknete, tote Landschaft und links und rechts von mir waren hohe Steinmauern, die meine Sicht zu den Seiten verbargen, mir wie in einem Gang nur den Weg nach vorne zeigten. Da ich offenbar auf einem Hügel stand, konnte ich die Gegend vor mir bestens erkennen, die nur noch düsterer aussah. Alles an Leben schien tot zu sein. Blitze erhellten den Himmel und eigenartige Vögel, die größer waren als alle Vögel, die ich kannte, flogen in Kreisen durch die Lüfte, schrien dabei krächzend. Ich wollte weiter nach vorne laufen, mehr sehen, herausfinden, was für ein Ort das war, wieso ich hier war und wie ich vor allem wieder von hier fortkommen könnte, doch zu meinem Schrecken stellte ich fest, dass meine Hände an Ketten festgemacht wurden, die mich an den beiden Mauern zu meinen Seiten hielten. Panisch schüttelte ich meine Arme, versuchte mich zu befreien, was zwecklos war.
„Hast du Angst?"
Ich stoppte in meinen Bewegungen, als die Stimme einer Frau hinter mir ertönte, diese ein schaurig kaltes Lachen ertönen ließ. „Du solltest Angst haben."
„Wer bist du? Wo bin ich hier?", fragte ich, versuchte meinen Kopf zu drehen, um sie zu sehen, doch sie packte diesen, hielt ihn eisern mit ihren langen Fingern fest und ich zog erschrocken die Luft ein.
„Ich will meine Tochter zurückhaben, Mädchen! Bring mir meine Tochter und ich werde dir helfen. Bring mir meine Tochter und ich helfe dir Rowan zu beseitigen!"
Sie ließ mich los und ehe ich antworten konnte, mehr sehen, mehr verstehen konnte, erwachte ich ruckartig aus dem Traum. Es mussten Stunden vergangen sein, denn das Zimmer war mittlerweile dunkel. Meine Augen gewöhnten sich recht schnell an die Dunkelheit, wo ich gleich merkte, dass ich zwar immer noch auf dem Bett war, jedoch nicht auf der Matratze selbst sondern auf Reed lag, der seine Arme um mich gelegt hatte.
„Du hattest Fieber", flüsterte er, als er bemerkte, dass ich wohl aufgewacht war. „Ich habe dir etwas Kraft gegeben, ein Glück, dass du schon geschlafen hast." Er klang amüsiert und ich seufzte leise, dachte an das letzte Mal, als er mir seine Kraft gab und ich ganz verrückt nach ihm wurde. Es war definitiv besser, dass ich geschlafen hatte. Das Fieber erklärte meinen eigenartigen Traum, auch wenn ich fast glaube, immer noch die kalten Finger dieser Frau auf meinem Gesicht zu fühlen.
„Ich verstehe das mit den Kräften geben nicht. Wie funktioniert das?"
„Wenn du es je nutzen musst, wirst du wissen, was zu tun ist. Ich konnte dir nicht so sehr helfen, wie ich es gern würde, weil wir so lange getrennt voneinander waren und du sehr stark geschwächt bist. Je kleiner deine Not ist und je intensiver der Kontakt zwischen uns zuvor war, umso mehr kann man helfen."
„Alles so verwirrend", nuschelte ich immer noch sehr schläfrig. Ich war immer noch erschöpft und fühlte mich als wäre ich überfahren worden, aber die Schmerzen waren nun eher dumpf und ich kam mir zumindest etwas mehr wie ich selbst vor.
„Wie wird es weitergehen?", fragte ich und stand ganz wackelig auf, wo Reed ebenfalls aufstand und meine Hand in seiner hielt, mich nicht zu sehr von sich weichen lassen wollte und mich zugleich stützte, bevor ich fallen könnte.
Dieser Entzug würde schwer werden. Mein Körper fühlte sich an, als ob er langsam brennen würde. Ich konnte richtig spüren, wie meine Venen pulsierten, hörte mein Herz schlagen, als ob es eine laute Trommel wäre
„Wir müssen gehen. In der Gegenwart können wir nicht bleiben. Wir müssen dich vor ihm verstecken und die Vergangenheit wäre die einzige Alternative, die sicher wäre."
„Ich kann nicht alles aufgeben."
„Ich weiß. Wir sollten das zuerst mit deiner Familie besprechen."
In meinen Augen gab es da nicht viel zu besprechen. Ich konnte nicht alles zurücklassen. Zu fliehen fühlte sich falsch an. Leider wusste ich, dass es nicht wirklich viele andere Alternativen gab und ich wollte nicht streiten. Ich nickte deswegen einfach, sah mich in meinem dunklen Zimmer um und versuchte anhand der Möbel herauszufinden, in welchem Jahr wir uns befanden. Es waren die Möbel, die auch jetzt in meinem Zimmer standen, nur ohne meinen ganzen Krimskrams darauf verstreut.
Wir fielen hier oben auch offenbar nicht weiter auf. Zumindest hatte noch keiner mitbekommen, dass wir schon eine ganze Weil hier waren.
„11. November 1981. Ich hatte mal angenommen, dass es leer sein würde. Hier in dem Zimmer hat nach Grace keiner mehr gelebt, außer vielleicht mal als Gast", sagte Reed, der mir ansah, was in meinem Kopf vor sich ging.
„Wann hat sie hier gelebt? Ich weiß, dass sie bei ihrer Mutter im Haus im Dorf lebte, hier auch und dann in eurem gemeinsamen Haus."
Reed zuckte leicht zusammen beim Erwähnen des Hauses. Er hatte nicht gewusst, dass ich darüber Bescheid wusste.
„Als Kind und später, als sie von ihrer Mutter weggekommen ist, hatte sie hier immer wieder gelebt. Ihre inoffiziellen Großeltern haben sie sehr geliebt und jederzeit aufgenommen."
„Du sagst immer inoffiziell. Inwiefern ist sie nun mit mir verwandt?" Es war sicher unfair ihn gerade jetzt auszufragen. Er antwortete immerhin nur, weil er mich ablenken wollte, aber ich war neugierig und ich wollte gern abgelenkt werden.
„Sie sind nicht direkt verwandt", sagte er und setzte sich wieder hin, zog mich dabei mit sich zurück aufs Bett, da ich immer stärker zu zittern anfing. „Grace war ein sehr... krankes Baby, als sie auf die Welt gekommen ist. Sie kam zu früh auf die Welt, unter schlimmen Bedingungen und sie drohte zu sterben. Ihre Mutter war eine Hexe, wie du ja bereits weißt, sie wollte das zu jedem Preis verhindern, also nutzte sie die Mächte, die durch Graces Blutlinie flossen, die Macht der Magier und die Macht der Todesreiter. Sie versuchte einen Weg zu finden, sie zu stärken, an die Lebenden zu binden. Sie musste dafür nur etwas Neutrales finden, um das auszugleichen, um ihr Kraft zu geben. Sie brauchte eine Art Anker, um diese Kräfte zu verbinden und sie in der Welt der Lebenden festzuhalten. Sie fand also eine Frau aus der Naturlinie, die bereit dazu war, Grace an ihre Linie anzuknüpfen, sie so rettete und ihr sogar noch mehr als das gab. Sie schenkte ihr das Blut der Noirs, machte sie damit zu jemanden aus ihrer Linie. Es ist so ähnlich, wie wenn ein Kind von zwei Wächtern verschiedener Linien geboren wird. Dann wird das Kind mit der Macht des stärkeren Elternteils gesegnet. Die Noir-Linie hat ihr Leben gerettet, deswegen wurde sie eine Wächterin der Natur, deswegen war sie Teil der Familie, auch wenn sie nie direkt von ihnen abstammte. Sicher gehört da auch noch mehr dazu, aber wenn es um Hexerei geht, habe ich nie alles ganz verstehen können."
„Und meine Vorfahren fanden das alles so toll, dass sie sie sogar hier leben ließen?"
„Sie war Familie. Das Blut der Noirs floss durch ihre Adern, sie war ein Kind, das viel Liebe gebraucht hatte und das haben sie ihr gegeben. Und so wie ich es verstanden habe, hatten die Noirs fast zeitgleich ein eigenes Baby verloren. Sicher hat man Grace gern als Ersatz dazu gesehen", sagte Reed und lief dabei zum Fenster, strich über den Rahmen und ich folgte seinem Blick, sah im Licht des Mondes die eingeritzten Initialen im Holz.
„R + G. Kitschig. Das existiert nicht mehr in meinem Zimmer."
„Nein. Die Fenster sind wohl erneuert worden."
„Du hast damals danach gesucht", merkte ich an und erinnerte mich, wie er das erste Mal in meinem Zimmer das Fenster so seltsam angestarrt hatte. Es ergab nun Sinn. Er war traurig gewesen, weil die Gravur fort war.
„Es war das erste Mal gewesen, dass ich wieder hier war... in über hundert Jahren. Ich war neugierig gewesen", sagte er schulterzuckend und sah wieder zu mir.
Vor einigen Wochen noch wäre ich vermutlich eifersüchtig gewesen. Dann hätte mich diese ganze Geschichte mit Grace fürchterlich gereizt, aber mittlerweile hatte ich meine Einstellung verändert. Ich sprach immer noch ungern über sie, aber ich hatte eingesehen, wie albern es war eifersüchtig auf sie zu sein. Reed liebte mich so sehr, Grace war nicht mehr länger hier und ich hatte nun einmal zu akzeptieren, dass beide eine Vergangenheit zusammen gehabt hatten. Diese Spuren würden niemals verschwinden und das war ok. Ich würde alles dafür geben, damit Reed irgendwann seinen Frieden mit damals findet, dass ihn die Geister der Vergangenheit nicht mehr quälen würden.
„Ich weiß, du sprichst ungern über sie und ich hör ungern Geschichten über sie und dich, aber da ich nun einmal neugierig bin... wie war es damals mit ihr?" War es so wie mit mir? Wie unterschiedlich waren wir? Was genau verband sie und mich?
Perplex sah Reed mich an, kaum hatte ich die Frage gestellt. Er musterte mein Gesicht eingehend, ehe er leicht lächelte. „Wir kannten uns, seit wir Kinder waren. Sie war in der Zeit damals mein einziger Lichtblick gewesen. Ich war ein einsames Kind gewesen, sie war meine einzige Freundin, nur leider verloren wir uns aus den Augen.... Als wir uns viele Jahre später wiederfanden, war ich fasziniert von ihr gewesen, auch wenn sie die Anwesenheit meines Bruders bevorzugte. Ich denke immer noch, dass sie einfach nur gegen die Anziehung zwischen uns ankämpfen wollte. Sie hätte es vermutlich niemals zugegeben. Sie hätte Haydens Gefühle nie verletzen wollen." Er schnaubte verächtlich, lächelte dabei jedoch und setzte sich wieder neben mich hin. „Sie war das einzige Schöne in meinem Leben. Ich hatte nur sie und sie war wie meine eigene Sonne. Alles in meinem Leben hat sich um ihr helles Licht gedreht und wurde von ihr angezogen. Das war ihre Gabe. Sie hat die Dinge angezogen, sie hat die Dunkelheit angezogen." Er lächelte nun eher traurig, als würde er sich für diese Dunkelheit halten oder zumindest als Teil davon betrachten.
„Ich habe viele Fehler in meinem Leben begangen, die meisten nur, um sie zu beschützen, sie nicht zu verlieren. Als Rowan ihr den Verstand zerstörte und sie krank wurde, wollte ich sie nur noch dringender beschützen. Ich hatte versagt auf sie aufzupassen. Ich hatte so sehr versagt."
„Man kann diejenigen, die man liebt, nicht ewig beschützen. Es ist nicht dein Job", sagte ich sachte, meinte damit Grace und mich. Er musste nicht auf mich aufpassen. Er sollte sich niemals schlecht fühlen, weil er glaubte, nicht gut genug auf mich aufgepasst zu haben.
„Ich hatte die Warnzeichen vor mir und ich hatte sie einfach übersehen. Rowan war mal mein Freund gewesen." Er lacht trocken darüber und raufte sich sein Haar. „Ich habe ihn regelrecht in ihre Nähe geführt wie ein blinder Narr. Ich hätte ahnen müssen, wer er war, was er war. Es hat so viele Anzeichen gegeben und ich hatte einfach nicht glauben wollen, dass einer der wenigen Leute, die mich wirklich zu mögen schienen, nur ein Dämon war, der es auf Grace abgesehen hatte. Als es dann zu spät war, hatte ich sie nur beschützen wollen. Vor ihm. Vor anderen Dunkelheiten. Vor mich selbst vielleicht ja auch. Rowan hatte sie so dringend haben wollen und ich habe alles getan, um sie zu beschützen, nur um sie am Ende umzubringen." Er vergrub sein Gesicht in den Händen und ich kniete mich vor ihn, ergriff seine Hände und zwang ihn, zu mir zu sehen.
„Die ganze Geschichte mit ihrem Tod ist nicht deine Schuld!" Ich kannte die Geschichte von ihrem Tod. Hayden hatte sie mir einst erzählt. Wie sie einen Beruhigungstrank genommen und dann ein Bad hatte, in diesem eingeschlafen und ertrunken war... wie Reed sie gefunden hatte.
„Sie hat mich an dem Tag angefleht, dass ich bei ihr bleibe, und ich bin dennoch gegangen. Wir haben uns so gestritten. Ich habe fürchterliche Dinge gesagt und getan und als ich spürte, wie sie... wie es verschwand, wie unsere ganze Bindung sich in Luft anfing aufzulösen... ich..."
„Ist ok, du musst nicht weiterreden. Ich will dich nicht zwingen, es ist ok", sagte ich selbst den Tränen nahe und ich hielt ihn, während er hemmungslos weinte, sich an mich klammerte, als würde ich sonst nur auch verschwinden.
„Es tut mir leid. Es tut mir so schrecklich leid", schluchzte er, als ob er sich bei mir für irgendwas entschuldigen müsste. Es war albern. Er durfte weinen, er durfte emotional werden. Ich hatte ihn immerhin gefragt.
„Alles ist gut. Du musst nicht weiterreden, aber wenn du es willst, höre ich dir zu und bin für dich da", versprach ich ihm und küsste seine Stirn.
Er zog mich zu sich aufs Bett und hielt mich weiter in seinen Armen fest, wo seine Tränen langsam trockneten, er wieder ruhiger wurde. Ich streichelte ihm dabei den Rücken, wurde selbst ruhig von dieser Umarmung, die mir neue Kraft gab, mich etwas von meinem eigenen Trauma heilte. Im Grunde waren wir beide wohl einfach nur am Arsch. Zwei gebrochene Seelen, die sich gegenseitig versuchten zu heilen.
„Wir müssen zurück", sagte er leise. „Rowan könnte kommen. Wir müssen vorbereitet sein."
„Ich schaffe das nicht. Ich kann ihn nicht erneut sehen. Ich kann noch nicht zurück", sagte ich, auch wenn ich wusste, dass es keinen anderen Weg gab, keinen, mit dem ich leben könnte. Meine Familie müsste zumindest gewarnt werden. Ich konnte sie nicht einfach so ihrem Schicksal überlassen.
„Ich bin bei dir. Deine Familie ist bei dir. Du bist stark, du bist so viel stärker als du es glaubst. Du hast es geschafft bei ihm zu sein, du hast so viel geschafft und ich bin so stolz auf dich." Er sah mich an und ich lächelte von seinen Worten, wischte ihm die letzten Überbleibsel seiner Tränen weg.
Wir erhoben uns zusammen.
„Bereit?"
„Solange du bei mir bist", sagte ich und umarmte ihn, ließ mich von ihm einhüllen, als wir schon zurück in die Gegenwart reisten.
Der Rest meiner Familie wartete im Salon auf uns. Ich fiel zuerst meiner Mutter in die Arme und hätte ich nicht alles an Tränen nun wohl wirklich aufgebraucht, wäre ich wohl wieder ein hysterisches Wrack gewesen. Als ich schließlich alle aus meiner Familie, die da waren, umarmt hatte und auch Elin an mich gedrückt hatte, die erleichtert war mich zu sehen, setzte wir uns hin. Am liebsten hätte ich mich in ihrer aller sicherer Arme gehüllt, aber da Rowan kommt, mussten gehandelt werden. Wir hatten schon genug Zeit verloren. Es war nur den Wanderern zu verdanken, dass Rowan nicht längst hier war.
„Was für Optionen haben wir?", fragte mein Vater sachlich. „Er wird sie holen und sie wird wegen des Deals nichts dagegen ausrichten können. Wenn wir sie nicht gehen lassen..."
„Wird er euch alle töten", sagte Reed simpel.
Ich war froh, dass er neben mir saß, meine Hand hielt, anderenfalls hätte ich die Flucht ergriffen.
Mir ging es nach wie vor miserabel. Mein Körper litt unter den Drogen, deren Wirkung immer weiter nachließ und die mich nun jedoch mehr brauchen ließen. Meinen Körper zumindest. Ich selbst würde lieber sterben als freiwillig irgendwas davon zu nehmen. Ich musste es nur schaffen, das alles jetzt durchzustehen und dann würde es besser werden. Ich müsste nur kurz gegen die Schmerzen ankämpfen und dann würde es leichter sein. Vermutlich war ich derzeit nur so tapfer, weil Reed mir etwas Kraft gegeben hatte. Es half. Es half genug, fokussiert zu bleiben und nicht das Bewusstsein zu verlieren.
Ich zupfte nervös von der angespannten Lage am Stoff der Leggins herum, die ich mir in meinem Zimmer zusammen mit einem Top angezogen hatte, endlich dieses widerliche Nachtkleid Rowans losgeworden war.
„Dann müssen wir fliehen", sagte Elin, die mich dabei ansah, als befürchtete sie, ich könnte gleich nur wieder gepackt und verschleppt werden.
„Wohin?", fragte Cameron, der angespannt wirkte, immer wieder auf die Uhr sah und hibbeliger wirkte als je zuvor. Seine Beine wackelten auf und ab, er spielte nervös mit seinen Händen umher. Hatte er nun auch endlich eingesehen, wie falsch sein Pakt mit Rowan war und bereute er es? Ich hoffte er und meine Tante wären endlich aufgewacht, dass diese ganze Katastrophe geholfen hatte, ihnen die Augen zu öffnen. Sie konnten nun doch wirklich nicht länger glauben, er wäre gut, oder? Er hatte mich entführt, gefoltert und unter Drogen gesetzt, wie sollte man so ein Verhalten verteidigen können? Ich würde sie leider nur nie fragen können, sonst müsste ich zugeben, sie belauscht zu haben und bisher hatte mir in meiner Familie niemand die Geschichte glauben wollen.
„Raus aus dem Land", sagte mein Großvater.
„Ich habe Kontakte überall auf der Welt. Ich kann gleich jemanden kontaktieren, der sie verstecken wird."
„Rowan hat den Kompass", merkte Reed an. „Er wird sie überall finden. Würde er ihr Blut besitzen, würde er sie sogar in jedem Jahr finden, dann wäre sie nicht einmal mehr in der Vergangenheit sicher vor ihm."
„Dann müssen wir ihn dazu bringen, einen neuen Deal einzugehen!", sagte mein Vater.
„Er würde keinen neuen Deal eingehen", sagte Reed, verschwieg dabei jedoch, was die eine Ausnahme wäre.
Malia. Malia wäre die einzige Hoffnung, die wir oder eher gesagt ich hätte. Nur sie könnte Rowan stoppen, nur sie könnte ihn genug von mir ablenken. Leider würde sie sich damit nur selbst verdammen und ich konnte nicht so egoistisch sein. Sie hatte es verdient in Ruhe zu leben.
„Ich muss in die Vergangenheit. Vielleicht kann ich es schaffen, uns Hilfe zu besorgen." Reed sah dabei nur zu mir. Er wollte also Kellin noch einmal anflehen. Er würde ihn niemals umstimmen können. Niemals würde Kellin Malia zu uns lassen.
„Was für Hilfe?", fragte Lilien skeptisch.
„Hilfe eben und ihr solltet alles vorbereiten, um Alice fortzubringen. Wenn mein Vorhaben scheitert, muss sie fort. Es gibt Orte in denen Reiter noch nicht hineinkönnen. Dort wäre sie für eine Weile sicher."
„Ich setze alles in Bewegung", sagte Acyn und erhob sich bereits.
„Ich gehe sicher, dass Riley derweil gut versorgt ist und ich nehme Dari mit", sagte meine Mutter und lief dabei zu meinem kleinen Bruder, der sich aus der Besprechung herausgehalten hatte, um in einer Ecke irgendwelche Videospiele zu zocken.
Während des Gesprächs merkte ich nur, wie meine Kraft immer mehr von mir ging. Ich war immer noch zu stark angeschlagen, brauchte Erholungszeit, die mir leider nicht vergönnt war. Ich konnte nicht schlafen und mich schonen, auch wenn mein Körper nichts anderes lieber wollte.
„Alice, du solltest hoch und ein paar wichtige Dinge einpacken", wies mein Vater mich an und ich erhob mich.
„Ich helfe dir", sagte Elin, die mich sicherlich begleiten würde. Ohne mich würde sie nicht hierbleiben.
„Und ich bin ganz schnell wieder da. Ich verspreche es dir. Sei stark und warte auf mich, Herzblatt", sagte Reed, der mich sanft küsste und dann auch schon einfach in der Zeit verschwand.
Ab da ging es hektisch weiter. Elin und ich liefen hoch, wo Elins gepackter Rucksack bereit auf sie wartete.
„Ich wusste, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis es schnell gehen muss", sagte sie, während sie mir half, mir eine Tasche zu packen.
„Ich hatte ja gehofft, dass es irgendwie anders gehen würde", murmelte ich. Ich wollte nicht fliehen und mich verstecken und alles zurücklassen. Ich hatte nicht einmal Hayden und Sam gesehen und mich von ihnen verabschieden können. Ich hatte nicht einmal Riley aufsuchen können.
„Wir werden einen Weg finden", sagte sie zuversichtlich und nahm die Kleidungsstücke entgegen, die ich ihr reichte.
Ich musste mit leichtem Gepäck reisen. Alles andere wäre umständlich. Ich wusste nicht einmal, wo es hingehen würde. Am Ende zwingt man mich drei Tage durch Wälder zu wandern, dann würde ein Koffer mehr als nur unpraktisch sein.
„Noch was?", fragte Elin, als ich aufhörte, ihr Klamotten zu reichen.
Ich schlenderte ins Bad und holte alles Nötige aus diesem heraus. Kurz überlegte ich die Schätze unter dem Fußboden mitzunehmen, aber sie wären sicherer dort unten. Falls ich draufgehen sollte, würde vielleicht irgendeine Nachfahrin von mir mal zufällig geleitet von einer Vision von mir auf die Gegenstände dort unten stoßen. Der Gedanke hatte etwas Beruhigendes an sich, nur wenn ich dann wiederum daran dachte, zu sterben, von Rowan so zerbrochen zu werden, dass ich gar nicht mehr wirklich existiere, wurde mir schlecht und ich wollte mich übergeben dürfen.
„Also geht es wirklich los", seufzte ich bedrückt und war froh, dass ich in dieser schweren Zeit so viele Leute um mich herum hatte, die für mich da waren, die mich unterstützen würden.
„Ich bleibe bei dir. Bis zum Schluss", sagte Elin aufmunternd, die meine Hand in ihre nahm. Mit der anderen Hand nahm ich meinen Rucksack und wir liefen nach unten, wo ich jedoch erstarrte.
Während der wenigen Minuten oben hatte mein Haus unten sich in das Lager einer Mafiagang verwandelt. Meine Familienmitglieder, die nicht das Haus verlassen hatten, saßen auf den Sofas, Waffen auf sich gerichtet, und kaum traten wir ins Sichtfeld, wurde Elin von mir gerissen. Ich wollte ihre Hand halten, ihr helfen und den Mann, der sie packte, angreifen, aber ein Wort von Rowan und ich stoppte.
„Halt", sagte er beinahe sanft und ich erstarrte, sah zu ihm.
Gemütlich lief er auf mich zu, schien die Lage äußerst erheiternd zu finden. Ängstlich sah ich von ihm zu den anderen. Meine Mutter, Dari und Acyn waren nicht hier, aber der Rest könnte meinetwegen jeden Moment sterben. Voller Sorge sah ich zu meinen Großeltern, wo meine Großmutter weinte. Ich sah zu meinem Vater, der den Mann vor sich hasserfüllt ansah. Ich sah zu Cameron und Lilien, die beide kreidebleich wirkten. Elin wirkte ähnlich wie mein Vater aufgeweckt und wütend, als würde sie sich gern mit dem Mann, der sie hielt, anlegen. Ein Kampf, den sie nur verlieren könnte.
„Da ist das Mädchen der Stunde. Meine Geduld mit dir hat ein Ende gefunden. Du willst offenbar abhauen und das geht mir zu weit", sagte Rowan. „Ich sollte das mit dir beenden."
„Du hast gesagt, ihr wird nichts geschehen!", sagte Lilien aufgebracht und ich sah zu ihr, so wie jeder im Raum.
„Lilien?", fragte meine Großmutter entsetzt.
„Du sagtest, du willst den Jungen. Er wird kommen und dann kannst du ihn haben!"
„Oh Lilien, du bist zauberhaft naiv", schnaubte Rowan, ohne meine Tante anzusehen.
„Was hast du getan?", fragte mein Vater aufgebracht, wollte sie erheben, wurde nur harsch zurück aufs Sofa gedrückt.
Ich wusste es schon. Sie und Cameron hatten mit ihm gearbeitet. Sie hatten naiv geglaubt, dass er ihnen helfen wollte. Also hatte das alles bisher nicht geholfen, ihnen die Augen zu öffnen. Sie waren tatsächlich bereit gewesen, mich zu opfern für ihre alberne Rache.
„Die wundervolle Lilien und Cameron haben mir geholfen, an Alice heranzukommen."
„Das ist eine Lüge", knurrte Cameron wütend. „Du meintest, du hilfst uns!"
„Ja und ihr habt mir geglaubt. Ihr habt alle Lügen geglaubt, die ich über Kellin erzählt habe. Lilien war ja damals bereits schon ganz vernarrt in mich gewesen."
„Du hast Malia geliebt", sagte diese fassungslos.
„Lieben", schnaubte er. „Ich begehre sie, ich will sie haben, ich will sie besitzen und sie kosten und zu meinem Eigentum machen. Und ja, ich will Kellin tot sehen und Reed, aber Alice ist mir egal. Von ihr will ich nur die süße Macht haben, die ich brauche. Ich will sie zerstören für all die Dinge, die sie mir angetan hat."
„Ich dir angetan?" Was hatte ich ihm angetan?
„Oh, darüber reden wir gleich", sagte er grimmig und sah zu seinen Leuten. „Passt auf sie alle auf! Versucht einer zu fliehen, tötet sie alle."
Er packte mich grob am Arm, zog mich zur Treppe und ich sah panisch zu meiner Familie, die nach mir schrie. Ich versuchte mir ihre Gesichter einzuprägen, auch wenn ich es nicht wollte. Ich wollte sie alle glücklich in Erinnerung behalten und nicht so. Nicht wenn sie Angst hatten, bedroht wurden, wenn sie jeden Moment sterben könnten.
Rowan führte mich geradewegs in Malias Zimmer, als wüsste er genau, wo dieses sich befand, und er ließ mich los. Einer seiner Männer war uns hier hinauf gefolgt, stellte sich mit dem Rücken zur Türe, um mich wohl notfalls aufzuhalten, falls ich rennen wollte. Ich würde nur nicht rennen können.
„Du wirst mich nun also töten."
„Oh, ich werde dich zertrümmern, mir alles an deiner Energie nehmen, was ich haben will, und dann töte ich dich", sagte Rowan. „Ich hatte anfangs gehofft, du könntest sie ersetzen, aber keiner kann sie ersetzen. Du bist nicht sie, Alice." Er lachte, als ob mein Name komisch wäre. „Soll ich dich denn so nennen? Du hast ja beinahe so viele Namen wie ich selbst."
„Was meinst du?"
„Oh, ich werde es dir zeigen. Ich werde dir alles zeigen, dir jede Frage beantworten, deinen Kopf in Staub verwandeln, so dass, falls du leben wirst, mich anflehst, dich umzubringen."
Ich sah ihn verschreckt an, war so weit im Zimmer zurückgewichen, wie ich nur konnte.
Innerlich schrie ich um Hilfe. Innerlich schrie ich nach Reed.
Wo bist du? Wo bist du? Wo bist du?
Er würde nicht rechtzeitig kommen.
Es war vermutlich besser so.
Er sollte nicht auch sterben.
Rowan nahm schmerzvoll mein Gesicht in seine Hände und ich dachte nur an Reed. Ich wollte nur an ihn denken. Wenn gleich mein Leben zerfällt, wollte ich nur an ihn denken,
In dem Moment spürte ich jedoch die Veränderung um Raum, die mich dazu veranlasste, meinen Blick von Rowans eiskalten Augen abzuwenden. Ich sah fort von ihm und sah beinahe ungläubig zu dem, was ich sah. Ich sah meine Rettung. Hinter der Wache schlich sie sich ins Zimmer und mein Mund klappte bei ihrem Anblick auf.
Da stand ich. Nur dass es nicht ich war. Sie stand da wie eine Gestalt meiner Halluzinationen. Ihr Haar viel länger als meines, gehüllt in einem weißen Kleid aus einer anderen Zeit und die Augen feste auf den Mann vor mir gerichtet, der ihre Anwesenheit ebenso spürte, ohne sie zu sehen, und gleichzeitig sprachen wir ihren Namen aus.
„Malia."
Wörter: 5727
Aloha :) Ein mieses Ende, tut mir leid, tut mir leid. Ich hoffe das Kapitel ist nicht ganz so miserabel geworden. Ich habe hier so viel ergänzt und gelöscht, dass ich etwas befürchte, es könnte verwirrend geworden sein, aber ich hatte ehrlich keine Lust es so schnell nochmal zu überarbeiten. Sonntag geht es weiter xx
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